Cappuccino & Sake
Um ganz ehrlich zu sein, ging es Naruto durch den Kopf, als er in die Tasse vor sich starrte, hasste er Cappuccino.
Er mochte Kaffee, weil das Zeug schwarz und bitter war, und ihn morgens munter machte; Cappuccino jedoch war das Gegenteil. Der Geschmack erinnerte ihn mehr an heiße Schokolade. Zuviel Milch, Creme und wer weiß was noch zerstörten den ursprünglichen Kaffeegeschmack, und was übrig blieb, stand beinahe unangetastet vor ihm.
Ihm gegenüber saß Hinata, eine Entschuldigung nach der anderen murmelnd, und er fragte sich in jenem Moment, wie er hier her gekommen war.
Die Hyugaerbin, sein ein und alles, als er vor einem halben Jahr mit ihr zusammen kam, hatte ihn aufgegeben. War allerdings nie ihre Schuld. Nein…
Denn es passierte das, was immer passierte.
Sakura.
Sie war am Boden zerstört damals. Sasuke hatte sie erneut sitzen gelassen, und so musste Naruto, wie jedes Mal, die Scherben aufsammeln. Denn er war der einzige, der keine Angst davor hatte, sich für sie in die Finger zu schneiden.
Und während er für Sakura da war, gab es Hinata auf, weiterhin um die Zuneigung des Blonden zu ringen.
Sie schlief in jener Nacht nicht mit Kiba, weil sie es wollte. Oder weil sie Naruto nicht liebte. Sie schlief mit ihm, weil er bereit war, zuzuhören; ihren Kummer und Schmerz mit ihr zu teilen vermochte. Und vermutlich lag’s auch am Alkohol. Es liegt immer am Alkohol…
„Du weißt, ich wollte das nicht. Aber ich…
Es passierte einfach, und es tut mir so leid Naruto.“
Er hörte ihr kaum noch zu. Nicht, weil er wütend auf sie war.
Nein, er war viel zu wütend auf sich selbst. Und das war sogar noch schlimmer. Denn Hinata hatte alles Recht der Welt, glücklich zu werden. Ohne einen Idioten, wie er es war.
Sie verließ das kleine Cafe eine halbe Stunde später. Und dort, wo sie noch vor wenigen Minuten gesessen hatte, entstand eine Leere. Eine Leere in Narutos Brust, die jegliche Emotion in ihm verschlang.
Der Blonde schüttete noch mehr Creme in den unangetasteten Becher vor ihm und betrachtete die weißen Kreise, die langsam darin rotierten und sich mit dem Rest der kaffeeähnlichen Substanz vermischten.
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Mit der Zeit hört es auf, weh zu tun.
Das, so denkt Naruto, ist ein Haufen gequirlter Scheiße.
Zuerst hatte er es mit Training versucht.
Seine Hände waren blutig und zitterten unter der Wucht seiner Schläge. Was wenige Momente zuvor noch eine Eiche hatte darstellen sollen, glich jetzt einem modernen Kunstwerk. Blutspritzer, Holzsplitter, alles zusammen ergab vereint vor ihm das bizarre Erscheinungsbild, das noch vor kurzem ein harmloser Baumstamm gewesen war.
Naruto war zufrieden mit seiner Arbeit. Seine Hände waren’s nicht.
Aber immerhin schaffte es der höllische Schmerz in seinen Armen, ihn für ein paar Sekunden an nichts anderes denken zu lassen, als an das abartig taube Gefühl in seinen Knöcheln. Er war sich nicht sicher, aber sein rechter Zeigefinger schien gebrochen.
Training, so stellte sich nach kurzem heraus, war nicht der richtige Weg. Shizune brauchte eine Stunde, um die Verletzungen des Blonden zu heilen.
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Versuch Nummer zwei war Arbeit.
S-Rang Missionen, und zwar soviel Konoha zu bieten hatte.
Als er einen feindlichen Ninja bis in dessen Lager verfolgt hatte, wurde Naruto zum ersten Mal bewusst, dass er sich eigentlich nichts mehr aus seinem Leben machte.
Als das brennende Chakra Kyubis von ihm Besitz ergriff, seinen Körper durchströmte und ihn seine Gegner in Stücke reißen lies, wurde ihm zum ersten Mal deutlich, dass ihm seine Existenz gleichgültig geworden war.
Arbeit war auch nicht der richtige Weg. Sein Körper brauchte Wochen, um seine Chakrareserven wieder aufzufüllen.
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Und so blieb nur noch eins übrig.
Sake.
Es fing in kleinen Mengen an. Shika und seine dämlichen Ideen, mal einen trinken zu gehen. Einfach den Frust runter spülen. Es hörte sich zu verlockend an.
Und so, ehe er sich versah, saß er beinahe jeden Abend am selben Platz der miesen Spelunke.
Sake. Das scheußliche Zeug wurde mit jedem Glas besser und brannte mit jedem Schluck weniger seine Kehle entlang. Und mit jedem Zug wurde die traurige Leere in seinem Körper durch ein Gefühl der Taubheit gefüllt. Ein wunderbares Gefühl, denn es war vollkommen frei jeglicher Emotion.
Sake, stellte sich heraus, war genau das richtige.
Zumindest, bis er sie kennen lernte. Und damit änderte sich alles...