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Seven years from now

von

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Distanz

" And I don’t want you to think that I care

I never would

I never could

Again

Why can’t you just love her?

Why be such a monster?

You bully from a distance

Your brain needs some assistance
 

But I’ll still take all the blame

'Cause you and me are both one and the same

And it's driving me mad

And it's driving me mad

I’ll take back all the things that I said

I didn't realise I was always talking to the living dead"

(Muse - Escape)
 

Als Touya aufsah, starrten ihn alle an; die Jungs schienen nicht so recht zu wissen, was sie sagen sollten, während Shindo fast entgeistert wirkte.

"Man kann sich einfach so Urlaub nehmen im Institut?" fragte Haru überrascht und vergaß für kurze Zeit, dass er ja immer eher kühl Touya gegenüber war.

"Jap, kein Problem", meinte Touya. "Vorausgesetzt man hat bereits einen gewissen Status erreicht", fügte er zwinkernd hinzu. Shindo hatte sich mittlerweile wieder gefangen – Touya fragte sich sowieso, warum der andere so komisch reagiert hatte, schließlich hatte er doch vorher schon von Touyas Plänen gewusst – und wünschte ihm viel Spaß.

Der Abflug war nur noch einen Monat entfernt, aber in letzter Zeit hatte Touya sowieso nur von Tag zu Tag gelebt, also galt es erstmal, seinen Geburtstag mit den anderen zu feiern. Touya hatte lange überlegt, was er mit ihnen unternehmen konnte, möglichst etwas, das ihn nicht an Ayumi erinnerte, aber Trinken gehen wollte er auch nicht – am Ende war er zu dem Entschluss gekommen, mit seinen Gästen Go zu spielen. Shindo hatte mit den Augen gerollt, aber auch nichts dagegen gehabt.

Touya plante, gegen alle gleichzeitig zu spielen, aber Shindo machte ihm einen gehörigen Strich durch die Rechnung, denn er würde nur ungeteilte Aufmerksamkeit akzeptieren. Er brauchte nie lange, um seinen nächsten Zug zu planen und machte sich einen Spaß daraus, Touya mit Zügen zu verwirren, bei denen er besonders lange nachdenken musste. Touya gab nach nur zehn Minuten auf und stimmte einer loseren Runde zu, bei der er zuerst gegen Shindo spielte.

Der andere wirkte nicht glücklich mit Touyas Entscheidung, gleich fast zwei Wochen in Korea zu bleiben; der Ouza konnte es in den aggressiven Zügen sehen, die ab und zu durchbrachen.

"Was ist denn los?" murmelte Touya nach der Hälfte, als Shindo gerade einen Zug ausführte, der unnötig impulsiv war.

"Ich weiß nicht..." erwiderte Shindo und hielt den Blick gesenkt. Die Jungs konnten sie hören, deswegen wollte er nicht so recht damit herausrücken, aber schließlich tat er es doch. "Du hast mir doch versprochen, dass wir... also..."

Touya verdrehte die Augen. Warum war Shindo so verdammt besessen von diesem Gedanken? Er dachte, mit seiner letzten Aussage hatte er dem endlich einen Riegel vorgeschoben, aber irgendetwas schien den Meijin immer noch an diesem Gedanken festhalten zu lassen. "Man, Shindo", stieß er entnervt aus. "Du wirst schon wissen, wenn es soweit ist, okay? Und jetzt reiß dich mal etwas zusammen, sonst gewinne ich am linken unteren Stern und damit auch die Partie."

~x~

Touya war froh, Japan hinter sich lassen zu können.

Er saß im Flieger, der gerade auf der Landebahn in Seoul aufschlug – besser konnte Touya es zumindest nicht bezeichnen – seine Hände waren schweißnass und er hatte den ganzen Flug lang kein Auge zugetan, obwohl er bis zu seinem Abflug um fünf nicht geschlafen hatte. Er hatte Shindo überredet, ihn nicht zum Flughafen zu fahren und stattdessen ein Taxi genommen.

Auf wackligen Beinen stolperte er wenige Minuten später aus dem Flieger und das Gateway entlang. Es war nach sieben, noch war die Sonne nicht aufgegangen, aber der Himmel war bereits hell. Bei der Kofferausgabe wartete Yongha auf ihn und umarmte ihn stürmisch beim Wiedersehen.

"Touya! Es ist toll, dass du hier bist! Jian freut sich riesig, dich kennenzulernen", plapperte Yongha ungewohnt redselig los. In den Wochen zuvor hatten sie sich fast täglich Mails geschrieben und auch Touya freute sich, Yongha wiederzusehen, obwohl er sich wünschte, der andere würde sich etwas beruhigen, weil er unnötig viel Aufsehen am Flughafen erregte.

Im Auto versiegte Yonghas Redefluss schließlich, vermutlich, weil Touya nie etwas erwiderte.

"Warum hast du Shindo nicht eingeladen?" fragte er nach einer Weile des Schweigens. Yongha war wie Shindo ein unruhiger und rasanter Autofahrer, bei dem Touya sich alles andere als sicher fühlte.

"Weil ich dich... im Moment interessanter finde", kam nach langer Zeit die Antwort, über die Yongha anscheinend wirklich nachgedacht hatte. Touya erwiderte nichts sondern starrte aus dem Fenster. Korea sah nett aus, vor allem, bevor die Menschen erwachten und ihre Häuser verließen. Ruhiger und weniger bunt als Tokyo, so kam es ihm jetzt zumindest vor. Er war erst viermal im Land gewesen.

"Wir sind da", informierte Yongha ihn gerade, als er auf einen Parkplatz einbog. Sie hielten vor einem Wolkenkratzer, der recht luxuriös aussah; auch die Autos, die bereitstanden, waren eher vom Kaliber Sportwagen als Kleinwagen. Yongha nahm Touyas Tasche und ging dann ihm voran zum Hochhaus. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl, in dem auf dem Weg nach oben ziemlich nervige Musik dudelte, bis in den fünfzehnten Stock.

Die Wohnung war weiträumig und hell und zeigte eindeutig Spuren weiblichen Lebens, denn egal, wie viel Geschmack Yongha bei der Wahl von Anzügen bewies, die Einrichtung war nochmal auf einem ganz neuen Level von ‚stilvoll‘. Touya, dem Shindo solchen Geschmack ja selbst immer absprach, sah sich staunend und bewundernd um.

Vom Ende des Flurs her trat eine junge Frau in den Gang und kam langsam auf sie zu.

"Ah, Touya, das ist meine Verlobte. Jian, das ist Touya Akira." Wenn man Yongha so hörte, konnte man fast meinen, er hätte sich Manieren beibringen lassen... Touya lächelte die Frau an und verneigte sich vor ihr.

"Sehr erfreut", meinte er auf Koreanisch. Ein bisschen schwermütig fühlte er sich. Eine Verlobte hätte er auch gehabt, fast. Aber das war nicht der Augenblick, wieder in die alten Depressionen zurückzufallen, dachte er und nahm sich zusammen. Jian war schmal und klein, kleiner noch als Ayumi, sie hatte blonde Ringellocken, die ihr kaum bis auf die Schultern reichten. Ihre karamellfarbenen Augen wirkten verträumt und so, als sei sie gerade ganz woanders in Gedanken.

"Willkommen in Korea, Touya-san", murmelte sie und verzog ihr Gesicht, sodass es fast wie ein Lächeln aussah. Das schien sie nicht oft zu tun.

"Dankeschön."

"Komm", meinte Yongha und deutete auf eine Tür links vom Wohnzimmer. "Ich zeige dir das Gästezimmer."

Touya blieb an seinem Platz stehen und räusperte sich, bevor er sprach. "Ich habe ein Hotelzimmer genommen. Shindo wäre vermutlich ziemlich sauer, wenn ich hier bei euch bleibe, er ist jetzt schon eifersüchtig." Er lächelte leicht und Yongha sah ihn zögernd an, bevor er die Tasche wieder abstellte.

"Gut", meinte der Koreaner langsam. "Okay. Gut. Jian ist sowieso keine gute Köchin." Sie ging an ihm vorbei und stieß ihn hart gegen die Schulter, doch er verzog keine Miene. Yongha schien eine Weile zu überlegen. Wenn er still war und nachdenklich auf den Boden sah, wirkte er wieder wie ein unnahbarer Schönling, genau wie früher, dachte Touya. Doch ein bisschen erwachsener war er schon geworden, obwohl er immer noch einen Hang dazu hatte, andere zu provozieren.

Sie beschlossen, ins koreanische Go-Institut zu fahren. Touyas Hotelzimmer war erst ab elf beziehbar, im Institut konnten sie solange die Zeit totschlagen. Später wollten sie zu einer Ausstellung, in der auch einige von Jians Werken gezeigt wurden. Die junge Frau weigerte sich, Touya die Bilder zu zeigen, an denen sie gerade in ihrem Atelier arbeitete. "Frauen", hatte Yongha augenrollend gemeint.

Touya mochte es im Institut. Es war nicht so steril wie das japanische, die Räume waren heller und offener. Als sie eintrafen, liefen ihnen schon geschäftig junge Go-Spieler entgegen, die zum Getränkeautomaten und dann zurück in einen der Räume stürmten. Yongha erklärte ihm, dass die koreanischen Insei viel mehr Zeit im Institut verbrachten als die japanischen. Sie waren fast jeden Tag vor Ort und so waren ihre Gruppen fast wie Familien, weil sie sich oft sahen und untereinander gut kannten. Er selbst war kein Insei gewesen, aber Hong hatte noch einige Freunde aus der Zeit damals.

Sie sahen den jungen Koreanern zu, wie sie ihre Plätze vor den Goban einnahmen und ihre Partien begannen. Touya sah in ihren Gesichtern die gleiche Liebe zum Spiel wie bei den Pros, die er kannte. Yongha langweilte sich, er interessierte sich nicht für die Insei, die ihm noch nicht in der Pro-Welt gegenüberstehen konnten, also zog er Touya schließlich weiter.

Er zeigte ihm die verschiedenen Räume, erklärte, welche Partien dort meist ausgetragen wurden. Im Institut hingen auch die Zeitpläne der eingeschriebenen Pros aus, eine durchaus praktische Einrichtung. Yongha hatte mittags eine Partie, danach würden sie zu der Ausstellung gehen.

Gegen halb elf nahm Touya sich ein Taxi, wobei er Yonghas ausdrückliches Angebot, ihn zum Hotel zu fahren, ablehnte. Er brauchte etwas Ruhe und Zeit für sich. Er war extra nach Korea gekommen, um Abstand zu bekommen, vor allem von Shindo, da konnte er es auch nicht ab, statt Shindo nun Yongha als ständigen Begleiter zu haben.

Er checkte ein und brachte seinen Koffer auf sein Zimmer. Es war ein recht luxuriöses Hotelzimmer, auf dem Schreibtisch standen Wasser und Obst bereit, das breite Bett wirkte weich und einladend, alles lud ihn dazu ein, länger zu bleiben, also gab Touya nach und sah sich weiter um. Im Bad fand er eine ebenerdige Badewanne, die etwa so groß war wie sein Bett.

Er pfiff leise. Ein Bad konnte er noch nehmen, immerhin hatte er einen Flug und viel Autofahren hinter sich. Handtücher lagen bereits daneben, also musste er nur das Wasser aufdrehen. Während sich das Becken füllte, schlüpfte er aus seinen Sachen, die er achtlos am Rand liegen ließ, und stieg über drei marmorne Stufen ins Wasser, das ihn warm und angenehm empfing.

Touya lächelte zufrieden in sich hinein, während er sich von der Wärme umschmeicheln ließ. Genau das hatte er gewollt. Ruhe. Einsamkeit. Das war genau das Richtige.

Gerade, als er langsam tiefer sank, klingelte sein Telefon. Shindo war die einzige Person, die einen individuellen Klingelton hatte und das auch nur, weil er es selbst so eingestellt hatte. Touya seufzte und ließ sich gemächlich zu dem Rand treiben, an dem seine Sachen lagen. Vielleicht gab Shindo ja in der Zwischenzeit auf. Fehlanzeige, natürlich.

"Ja?" beantwortete er den Anruf.

"Du lebst noch!" hörte er Shindos Stimme, gemeinsam mit einem statischen Knistern in der Leitung.

"Natürlich lebe ich noch, Shindo. Korea ist sicherer als Japan." Er gähnte leise in sich hinein und fragte sich, ob er den Tag ohne Schlaf überstehen würde. "Was ist los?"

"Nichts. Ich wollte nur hören, wie es dir geht. Ob Yongha vergessen hat, dich abzuholen und ob dir schon was geklaut wurde."

"Mir geht es gut, Shindo. Yongha war pünktlich dort und ich nehme gerade ein Bad. Das Hotelzimmer ist auch gut. Bald gehe ich wieder zum Institut und nach seiner Partie gehen wir in eine Ausstellung."

Shindo war eine Weile leise und Touya hörte es nur gelegentlich knistern und knacken. "Super. Das ist... schön. Na gut, dann... meld dich bald mal wieder."

"Ich bin nur zehn Tage weg, das wirst du schon aushalten", murmelte Touya verschlafen. Shindo wirkte nicht begeistert und verabschiedete sich schmollend. Touya legte das Handy auf den Stapel seiner Sachen und ließ sich seufzend tiefer zurück ins Wasser gleiten. Wie sollte er Japan vergessen, wenn es ihn immer wieder einholte?

~x~

"Das ist also eines ihrer Bilder?" fragte Touya und legte den Kopf etwas schief. Es war... eigenwillig. Er fand es nicht so schlecht wie Yongha, als er sie in ihrer ersten Ausstellung lauthals kritisiert hatte, es hatte durchaus etwas Interessantes, aber spontan konnte er nicht sagen, was auf dem Bild zu sehen war.

Jian trat zu ihnen und legte ihrem Verlobten vorsichtig eine Hand auf den Arm. Die Geste wirkte sehr vertraut, gerade weil sie so schüchtern war.

Touya erkannte plötzlich, was auf dem Bild war. Es war Yonghas Hand mit einem Go-Stein. Abstrakt und farblich ganz anders interpretiert, aber das war es. Er fragte sich, ob Yongha sich dessen bewusst war, entschied sich aber, ihn nicht zu fragen.

"Wie viel kostet dieses Bild?" fragte Touya Jian. Sie sah überrascht auf und ihre Karamellaugen wirkten wieder abgelenkt. Sie betrachtete kurz das Bild und erwiderte dann: "Das ist schon verkauft. Wenn du möchtest, male ich dir ein anderes."

Touya hob die Hände. "Oh nein, so ein Aufwand soll es nicht sein. Vielleicht hole ich mir einfach einen Print davon. Es würde sehr gut in meine Wohnung passen."

Sie nahm eine seiner Hände. Ihre Finger waren schmal und kühl, auf ihrem Gesicht zeigte sich ein vorsichtiges Lächeln. "Du bekommst ein neues Bild. Aber es wird etwas dauern."

"Danke", meinte er verdutzt. Yongha grinste ihn breit an, nicht unbedingt die Reaktion, die Touya erwartet hätte, wenn seine Verlobte die Hand eines anderen umklammerte. Aber anscheinend bedeutete es, dass er unerwartet Jians Vertrauen errungen hatte. Hinter sich hörte er eine leise Diskussion über eines der anderen Bilder und die junge Frau horchte ebenfalls auf, bevor sie seine Hand losließ und zu den beiden Herren ging, die sich gerade über ihr Bild unterhielten.

Yongha stellte sich neben ihn und flüsterte: "Du erkennst, was da drauf ist?"

Touya lachte leise. "Du weißt es nicht?"

"Doch, sie hat es mir gesagt. Ich sehe trotzdem nichts. Aber wenn du es siehst, muss es ja doch da sein." Yongha verdrehte die Augen. "Naja, ich verstehe sowieso nichts von dem ganzen Gemale. Ihre Bilder sind schön und so, und sie bringen auch nicht wenig ein, aber wieso kann man einen Kreis nicht einfach als Kreis malen? Kunst ist echt nicht mein Ding."

Touya lächelte und betrachtete weiter das Bild. Es war wie eines von diesen Rätselbildern: sobald man den Inhalt erkannt hatte, konnte man ihn einfach nicht mehr nicht sehen. "Shindo könnte auch nichts damit anfangen", erwiderte er und musste breiter lächeln. Zwei Banausen unter sich, das wären sie.

Sie verließen die Ausstellung nach fast zwei Stunden. Touya hatte noch einige andere Bilder von Jian gesehen, aber nicht alle hatten sich ihm erschlossen. Er fragte sich, was sie für ihn malen würde. Das Paar bestand darauf, ihn in ein Restaurant einzuladen, und gemeinsam gingen sie einige Blocks von ihrer Wohnung entfernt in einen koreanischen Laden, in dem Touyas Begleiter schon bekannt zu sein schienen.

Da er nicht viel Ahnung von der koreanischen Küche hatte – die sich allerdings von der japanischen nicht allzu sehr unterschied, erklärte Yongha – bestellte er das gleiche wie der andere Go-Spieler.

"Du hast jetzt also beide deiner Titel verteidigt", begann Yongha das Gespräch, während sie auf ihre Speisen warteten. Der Koreaner hantierte gedankenverloren mit den Stäbchen herum.

"Jep. Jetzt ist erstmal nicht viel zu tun bei uns. Für die nächsten Titel habe ich noch keine großen Ambitionen, muss ich zugeben. Shindo hat seinen auch schon verteidigt, den kann ich ihm also auch nicht streitig machen."

"Wer ist dieser Shindo?" fragte Jian plötzlich. Touya sah sie verwundert an. Zum einen, weil sie beim Thema Go immer abzuschalten schien, zum anderen, weil es ihn verwunderte, dass Yongha anscheinend nichts über Shindo erzählt hatte.

"Er ist auch ein Pro, wir haben Yongha damals gemeinsam kennengelernt, vor über sieben Jahren... Man könnte sagen, Yongha hat ihn damals bis aufs Blut gereizt." Dieser grinste breit und schien sich zurückzuerinnern. Jian legte nur den Kopf schief und versank wieder in Schweigen.

~x~

Der Abend verlief angenehm. Yongha erzählte von der koreanischen Go-Welt und als es Jian zu langweilig wurde, lenkte sie das Thema auf andere Dinge, bei denen sie auch mitreden konnte. Touya hatte das Gefühl, sein koreanisch verbessere sich mit jeder Minute ihres Gespräches.

Die junge Frau war überraschend aufgeschlossen, ihre Schüchternheit schien sie bereits abgelegt zu haben. Sie und Yongha wirkten sehr harmonisch und Touya freute sich innerlich schon auf die Hochzeit, die für April angesetzt war.

Vor dem Restaurant trennten sie sich und Touya versuchte, das Hotel zu Fuß zu finden. Nach einer Stunde gab er auf und nahm sich wieder ein Taxi, nur um festzustellen, dass er eine Stunde lang in die falsche Richtung gelaufen war.

Im Hotel angekommen entschied er, sich an die Bar zu begeben. Der Barkeeper war ein junger Koreaner im Anzug, der eher demotiviert dreinblickte. Touya setzte sich an den Tresen und ließ den jungen Mann entscheiden, welchen Drink er servieren würde. Er bekam einen Old Fashioned und fragte sich, ob das irgendein Hinweis sein sollte. Nicht, dass es ihn wirklich interessierte.

Touya genoss die Zeit alleine, ohne den Barkeeper weiter zu beschäftigen. Er drehte das Cocktailglas zwischen den Fingern und dachte über Ayumi und die geplatzte Verlobung nach. Den Ring hatte er noch. Er könnte ihn umtauschen, aber das wäre auch nur Verdrängung der Tatsachen, redete er sich ein. Es würde für ihn keine Frau mehr geben, die er so sehr liebte.

Touya lächelte in sich hinein. Er war vierundzwanzig und schon so verbittert. Klasse. Oder 'ganz großes Kino', wie Shindo sagen würde.

Jian hatte angemerkt, dass Touya ziemlich viel von Shindo redete. Auch Yongha hatte irgendwann genug gehabt und gemeint, er solle endlich nicht mehr von Shindo reden oder eben wieder nach Japan fliegen. Dabei war es ihm nicht so vorgekommen, als hätte er den anderen Pro so oft erwähnt.

Er nahm einen Schluck von dem Getränk. Entgegen seiner Erwartung schmeckte es ihm. Der junge Koreaner schien tatsächlich Ahnung zu haben von seinem Metier. Oder aber es war einfach leicht, ihm einen passenden Drink zu mixen, denn Shindo lag ja auch immer richtig mit seinen Bestellungen.

Da, schon wieder Shindo. Er seufzte. Es würde besser werden, wenn sie nicht mehr miteinander telefonierten.

~x~

Die Urlaubstage vergingen viel zu schnell. Er verbrachte die Tage im koreanischen Institut, traf andere koreanische Pros, verbesserte seine Sprachkenntnisse und ging abends meistens mit Yongha und Jian essen.

Erst nach einigen Tagen traf er Hong Suyong und nutzte die Gelegenheit für eine Partie.

Das koreanische Institut gefiel ihm gut. Nach kurzer Zeit kannten ihn die Pros und Insei bereits, wer Zeit hatte, spielte eine Partie mit ihm, und er lernte sogar zwei Titelträger kennen, die ihn zum Mittag einluden. Sie waren älter als Shindo und er, und sie waren nicht gut auf Yongha zu sprechen, der ihrer beider Titel anstrebte.

Die Zeit in Korea war so interessant, dass er es kaum glauben wollte, als er am Morgen des vorletzten Tages aufwachte. Shindo und er hatten tatsächlich seit seinem zweiten Tag nicht mehr telefoniert und er hatte fast gar nicht mehr an Shindo, Japan, Ayumi und all das Zurückgelassene gedacht.

An diesem Tag hatte sich Yongha extra freigenommen, damit sie zum ersten Mal etwas Sightseeing in Seoul machen konnten. Sie fingen mit Tempeln an, gefolgt von den fünf erhaltenen Palästen in der Stadt und flanierten schließlich durch das modernste Viertel, in dem Yongha ihm etwas zur aktuellen Architektur erklärte.

Sie waren fast den ganzen Tag unterwegs, erst als die Sonne sich bereits wieder senkte ließen sie sich für einen Kaffee in einem Coffeeshop nieder. Es war mittlerweile so kalt draußen, dass Touya seine Finger schon seit über einer Stunde nicht mehr spüren konnte. Yongha musste ihm den Kaffeebecher tragen, weil er seine Hand nicht dazu bringen konnte, danach zu greifen.

Nach einigen Minuten, in denen er die Finger um den Pappbecher geschlungen hatte, wurde ihm wieder warm und das Gefühl kam kribbelnd in seine Hände zurück.

"Morgen geht der Flieger", murmelte Yongha und wirkte fast etwas traurig. Er hatte die Zeit genossen, die er mit Touya verbracht hatte. Er schien keinen engen Freund in Korea zu haben, mit dem er sich häufig traf und gegen den er oft spielen konnte, so wie Shindo und Touya es in Japan taten. "Hat es dir hier gefallen?"

Er lächelte den Koreaner an. "Sehr sogar. Es gefällt mir fast besser als in Tokyo."

"Du kannst jederzeit wiederkommen."

"Ich glaube, das werde ich auch", erwiderte Touya. Er fühlte sich ein bisschen ausgelaugt und leer, aber auch glücklich. Er hatte so wenig an Japan gedacht, dass er auch fast vergessen hatte, dass sein Flieger schon am nächsten Tag gebucht war. Er könnte den Urlaub verlängern, dachte er bei sich. Aber nein, lieber käme er bald wieder.

Um sieben gingen sie gemeinsam mit Jian ins Theater, in dem ein Stück mit traditionellem Tanz vorgeführt wurde. Auch Jian war ihm ziemlich ans Herz gewachsen, mit ihrer ruhigen, etwas seltsamen Art, und das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn an diesem Abend war sie es, die darauf bestand, dass sie noch zusammen in eine Bar und dann ins Kino gingen.

Er war erst weit nach drei Uhr wieder im Hotel und entschied sich diesmal, dem Barkeeper, der ihn mittlerweile namentlich kannte, keinen Besuch abzustatten.

Auf seinem Zimmer streckte er sich in dem großen Bett aus, hatte aber das Gefühl, längst nicht schlafen zu können. Er war innerlich unruhig und fühlte sich schon seit einer Weile wieder leer und rastlos.

Er wusste, was das bedeutete, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Dieses Gefühl war angewachsen, seit er nicht mehr mit Shindo telefoniert hatte und seit er sich einredete, Japan nicht mehr zu brauchen.

Sein Herz zog sich unangenehm zusammen und erinnerte ihn daran, dass er sich zur Hälfte selbst belog. Er vermisste Japan nicht.

Aber er vermisste Shindo ganz fürchterlich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rebi-chan
2011-02-26T14:48:45+00:00 26.02.2011 15:48
*Hika zusammenfalt und in Akis Tasche steck*
Jetzt vermisst er ihn auch noch... Na wenn das nix wird, dann will ich nimmer Rebi heißen XDD

Hm, also wenn ich mich da an meinen Flug von Osaka rüber nach Seoul erinnere... Meiner war nich so schlimm XD Ich weiß nicht, was Aki eigentlich hat XD Flugangst? xDD Oder einfach nur ne Klapperkiste erwischt? o.o

Aber ein sehr schönes Kapitel ^^ Auch wenn ich eher gedacht hätte, dass Jian ihn an Ayumi erinnern würde und er dadurch wieder depressiv wird... Aber ging ja gut. Gott sei Dank XD

Freue mich schon auf das nächste Kapitelchen *o*

LG Rebi-chan ^.^


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