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Higher Than Hope

Lasst die Spiele beginnen!
von

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Ein Traum

Ich laufe am Strand entlang, wie jeden Morgen. Es sind Ferien. Also kann ich praktisch tun und lassen, was ich will. Der Dunst des frühen Morgens liegt über dem Meer. Leise höre ich Wellen auf dem sandigen Ufer auflaufen. Ich liebe dieses Geräusch, wie auch den salzigen Geruch des Wassers. Die sanfte Brise, die mit meinem Haar spielt. Wenn ich allein am Meer bin, dann bin ich glücklich. Ich fühle mich frei. Und das sind seltene Augenblicke. Die muss man auskosten. Am Liebsten würde ich jedes Mal die Zeit anhalten, aber früher oder später geht das Leben weiter. Wenn der Tag erst richtig begonnen hat, wird es auf meinem geliebten Meer von Booten nur so wimmeln. Kinder werden nach Perlen und Muscheln tauchen. Die Fischer werden ihre Netze auswerfen und auf guten Fang hoffen. Wir sind Distrikt 4. Wir sind verantwortlich dafür, alle anderen mit Fisch und Meeresfrüchten zu versorgen. Wenn wir geboren werden, reiben sie und mit Meerwasser ein. Die See und wir, wir sind eins. Wenn wir sterben, äschern sie uns ein und verstreuen uns in alle vier Winde. Dabei stehen sie auf einem Schiffsdeck und sehen zu, wie die Asche sich kaum merklich auf die Wellen niederlegt, in der Hoffnung, dass unsere sterblichen Überreste an einen besseren Ort gelangen, als Panem es jemals sein könnte.

Ich laufe eine ganze Weile lang am Strand entlang, barfüßig natürlich. Wie denn auch sonst? Ich will den nassen Sand unter meinen Fußsohlen spüren, wie er sich an meiner Haut reibt und von dem ewigen Kommen und Gehen der Wellen fortgespült wird. Ab und zu stoßen meine Zehen gegen einen Stein, eine Muschel oder etwas Seetang. Ich muss lächeln. Hier gehöre ich her. Nirgends will ich lieber sein, als an meinem geliebten Meer.

Nachdem ich eine kleine Bucht erreicht habe, vergewissere ich mich, dass ich vollkommen allein bin. Langsam lasse ich mein kurzes, blaues Kleid auf den Sand fallen. Weit genug von den Wellen entfernt, dass sie es nicht mit sich in den Ozean ziehen können. Dann lasse ich meine Unterwäsche folgen. Seltsam, es fühlt sich nirgends so gut an, nackt zu sein, wie am Meer. Das Lächeln auf meinen Lippen wird breiter. Genüsslich setze ich Fuß vor Fuß, komme dem blauen Wasser immer näher. Es ist noch kühl. Erst, wenn die Sonne hoch am Himmel steht und auf Distrikt 4 brennt, wird es sich aufheizen. An manchen Tagen so sehr, dass es selbst um Mitternacht angenehm warm ist. In Vollmondnächten bin ich genauso gern hier. Das ist mein Platz. Meine kleine, geheime Zuflucht. Diese Bucht ist mein Geheimnis, mein zweites Zuhause. Nirgends kann ich mich so ungezwungen und frei bewegen, wie hier.

Endlich sind meine Füße von Wasser bedeckt. Langsam wate ich tiefer hinein, koste jede Sekunde aus. So ein Morgen ist wie ein Schatz. Man muss ihn im Gedächtnis bewahren. Ich kann nicht allzu oft herkommen und bis es wieder so weit ist, muss ich mich mit der Erinnerung an die Freiheit, die ich gerade empfinde, zufriedengeben. Das wird mir schwer fallen...

Als meine Hüfte im Wasser versinkt, stoße ich mich vom sandigen Untergrund ab. Mit langen, geschmeidigen Zügen durchpflüge ich die Wellen. Sie sind ganz sanft, denn es weht kaum Wind, der das Meer aufpeitschen könnte. Wohlig seufze ich auf. Viel zu lange hat mir dieses Schwimmen gefehlt. Es ist eine Schande, dass ich so selten Gelegenheit dazu habe. Aber was solls, so ist es nun mal. Das Leben, wie mein Großvater zu sagen pflegt, ist kein Wunschkonzert. Schade eigentlich.

Ich tauche ab, gebe mich ganz dem herrlich- kühlen Nass hin. Das ist meine Welt, mein zweites Heim. Silberne Fische witschen an mir vorbei, während ich mich Unterwasser bewege. Wie jedes Kind hier habe ich Schwimmen gelernt, bevor ich laufen konnte. Auch Tauchen macht mir keine Schwierigkeiten. Eher im Gegenteil. Ich liebe es mindestens so sehr, wie ich das Schwimmen mag.

Nach einer Strecke von ungefähr 100 Metern, die ich denn doch größtenteils über Wasser zurückgelegt habe, erreiche ich mehrere Felsen, die den Eingang der Bucht bewachen. So kommt es mir zumindest vor. Ich ziehe mich auf einen der Steine, klettere dann aber auf den Höchsten von ihnen, um mich von der mittlerweile aufgegangenen Sonne ein wenig trocknen zu lassen. Mein Haar drapiere ich dabei so über meinen Oberkörper, dass man nicht erkennen kann, was darunter verborgen ist. Reine Vorsichtsmaßnahme, falls doch mal jemand vorbei kommen sollte. Jetzt bin ich da, wo ich hingehöre. Ich schließe meine Augen, lasse mich von den goldenen, aber noch schwachen Strahlen der Morgensonne wärmen. Und sobald ich in der richtigen Stimmung bin, werde ich anfangen, zu singen. Wie das Meermädchen in der Geschichte, die mein Großvater mir so oft erzählt hat, als ich noch klein war. Nur, dass sie damit die Seemänner in sich verliebt machte. Ich hingegen, ich singe, um mich am Klang der Töne zu erfreuen. Musik ist etwas so Wundervolles. Und leider auch so seltenes. Wenigstens in Distrikt 4. Im Kapitol, da haben sie mehr davon, als sie vertragen können, dessen bin ich mir fast sicher.
 

Wie lange ich auf meinem Fels sitze, die Sonne genieße und so vor mich hinsinge, weiß ich nicht. Mein Zeitgefühl ist grauenhaft. Drei Stunden können mir auch vorkommen, wie drei Minuten. Meine Mutter ärgert sich regelmäßig über mich, weil ich so oft die Welt um mich herum vergesse und in Träumereien versinke. Etwas anderes bleibt mir auch kaum übrig. Das Leben in Panem kann so unglaublich deprimierend sein.

Ein plötzlicher Schrei lässt mich zusammenfahren. Rasch schlage ich meine Augen auf und muss blinzeln. Die Sonne blendet mich. Wieder schreit jemand. Hektisch blicke ich mich um. Zunächst kann ich nichts entdecken, doch dann. Eine Hand, etwas Rotes, ein wenig kupferfarben, blitzt im hellen Licht der Sonne auf. Im Bruchteil einer Sekunde habe ich meine Entscheidung gefällt. Ich rappele mich auf, nur um dann mit einem eleganten Kopfsprung ins Meer einzutauchen. Man kann doch niemanden ertrinken lassen!

Als ich wieder an die Oberfläche komme, muss ich mich kurz orientieren. Das Schreien ist jetzt zu einem Gurgeln geworden. So schnell ich eben kann, schwimme ich in die Richtung, aus der die Geräusche kommen. Jedoch kommt es mir vor, als ob ich kaum vorwärts komme. Das Wasser ist plötzlich so schwer und droht, mich zu erdrücken. Es wird so dunkel auf einmal. Ich hebe den Kopf zum Himmel. Schwere, schwarze Wolken sind aufgezogen. Keine Spur mehr von dem herrlichen Sommerwetter, welches bis eben vorgeherrscht hatte. Auch das noch. Einen Sturm kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Ich muss doch den armen Menschen retten!

Es hat keinen Zweck. Ich komme und komme nicht voran. Mittlerweile ist das Geschrei verstummt. Offensichtlich hat der Ertrinkende aufgegeben. Er kämpft nicht mehr. Eigentlich könnte ich genauso gut umkehren und ihn seinem Schicksal überlassen. Aber will ich das?

Nein, mache ich mir klar, das ist ein zu hoher Preis. Ich würde mir nie wieder ins Gesicht schauen können, wenn ich jetzt diesen Menschen im Stich ließe. Verbissen kämpfe ich weiter gegen die Wassermassen an. Irgendwie werde ich es schaffen! Es muss einfach gehen! Wenn ich doch nur Flossen hätte! Dann käme ich viel schneller voran und es wäre noch nicht zu spät...

Als ob allein der Gedanke genügt hätte, spüre ich eine Veränderung. Meine Beine sind ganz schwer und jetzt fühlt es sich nicht mehr an wie sie. Ich wage einen Blick auf meinen Unterleib. Und tatsächlich, dort, wo bis eben noch meine bleichen, kurzen Beine schwebten, ist nun ein langer, eleganter, aber auch ziemlich schwerer, silbriger Fischschwanz. Fast jauchze ich vor Freude auf. Der Fremde ist gerettet.
 

Mit raschen Schwimmzügen habe ich den bedauernswerten Jungen erreicht. Er schwebt schon knapp unter der Wasseroberfläche, die Augen weit aufgerissen. Ich schnappe ihn mir so, wie man es mir in der Schule beigebracht habe und zerre ihn dann höher, bis wir wieder frische, salzige Luft atmen. So schnell ich nur kann, bugsiere ich meine Last an den Strand. Es dauert doch eine Weile, da ich ziemlich weit raus schwimmen musste, ehe ich den Jungen erreicht hatte. Endlich bin ich dort. Es kostet mich ein wenig Anstrengung, ihn auf den Sand zu wuchten und zwar außer Reichweite der hungrigen Wellen. Sanft streiche ich ihm eine tropfnasse, tiefrote Haarsträhne aus der Stirn. Er erinnert mich beinahe an Finnick, der einmal die Hungerspiele gewonnen hat. Das ist noch gar nicht so lange her. Höchstens vier Jahre. Mir fällt auf, wie blass der Junge ist, den ich gerettet habe. Aber er ist auch ziemlich muskulös. Und sehr hübsch. Seine Haut ist weich, genau wie seine Haare. Er hat eine Unmenge Sommersprossen, aber das gefällt mir gut. Sehr gut sogar. So einen attraktiven Burschen habe ich noch nie zuvor gesehen. Dabei laufen in Distrikt 4 eine Menge gutaussehender Jungs rum. Ich muss lächeln. Der kommt nicht von hier. Aber woher sonst, das vermag ich nicht zu sagen. Gerade, als ich mich frage, wie lange ich darauf warten soll, dass er aufwacht, nimmt er mir die Entscheidung ab, indem er seine Augen aufschlägt. Sie sind von einem grün, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Ein wenig grau ist darin untergemischt. Bevor ich irgendetwas sagen kann, spüre ich einen Sog. Und das letzte, was ich sehe, ist das Lächeln des fremden Jungen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -sho-yume-
2011-01-09T15:22:12+00:00 09.01.2011 16:22
Ich sage nur eins zum Gesamten: Schreib auf jeden Fall weiter, das ist nämlich richtig spannend und fesselnd, finde ich =D
Von:  PoS
2011-01-01T07:31:07+00:00 01.01.2011 08:31
Interessant!


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