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All Cried Out (Dean/Castiel)

von

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Kapitel 1

Dean Winchester war Realist.
 

Er glaubte weder an Zufälle, noch Willkür.
 

Doch Schicksal, Fügung oder gar Vorsehung waren in seinen Augen lediglich Worte – Phrasen, welche den verzweifelten Hinterbliebenen Hoffnung zu schenken vermochten.
 

Dean hingegen zog es vor, seine eigene Bezeichnung für das sogenannte ‚große Ganze’ zu verwenden.
 

Gerechtigkeit.
 

Allzu oft schon hatte er Verwandte, Freunde und auch völlig Fremde mit dieser Ideologie schockiert und ein jedes Mal war er sich sicher gewesen, die Sympathie eines weiteren Teils der Menschheit eingebüßt zu haben.
 

Doch glücklicherweise war es ihm schon immer egal gewesen, was andere über ihn dachten. Er war es gewohnt, ohne wohlwollende Worte und hilfsbereite Gesten zu überleben und in den vergangenen 27 Jahren hatte sich dieses Motto erfolgreich bewährt.
 

Und so hatte er auch an diesem Morgen – einem ungewöhnlich verregneten, düsteren vierten Juli – den Rat seiner Mutter ausgeschlagen und statt des eintönigen, grau melierten Anzugs mit blauer Krawatte eine dunkle Jeans und ein tiefschwarzes Sakko gewählt.
 

In fabrikneuen Nike Sneakers stieg er schließlich die Treppe seines Elternhauses hinunter, die tadelnden Blicke seiner Eltern und seines jüngeren Bruders geflissentlich ignorierend.
 

‚Vorbildlich wie immer’, dachte er und musste schmunzeln bei dem Anblick makelloser Eleganz, der sich ihm bot.
 

Wie es schien, hatte Sam sich nicht einmal gegen den Einheitsdress gesträubt und auch John Winchester trug den ihm zugedachten, säuberlich gebügelten Anzug mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit.
 

Es war seltsam, ihn so zu sehen – stolz und aufrecht stehend, das Gesicht sauber rasiert und die Hände nicht von Motoröl verschmiert.
 

Leichtfüßig nahm er die letzten Stufen und kam einige Schritte von Mary entfernt zum Stehen.
 

Nachdem er die Haustüre geöffnet und sich zu seiner Familie umgewandt hatte, hob er wortlos einen Arm, welchen seine Mutter dankbar umfasste.
 

Gemeinsam verließen sie das gepflegte Reihenhaus in der Irving Hill Road unweit der University of Kansas und schritten zu dem dunkelblauen Chevrolet Captiva, der direkt davor geparkt war. Dean hielt seiner Mutter die Beifahrertüre auf und stieg dann zu Sam auf die Rückbank.
 

Die sonst etwa zehnminütige Fahrt verlief schweigend und zog sich ob des Feiertagsverkehrs etwas, sodass die Familie Winchester erst eine halbe Stunde später auf den sich stetig füllenden Parkplatz des Oak Hill Friedhofs fuhr.
 

John half seiner Frau aus dem Wagen und gemeinsam überquerten sie den regennassen Asphalt des Platzes vor der kleinen Kapelle. Eine nicht enden wollende Schar an Trauernden strömte durch den Eingang der Kirche, immer wieder kurz inne haltend, um der Familie der Verstorbenen ihr Beileid auszudrücken.
 

Die Familie Winchester reihte sich stillschweigend ein und Dean bemerkte, wie sich der Ausdruck auf dem Gesicht seiner Mutter mit jedem Schritt veränderte.
 

Halt suchend hatte sie sich an ihren Mann gepresst, der beruhigend über ihre Schulter strich und sanft auf sie einredete.
 

Dean atmete tief durch und richtete seinen Blick wieder geradeaus.
 

Sie waren nur noch wenige Treppenstufen von ihrem Ziel entfernt, als er ihn das erste Mal sah.
 

Er war etwas kleiner als Dean; das durchwühlte, dunkle Haar, die Schatten unter den Augen und die schmalen Schultern in dem maßgeschneiderten, schwarzen Anzug ließen ihn fast schon zerbrechlich wirken.
 

Mary stieg als Erste hinauf zu der Familie ihrer verstorbenen Freundin und umfasste die Hände des jungen Mannes sanft und liebevoll, während sie mit leiser Stimme zu sprechen begann. Dean konnte Tränen in ihren Augen erkennen und musste unwillkürlich schlucken.
 

Wenn er ehrlich sein sollte, war dies nicht länger nur ein Pflichtbesuch für ihn. Seine Mutter litt und das nicht nur ob der nun elternlosen Kinder ihrer Freundin…
 

Rasch folgte er ihr und legte vorsichtig einen Arm um sie. Dankbar lehnte sie sich gegen seinen bebenden Brustkorb und schenkte ihm eines dieser Lächeln, welche ihn ein jedes Mal zu Wachs in ihren Händen machte. Schließlich hob Dean den Kopf, seinen Blick fest auf den jungen Mann vor sich gerichtet.
 

„Dean Winchester“, sagte er knapp, doch der andere schaute ihn nur weiterhin stumm an.
 

„Tut mir wirklich leid, was passiert ist, Mann…“
 

Doch einzig Stille folgte seiner – offen gestanden etwas außergewöhnlichen – Mitleidsbekundung.
 

Einige Sekunden lang geschah gar nichts und hätte Mary sie nicht elegant und halbwegs unauffällig entschuldigt – Dean war sicher, er und Beatrice Awbrey’s Sohn würden einander noch immer wortlos in die Augen gestarrt.
 

Er folgte seinem Vater und Sam in eine der mittleren Reihen und ließ sich klaglos auf das äußere Ende der Kirchenbank sinken. John hatte Mary’s Hand genommen und seine Frau eng an sich gezogen. Abermals wandte Dean sich von seinen Eltern ab und ließ seinen Blick stattdessen durch die inzwischen fast vollen Sitzreihen schweifen. Die Awbreys hatten ganz offensichtlich einen beträchtlichen Freundeskreis gehabt.
 

Endlich schlossen sich die Pforten der Kapelle und der zierliche junge Mann ging in Begleitung einer schmalen, blassblonden Frau bis zur ersten Reihe, wo sie sich niederließen. Ein Orchester begann zu spielen und Dean seufzte leise.
 

Er war kein Fan solcher Trauerfeiern und erst recht kein Anhänger von Kirchenmusik. Auf seiner Beerdigung, so hatte er schon vor langer Zeit entschieden, sollte niemand weinen. Er hatte schon jetzt alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte – sein Leben war aufregend und mehr als befriedigend. Und wenn seine Zeit gekommen war, würde ihm garantiert kein Streichquartett das letzte Geleit bereiten.
 

Mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen begann er, die Melodie von Styx’ „Renegade“ zu summen, was ihm einen empörten Blick seines Bruders und einen mahnenden Stoß in die Seite einbrachte.
 

Der Rest der Zeremonie schien gerade so an ihm vorbei zu ziehen und erst als die Särge der Awbreys geschlossen und aus der Kirche gebracht wurden, blickte Dean erneut auf. Sein Blick blieb wie von selbst an dem Sohn der Verstorbenen hängen.
 

Noch immer hatte dieser die Schultern gesenkt und wirkte dem Anlass zum Trotz merkwürdig ruhig – seine außergewöhnlich blauen Augen jedoch waren unbeirrt auf Dean gerichtet, welcher den Blick verwirrt erwiderte. Einige Sekunden lang geschah nichts.
 

Der Andere kam immer näher auf Dean zu, den Blick keinen Moment von ihm lassend – dann zog die Prozession an der Sitzreihe vorbei und Dean atmete erleichtert aus. Erst jetzt bemerkte er, dass er offenbar die Luft angehalten hatte.
 

Gemeinsam mit den anderen Gästen folgten die Winchesters den Kindern der Awbreys zu zwei nebeneinander befindlichen Gräbern, am äußersten Rand des Friedhofes. Unerbittlich durchnässte der inzwischen schräg fallende Regen die Gesellschaft und mehr und mehr Schirme öffneten sich, verbargen die Menschen unter sich hinter einer nachtschwarzen Wand.
 

Der Geistliche sprach noch einige Worte, bevor Beatrice’s Sohn vortrat, den Arm schützend um seine jüngere Schwester gelegt. Stumm hob er die Hand zu einer neben ihm aufgestellten Schale und schloss seine blassen, dünnen Finger um einige weiße Rosenblätter.
 

Einen Moment lang schien er zu zögern – dann beugte er sich etwas nach vorne und ließ die Blütenblätter hinab auf die Särge seiner Eltern rieseln.
 

Ein Schluchzen durchdrang die, einzig von dem Geräusch des stetigen Regens unterbrochene, Stille und die Frau sank erschöpft weinend in seine Arme. Es folgte betretenes Schweigen, bevor endlich zwei Friedhofshelfer damit begannen, die Särge mit Erde zu bedecken.
 

Nach und nach lichtete sich die Menschentraube um das Grab der Awbreys und auch John und Sam wandten sich zum Gehen.
 

Mary blieb. Den Blick starr auf die Kinder ihrer Freundin gerichtet, die Augen voller Tränen.
 

Dean wagte es nicht, sie anzusprechen oder gar zurück zu halten, als sie einige Schritte auf die beiden zu machte und ihre Arme um sie legte.
 

Dean verharrte stumm in seiner Position, den Kopf betreten gesenkt.
 

Er wusste, wie viel Beatrice Awbrey seiner Mum bedeutet hatte, wusste dass ihr Tod eine Wunde in Mary’s Herz gerissen hatte, welche so rasch nicht verheilen würde.
 

Als er den Kopf hob, blickte er erneut in das stechende Blau seiner Augen. Die beiden hatten sich zu Mary umgedreht, ließen die Umarmung schweigend zu. Doch während die Tochter der Awbreys herzzerreißend weinte und sich fest an Mary presste, so war die Miene ihres Bruders beinahe schon steinern.
 

Und doch brachte Dean es nicht über sich, den Blick abzuwenden. Seine Kleidung war bereits völlig durchnässt und er fror.
 

Doch er blieb. Harrte aus, bis Mary sich schließlich von den beiden löste und ohne ein weiteres Wort zu Dean zurückkehrte.
 

Der junge Winchester warf dem Anderen noch einen langen, einen fragenden Blick zu.
 

Dann legte er seinen Arm um die zitternden Schultern seiner Mutter und begleitete sie zu dem letzten, auf dem Parkplatz verbliebenen Wagen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-08-20T09:52:58+00:00 20.08.2010 11:52
hey du,
ich hoffe doch dass die story noch weiter geht zumal ich castiel noch nie mit solchen augen gesehen habe. ich hab schon vieles über castiel gelesen aber das ist bis jetzt das beste.
mach weiter so.

lgd saani


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