Zum Inhalt der Seite

Wolfsliebe

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ice' Geschichte

»Hör auf zu weinen.« Ice schaute voller Bitterkeit auf das Häuflein Elend, das einige Meter entfernt am Boden lag und so sehr weinte, wie er es noch nie erlebt hatte. Und sie ignorierte ihn, schluchzte eher noch lauter und er konnte es ihr nicht einmal verdenken. Sie wussten, dass Nea noch leben mochte, doch von den anderen hatten sie bisher nichts gehört und er zweifelte daran, dass sich daran noch etwas ändern würde. Würden sie leben, wären sie schon lange hier.

Er spürte einen dicken Tropfen auf der Haut und als er in den Himmel blickte, wurde ihm schnell klar, dass gleich ein regelrechter Wolkenbruch folgen musste. Er stand auf und ging zu Cinder hinüber.

»Komm, wir müssen irgendwohin, wo es trocken ist… und bleibt«, sprach er leise.

»Aber wozu?« Sie schaute ihn aus ihrem verquollenen, tränenverschmierten Gesicht an. Ja, warum eigentlich? Er überlegte einen Moment. Sie hatte einen Grund. Und er?

»Cinder, du musst an dein Kind denken«, meinte er schließlich.

»Wozu? Verdammt, Ice! Wozu? Wie soll es in so einer Welt leben? Wo Menschen sich gegenseitig jagen, wo man auf nichts anderes Rücksicht nimmt, als auf sich selbst?«, schrie sie.

»Du kannst zurückgehen. In das Reich des Winters. Dort könnt ihr in frieden leben«, schlug er leise vor.

»Denkst du wirklich, dass sie mich noch haben wollen? Ich habe mein Rudel im Stich gelassen, das werden sie nicht vergessen«, antwortete sie, ließ sich aber hoch helfen.

»Dann tu es für mich«, bat Ice und im selben Moment wurde ihm klar, dass es stimmte.

»Wie meinst du das?«, fragte sie misstrauisch.

»Cinder, es ist nicht nur Sly, der in dieser Feuerhölle verbrannt ist. Soul war da auch drin. Sie wird ebenso wenig eine Chance gehabt haben. Du bist vermutlich der einzige Grund, warum ich jetzt gerade nicht dort bin, ihren verkohlten Körper im Arm halte und überlege, wie ich meinem eigenen Leben am schnellsten den Gar aus machen kann. Also lass mich dir helfen. Damit ich nicht darüber nachdenken muss.« Er schrie nicht, er wurde nicht einmal laut, aber er fühlte sich so, als brüllte er seinen Schmerz hinaus in die Welt.

Er wusste, dass es stimmte, was er sagte, aber er ließ dieses Wissen nicht allzu bewusst werden. Er sprach, er handelte, aber er tat nichts davon bewusst, denn innerlich war er zerbrochen. Er fühlte sich ein wenig, als stünde er neben sich, als wäre das alles eigentlich ein Traum, und wenn er diesen grausamen Regeln nur lange genug folgte, dann würde er letztlich aufwachen.

Er hatte davon schon oft gehört. Von Soldaten, die ihre Freunde hatten sterben sehen und sich danach an die sinnlosesten Dinge geklammert hatten, damit sie nicht wahnsinnig wurden. Jetzt wusste er, wie es sich anfühlte. Aber er wusste auch, dass es nicht sinnlos war, was er hier tat.

»Ice…« Cinder schaute ihn aus ihren zweifarbigen Augen an. Sie zögerte kurz, dann nickte sie traurig und umschloss mit ihren Armen ihren Bauch.

»Denkst du, dass Sly gewollt hätte, dass ich jetzt weitermache?«, fragte sie leise.

»Natürlich. Er hat immer nur das Beste für dich gewollt. Warum sonst hat er sich dem Tag entgegen gestellt?«, versuchte er sie aufzumuntern. Und Cinder lächelte dankbar, während sie langsam losgingen.

»Weißt du, wenn es ein Mädchen wird, dann sollte sie Namida heißen. Wie seine erste Tochter«, erzählte sie.

»Wie seine erste Tochter?« Ice schaute sie verblüfft an.

»Ja. Er überspielt es zwar gut, aber es macht ihm immer noch so sehr zu schaffen, dass sie nicht mehr lebt… Also habe ich ihm diesen Vorschlag gemacht und er hat sich so sehr darüber gefreut… Deswegen wird sie nun Namida heißen.«

»Stört es dich denn nicht?«

»Ein bisschen schon, aber… Na ja, für ihn würde ich es in kauf nehmen.« Cinder lächelte schüchtern.

»Weißt du… Soul und ich, wir…« Ice lächelte sanft bei dem Gedanken daran. »Wir hätten auch ein Kind bekommen. Irgendwann im Frühjahr wäre es so weit gewesen…«

»Wirklich? Soul hat mir… davon gar nichts gesagt…« Cinder wirkte verletzt.

»Du und Soul habt euch sehr nahe gestanden, oder?« Ice schaute sie fragend an.

»Natürlich, immerhin ist sie meine Schwester. Aber auch wenn sie es nicht wäre…« Cinder schüttelte den Kopf. »Als wir klein waren haben wir uns immer so gut verstanden. Wir haben alles mögliche gemeinsam unternommen, wir waren mehr wie Freunde als wie Schwestern… Und dann sind wir erwachsen geworden.«

»War es Duanas Schuld? Das du gegangen bist?«

»Ja. Ich konnte es nicht länger mit ansehen, wie sie Soul immer so schlecht behandelt hat und mich so gut. Es war so unfair! Ich verurteile sie nicht dafür und ich liebe sie dennoch, immerhin ist sie meine Mutter… irgendwie. Aber ich wollte es einfach nicht mehr sehen. Ich bin… vor meiner Verantwortung davongelaufen.«

»Vielleicht, aber da gibt es schlimmere. Mich zum Beispiel.« Ice seufzte tief und strich dem Schecken, den er nachdenklich am Zügel führte, über die Nüstern.

»Willst… du es mir sagen? Du musst es nicht, aber du kannst es, wenn es dir dann besser geht«, bot sie an. Ice zögerte kurz, dann jedoch nickte er.

»Nicht einmal Hope weiß etwas davon. Auch Soul nicht… noch nicht. Ich wollte es ihr verraten, aber noch nicht jetzt«, begann er, während der Regen nun wirklich losbrach. Um sie herum waren nur vereinzelte Bäume in der weiten Grassteppe, einen Unterschlupf würden sie so gewiss nicht finden. Also gingen sie weiter.

»Erst, wenn du dazu bereit warst?«

»Ja… Weißt du, dass ich der Prinz von Navarre bin ist ja mittlerweile bekannt. Aber natürlich steckt da noch viel mehr hinter. Als ich klein war, da war meine Welt noch in Ordnung. Ich konnte den ganzen Tag in den Gärten von Navarre spielen und das einzige, was mich abends ins Bett trieb, war die Müdigkeit. Was ich lernen musste, das brachte meine Mutter mir bei, aber nicht eingesperrt in einem Raum, sondern dort, wo man wirklich verstehen konnte, was sie meinte. Weißt du, sie gehörte zu den Nomadenvölkern des Reiches, sie ließ sich nicht gerne einsperren und so reiste sie viel und ich ging mit ihr. So verbrachte ich fast ebenso viel Zeit in der Wüste, wie im Schloss, ganz Navarre war mein Spielplatz. Und ich lernte, dass sich nicht nur alles darum drehte, was man tun musste, damit es uns gut ging, sondern ich lernte auch, wie wichtig es war, auch den Ärmsten der Armen zu helfen. Denn obwohl ich ein Prinz war, kann ich mich noch an so viele Abende erinnern, an denen ich hungrig ins Bett musste, weil die Wüste nicht viel hergab.« Ice dachte mit einem Lächeln an diese wunderbare Zeit zurück.

»Und… was änderte sich?«, wagte Cinder nach einer Weile vorsichtig zu fragen.

»Die einfache Tatsache, dass ich älter wurde. Ich war immerhin der Sohn von Zauberern und noch dazu ein Prinz, es war schon vor meiner Geburt klar gewesen, dass ich dieses Leben, so sehr ich es auch liebte, nicht ewig führen konnte. Es begann mit einem Brief. Mein Vater hatte ihn geschrieben. Ich weiß nicht, was darin stand, aber danach sind wir ins Schloss zurückgekehrt, obwohl es noch lange nicht Zeit dazu war. Ich war damals sieben. Mein Vater hatte beschlossen, dass es nun an der Zeit war, mit meiner Ausbildung als Zauberer zu beginnen und er hatte einen guten Lehrer gefunden. Meine Eidsprechung war am Abend vor der Sommersonnenwende. Die Prinzen des Königreiches von Navarre sprechen ihren Eid immer an diesem Tag. Ich mochte meinen Meister, er ist ein guter, lieber Mann, aber mein Vater… war niemals zufrieden…«

Cinder schaute ihn fragend an. Sie wollte nichts sagen, sie wollte ihn in seinen Gedanken und Erinnerungen nicht stören. Sie mochte aber wissen, was er weiter erzählen würde. Und irgendwann dann sprach Ice auch weiter.

»Weißt du, du hast es ja erlebt. In Navarre ist immer Sommer, die Tage sind heiß, die Nächte manchmal so kalt, dass sogar Schnee fällt. Es ist ein Land der Sonne und des Feuers und alle meine Vorfahren waren hervorragende Feuermagier… aber ich nicht. Mein Meister hat es gleich gesehen, deswegen nannte er mich Eiswolf. Wir merkten schnell, dass ich mit dem Feuer nicht viel anfangen konnte, dafür mit Wasser und Wind so unheimlich begabt war… aber einmal in der Woche musste ich vor meinen Vater treten und ihm zeigen, was ich gelernt hatte. Und egal wie gut meine Wasserzauber oder meine Windmagie auch waren, er war niemals zufrieden, und das ließ er mich jedes Mal wissen. Er spottete über mich, verleugnete mich, oder beschimpfte mich. Ich war für ihn, eine Schande für die Familie. Und ich war so dumm ihm zu glauben. Ich dachte, ich wäre ein Nichtsnutz, eine Witzfigur, jemand, der eigentlich keine Berechtigung zum Leben hatte. Die Einzigen, die mich trösteten waren mein Meister und meine Mutter. Und irgendwann dann geschah es…« Ice blieb stehen, hob den Kopf und fühlte für eine Weile einfach nur, wie der Regen auf ihn niederprasselte.

Er seufzte, schüttelte voller Schmerz den Kopf und lehnte sich gegen den Schecken und Cinder beobachtete ihn dabei fragend, aber still.

»Wenn du möchtest, kannst du auch wieder reiten«, bot Ice ihr mit geschlossenen Augen an, statt weiter zu erzählen.

»Nein. Ein bisschen Bewegung tut mir ganz gut, und ein Stück des Weges schaffe ich es noch«, lächelte sie dankbar.

»Gut… na ja.« Ice stieß sich ab und sie gingen langsam weiter. »Meine Mutter starb, als ich gerade neun Jahre alt geworden war. Sie bekam ein seltenes Fieber, an der gleichen Krankheit starb auch Namidas Mutter. Es dauerte nicht lange, binnen drei Tagen hatte sie sich angesteckt und starb. Ich habe sie sehr geliebt, aber meinem Vater war sie egal. Da erst begriff ich, was für ein Mensch er eigentlich war… Er war während der Krankheit meiner Mutter nicht ein einziges Mal an ihrem Sterbebett, er war nicht auf der Beerdigung, stattdessen hatte er sich mit Freunden betrunken und über sie gelacht, weil er sie für schwach hielt. Da habe ich begonnen, ihn zu hassen. Er hat mich zwei Jahre schikaniert und er hat es gewagt, meine Mutter so zu entehren.«

Er sprach ruhig, fast sachlich, aber seine Augen wurden hart und kalt wie Eis. Seine Hände verkrampften sich um die Zügel und er biss voller Wut die Zähne zusammen. Cinder legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm und schaute ihn ernst an. Er zitterte zwar noch immer vor Wut, aber er konnte weitersprechen.

»Ich wollte ihn dafür töten. Ich war neun Jahre alt und wollte meinen Vater töten. Aber mein Meister hatte eine bessere Idee. Er beschloss einfach so, von einem Tag zum nächsten und ohne Nabao vorher zu fragen, dass wir nach Altena gehen würden. Damit ich mal etwas Neues sehen würde. Mein Vater war alles andere als begeistert, aber nicht einmal er konnte widersprechen, denn die Ausbildung war immer noch Sache des Meisters. So zogen wir also los. Wir reisten über das Meer nach Altena. Und dort lernte ich Hope kennen.« Ice beruhigte sich wieder. Zwar nur langsam, aber deutlich.

»Er war damals zwölf, oder?«, fragte Cinder leise.

»Ja. Mein Meister war mit seinem gut befreundet, sie waren beide gemeinsam Lehrlinge bei derselben Zauberin gewesen, daher kannten sie sich. Erst mochten Hope und ich uns überhaupt nicht. Er wollte nicht mit einem >kleinen Jungen< wie mir seine Zeit verbringen und ich mochte seine Überheblichkeit nicht. Ich fand, dass er viel zu sehr versuchte, seinem Meister zu gefallen, denn ich hatte ja kurz vorher gelernt, dass das niemals gut war. Bis ich dann zufällig seine Schwester traf. Ashes, sie erzählte mir davon, dass Hope zwölf Geschwister hatte und sich trotzdem letzten Endes immer nur alles um Nea drehte. Da erst verstand ich, dass er einfach nur jemanden suchte, der mehr für ihn übrig hatte, als einen harschen Befehl. Er tat mir leid. Ich wusste nicht, wie es war, wenn sich niemand um einen kümmerte, denn ich bin ein Einzelkind und noch dazu ein Prinz. Es dauerte, bis ich lernte, ihn zu verstehen, bis ich merkte, dass er einfach nur nicht das teilen mochte, was er sich so hart selbst erarbeitet hatte. Ich lernte, dass es keine Arroganz war, sondern einfach Angst das an mich zu verlieren, was ihm so wichtig war. Und mit diesem Wissen konnte ich dem entgegenwirken, ihm zeigen, dass ich es nicht begehrte. So wurden wir Freunde…« Ice stützte Cinder. Er erkannte, dass es ihr Stolz verbot, sich auf den Pferderücken zu setzen, wenn er diesen Vorschlag machte, aber alleine konnte sie nicht mehr laufen. Also stützte er sie und wartete einfach ab.

»Ihr wart sehr gut befreundet, oder?«, fragte sie leise.

»Natürlich. Nachdem wir einander unseren wirklichen Standpunkt und unsere Absichten geklärt hatten, zeigte er mir eine Welt, die ich so nicht kannte. Er zeigte mir, wie wunderbar diese Welt aus Eis und Wind sein konnte, und er suchte sogar meinen Namen für mich aus«, lächelte er.

»Von ihm hast du den Namen?«

»Ja. Er hat mich irgendwann gefragt, wie ich heiße. Mein Lehrer nannte mich immer nur Wüstenkind, denn ich hatte ihn gebeten, meinen wirklichen Namen nicht mehr zu verwenden. Sly nannte mich anfangs immer >Junge<, >Kerl<, oder einfach >der da<. Doch nachdem wir Freunde waren fragte er nach meinem Namen und als ich ihm erklärte, dass ich ihn nicht mehr hören wollte, dass ich nichts mehr von meiner Vergangenheit wissen wollte, da gab er mit den Namen Ice. Und er gefiel mit. Seither heiße ich so.«

»Hilfst du mir bitte auf das Pferd?«, bat Cinder da. Er hatte recht, wenn er sie nur lange genug ließ, dann würde irgendwann die Vernunft siegen. So schob er sie auf den Rücken des Schecken und lief weiter.

»Ab da nahm also eure gemeinsame Geschichte ihren Lauf, aber… dein Vater kam mir gar nicht so kaltherzig vor. Und immerhin hat er für dich und Soul die Hochzeit organisiert…«, überlegte sie zögernd. Darauf lachte Ice nur bitter.

»Das hatte persönliche Gründe. Er kennt mich gut genug um zu wissen, dass ich jetzt nicht mehr nach seiner Pfeife tanzen werde. Immerhin habe ich mit dreizehn gemeinsam mit Hope meinen Tod vorgetäuscht, um ihn endgültig los zu sein.« Ice grinste zufrieden.

»Ach, deswegen dachte er, der Ring gehörte dem Mörder seines Sohnes?«

»Ja. Und weil er weiß, dass er nun keine Macht mehr über mich hat, musste er sich etwas einfallen lassen. Er weiß, dass ich Navarre nicht freiwillig regieren werde. Aber wenn ich eine Frau habe und wir ein Kind haben…«

»Du denkst, dass er euer Kind dazu benutzen will, die Thronfolge Navarres zu sichern?« Verblüfft schaute sie ihn an.

»Natürlich. Er würde alles tun, damit nicht irgendwelche einfachen Leute sein Reich zerstören. Da kam ihm meine Verlobung gerade recht. Aber das werde ich zu verhindern wissen. Wobei… das ja jetzt nicht mehr nötig ist…« Ice wirkte wieder traurig. Cinder sagte eine Weile nichts, doch dann schüttelte sie nachdenklich den Kopf.

»Ich glaube daran, dass sie noch leben. Irgendwo sind sie. Lass uns zum Herbst reisen, vielleicht haben sie dieselbe Idee und wir treffen sie dort«, überlegte sie. Ice wirkte zwar nicht überzeugt, aber er nickte.

»Wenn du die Reise schaffst… Dann lass uns weiterkämpfen. Damit sie nicht umsonst den Tod gefunden haben«, nickte er, denn er konnte nicht glauben, dass sie es überlebt haben sollten. Doch er hatte ein neues Ziel und das gab ihm den Mut wieder.

So reisten auch sie den weiten Weg zur Windskralle. Auch sie hatten Glück, man hielt sie für gewöhnliche Reisende, die ihres Kindes wegen auf dem Weg zu Verwandten oder dergleichen waren. So fanden sie oft Unterkunft und viele Leute, die ihnen nur zu bereitwillig halfen. Bis sie Ende Dezember am Abend vor der Wintersonnenwende die Schluchten erreichten.

»Das sind sie also?«, fragte Cinder erschöpft. Der Tag war lang und anstrengend gewesen.

»Ja. Der Ort ohne Magie im Westen des Reiches«, bestätigte Ice. Er trat so nahe an den Abgrund heran, wie er sich traute und wie er sich sicher war, dass der Abhang ihn auch hielt, und schaute in die bodenlose Schwärze hinab.

»Komm wieder zurück«, bat ihn Cinder, die das Pferd hielt. Ice nickte und lief langsam, in seine eigenen Spuren tretend, wieder zurück. Das ganze Gebiet wirkte nicht gerade stabil.

»Was tun wir jetzt?«

»Ich werde da alleine runterklettern, das schaffst du niemals. Zumal es nicht mehr weit hin ist«, antwortete Ice und legte viel sagend eine Hand auf ihren dicken Bauch. Er hatte recht, es konnte jeden Moment so weit sein.

»Du kletterst da nicht alleine runter, Ice. Das ist viel zu gefährlich. Und heute schon mal gleich gar nicht. Lass uns ein Lager suchen, ich habe vorhin am Horizont eine Hütte entdeckt. Vielleicht haben sie einen Platz im Stall für uns frei«, beschloss sie und wandte sich um, doch Ice hielt sie zurück und lauschte. Auch Cinder lauschte. Da war etwas, es klang, wie schwere Pfoten, die auf den Boden trommelten.

»Deine westlichen Verwandten«, bemerkte Ice und wob ein Netz aus Magie, mit dem er die Tiere leicht fangen konnte, ohne sie zu verletzen. Doch das war nicht nötig. Er wollte eben der Magie ihren freien Lauf lassen, als er das weiße Glitzern zwischen den Büschen sah.

Es gab hier im westen keine Eiswölfe und das waren die einzigen mit diesem reinweißen Fell. So hielt er für einen Moment inne, lange genug, dass das kleine Rudel aus den Büschen brechen und sich voller Freude auf sie stürzen konnte. Noch im Laufen verwandelten sie sich, sodass es nicht die schwarze Wölfin, sondern Soul war, die Ice glücklich um den Hals fiel, und es nicht der rote Fuchswolf, sondern Sly war, der Cinder fast zu Boden riss.

»Soul, was…?« Ice war über ihren so unerwarteten Anblick so verdutzt, dass er sich im ersten Moment nicht einmal freute.

»Ice, ich hab dich so sehr vermisst!«, rief sie und drückte sich immer enger an ihn.

»Ich wusste es, ich habe gewusst, dass ihr noch lebt«, lachte dagegen Cinder und umarmte voller Freude abwechselnd ihren Bruder und Sly.

»Wie habt ihr das Feuer überlebt?« Noch immer starrte der Blauschopf nur ungläubig.

»Es hat uns gar nicht richtig erwischt. Hope hat es ausgelöst und ich habe es von uns ferngehalten, allerdings hat es nicht ganz so geklappt, wie wir hofften. Wir haben alle ein bisschen was abbekommen und sind zum Fluss gelaufen, und als wir wieder dort waren, fanden wir euch nicht mehr«, erzählte Lugh Akhtar. Er stand ein wenig abseits und in seinen Augen war die Enttäuschung deutlich zu lesen.

Ice überlegte kurz, ob er dazu etwas sagen sollte, doch stattdessen drückte er nun auch Soul mit einem kleinen Aufschrei an sich. So redeten alle durcheinander, als plötzlich ein lautes »Leute!« über die Lichtung scholl. Es war Nea, doch abgesehen von Sly, der sie kurz begrüßte, und Lugh Akhtar, der mit zwei schnellen Schritten bei ihr war, nahm keiner von ihr Notiz.

Das Nächste, was Ice von ihrer Unterhaltung mit halbem Ohr mitbekam war eine Frage Lugh Akhtars.

»Immer noch da?«, fragte er kalt den Söldner.

»Ich bin nur nach Hause gekommen«, lächelte der.

»Ist das jetzt nicht egal?«, fuhr er dazwischen. Er freute sich viel zu sehr, als dass er nun einen so unsinnigen Streit ertragen mochte. »Wir sind wieder alle beisammen, also hatten wir alle dieselbe Idee.«

Er drückte Soul so fest an sich, dass er ihr vermutlich weh tat, aber sie sagte nichts, sondern drückte sich ihrerseits noch fester an ihn heran, während sie nur noch in kurzen Stößen atmen konnte.

»Also lasst uns für heute Nacht ein Lager suchen und morgen zum Herbst gehen«, lachte Sly. Auch er drückte Cinder eng an sich und freute sich sichtlich.

»Dann kommt mir, ich habe den perfekten Platz«, bot da Kenai an und ging, ohne eine Antwort abzuwarten. Nea folgte ihm mit einem Lachen auf den Lippen. Und nach einem kurzen Zögern auch die anderen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Cat-girl
2012-07-07T08:11:05+00:00 07.07.2012 10:11
Wow! Ich finde das echt krass, dass die so dermaßen davon ausgehen, dass die drei tot sind. Ein bisschen Hoffnung sollte man immer haben, aber Cinder und Ice ist die wohl verwehrt geblieben. Die arme Cinder, so aufgelöst, aber das bin ich ja inzwischen von ihr gewohnt. Und das Rudel würde sie nicht abschießen. Sie ist freiwillig gegangen, mit Lugh und den anderen, das ist kein Verrat! River hatte sie das Rudel überlassen. Also, ich denke schon, dass sie wieder aufgenommen würde. Ice' Geschichte war aber auch interessant, dass er die gerade Cinder erzählen würde, wo nicht mal Sly, als sein bester Freund oder Soul als seine Frau davon wussten. Nun gut. Ich finde die Vorstellung echt süß, wie er da als kleiner Junge durch die Gärten tobt und mit seiner Mutter spielt. Sein Vater war und ist ja echt ein Miststück! Seine Frau einfach so links liegen zu lassen, als es ihr nicht gut ging. Dem gehört glaube ich auch mal in den Allerwertesten getreten, aber leider gibt es auch solche Leute... Ich dachte, Namidas Mutter ist anderswie gestorben... war die nicht erschossen wurden? Weil Namida war ja aufgeschlitzt... naja... Cinder hat aber auch keine schöne Kindheit gehabt, wenn Duana Soul so gequält hat, die gute Soul. Der Regen schien sie dann gar nicht mehr gestört zu haben und jetzt weiß ich auch, wie Ice und Sly Freunde geworden sind... sein Meister war ein guter Mensch. Und am Ende haben sich ja doch alle wieder gefunden, wobei der schwarze Wolf und Soul ja ein und die selbe Person sind! Auf jeden Fall hast du die Zusammenhänge ziemlich gut gefunden und auch das Kapitel an sich war wieder spannend und wunderbar vorstellbar und realitätsnahe geschrieben. Hoffentlich kann Cinder ihr Kind in einem Haus gebären... wobei ich mich etwas wundere. Wenn es auf den Bildern immer „Leilani“ heißt, warum sollte sie jetzt „Namida“ heißen? Vielleicht ändert sich ja nach der Geburt doch noch mal was mit dem Namen, mal sehen.
Von:  Seelentraeumerin
2010-09-12T16:17:49+00:00 12.09.2010 18:17
Wie schon gsagt cih find das kap irgendwie süß^.^
und Ice verhalten passt wie immerXD


Zurück