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Dämonen und Engel

von

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Winchester

Die junge Frau nickte und ging ins Arbeitszimmer.

Erschrocken blieb sie in der Tür stehen. Auf dem Sessel hockte ein Wesen, das Deans Kleidung trug und mit viel Fantasie vielleicht sogar als der ältere Winchester durchgehen würde, aber das war so wenig Dean, wie sie selbst ein Mensch war. Da hatte er ja unter der Brücke besser ausgesehen.

Damals hatte er sich noch ein wenig um Andere kümmern müssen. Dort hatte er noch ein kleines bisschen Hoffnung gehabt. Hier hatte er alles aufgegeben. Bobby war da und kümmerte sich um ihn und Bobby konnte sich gegen die Dämonen wehren. Er musste nicht mehr kämpfen wollen. Er musste nur noch auf den Tod warten, den sie ihm bis jetzt verwehrt hatten und von dem er hoffte, dass er bald käme und ihn einfach nur ins Vergessen mitnehmen würde. Es gab nichts mehr wofür es sich zu leben lohnte!
 

Anna hockte sich vor den Sessel, im dem der Blonde noch immer genauso hockte, wie sie ihn vor fast zwei Wochen verlassen hatte.

Sanft legte sie ihm ihre Hände an seine Wangen und hob sein Gesicht ein wenig an, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Sie musste schlucken.

Der Glanz der grünen Augen war verschwunden. Tief lagen sie in ihren Höhlen, umrahmt von fast schwarzen Augenringen erzählten sie von schlaflosen Nächten. Die Lippen waren rissig und aufgesprungen.

„Dean, du musst mitkommen, wir brauchen dich. Bitte“, versuchte sie leise zu ihm durchzudringen.

Sie bekam keine Reaktion.

„Bitte Dean, wir müssen uns um Sam kümmern.“

In die trüben Augen kam ein wenig Leben: „Sam?“, fragte er kaum hörbar.

„Ja Dean, Sam!“

Sie musste ihm beim Aufstehen helfen und als er taumelte schloss sie ihn fest in ihre Arme.
 

Blinzelnd öffnete Dean die Augen und schaute sich um.

Sein Gehirn verknüpfte diesen bekannten, penetranten Geruch von Desinfektionsmittel und die in weißen Kitteln durch den Gang hetzenden Menschen mit nur einem Wort: Krankenhaus.

Hoffnung glomm in seinen Augen und breitete sich zögerlich über sein hageres Gesicht.

Anna entließ ihn aus ihren Armen und deutete auf eine Tür.

Schnell drehte sie sich von Dean weg. Die Hoffnung in seinen Augen war wie ein Dolchstoß direkt in ihr Herz.

Sie sah zu Castiel und Bobby, die ebenfalls gerade angekommen waren.

„Er wird deine Hilfe brauchen“, sagte der Engel leise und wies auf Dean. Dann verschwand er mit Anna.

‚Das wird langsam zur Gewohnheit’, brummelte Bobby in Gedanken, ‚immer wenn diese Flattermänner nicht weiter wissen schicken sie einen Menschen vor.’

Inzwischen verstand er Deans Abneigung gegen diese Wesen nur zu gut. Sie sagten nie worum es ging und wenn sie Fehler machten, dann schickten sie die Menschen vor, um alles wieder ins Lot zu bringen.

Dean stand noch immer an den Türrahmen gelehnt.

‚Das heißt dann wohl nichts Gutes?’ überlegte der Ältere und trat hinter den Jungen.
 

Der blonde Winchester nahm nichts um sich herum wahr. Seine Augen waren starr auf das Wesen in dem Bett gerichtet. Er wollte nichts lieber, als zu ihm zu stürmen und ihn in seine Arme zu ziehen und ihm zu sagen, dass sie das schon schaffen würden, dass alles gut werden würde. Doch er machte keinen Schritt. So lange hatte er gewartet. So lange wollte er nur eins und jetzt hatte er Angst, diesen letzten Schritt zu tun.
 

Bobby überblickte den Raum.

Sam! Sam lag im Bett. Er hatte die Augen geschlossen und war blass bis auf einige dunkle Kratzer im Gesicht.

Neben ihm an der Wand stand eine Art Blasebalg, der sich immer wieder aufblähte und Luft in Sams Lungen pumpte.

Der Ältere schluckte hart.

„Dean?“, fragte er leise und legte dem Blonden eine Hand auf die Schulter.

Als hätte der nur auf diese Aufforderung gewartet, löste er sich von der Tür und ging auf das Bett zu. Er setzte sich auf den Stuhl, der daneben stand und streckte zögerlich eine Hand aus um seinem Sammy eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen.

Er zuckte zurück. Sams Haut fühlte sich so kühl, fast kalt, an.

Doch dann tasteten seine Finger erneut nach der Strähne und endlich schob er sie zur Seite.

Bobby lächelte bei diesem Anblick. Es war so schön die Jungs zusammen zu sehen.

Dean zog die Decke über Sam etwas höher und nahm dann dessen Hand. Er umfasste sie mit beiden Händen, stellte seine Ellenbogen auf die Matratze und lehnte seine Wange gegen Sams kalte Finger.

Noch immer wortlos verharrte er so, seine Augen fest auf das Gesicht seines kleinen Bruders gerichtet.
 

„Sind sie die Angehörigen des jungen Mannes?“, wurde Bobby aus seinen Gedanken gerissen. Er stand noch immer in der Tür, unschlüssig, ob er den Raum betreten sollte. Er wollte nicht stören, obwohl er eigentlich wusste, dass er das nie tun würde.

Er drehte sich zu dem Sprecher um und nickte.

„Schön, dass sie hier sind. Wie haben sie…?“, begann der Arzt.

„Das ist unwichtig“, erklärte Bobby.

Der Arzt tippte etwas in ein kleines Gerät.

„Mein Kollege kommt gleich, dann können wir unsere weiteren Schritte mit ihnen durchsprechen“, sagte der Mann und drängte den Jäger in den Raum. Die Tür ließ er einen Spalt offen stehen.

„Guten Tag“, grüßte er in Deans Richtung doch der reagierte nicht darauf. Unverwandt schaute er auf Sams Gesicht und schien auf eine Regung zu warten.

Der Arzt schluckte unbehaglich.

Stumm starrte er auf den jungen Mann.

Die Tür wurde aufgestoßen und ein älterer Arzt betrat den Raum. Diesmal schloss er die Tür richtig.

„Ich bin Dr. Carven und das ist mein Kollege Dr. Jones. Er ist unser Neurologe“, begann der Arzt und wartete auf eine Reaktion, die nicht kam.

Dr. Carven holte tief Luft. Das hier würde schwierig werden.

„Ihr Sohn wurde vorgestern mit sehr schwachen Vitalzeichen eingeliefert. Wir haben versucht ihn zu stabilisieren und für eine Weile schien es so, als ob wir damit auch Erfolg hätten, doch dann versagten nacheinander seine inneren Organe. Wir mussten ihn an die Herz-Lungen-Maschine anschließen. Er war zu schwach. Wir konnten ihm nicht mehr helfen.“ Hilfesuchend schaute er zu seinem Kollegen.

„Ihr Sohn ist klinisch tot und wir wollen mit Ihnen darüber sprechen, die Maschinen abzuschalten. Wir können nichts mehr für ihn tun. Sie sollten ihn erlösen“, erklärte jetzt auch der Neurologe.

„Das …“, krächzte Bobby. Er schluckte hart. „Das ist seine Entscheidung“, sagte er und deutete auf Dean. ‚Oh mein Gott!’, dachte er nur, ‚was mute ich dem Jungen da zu? Was mute sie dem Jungen zu?’ Aber er wusste, dass er ihm das nicht abnehmen konnte, es nicht durfte, und dass Dean diese Entscheidung selbst treffen musste und bestimmt auch wollte. Er hoffte nur, dass der Junge nicht noch einmal so einen Fehler machen würde wie vor zwei Jahren. Obwohl er ja bezweifelte, dass noch ein Dämon mit Dean einen Pakt schließen würde. Und er verfluchte die Engel, die Dean nur aus diesem Grund hierher gebracht hatten.

„Sie können doch ihrem Sohn nicht die Entscheidung darüber überlassen, ob die Maschinen bei seinem Bruder abgeschaltet werden sollen!“, empörte sich Dr. Carven.

„Er ist nicht mein Sohn. Ich bin ein guter Freund der beiden und glauben sie mir, wenn ich ihm die Entscheidung abnehmen könnte, würde ich es tun.“

„Dann sollten wir vielleicht die Eltern der beiden hierher bestellen.“

„Die Eltern der Jungs sind schon seit Jahren tot und er hat seinen kleinen Bruder aufgezogen. Also soll er auch diese Entscheidung treffen.“ Bobby verschränkte die Arme vor der Brust.

Die Ärzte schauten sich an, schüttelten beide mit dem Kopf und verließen das Zimmer.
 

Dean hatte sich während der ganzen Unterhaltung nicht gerührt. Er hatte durch nichts erkennen lassen, dass er zugehört oder verstanden hatte, worum es ging und doch hatte jedes Wort ihn wie ein Vorschlaghammer getroffen.

‚klinisch tot! … Herz-Lungen-Maschine … Organversagen … erlösen … Maschinen abstellen’, immer wieder kreisten diese Worte durch sein Gehirn. Sie schrien ihn regelrecht an, fraßen sich durch seinen Körper und schnürten ihm die Luft ab.

Sein Kopf schien bersten zu wollen. Er wollte schreien. Er wollte um sich schlagen, wollte Sam und die Ärzte schütteln. Es musste doch einen Weg geben! Es durfte doch nicht so enden.

War es das, was die Engel wollten? Wollten sie ihn brechen? Wollten sie ihn zerstören, um dann ihren Kämpfer neu aufbauen zu können? Sie brauchten ihn, hatten sie immer wieder gesagt. Er sollte Luzifer … Luzifer war in Sam … Sam war … Luzifer war nicht mehr in Sam? Aber war Sam dann auch nicht mehr in Sam!

Klinisch tot … Maschinen … erlösen …

Wäre es eine Erlösung?

Wo war Sam? War er ins Licht gegangen? War er noch hier? Hatten SIE ihn?

‚Sam soll entweder von seiner Sucht loskommen und mit mir jagen oder aber als Mensch sterben’, hallten seine eigenen Worte in seinem Kopf wider. War Sam als Mensch gestorben?

In seinem Kopf dröhnte es wie unter einer riesigen Glocke. Dean fürchtete von dem ganzen Lärm taub zu werden. Ein tauber Jäger! Fast musste er über diese Vorstellung lachen. Sammy hatte ihm das immer mal wieder vorgeworfen, wenn er die Musik im Impala zu laut gedreht hatte.

Wie sollte er denn jetzt mit dem Impala durch die Gegend fahren? Da fehlte doch etwas, das genauso wichtig war wie Benzin!

Klinisch tot … erlösen … Organversagen …

Dean wollte weglaufen. Er wollte sich vor dem Krach verstecken. Sollten sie doch die Entscheidung treffen. Sie kannten Sammy nicht!

Doch er bewegte sich nicht. Noch immer hockte er auf den Stuhl. Noch immer hielt er Sams kalte Hand zwischen seinen und noch immer starrte er aus trüben Augen auf seinen Bruder.

Niemand sah den Kampf, der sich in seinem Inneren abspielte.

Der Blonde verschloss sich vor der Welt und vor den Getöse in seinem Kopf. Für ihn gab es nur noch Sam. Seinen kleinen Bruder Sam.

Und er ließ seine Gedanken laufen.

Er sah sich und Sammy im Schwimmbad, wie er ihm das Schwimmen beigebracht hatte. Sammy hatte am Anfang immer wieder Wasser geschluckt und dann hustend und spuckend in seinen Armen gehangen und trotzdem wollte er es immer wieder versuchen.

Mit dem Fahrrad fahren war es fast dasselbe gewesen. Nur hatten da eher seine Hände und Knie gelitten.

Und dann sah er Sam plötzlich vor sich: „Weil du zu schwach bist, um sie zu verfolgen, Dean! Du hältst mich auf. Ich bin ein besserer Jäger als du, stärker, klüger! Ich kann Dämonen austreiben, denen du dich nicht mal nähern würdest. Du bist ja viel zu beschäftigt damit herum zu sitzen und dich schuldig zu fühlen wegen all der Seelen, die du in der Hölle gequält hast. Boohoo!“ Sein Inneres verklumpte sich. Schnell schob er diese Erinnerungen beiseite. So wollte er seinen kleinen Bruder nicht sehen. Nie wieder und er wollte nur zu gern glauben, dass es die Sirene war, die ihm diese Worte eingegeben hatte, auch wenn er wusste, dass er selbst alles was er gesagt hatte auch wirklich so gemeint hatte.
 

Tag und Nacht wechselten sich ab. Dean hatte sich noch immer nicht gerührt. Und doch wagte Bobby nicht, ihn zu stören, schien der Junge doch eine stille Zwiesprache mit seinem Bruder zu halten.

Die Ärzte kamen erneut ins Zimmer und diesmal waren sie entschlossen, sich nicht noch einmal von dem Mann abwimmeln zu lassen. Zweimal waren sie gegangen. Jetzt würden sie auf eine Entscheidung drängen.

„Wie lautet ihre Entscheidung?“, fragte Dr. Carven, als ob es ein „wie“ gäbe.

Der Ältere holte tief Luft und ging zu Dean hinüber. Zögernd legte er ihm die Hand auf die Schulter: „Dean?“
 

Jetzt war es also soweit. Er sollte von seinem kleinen Bruder, von seinem Sammy, Abschied nehmen.

Sie wollten ihn abschalten! Als ob man einen Menschen einfach so abschalten könnte.

‚Wir sehen uns wieder, Sammy’, versprach er stumm, ‚Bald sehen wir uns wieder!’

Widerwillig ließ der die Hand seines kleinen Bruders los und stand auf.

Bobby starrte auf den Jungen. Er hatte mit Widerstand gerechnet. Er hatte erwartet, dass Dean sich einfach weigern würde zu akzeptieren, dass Sam nur noch von den Maschinen am Leben erhalten wurde. Nichts!

Dean stand einfach von seinem Stuhl auf und ging zur Tür. An den Rahmen gelehnt blieb er stehen und starrte auf seinen Sammy.

Sofort schalteten die Ärzte die Maschinen ab.

„Komm Dean, das musst du dir nicht anschaun.“ Bobby versuchte den Jungen aus dem Zimmer zu schieben.

Dean stand wie angewachsen.

„Bitte Dean!“

Stur weigerte sich der Blonde den Raum zu verlassen. Unverwandt starrte er auf seinen Bruder, auf ein Wunder hoffend, ein Wunder befürchtend.

Nichts geschah.

Erst als das eintönige, nervtötende Piepen und die durchgehende Linie anzeigten, dass Sam jetzt endgültig tot war, ließ Dean sich widerstandslos aus dem Raum bringen.

Bobbys Hände an seinem Arm führten ihn zum Fahrstuhl.
 

Der Ton von Sams Tod hallte unaufhörlich in ihm wider. Was sollte jetzt werden? Der Ton seines Versagens machte ihn fast wahnsinnig. Wie eine leblose Marionette ließ er sich lenken.



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