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Mondesscherben

Wenn Träume zerspringen
von

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Mondesscherben [One-Shot]

Ein paar weisse Blüten der Sakura-Bäume fielen von ihren Plätzen, segelten wenige Sekunden durch die laue Frühlingsluft und landeten schliesslich und endgültig ohne jegliches Geräusch auf der glatten Wasseroberfläche. Ringe bildeten sich in dem Augenblick, als sie lautlos aufsetzen, und erreichten als kleine Wellen das Ufer des Teiches. Und sie hatten gar einen Beobachter; Den Blick auf die nun wieder spiegelglatt daliegende Wasseroberfläche gerichtet, stand an jenem Ufer eine junge Frau. Gekleidet in einen traditionellen, grauen Kimono, der überaus schön war, wirkte sie sehr elegant. Das Muster des Kimonos zeigte eine beeindruckende Berglandschaft, in dessen Hügel sich ein kleines Dorf schmiegte und am Saumende gerade noch die Formen eines Sees zu erkennen waren. Zudem war er mit goldenem Punkten bestickt, die Glühwürmchen darstellten. Der Obi dagegen erstrahlte in einem hellen, aber zurückhaltenden Goldton. Ihre schwarzen Haare bildeten einen schönen Kontrast und glänzten noch schwach im Licht der untergehenden Sonne. Die weichen Züge ihres Gesichtes verrieten ihre Schönheit, die wohl noch besser zum Vorschein gekommen wäre, wenn nicht ein Ausdruck stiller Trauer ihre gesamte Ausstrahlung verdunkelt hätte. Ihre aussergewöhnlich gefärbten Augen – sie hatten die Farbe von Smaragdgrün – zeigten keinerlei Gefühle, sah man jedoch, wie sie ihre ineinander gefalteten Hände gegeneinander presste, so zeigten diese, wie sehr sie innerlich aufgewühlt war. In Wahrheit fühlte sie sich den Sakura-Blüten seltsam nahe. Eben noch einen festen Platz im Leben gehabt, dann Frei im Wind und schliesslich still und heimlich auf dem Boden der Tatsachen gelandet, der einen weit weg spülte von seinem alten Leben – unerreichbar für immer. Dasselbe war mit ihr geschehen.

Schwere Schritte erklangen auf den Steinen, die durch den japanischen Garten zu dem Teich des Palastes führte, und unterbrachen die abendliche Stille. Jedoch hielt die junge Frau ihren Blick auf das Wassers aufrecht und wandte sich nicht einmal um. Sie nahm an, dass es eine der Dienerinnen war, die herausgekommen war um sie zum Abendessen herein zu bitten. Aber das war weit gefehlt. Keine scheue, höfliche Stimme sprach leise zu ihr – es war eine tiefe, sanfte, deren Unterton ernst klang – die Stimme ihres Vaters. „Amaya. Auch wenn du noch ein paar Stunden länger hier stehen bleibst, wird ihn das nicht früher zurück bringen.“

Einige Strähnen ihrer langen Haare hatten sich aus ihrer hochgesteckten Frisur gelöst und als das Mädchen herum wirbelte, folgten noch weitere. Sie achtete nicht darauf, sondern verneigte sich leicht, wie es Tradition war, vor dem Mann vor ihr. Er war eine imposante Erscheinung. Ein schlanker, hoch gewachsener Mann in einem schwarzen Herrenkimono, dessen grau meliertes Haar von einem Haarband im Nacken zusammen gehalten wurde. Einzig der geschnitzte Holzstab auf den er sich stützte, minderte die Macht, die er auszustrahlen schien – eine alte Kriegsverletzung war nie richtig verheilt und bereitete ihm nun im Alter wieder Schmerzen. Der Name dieses Mannes war jedem vom kleinsten Kind bis zum ältesten Greisen bekannt; Maeda Tsuyoshi, der Herrscher über die Provinzen Kaga und Noto. Seit Jahrzehnten war er der Erste, der es geschafft hatte beide Provinzen wieder unter sich zu vereinen. Seit Maeda Toshiie vor knapp 300 Jahren in der frühen Edo-Zeit das Land unter seinen Söhne aufgeteilt hatte. Immer hatten die Väter es an ihre Söhne weitervererbt und so hatte es immer einzelne Herrscher gegeben – bis Tsuyoshi schliesslich seinen entfernten Verwandten ihr Land abnahm. Nicht etwa durch Verhandlungen, dass hätten die machtgierigen Kakaku nicht zugelassen. So gelang es ihm einzig durch den Kampf mit seiner Armee. Er hatte es für die Menschen getan und diese wussten es bald zu schätzen, auch wenn sie erst Skrupel vor einem Mann hatten, der seine eigenen Familienmitglieder tötete. Inzwischen führte die Bevölkerung Kaga und Noto’s jedoch ein gutes Leben und verehrten ihren Mächtigsten, der meist nur Yoshio(= rechtschaffener Mann) genannt wurde, als weisen und gütigen Herrscher.

Vor Amaya stand er allerdings nicht als reicher und angesehener Mann, sondern als ihr Vater. 17 Jahre zählte sein einziges Kind nun bereits und noch immer war sie für ihn sein kleiner Sonnenschein, das kleine Mädchen, das niemals traurig sein sollte. Es war wohl mit dem frühen Tod ihrer Mutter zu erklären, dass Tsuyoshi seine Tochter immer mit grossem Beschützerinstinkt behandelt hatte. Nichts und niemand durfte sie verletzen oder sie gegen ihren Willen ansprechen oder anrühren – wenn es jemand wagte, so konnte er sich dem Zorn des Kakaku’s von Kaga und Noto sicher sein. Es war verständlich, dass es den alten Mann im Herzen schmerzte, als er nun Amaya erblickte und in ihren sonst so sprühenden Augen die bleierne Trauer entdeckte, bevor sie diese hinter einer dicken Mauer aus Höflichkeit und Leere verstecken konnte. Immer hatte er sie beschützen wollen – doch vor der Liebe konnte auch ein Mächtiger seine Tochter nicht schützen.

„Vater! Was tut Ihr hier? Solltet Ihr nicht mit den Samurai auf dem Feld sein und Eure Pläne mit Ihnen besprechen?“ Amaya sprach trotz ihrer aufgewühlten Gefühlswelt mit fester Stimme, wie es ihr von klein auf beigebracht worden war. Als Prinzessin zeigte man keine Schwäche, auch nicht dem eigenen Vater gegenüber. „Und ich weiss genauso gut wie Ihr, dass es ihn nicht schneller zurück bringen wird. Aber wenn ich hier stehe, dann bin ich ihm näher als ich es sonst sein könnte. Denn hier versprach er mir zurück zu kehren. Und hier vertraue ich darauf, dass Takeru sein Versprechen hält.“ Mit klarem Blick sah sie zu, wie die Nacht um sie herum immer schwärzer wurde und ihr Wächter sich langsam zu zeigen begann. Unter einem solchen Mond hatte er es versprochen - unter dem Mond, der nun ihr Hoffnungsträger war. Denn brach jener Mann sein versprechen, so war es nicht nur um ihre Glücklichkeit, sondern vermutlich auch um das Schicksal der beiden Provinzen geschehen.

Tsuyoshi schüttelte seinen Kopf und seine Züge wirkten auf einmal härter als zuvor. „Meine alte Kriegsverletzung setzt mir heute mehr zu als sonst. Ich wäre nicht in der Lage gewesen, bis zu der Grenze zu reiten. Boten sind bereits auf dem Weg zu den Truppen, um sie über meine Pläne zu informieren. Wenn sie aber nicht schnell genug am Rande von Kaga ankommen, so werden Etchu’s Samurai bereits attackiert haben, während unsere Krieger keine Strategie und keine Anweisungen besitzen und ihren ersten General vermissen.“ erklärte der Alte und seine Stimme widerspiegelte den Ernst der Situation – es drohte die Vernichtung des gesamten Gebietes der Maedas.

Etchu, eine benachbarte Provinz von Kaga und Noto, die etwa so gross war wie die beiden Provinzen zusammen, hatte Tsuyoshi und seinem „Land“ den Krieg erklärt, weil es die wertvollen Anbaugebiete in der Mitte des Reiches wollte. Und natürlich die berühmt berüchtigten Schätze des Palastes der Maedas, der auf der Halbinsel Noto in der Hauptstadt Nanao lag. Normalerweise waren Herausforderungen keine Sache für die im Kampf geübten Samurai von Yoshio, jedoch war dies etwas anderes. Die Streitmacht Etchu’s war etwa so gross wie die Kaga & Noto’s, doch befürchtete Tsuyoshi, dass sie noch grösser war. Zudem waren die Feinde überraschend schnell schon vor zwei Wochen an der Grenze aufgetaucht und die heimatlichen Truppen mussten überstürzt und ohne richtige Pläne aufgebrochen. Damals war Tsuyoshi noch bei ihnen gewesen und hatte bei der Strategieentwicklung geholfen, dank ihm waren sie aus den ersten Schlachten als Sieger hervor gegangen. Bei einem Überraschungsangriff vor zwei Tagen mussten sie jedoch herbe Rückschläge und Verluste erdulden, Yoshio war bereits abgereist um weitere Soldaten nachzuschicken und sich um die anderen Dinge zu kümmern, so dass das gesamte Lager um ein paar Kilometer mehr ins Landesinnere verschoben wurde – in Sicherheit. Nun folgten die feindliche Armee und würde bald bei den Samurai sein und ihnen fehlten Yoshio und der General der ersten Einheit – Ashikaga Takeru, der angeblich beste Kämpfer der gesamten Truppen und derjenige, der Prinzessin Amaya das Versprechen gab, an welches sie sich momentan noch klammerte.

Die Nacht war nun vollends über das Gelände und Vater und Tochter herein gebrochen und die Gestirne warfen ihr silbriges Licht gnädig zu ihnen hinunter, als wollten sie zumindest ein wenig die düstere Stimmung aufhellen. Doch nach den Worten Yoshio’s war dies vollkommen unbemerkt an Amaya vorbeigezogen, während sie wie erstarrt in die Schwärze hinaus sah, ohne das Geringste zu erkennen. Man vermisste den ersten General? Das konnte nicht sein. Der Anführer der stärksten Einheit war Takeru, und dieser würde sich niemals von dem Lager entfernen, geschweige dann das Weite suchen. Aber dann konnte dies nur bedeuten, dass er auf dem Schlachtfeld... Amaya schritt näher an ihren Gesprächspartner heran, die Ungläubigkeit gab ihren Augen im Sternenlicht einen merkwürdigen Glanz und sie wirkte mehr als aufgebracht. „Das… Das kann nicht wahr sein. Unsere Krieger wurden schon wieder angegriffen? Aber alles sah doch so rosig aus, alles schien doch gut für uns zu kommen…Alles sprach für einen Sieg. Und Takeru kann nicht verschwunden sein! Ihr müsst Euch irren, Vater!“ Mit einer barschen Handbewegung unterbrach Tsuyoshi das Gerede seiner Tochter, wissend, dass sie innerlich langsam auf einen schwarzen Abgrund zuging. „Ich irre mich nicht, Amaya. Man überbrachte mir diese Informationen kurz nach meiner Abreise vor 6 Tagen und heute Morgen war er noch immer nicht aufgetaucht. Man weiss nicht, wo Takeru-san abgeblieben ist, aber alle hoffen das Beste. Im Krieg kann sich das Blatt schnell wenden. Aus Sieg wird schneller Niederlage als einem lieb ist.“ Auf einmal wirkte der Herrscher erschreckend müde, das Alter zeichnete sich deutlich auf seinem ernsten Gesicht ab. Zwar war Yoshio noch immer geistlich und körperlich gesund, doch strengte der dauernde Stress seinen Körper mehr an als früher. Und der Anblick seiner Tochter, deren Gesicht einer verzweifelten Maske glich, besserte dies bestimmt nicht. Amaya spürte eine kalte Leere in sich aufsteigen, die drohte, alle Hoffnung in ihr zu ersticken. 6 Tage! 6 Tage und kein Zeichen von Takeru. Das war nicht normal. Etwas, irgendetwas musste geschehen sein.

Takeru… Wo bist du?
 

Knisterndes Feuer, der Geruch gebratenen Fisches und ab und zu das Schnauben seines Pferdes Aky. Mehr gab es für den schwarzhaarigen Samurai in diesem Moment nicht – nicht mehr als seine bitteren Gedanken und Gefühle. Nicht die schwarze Natur um ihn herum, nicht die glitzernden Sterne oder der leuchtender Mond am Himmel – nichts konnte ihn ablenken. Vor dem Lagefeuer sitzend, an den Sattel seines Rappen gelehnt und darauf wartend, dass sein Abendessen, bestehend aus einer gebratenen Forelle, endlich fertig war, gab es doch so vieles, worüber er hätte nachdenken können. Beispielsweise, wann er wieder zu seinen Truppen zurückkehren sollte, auch wenn dies noch unvorstellbar erschien. Oder, wie er die sie zum Sieg führen sollte. Aber nichts davon streifte seine Gedanken auch nur; der grosse, schlanke Mann namens Takeru dachte nur an das, was vor sechs Tagen geschehen war.

Vor sechs Tagen war ihm sein guter Freund und General der vierten Einheit genommen wurde; oder anders ausgedrückt hatte er sich selbst um Takeda Daisuke gebracht, seinen alten Freund. Vor sechs Tagen war bekannt gegeben worden, dass alle Geiseln, die Etchu noch aus einer Schlacht von Kaga & Noto genommen hatten, umgebracht werden sollten – alle stammten aus der vierten Einheit, aus der Obhut Daisuke’s. Er war ein stolzer Mann gewesen, dem Tradition und Ehre alles bedeuteten und für seine Männer wäre er wohl durch’s Feuer gegangen. Man konnte sich vorstellen, wie schuldig er sich fühlte, als er die Nachricht bekam.

Es gab jedoch einen Ausweg für die Samurai, einen, der schlimmer war, als vieles andere. Es verstiess gegen so viele Regeln und Traditionen, dass man sie gar nicht aufzuzählen vermochte. Leider war es jedoch wahr; man verlangte den Seppuku von Takeda Daisuke.Daisuke überlegte nicht lange und erklärte sich kurz und bündig gegenüber dem Boten bereit, sich für seine Männer zu opfern. Warum die Feinde seinen Tod wollten, war klar. Sie wollten den Stolzesten General ihrer Gegner leiden und sterben sehen, und so brutal und ekelhaft es war, so entsprach es der Wahrheit.

Als Takeru von einem Erkundungsritt zurückkehrte, war es bereits zu spät um seinen Freund aufzuhalten; er hatte das Einverständnis bereits unterzeichnet. Das Einzige was Takeru übrig blieb, war es die Rolle des Sekundanten (Assistenten) bei diesem Seppuku einzunehmen. So leicht es für ihn gewesen wäre, alle Anwesenden zu töten und dann mit Daisuke zu flüchten – er wusste, das sein Freund dies niemals zulassen würde und die Soldaten ihrer Einheit vollends verloren gewesen waren. So erfüllte er den Wunsch, den letzten, von Takeda Daisuke und begleitete ihn bis zu seinem Tod.

Morgens früh fand es statt, ohne das Wissen der Anderen ritten Daisuke und Takeru fort, der Erste, das letzte Mal. Noch immer spürte Takeru die bleierne Schwere von damals auf seinen Schultern, noch immer konnte er das schlichte Zelt sehen, indem der vierte General starb. Und wenn er die Augen schloss, so sah er nur das Blitzen seines eigenen Schwertes, das Aufkeuchen Daisuke’s und ein hässliches Geräusch, das entstand, wenn ein schwerer Gegenstand gegen etwas Hartes klatschte. Und das war es gewesen, was er zum Lager zurück brachte: Daisuke’s Körper und seinen daran baumelnden Kopf.

5 Tage war dies her und seither hatte er keinen Schritt mehr in die Richtung der Grenzen oder Lager getan. Er hatte sowohl von dem Überraschungsangriff Etchu’s als auch von dem Weiterziehen der Truppen gehört. Trotzdem verharrte er noch immer draussen in der Wildnis, nicht fähig von den schrecklichen Gedanken loszukommen. Er fühlte sich nicht mehr wertvoll genug, ein Samurai, ein General oder gar der Geliebte von Maeda Amaya zu sein. Er fühlte sich nicht mehr im Stande, sich selbst zu verkörpern. Denn wenn ein Mann, der so stark, stolz und berühmt gewesen war wie Daisuke, einfach so weggewischt wurde, entledigt durch eigene Hand vor seinen Feinden wie ein Schwein – wenn ein solcher Mann sich für seine Kämpfer hingab und diese doch alle gehängt wurden; was brachte es dann noch zu kämpfen? Kein einziger dieser Männer hatte je wieder zu seinen Familien zurückkehren oder seine Heimat sehen dürfen, sie alle waren grundlos gestorben. Und dies würde immer wieder passieren, egal wie oft man noch gewinnen oder verlieren würde. Opfer gab es immer, weinende Frauen sah jedes Mal, nachdem man von einer Schlacht zurück kam. Solange er dieses abscheuliche Gefühl, das sein ganzes Leben und seine Taten in Frage stellte, nicht weg war, solange würde er nicht gehen. Solange würde er nicht mehr Ashikaga Takeru sein.
 

Silbern schimmernd, die Welt erhellend – Mondesstrahlen fielen von dem sonst schwarzen Himmel auf die beiden Körper, liessen die schwarzen Haare in einem geistlichen Schimmer erstrahlen. Was noch vorher wie eins gewirkt hatte, löste sich von einander und verwandelte sich wieder in zwei Gestalten, zu erkennen als die Prinzessin und der erste General. In ihrem Haar steckte eine Sakura-Blüte, er steckte in seiner vollen Rüstung. Es sah aus, als stehe er kurz vor dem Aufbruch. Noch einmal flüsterten sie sich Worte zu, er küsste sie noch einmal zärtlich und wandte sich dann ab – doch Amaya hielt seine Hand in der ihren gefangen. „Take-kun… Bitte, geh nicht! Ich habe Vater gehört, er sagte, dieser Kampf wird der Entscheidenste sein, den es seit langer Zeit gab. Ich will dich nicht verlieren!“ flüsterte sie leise und Schmerz spiegelte sich in ihren grünen Augen wieder, langsam floss eine Träne über ihre Wange, in der sich sogar der Mond wieder zu spiegeln schien. Takeru schüttelte leicht den Kopf, leicht amüsiert über so viel Unwillen und innerlich zerissen darüber, dass er sie im Ungewissen lassen musste. Sanft strich er über ihr Gesicht und verwischte die Träne, die eben noch wunderschön glitzernd an ihrem Kinn hängen geblieben war. „Und ich will dich nicht verlieren, Maya-chan. Deswegen gehe ich ja. Wenn ich nicht gehe, werden wir vielleicht verlieren und wenn wir das tun, wirst du an den Herrscher von Etchu ausgeliefert sein. Du weißt, dass er sich nach deiner Schönheit sehnt – willst du das? Das ich am Leben bleibe und du dafür bei ihm gefangen bist?“ Trauriges Lächeln über ihren alten Spitznamen, dann ein ganz leises Verneinen. „Aber…“ begann sie, wurde aber sogleich unterbrochen. Der attraktive, junge Mann ging ein paar Schritte, drehte sich auf den letzten Steinen, die aus dem Garten führten, noch einmal um und sprach ein letztes Mal.. „Dann verspreche ich dir heute etwas, Maya. So wahr der wunderschöne Vollmond heute am Himmel steht, so werde ich zu dir zurückkehren. Sonst soll der Wächter der Nacht nicht mehr am Himmel stehen.“
 

„Und ihr seid euch eurer Entdeckung ganz sicher? Handelt es sich um Ashikaga Takeru, den General der ersten Einheit?“ Anscheinend glaubte Tsuyoshi seinen Wachen noch immer nicht. „Natürlich sind wir sicher, Yoshio-sama! Man hat uns mehrere Male versichert, dass es sich um Ashikaga-sama’s….“ Weitere Worte drangen dumpf durch die verschlossene Tür bis zu Amaya, die auf ihrem gefütterten Futon auf einer Art Matratze lag. Sie wollte nichts mehr hören und tat es eigentlich schon lange nicht mehr. Nur ihr eigenes Schluchzen, dass immer wieder ihren Körper erbeben liess, füllte ihr Zimmer aus und das gelegentliche Schniefen ihrer Nase bildete einen gewissen Kontrast dazu. Ihr Gesicht kam ihr beinahe taub vor, die vielen Tränen, die noch immer liefen, spürte sie bereits nicht mehr. Takeru… Warum hatte er sein Versprechen gebrochen? Wenn Amaya zum Fenster hinaus blickte, so sah sie keinen Mond. Sie sah nur die Schwärze einer Zukunft, die ihr niemals Freude bereiten würde. Sie sah nur Scherben einer Hoffnung, die sich nie erfüllen sollte. Mondesscherben.

Die Boten hatten nun, nach zwei weiteren Tagen, eine Nachricht gebracht. Ashikaga Takeru war gestorben, nur noch seine blutbefleckte Ausrüstung und ein paar menschliche Überreste waren gefunden worden. Sein Begräbnis sollte nach den Kämpfen stattfinden – wenn dies noch ginge. Das Heer von Kaga & Noto hatte so herbe Rückschläge verkraften müssen wie schon lange nicht mehr. Etchu hatte ihre neuen Lager ausfindig gemacht und bei Nacht und Nebel angegriffen. Es schien langsam aussichtslos, noch einen guten Angriff starten zu können. Es schien langsam so, als sein mit Takeru und Daisuke, der ebenfalls verschwunden war, das Glück der Provinzen untergegangen. Langsam schien es so, als müsste sich die Prinzessin auf eine Heirat mit dem Herrscher Etchu’s vorbereiten, damit dieser Gnade walten liess – ein Kapitulationsschreiben von ihm persönlich war nämlich bereits erschienen.

Amaya wusste nicht genau, worum sie weinte. Um Takeru? Um Daisuke? Um ihr altes Leben? Oder um das Leben, das sie nie hatte führen können?
 

„Spute dich, Aky!“ flüstere der Samurai, ohne Rüstung oder Helm, nur noch mit Kettenhemd und Langschwert bewaffnet, seinem Rapphengst ins Ort und trieb ihn erneut an. Er musste zurück, so schnell es ging.

Es war wie verhext. Noch am selben Abend hatten ihn gleich drei feindliche Samurai attackiert und überrascht – und Takeru konnte sich glücklicherweise auf seine Reaktionsschnelligkeit verlassen. Ein Anderer hätte sich als tot bezeichnen können. Aber ein Anderer hatte auch nicht die gleiche harte Ausbildung wie Takeru absolviert. Zu seinem Glück hatte er nur eine Wunde an der linken Schulter kassiert, die bereits aufgehört hatte zu bluten. Und dieser Angriff hatte ihm dann schliesslich mit die Augen geöffnet. Kämpfen war keine Lösung. Mit Waffen schaffte man keinen Frieden, man tötete. Aber wenn er jetzt nicht kämpfte, so würden noch mehr Menschen zu schaden kommen, mehr als es sonst. Für dies hatte schon Daisuke gekämpft und auch er wollte es so weiterführen – kämpfen für jene, die sonst Schaden nehmen würden. Für jene, die es zu beschützen galt und für die es sich lohnte. Wie beispielsweise Tsuyoshi-sama und Amaya in diesem Augenblick.

„Los Aky, beeil dich!“ trieb er sein Pferd erneut an und der Hengst preschte tatsächlich noch schneller vorwärts.

Wie hätte er wissen sollen, dass der Kampf im Palast von Noto bereits entschieden war? Wie hätte ein einfacher Samurai ahnen sollen, dass sich in diesem Moment eine Prinzessin stumm weinend in einen Hochzeitskimono kleidete und sich ihrem Schicksal hingab? Wie hätte er ahnen sollen, dass er nur zum Himmel hätte schauen sollen um zu begreifen, dass kein Mond mehr da war – nur ein Haufen zersprungener Träume.



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