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Weidenrute

Die Geschichte einer wundersamen Freundschaft
von

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Verbissen sah sie auf ihre Füße. Erst da stellte sie fest, dass sie nicht ihre eigenen Wanderschuhe trug, sondern unbequeme Halbschuhe, die sie sicher unbewusst im Auto angezogen hatte, das an jeder Ecke Schuhe in sich hatte, da ihre Mutter und besonders ihre Schwester vernarrt in diese Kleidungsstücke waren – typisch Frauen.

Dies kam ihr nun allerdings zu Gute, denn barfuss hätte sie hier nicht gehen mögen. Der Boden war uneben, voller Splitter, Stöckchen und Steine. Die Weidenrute als Wanderstock benutzend, schritt sie den Weg entgegengesetzt zur Straße weiter entlang. Dabei überlegte sie, wie sie nun weiter vorgehen sollte. Weil sie auch nach Stunden der Wanderung noch kein einziges Haus erblickt hatte, beschloss sie, dass es sicher besser wäre, sich ein anderes Dach über dem Kopf zu suchen.

Da regte sich der Stock in ihrer Hand, sie spürte Magie und ein Bewusstsein nach dem ihren tasten. Es wies sie auf die gefällten Birken hin, deren Stämme bereits von allen Ästen befreit waren und so eine wunderbare Grundlage für eine kleine Hütte lieferten. Die Magie, die von ihrem Stock ausging, lieferte ihr die Anleitung, nach der sie einen Stamm nach dem anderen an einer geschützten Stelle auf einem Seitenweg aufeinander legte. Die Arbeit an den eigenen vier Wänden stellte sich als schwieriger heraus, als gedacht. Immer wieder wackelte das unsichere Gerüst und sie musste hier ein Stöckchen zur Stabilisierung einfügen und dort einen Stamm verschieben.

Als die Wände ihr schon bis zur Hüfte reichten, hörte sie von links ein Auto auf dem „Hauptweg“ kommen. Heraus stieg ein Mann, der die Birkenstämme auf eine Ladefläche heben wollte. Die Magie flüsterte ihr zu Recht zu, dass der Mann die Bäume nicht hätte fällen dürfen. Dies wurde erst kürzlich in dem neuen Waldschutzgesetz bestimmt, das aber eigentlich allen bekannt sein sollte.

Schließlich wurde der Mann auf das ihn schon eine Weile beobachtende Mädchen aufmerksam und rief eine rüde Bemerkung zu ihm hinüber. Bevor er allerdings auf ihre Arbeit aufmerksam werden konnte, rief sie zurück:

„Wissen sie, dass Sie die Bäume nicht abhacken durften? Das Waldschutzgesetz verlangt, dass Sie für jeden Baum, den Sie fällen, einen jungen pflanzen müssen. Ich sehe hier aber keine Setzlinge. Also muss ich davon ausgehen, dass diese Birkenstämme unrechtmäßig gefällt wurden.“

Eingeschüchtert durch die Kenntnisse des Gesetzes und das Selbstbewusstsein des Mädchens, schüttete er die bereits aufgeladenen Stämme wieder von seinem Fahrzeug. Hernach ergriff der Mann ein wenig zu eilig die Flucht und würde alle anderen vor diesem Gebiet warnen.

So konnte die Hütte ungestört weiter bearbeitet werden. Als sich das Mädchen daran machte, eine Tür und ein Fenster irgendwie zu installieren, meldete sich die Magie wieder. Diesmal klang sie sehr belustigt über das Werk, sodass das Mädchen wütend wurde.

„Wenn dich meine Arbeit so amüsiert, hättest du es doch selber machen können!“, fauchte sie den Schatten an, der sich mittlerweile aus der Magie manifestiert hatte. Noch waren es nur schemenhafte Konturen, doch auch diese sollten sich nicht über das Mädchen lustig machen. Wie zur Antwort festigten sich die wackeligen Mauern, das Fenster bekam Glas und Fensterläden, die Tür eine magische Barriere gegen Eindringlinge und Kälte. Sogar der Himmel über dem Mädchen wurde durch ein schönes Dach von dem Haus ausgeschlossen.

Liebevoll nahm sie den Stab und drückte ihn an sich. So begannen in der trostlosen Landschaft wieder die Blumen zu blühen, vor dem kleinen Haus und an der Abzweigung zu der Seitenstraße des Mädchens.
 

Zufrieden wandte sich die Magie, auf seiner Ebene ein stattlicher Mann mit Zylinder, Frack und Gehstock, von der realen Ebene ab. Er wollte das Mädchen nun erst einmal für sich alleine lassen, durch die Arbeit an seiner eigenen Hütte hatte es viel gelernt und würde sich zu einem guten Menschen entwickeln. Diese Entwicklung würde er noch ein wenig weiter mitgestalten können, denn er war an die Weidenrute gebunden und musste ihrem Besitzer Gehorsam leisten.

Unvermittelt sah er sich einer weiblichen Magiegestalt gegenüber, die herablassend auf die Stelle der realen Welt blickte, die er soeben verlassen hatte.

„Warum hast du das gemacht? Sie hat dich nicht einmal erkannt, geschweige denn dir so etwas befohlen“, schnaubte sie. Sie meinte dabei die Führung, Anleitung und Hilfe beim Hausbau.

„Ich wollte, dass sie Blumen hat“, erwiderte er und blickte dabei liebevoll auf das blonde Mädchen, das vor der Tür der Hütte stand, den Weidenstock im Arm hielt und auf die Landschaft blickte.

Diese Blumen vor ihrem Haus blühten nur wegen ihres guten Herzens, das das Heim selber errichtet hatte und es nicht der Magie befohlen hatte.

Kopfschüttelnd wandte die weibliche Erscheinung der Magie sich ab. Sie entfernte sich von ihm, ging, wohin sie wollte und das machte ihm schmerzlich bewusst, dass sie noch nicht an einen Gegenstand der realen Welt gebunden war, sondern frei, ihre eigenen Entscheidungen zu leben. Zwar hatte er jetzt durch den Stock zu einem lieben Herrn gefunden, doch die Rute war launisch.
 

Sie hatte nun auch ein richtiges weiches Bett, was sie sehr freute. Es stand direkt hinter einer kleinen Kommode, in der noch nichts enthalten war. Seltsamerweise hatte die Magie auch ein Waschbecken und eine kleine Küche eingerichtet.

Die letzten Tage hatte sie von Beeren und kleinen Tieren gelebt, die sie schweren Herzens gefangen und gekocht hatte. Doch gelang es ihr immer seltener, in dieser unwirtlichen Gegend etwas zu Essen aufzutreiben. Glücklicher Weise musste sie sich um Trinkwasser keine Sorgen machen, das kam aus dem Wasserhahn.

Auf einmal klopfte es zuerst zaghaft an der Tür und ein schlanker, hoch gewachsener Mann mit Zylinder, Frack und feinem Gehstock trat in ihren einzigen Raum. Er versprühte dieselbe Aura wie die Magie des Stockes, weshalb sie ihm sofort traute und den einzigen Stuhl anbot, den sie besaß und der zwischen Herd und Waschbecken stand.

„Hallo“, begrüßte er sie freundlich. Einer weiteren Vorstellung bedurfte es nicht, sie hatte den Eindruck, ihn schon zu kennen.

„Wollen wir ein wenig gemeinsam spazieren gehen?“, schlug er vor.

„Ja, gerne. Aber die einzigen Schuhe, die ich habe, eignen sich nicht gut dazu…“, erklärte sie ein wenig vorwurfsvoll. Aus einem Impuls heraus durchsuchte sie ihre Tasche und fand zwischen ihrem Karate-Gi, einigen Wasserflaschen, dem Handtuch und ihren Halbschuhen die Wanderschuhe, von denen sie sicher war, dass sie sie vergessen hatte. Sie dankte der Magie des Stabes, zog die Schuhe an und bemerkte dann erst das glückliche Lächeln auf dem Gesicht des Mannes, als er sie betrachtete. „Wie ein Vater“, schoss es ihr durch den Kopf. Einer, den sie so nie gekannt hatte. Dies machte auch sie glücklich. Leider verflog der Moment so schnell wie die Glücklichkeit im Lächeln des Mannes.

„Ich möchte dir eine neue Stelle zeigen, an der viele Beeren wachsen. Hast du ein Behältnis, in dem du sie mitnehmen kannst?“, erkundigte er sich, schien aber keine positive Antwort zu erwarten, denn er holte eine Flasche mit einer roten, dickflüssigen Flüssigkeit hervor, die er mit Wasser verdünnte, in einen Becher schüttete und austrinken zu wollen schien. Schnell hatte sie jedoch ihre leere Glasflasche mit dem langen, aber dicken Hals und dem Stöpsel hervorgeholt.

„Sie müssen mir nicht Ihre Flasche geben, danke. Ich habe meine eigene!“, erklärte sie schnell, woraufhin wieder das glückliche Lächeln erschien, er die Flüssigkeit zurückschüttete und die Flasche wieder verstaute.

„Also, gehen wir?“, forderte er sie auf und verließ das Haus als erster. Sie schnappte sich noch ihren Stock aus der Ecke, in der er lehnte und folgte ihm dann. Er blickte leicht traurig über das angrenzende, kahle Feld.

„Zwei Wochen bin ich bei dir gewesen…“, seufzte er. Sie bemerkte erschrocken, dass ihr Stock nur noch halb so lang war, er schien sehr abgenutzt. Auf einmal wurde er zu einem dünnen Weidenzweig, der ungeduldig in ihrer Hand zappelte.

„Was ist mit ihm?“, fragte sie verzweifelt den Mann an ihrer Seite.

„Er will weg von dir“, kam die traurige Antwort, „wirf ihn auf den Boden, dann wird er sich dorthin bewegen, wohin er möchte und wieder zu einem Busch heranwachsen.“ „Und sich einen neuen Herren suchen“, fügte der Magiemann bedauernd in Gedanken hinzu.

Das Mädchen schenkte dem Stock gerne die Freiheit, auch wenn es über den Abschied mit Trauer erfüllt war. Sie warf den dünnen Zweig wie geheißen auf den Boden, doch schlug er dort nicht auf, sondern schraubte sich wie in einem Windstoß von der Erde hoch und verschwand dem kleinen Weg weg von der „Hauptstraße“ folgend.

Der Mann und das Mädchen wandten sich in dieselbe Richtung, denn dort wuchsen die Beeren. Aber der Mann konnte das Mädchen nicht mehr hinführen, denn der Weidenzweig hatte sich einen neuen Herrn gesucht und rief nach ihm, sodass er folgen musste.
 

Das Mädchen hatte die Beerenquelle auch alleine gefunden. Ein Jahr später hatte sich die trostlose Landschaft grundlegend geändert.

Der Einfluss der Magie war nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Die Umgebung um sie herum war in diesem einen Jahr zu einem blühenden, von Blüten überwältigten Gebiet geworden, das für seine Blumengärten bekannt war. Diese wurden von den ersten Siedlern, die die Fruchtbarkeit und der stille Duft nach Magie angelockt hatte, angelegt und kultiviert. Nun war aus diesen wenigen ersten Häusern eine Stadt herangewachsen, deren Bewohner den Reichtum genossen, die die Blumen ihnen brachten, und die doch nicht wussten, wem sie die Reinigung dieses Landes zu verdanken hatten.

Die kleine Magierin, von der das Land seine Fruchtbarkeit wiedererlangt hatte, lebte noch immer etwas außerhalb in der kleinen Hütte, deren Grundmauern sie selbst gezogen hatte. Sie verstand sich nun mit der Natur und den Tieren, sodass sie immer genug zu Essen hatte.

Sie lief den Weg zur Stadt, zu dem Stadtpark, der nur so von Blumen überquoll. Dort wollte sie sich mit ihren beiden einzigen Freunden treffen, einem Dieb und einer Diebin. Sie waren mit der Stadt gekommen und klauten Beeren aus den Gärten, um zu überleben. Alleine waren sie zu arm, um sich ein Haus mit Garten auch nur zur Miete leisten zu können. Und doch waren sie ehrlicher und weniger gierig als die anderen Menschen. Dies mochte sie an ihnen.

Vor dem Stadtpark lachten die Freunde zusammen und der Dieb erzählte seine neuesten Erlebnisse in einer komischen Weise. Er und die Diebin wussten wenig über die junge Magierin, doch hatte sie eine charmante Art und ehrliche, liebevolle Augen, die die beiden sofort in ihren Bann gezogen hatten.

Gerade als der Dieb zum Höhepunkt seiner Erzählung gekommen war, hörten sie Hundegebell und eine wütende Männerstimme. Sie gehörte dem Beerenfürsten, dem reichsten Mann in der Stadt. Der Dieb und die Diebin hatten bei ihm erst kürzlich ihr Mittagessen geholt, was anscheinend nicht unbemerkt geblieben war.

Der Beerenfürst zeigte erbost auf den Dieb.

„Da! Das ist er! Greift ihn euch und verschont das übrige Gesindel nicht!“, schrie er und ließ die Hunde los. Diese stürmten geifernd auf die überraschten Freunde zu, die in ihrem Schrecken zum Haus der Magierin flüchten wollten. Der Beerenfürst, der die Arbeit den Hunden überließ, ging pfeifend zu seinem Heim zurück.

Als sie den kleinen Seitenweg eingeschlagen hatten, war nur noch der stärkste Hund hinter ihnen, die anderen waren durch den Blütenduft, der mit der Magie der Hexe harmonierte, verwirrt worden und hatten die Spur so verloren. Die Magierin spürte das Näherkommen des Hundes und ließ sich auf alle Viere nieder, um so neben ihren Freunden her zu rennen. Sie bereitete sich auf eine seelische Metamorphose vor. Panisch riefen ihr die beiden Freunde zu:

„Kannst du nicht irgendwas machen?“

So erwachte der Hunde- und Rudelführerinstinkt. Die Magierin hatte sich die Mentalität eines Rudelhundes zugelegt, um ihrem Verfolger auf gleicher Augenhöhe gegenüber zu treten. Sie stieß ein Knurren aus, blieb mitten auf dem Weg stehen und stellte sich dem bellenden Hund entgegen. Überrascht blieben ihre Freunde, die nichts von ihren Fähigkeiten wussten, stehen.

Der Hund sah den neuen Herausforderer, doch war seine Wut von seinem grausamen Herrchen so weit angestachelt worden, dass er sich nicht von dem hundeartigen Verhalten aufhalten ließ und der Magierin an die Kehle springen wollte. Diese war zwar genauso groß wie er, bewahrte aber einen vergleichsweise kühlen Kopf und griff ihrerseits unter Knurren an.

In Rage bissen und schlugen die beiden um sich, doch wurde der wirkliche Hund öfter getroffen und hatte bald einige blutende Kratzer in seinem Fell. Erneut ging er auf die Schulter der Magierin los, die diese jedoch wegdrehte und dadurch seine Kehle mit ihren Zähnen erwischen konnte. Leider hatte sie noch immer ein Menschengebiss, sie war keine Gestaltwandlerin. So verursachte der Biss nur ein unangenehmes Gefühl und einen weiteren Kratzer. Der Hund versuchte jetzt, durch einen Ansturm von weiter hinten einen Vorteil zu erreichen, doch schnappte die Magierin dabei nach seinem empfindlichen Ohr und fügte ihm so eine ernstere Wunde zu.

Das war genug für den Hund und er floh fiepend und mit eingeklemmten Schwanz zu seinem Herrn zurück. Die Magierin bellte ihm hinterher, er solle nie wieder kommen.

Die Freunde liefen zum Haus der Magierin, die sich langsam wieder in die Gedankenwelt eines Menschen einfühlte.
 

Sie stand an dem metallenen, durch Schmiedewerk errichteten Gartentor zum Garten ihrer Eltern. Es wuchs eine gewaltige, blühende Rosenhecke zur Begrenzung um den Garten und innen standen Lilien, Osterglocken, Chrysanthemen und viele andere Blumen in all ihrer Pracht.

Ihr Vater brachte ihre Schwester mit einer Puppe in der Hand und in einem herrlich rosa-weißen Prinzessinnenkleid aus dem großen Haus in den kleinen Garten, setzte sie auf eine entzückende weiße Schaukel und schaukelte sie eine Weile damit. Dann kam ihre Mutter aus dem Haus, sprach etwas zu ihrem Mann und verschwand mit diesem wieder in dem Gebäude. Ihre Schwester spielte mit ihrer Puppe, blickte dann aber auf und sah zum Gartentor. Erfreut lief sie zu diesem und umgriff einen der Metallstäbe.

„Schwesterchen?“, fragte der schöne rote Mund in ihrem weißen feinden Gesicht, das in Freude erstrahlte. Sie musterte ihre Schwester genauer, doch dann verblasste das Lächeln und wich einer angeekelten Miene.

Die Magierin spürte, wie ihre Augen von schwarzen Rändern umrandet wurden, blickte betroffen auf ihre in schwarzen Ärmeln steckenden Hände und sah das Magiemännchen – nach all der Zeit! – wieder. Es war sehr klein geworden und hangelte sich in dem Schnörkelwerk im Zaun entlang. Sein Frack und der Zylinder waren nicht mehr elegant schwarz, sondern von einem Neidgelb. Es erreichte die Mitte des Tores, in dem sich ihre eigene Gestalt in einem weißen Kleid gänzlich aus Metall gearbeitet befand. Das Männchen stellte sich zu ihr und gemeinsam bildeten sie die vollendete Verzierung des Tores. Da wusste sie zweierlei, erstens, das Männchen ließ ihr Gesicht für die Schwester grausig aussehen und zweitens war dies ein Traum.

Trotz dieser Erkenntnis sah sie zu ihrer sich ekelnden, doch nicht von der Stelle weichenden Schwester und rief nach ihr.
 

Die Magierin war im Traum aus ihrem Bett gefallen und trommelte nun mit ihren Fäusten auf den festen Boden. Dabei rief sie immer und immer wieder:

„Schwester!!!“

„Hab ich dich!“, flüsterte der Mann im Frack, mit Zylinder und mit Gehstock. Ein böses Lächeln zog sich über sein Gesicht, doch tief in seinem Innern bedauerte etwas, dass er dieses Mädchen seinem Herren bringen musste. Während er durch das Fenster die sich auf dem Boden windende Magierin betrachtete, erwachten in ihm wieder die freundschaftlichen Erinnerungen an die einzigen zwei Wochen in seinem langen Leben, in denen er nicht ausgenutzt und herumkommandiert worden war, sondern respektiert und als gleichberechtigter Partner behandelt.

So erfüllte er nur bedauernd den zwingenden Auftrag seines Herrn. Er drang ungehindert durch die magische Barriere ein, von der er sich erinnerte, sie selbst erschaffen zu haben. Die in dem Albtraum gefangene Magierin hob er mit Leichtigkeit auf seine Schulter und trug sie zu seinem ungeduldig wartenden Herrn.
 

Später wurde er dazu gezwungen, Holz zu sammeln. In einem kleinen Wäldchen, dessen Bäume allesamt in Blüte standen und bereits Knospen für neue Blätter ausbildeten, war dies kein Problem, denn der Winter hatte einige Äste hernieder gefegt.

Aufgestapelt auf seinen Armen trug er Fuhre um Fuhre auf Befehl seines Herrn in dessen kleines Zimmer. Dort schichtete er es auf Geheiß fein säuberlich auf. Immer, wenn ein etwas dünnerer Ast unter den gesammelten hervorstach, zog er erschrocken sein Gesicht zurück, machte aber weiter. Die Magie zwang ihn dazu, auch wenn er wusste, dass er einen Scheiterhaufen für seine ehemalige Herrin bauen musste.

Zu guter Letzt musste er sie darauf legen. Mithilfe anderer magischer Erscheinungsformen, die er auf einen Marktplatz um diesen Scheiterhaufen auf der magischen Ebene rief, musste er ein Feuer anzünden, das genau den Wünschen seines Herrn entsprach. Bedauernd sah er auf die Gestalt seiner kleinen Freundin, die von den Flammen verschlungen wurde. Doch dann wurde er vom Besitzer des Weidenstocks gerufen.
 

Vor Schmerz erwachte sie. Das erste, was sie erblickte, war das durch regenbogenfarbene Flammen verzerrte Gesicht des Beerenfürsten. Er lag gemütlich auf einem großen Bett und betrachtete sie. Sie wollte aufstehen, stellte aber fest, dass sie dazu keine Kraft aufwenden konnte. Die regenbogenfarbenen Flammen, die aus dem kleinen Scheiterhaufen, der in diesem Zimmer unter ihr aufgeschichtet war, emporschossen, fügte ihr Schmerzen und Schwäche zu.

„Keine Angst, es verbrennt dich nicht zu Asche!“, kicherte der Beerenfürst, „vielleicht habe ich später noch Verwendung für dich, aber Hexen müssen brennen, nicht?“

Er rief einen für sie unverständlichen Namen und der Mann in Zylinder und Frack erschien in der Tür. Er ging zu dem Beerenfürsten und setzte sich auf das Nachtschränkchen am Ende des Bettes. Sein eleganter Gehstock fehlte.

Die Magierin spürte, dass es seine Magie war, die die Flammen nährte und sie gebunden hielt. Ungläubig starrte sie ihn an. Als er ihr das Gesicht zuwandte, erstarrte sie vor Schreck. Es war geschwollen und an vielen Stellen waren Spuren von Peitschenhieben zu sehen, einige frische bluteten sogar noch. Sie konnte die Qual in seinem Blick sehen, die ihre eigene bei weitem überstieg.

Seine Magie flüsterte ihr eine zaghafte Entschuldigung zu und die Erklärung, dass die Schläge mit dem Weidenzweig zugesetzt worden waren. Und zwar von niemand geringerem als dem Beerenfürsten, der jetzt Herr über den Zweig war. Entsetzt, da sie nun verstand, wenn sie dies auch nicht in Worte fassen konnte, wie er an den Zweig gebunden war, erkannte sie, dass dies für ihn besonders schmerzhaft war. Mitleid regte sich trotz ihrer Situation in ihr.

„Wo hast du die Rute hingelegt?“, fragte der Beerenfürst, der von dem stummen Verständnis zwischen den beiden nichts mitbekommen hatte.

„Dorthin, wo ich sie immer hinlege. Wie Ihr es befohlen habt“, antwortete er, die Narben und Wunden verschwanden, doch seine Stimme war monoton und grau.

„Gut. Du hast noch einiges zu tun“, beschied der Beerenfürst und verließ mit dem Mann im Schlepptau das Zimmer.

Das Feuer brannte weiter, war ihr Käfig und ihr Schmerz.



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