1. Hogwarts
1. Hogwarts
Als der rote Zug mit einem sanften Ruck zum Stehen kam, schlug Katie ihre Augen auf. Hatte sie so lange geschlafen? „Hey Schlafmütze! Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf“, meinte Wood und schob ihre Beine von seinen, um sich dann zu erheben. Katie rieb sich müde die Augen und gähnte herzhaft. Sie hörte ein Kichern. Eindeutig Angelina. „Ihr wart sooo süß!“, meinte sie und fing sich von Oliver und Katie gleichzeitig einen bösen Blick ein. Von Katie, weil sie nicht wollte, dass Oliver erfuhr, dass sie auf ihn stand und von Oliver, weil er so ein Gequatsche nicht leiden konnte.
Fred und George hievten die schweren Koffer von den Ablagen und schoben sie ihren Mädchen zu. „Danke, Herzchen!“, flötete Angelina und Fred warf ihr eine Kusshand zu. Oder war es George? Katie war es etwas unangenehm, dass sie die beiden nach all den gemeinsamen Jahren nicht auseinander halten konnte. Ein Grund, warum sie die beiden nie beim Vornamen nannte.
Jemand wedelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum und sie kehrte aus ihren Gedanken zurück. „Dein Koffer!“, meinte Oliver und setzte ein charmantes Lächeln auf, dass Katies Knie zum Zittern brachte. „D-danke“, meinte sie nur leise und verschämt, ehe sie ihren Koffer packte und das Abteil verließ.
Die Kutschen warteten schon am Ende des Bahngleises und jedes Mal fragte sie sich, was das wohl für ein Zauber war, der sie bewegte.
Sie wandte angewidert den Kopf zur Seite, als sie sah, wer da schon in der Kutsche saß, in die sie einstieg. Flint, dieser elende Mistkerl. Gott, wie sie ihn verabscheute…
„Hey, wen haben wir denn da?“, raunte er grinsend und legte seinen Arm über die Lehne, damit sie sich praktisch direkt in seine Arme fallen lassen konnte. Katie lächelte halbherzig. „Schon schlimm, wenn man keine Augen im Kopf hat“, zischte sie zurück und setzte sich ihm gegenüber. Nur keine Schwäche zeigen. Nicht vor dem schlimmsten Feind!
„Du kannst nicht einmal nett sein, was?“, meinte er und schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich bin nett zu Leuten, die es verdienen. Oh, und weißt du was, du gehörst nicht dazu“, er lachte leise und Katie verschränkte frustriert die Arme. Sie sah demonstrativ weg und sah nicht einmal zu den beiden Hufflepuff-Mädchen, die in die Kutsche stiegen und ein „Hallo Marcus“, murmelten. Herrje, das war ja nicht auszuhalten. Als wäre er DER Typ schlechthin in Hogwarts. Das war ja wohl eindeutig nicht dieser aufgeblasene Hohlkopf, sondern Oliver Wood. Ihr ganz persönlicher Lieblingshüter.
Die Fahrt schien einfach nicht enden zu wollen, kam es ihr vor und Flint flirtete ungeniert mit den beiden Mädchen, die sich nicht dagegen wehren zu wollen schienen. Diese blöden, blinden Hühner.
Wenn Oliver doch nur manchmal auch ein klein wenig so wäre wie Flint, dann würde sie mit Sicherheit nichts dagegen einwenden, aber er sollte sich dann nicht so aufspielen, wie das Ekel, das bei ihr in der Kutsche saß.
Kaum hielt die Kutsche auf dem Vorplatz zur Eingangshalle, sprang sie auf und verließ mit einem Schnaufen die Kutsche. Noch eine Sekunde länger und sie wäre gestorben. Sie warf ihm im Vorbeigehen noch einen angewiderten Blick zu und er lächelte sie abfällig an. „Pah!“, ekelte sie sich noch laut und nahm dann ihren Koffer von der Ablage, die hinten an der Kutsche angebracht war.
Ohne sich dann noch ein weiteres Mal umzudrehen, verschwand sie durch das riesige Tor in die Eingangshalle. Sie stellte ihren Koffer wie gewohnt vor die große Treppe und wartete darauf, dass er verschwand. Als dem endlich so war, ging sie mit zügigen Schritten in die große Halle, wo die vier Haustische schon festlich eingedeckt standen. Sofort fuhr ein Lächeln über ihr Gesicht. Wie sie Hogwarts vermisst hatte…
Sie ließ ihren Blick über die Schülerschar gleiten und entdeckte sofort ihr Quidditchteam. Was aber zum Großteil daran lag, dass Fred und George auf den Stühlen standen und laut eine Rede hielten. Oliver schüttelte nur mit dem Kopf und ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. Er hielt einen Platz frei, direkt neben sich. Eilig machte sie sich auf den Weg und kicherte leise, als sie Oliver ihr zu winken sah. Er hielt wirklich IHR einen Platz frei. Freudestrahlend kam sie auf ihn zu und er rutschte noch ein Stück, um ihr Platz zu machen.
„Ich hab dir extra einen Platz freigehalten!“, betonte er und sah sie grinsend an. „Danke, das ist nett“, meinte sie und er schaute sie noch kurz an. „Du warst vorhin einfach weg, in der Masse verliert man sich so schnell“, flüsterte er und tat sich dann Essen auf. Katie ebenso, doch Hunger hatte sie gar nicht wirklich. Das ekelhafte Brunftverhalten von Flint war ihr wirklich auf den Magen geschlagen. Sie schaute sich um und sah die beiden Hufflepuffmädchen, die aufgeregt miteinander tuschelten. Anscheinend hatte Flint ihnen ganz gehörig den Kopf verdreht, wie jeder…
Sie blickte durch die Reihen und ihr fiel sofort das schleimige Grinsen von dem Ekel auf. Er sah sie an und zog die Brauen anzüglich an. Pah! Ekelhaft! Katie wirbelte herum und ihr Blick traf Olivers. „Was geht denn mit dem?“, wollte er wissen und sie schüttelte nur den Kopf. „Der braucht einen Egodämpfer“, erwiderte sie nur und begann zu essen. „Kaum zu glauben, aber ich freu mich richtig auf den Unterricht und auf Quidditch“, erklärte Katie und Wood sah von seinem Essen auf. „Fliegen wir nachher noch ne Runde?“, fragte er begeistert und Katie nickte. „Na klar“, gab sie zurück und sah ihre Freundinnen an. „Wir haben schon was vor“, gab Angelina zurück und sah Katie vielsagend an. Sie hatte also ein Date, Alicia auch. Wahrscheinlich machten sie heute Abend etwas mit den Zwillingen. Wann die wohl endlich zusammen kamen? Das ging schon viel zu lange so…
„Dann fliegen wir halt allein“, hörte sie Oliver sagen, der sich einen zweiten Teller auftat. „Gern“, erwiderte Katie und ein Lächeln zierte ihr hübsches Gesicht. Wenn Oliver nicht so strahlen würde, würde es ihr sicher viel leichter fallen, nicht immerzu an ihn zu denken. „Nach dem Essen?“, schlug er vor und Katie stimmte zu.
Beim Essen unterhielt Katie sich zwischenzeitlich immer mal wieder mit irgendwelchen Leuten über die Ferien und sie fühlte sich richtig zu Hause. Das Essen war gut und der Kürbissaft lecker. All diese Dinge hatte sie in den Sommerferien schrecklich vermisst. Dennoch war sie fast froh, als das Essen endlich vorbei war. Jetzt konnte sie mit Oliver fliegen. Er warf ihr ein fröhliches Nicken zu und gemeinsam standen sie auf. „Wir gehen ne Runde fliegen“, meinte Oliver in die Runde und alle grinsten breit. „Fliegen zur Wolke sieben“, hörte Katie Fred sagen und wurde prompt rot. War es denn so auffällig, dass sie ihn ihren Kapitän verliebt war? Oliver zog nur mahnend die Brauen an und nahm Katies Hand. „Komm, das müssen wir uns echt nicht anhören“, raunte er mürrisch und Katie folgte ihm. Sie würde ihm überall hin folgen. Sie warf noch einen Blick über ihre Schulter und sah die Zwillinge, die zeitgleich ihre Lippen spitzten und dabei die Augen schlossen. Katie rollte mit den Augen und schaute auf den Rücken von ihrem Vordermann. Alles wäre so einfach, wenn er sie nur einmal als Mädchen sehen würde, als Mädchen, das auch gern einen Freund hätte, auch gern einmal geküsst worden wäre, auch gern einmal Dates hatte… Aber so war Wood nun mal. Es war erst kurz nach achtzehn Uhr. Genug Zeit, um noch ein paar Runden zu drehen.
„Ich habe das richtig vermisst“, meinte Katie dann irgendwann auf dem Weg über die Ländereien runter zum Quidditchfeld. „Ich auch, ich fühl mich hier zu Hause“, gab Oliver zurück und ließ seinen Blick über die Ländereien von Hogwarts schweifen. „Ich habe das Fliegen am meisten vermisst“, erwiderte Katie darauf hin und sah zu Oliver. Das war eine glatte Lüge gewesen, am meisten hatte sie Oliver vermisst. Seine Augen wanderten zu ihr und plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals. „Kann ich verstehen, Fliegen ist das Allerschönste! Ich muss dir noch etwas erzählen, Katie, aber du darfst das unter keinen Umständen weitererzählen“, bat er sie und sie gingen weiter auf dem Weg. „Natürlich nicht“, meinte Katie nur und Oliver nickte. „Ich habe mich beworben. Im Team der Nationalmannschaft. Ich war da zu den Probespielen und sie haben mich angenommen. Ich bin bald Quidditchnationalspieler, Katie. Ist das nicht voll cool? Aber wenn das jemand erfährt, dann wird mein nerviger Fanclub noch größer“, erklärte er leise. „Oh mein Gott!“, quiekte Katie nur und sprang ihm in die Arme, „Gratuliere!“. Er umarmte sie ebenfalls und grinste breit. „Ich fasse es nicht, du in der Nationalmannschaft! Flint wäre neidisch!“, kicherte sie und ließ ihn widerwillig wieder los und hielt noch seine Hände. Freudestrahlend hüpfte sie auf und ab. Oliver war mindestens genauso glücklich. „Komm, flieg ne Runde mit dem Profi“, gab er an und Katie schmolz innerlich nur so dahin. „Ja“, meinte sie und sie gingen zu den Umkleiden. Katie beeilte sich und stieg in ihre Quidditchausrüstung. Schnell schnappte sie sich ihren Besen, den sie hier immer eingeschlossen hatte und eilte aufs Feld. Oliver war schon da und saß auf seinem Feuerblitz Speed Star. Katie strahlte und schaute sich in aller Ruhe seinen Besen an. „Willst du?“, fragte er und ihre Augen weiteten sich. Er ließ nie jemanden seinen Besen fliegen. „Da sag ich nicht nein“, meinte Katie und Oliver stieg ab. Er hielt ihr seinen neuen Besen hin und sie nahm ihn vorsichtig an. Sie warf ihrem Kapitän noch einen unsicheren Blick zu und er nickte bekräftigend. Sie stieg auf, stieß sich vom Boden ab und raste in den Himmel. Die Geschwindigkeit machte seinem Namen wirklich alle Ehre. Sie drehte ein paar Runden und dann flog Oliver neben ihr, auf ihrem Besen. „Der ist der reinste Wahnsinn“, schmachtete Katie und Oliver grinste. Gemeinsam flogen sie noch ein paar Runden, tauschten die Besen noch und warfen sich ein paar Male den Quaffel entgegen. Langsam flogen sie wieder gen Boden und sahen einen Schüler in grüner Robe zum Feld kommen. „Scheint, als würde hier noch jemand eine Runde drehen wollen“, meinte Wood höhnisch und ruckte mit dem Kopf in Richtung Slytherin. „Pah, das Ekel kann über dem verbotenen Wald seine Runden drehen“, giftete Katie und hörte schon die Stimme des Schlangenkönigs. „Na wen haben wir denn da, das Quidditchtraumpaar!“, stichelte er und Wood verdrehte die Augen. „Was geht es dich an?“, hielt Wood ihm stand. „Macht das Feld frei, ich will fliegen!“, forderte Flint. „Du kannst uns mal, ist nämlich nicht dein Feld“, zischte Katie ihm zu. „Nicht so unfreundlich, kleine Jägerin. Das passt nicht zu deinem hübschen Gesicht“, schnarrte er und Katie wurde still. Das hatte er sonst nie gesagt, diese versteckten Komplimente machten sie nervös.
„Ich will ein Trainingsspiel gegen euch“, meinte Flint und Wood zog ungläubig die Brauen an. „ Löwen gegen Schlangen“, fügte er noch hinzu und grinste. „Was soll das bringen?“, fragte Wood kühl. „Sieh es als eine Art persönliche Herausforderung. Unserem letzten Jahr hier soll es schließlich an nichts mangeln. Du gegen mich!“, Flints Augen funkelten und Wood schien Feuer und Flamme. „Was sind die Bedingungen?“, fragte der Gryffindor und Katie sah zwischen den beiden jungen Männern hin und her. „Ein wenig mehr Fouls werden sicher nicht schaden“, grinste die Schlange und Katie wandte sich an Wood. „Er wird uns verletzten, damit wir in den richtigen Spielen nicht fit sind.“, meinte Katie und biss sich auf die Lippe. „Wir haben eine exzellente Heilerin in Hogwarts. Das ist keine Ausrede“, meinte Flint und sah Katie an. „Der Gewinner bekommt eine Belohnung“, fügte er noch hinzu und Katie runzelte die Stirn. „Ach, noch eine Bedingung also“, erkannte Wood. „Also abgemacht?“, fragte Flint und hielt ihm die Hand zum Einschlagen hin. „Erst will ich wissen, was der Gewinner bekommt“, meinte Wood trotzig. „Die Frau“, meinte Flint ernst und deutete auf Katie. „Wie bitte?“, kam es von dieser und sie sah Flint entsetzt an, „Kommt gar nicht ihn Frage“.
„Bist du zu feige?“, stichelte er und Wood sah bitter zu Katie. Er zögerte noch kurz und schlug dann mit Flint ein. Ein goldenes Band schloss die Hände der Kapitäne noch kurz ein und dann löste sich Flint von Wood. „Es ist besiegelt“, grinste er und warf Katie einen anzüglichen Blick zu, ehe er das Feld Richtung Umkleiden verließ. Katie war sprachlos und schaute Wood an.
„Du wettest um mich?“, wollte sie wissen und in ihrer Stimme schwang nur zu deutlich die Enttäuschung mit, die sie empfand. „Mit Flint?“
„Tut mir leid, ich wollte…nicht meine Ehre verlieren“, entschuldigte sich Oliver. „Ich scheiße auf deine Ehre, weißt du das?“, zischte sie und stampfte mit dem Fuß auf. Oliver stöhnte und rollte mit den Augen. „Katie, jetzt stell dich nicht so an, ich wollte nur…“, begann er doch Katie fiel ihm ins Wort. „Ich soll mich nicht so anstellen? Bist du bescheuert?“, fauchte sie und verpasste ihm eine feurige Ohrfeige. Oliver starrte sie an und Katie konnte gar nichts mehr sagen. Oliver auch nicht, denn der kaute nur schuldig auf seiner Lippe herum. Katie machte auf dem Absatz kehrt und verließ ohne ein weiteres Wort das Feld. Oliver stand wirklich ziemlich betroffen da und sah Katie nach. „Was hab ich nur getan…“, wisperte er und raufte sich die Haare.
Katie eilte ins Schloss und rannte die Treppen hoch in den zweiten Stock. Das alte Schulzimmer für Arithmantik, das mittlerweile nicht mehr genutzt wurde, war immer eine Art Zuflucht für Katie. Sie ging auf das Fenster zu und öffnete es. Die Fensterbank war breit genug, um sie als Sitzgelegenheit zu nutzen. Von hier aus hatte man eine einwandfreie Sicht auf den Quidditchplatz und Katie seufzte zittrig. Sie ließ sich auf der Bank nieder und sah hinaus. Wie konnte er ihr das nur antun? Der Abend war doch so schön gewesen! Fand er das denn nicht? Sie begab sich auch spät am Abend nicht zurück in den Gryffindorturm, sondern vergoss einige bittere Tränen.
