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Wings 2

von

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Die Wahrheit

Es konnte sich nicht merkwürdig anfühlen. Es waren nur irgendwelche Symbole, die mein Jahrhunderte alter Verstand erkannte. Mein Körper fühlte sich nicht seltsam an. Es war nichts im Vergleich zu diesen ganzen Filmen, die im Fernsehen ihre Runden drehten. Was am Ende geschehen würde, wollte ich dennoch nicht herausfinden. Ein Lächeln trat auf meine Lippen. Ich war nicht mehr Yara. Nein, ich war eine Priesterin, die nun handeln musste. Eigentlich tat ich es bereits. Die Symbole wurden langsamer, sie glühten immer heller und heller. Evelyn vor mir erglühte in demselben inneren Licht, welches sich hoch bis zum Himmel warf, wie eine Art Säule. Ich wusste, dass es bei zwei Frauen auf diesem Gelände genauso laufen würde. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um die wilden Strudel, die meine Freundin hinter mir sah, erkennen zu müssen. Das Licht der Runen erhellte mein Gesicht und meine Haare, die wieder aller Natur, nach oben wanderten. Sanft flog mein Haar und mein Lächeln wurde immer breiter. Eine Säule für mich schoss vom Himmel herab und hüllte mich ein. Ich wurde völlig davon verschluckt.

Langsam öffnete ich wieder die Augen. Um mich herum war es tief schwarz. Ich sah mich um, doch da war nichts, außer ich. Völlig nackt und von innen heraus leuchtend, war ich in dieser endlosen Ewigkeit aus Schwarz gefangen. Doch schon erweckte etwas vor mir meine Aufmerksamkeit. Die Runen sammelten sich, in langen Schlangen umflogen sie sich selbst und bildeten ein rundes Gebilde. Während sie seltsame Klänge von sich gaben began ich zu verstehen. Jemand hatte uns ausgewählt in der Gewissheit, dass wir diejenigen waren, die ihn aufhalten konnten. Unbemerkt hatte der Zauber auf uns gelegen, hatte uns Stück für Stück verändert. Unser Persönlichkeit beraubt hatten wir genau das getan, was er bezweckt hatte. Wir sollten uns entfremden und uns auflösen. Getrennt waren wir also kein Grund zur Sorge. Der Kampf hatte wieder begonnen. Wir waren im Krieg, noch ehe wir es gewusst hatten.

In mir ergab alles einen erschreckenden Sinn. Haargenau im selben Moment schloss ich einen Pakt. Ich würde mich, mein Leben, mein Kind für die Dauer dieses Kampfes aufgeben. Ich, die Yara dieser Zeit, würde ein Stück meiner Existenz verlieren und derjenigen Platz machen, die gewinnen konnte. Tief in meinen Augen konnte man die Veränderung bemerken, die da in mir vorging, während meine Seele einen Schritt zurück trat und Platz für das neue Alte machte.

„Du gehörst mir!“

Meine Hände flogen in einer schwungvollen Bewegung nach vorn, als wollten sie diesen Ball aus lebendig gewordenen Symbolen umfassen.

Ein Schrei zerriss die Luft und hämmerte in meinen Ohren. Das lebendige Gebilde vor mir krümte sich, versuchte zu entwischen. Doch die langen Linien waren nicht schnell genug. Die Priesterin bewegte ihre Arme und fing jedes Stück nach einander ein. Immer kleiner wurden sie, zusammengepresst durch die starke Magie. Mein altes Ich lies mich durch einen Zugang ein wenig Wissen gewähren. Diese Magie vor uns, war schon uralt. Sie würde immer bestehen. Sie war der Grund, warum Menschen sich änderten. Man brauchte sie, ansonsten konnte ein menschliches Wesen nicht in der schnellen Welt bestehen, die sich mit jeder Sekunde veränderte. Sie konnte die Macht nicht vernichten. Um das Gleichgewicht zu bewahren, musste sie...

In gebündelten Strahlen schoss die Symbole nun auf ihre Hände zu und versanken in ihrer Handfläche. Solange, bis nichts mehr von ihnen übrig war. Wieder wurde es ein Stück noch dunkler, als es um uns herum sowieso schon war.

'Niemand kann so etwas vernichten.' Meine eigene Stimme klang seltsam. Daran musste ich mich wohl von nun an gewöhnen. 'Lass uns nun zurück kehren...' Mit diesen Worten löste sich die Dunkelheit bereits auf, wurde von Licht verschluckt.

Im nächsten Moment stand ich wieder auf der Campuswiese. Evelyn rannte auf mich zu und auch von hinten hörte ich meinen Namen. Ich wusste gar nicht wohin ich zuerst sehen sollte. Bald war ich umringt und wurde mit Fragen nur so überschüttet.

„Beruhigt euch doch“ lachte ich. Ich war wohl wieder Yara, diejenige, die sie kannten. Aber warum?

'Weil wir nicht gegeneinander kämpfen... Sondern miteinander' sagte die Priesterin lächelnd. 'Ich könnte deine Hilfe gebrauchen, Yara.' Und schon war sie wieder verschwunden.
 

Ob ich wollte oder nicht, die nächste Zeit würde hart für mich werden. Niemand außer ich, war nun eins mit ihrer Vorfahrin. Während ich mit Wissen und Informationen überschüttet wurde, kümmerten sich die Anderen um den Zusammenhalt und das weitere vorgehen. Mit glasigen Augen saß ich irgendwo herum und lies die Bilder vor meinem inneren Augen vorbei fliegen. Ich hatte ungehinderten Zugang zu der Vergangenheit, meinen früheren Leben. Mittlerweile war uns allen klar, dass uns die Zeit davon gerannt war. Wir hatten viel zu lange gebraucht und waren voll in die Falle getappt. Das würde uns nicht noch einmal passieren, schworen wir uns. Wir gaben unsere Leben einfach auf, zerstörten jeden Weg der Kontaktmöglichkeit. Wir waren wieder wir selbst und wir brauchten nur uns.

Aber gerade hätte ich gern noch jemanden gebraucht, die uns als Haushälterin beigestanden hätte.

„Der Topf ist schwer!“ Keine Reaktion. „Er ist wirklich schwer!!“ rief ich lauter und doppelt so energisch. Evelyn kam mir zu Hilfe und wuchtete das rießen Ding vom Herd zur Spüle. Der Qualm stob um uns herum, als wir die Nudeln Stück für Stück in das viel zu kleine Sieb abgossen.

„Ich mach das hier weiter, bring du doch schon mal das Geschirr rüber.“ Ich tat wie mir geheißen und drehte mich herum.

Wir wohnten nun alle in meiner Wohnung. Überall lagen Dinge verstreut, die Laptops waren im Dauereinsatz und wir auf ständige Bereitschaft. Nichts weiter als kurze Nachrichten waren den Angehörigen in die Hände gelangt. Wir verrieten uns hier nicht. Unser Gegner, unser Feind, wusste wo ich wohnte. Aber das war egal. Er konnte uns so nicht angreifen, wenn wir beisammen waren. Der Stern, wenn auch nur aus drei Teilen bestehend, bildete gemeinsam eine Barriere, die er, Tian nicht überwinden konnte. Überrascht? Ich irgendwie nicht mehr.

Da wir seinen Plan vereitelt hatten, würde er nun doch nach Japan reisen müssen. Er wusste, was geschehen war. Immerhin hatte er die Magie der Veränderung gebündelt und auf uns losgelassen. Wir hatten ihn ein Stück weit zurückgeworfen, das konnte er nicht übersehen. Allerdings war er uns immer noch um Meilen voraus. Während wir uns hier versammelten, konnte er bereits im Flieger nach Japan sitzen. Ihr könnt immer noch nicht folgen?

Ok, noch einmal langsam. Tian ist unser Feind, er hat versucht unseren Kreis zu zerbrechen. Damit wären wir keine Gefahr mehr für ihn und er könnte einfach von dem Ort aus, an dem er sich befand, den Weltuntergang herbeiführen. Es würde nur länger dauern. Die Magie, die er losgeschickt hatte, hatte ihren Ursprung in Japan. Dort wurde sie gebündelt. Da ich ja bereits erwähnt habe, dass man diese alte Magie nicht einfach vernichten darf, wäre sie nach der Erfüllung ihrer Aufgabe einfach zurück gekehrt. So ein großer Haufen an alten Runen existiert nicht an einem x-beliebigen Ort, sondern an einem bestimmten. Es ist ein Tempel gemeint. Man muss nur wissen, wie man die Magie dazu bringt, nun ja, zu plaudern. Wenn ihr versteht.

„Ich komme mir so allwissend vor“ brach Corinne das Schweigen am Tisch. Ich grinste, alles war wieder beim Alten.

„Natürlich, da du es ja auch warst, die herausgefunden hat, wie man die Magie, die Yara gefangen hat, für unsere Zwecke benutzen kann“ warf Evelyn spöttisch ein.

„Nun hör aber mal!“ Sie neckten sich gegenseitig, haargenau wie früher. Lilli und ich warfen uns einen verschwörerischen Blick zu.

Evelyn war nicht lesbisch und würde es wohl auch nie werden. Selbst wen, sie gehörte immer zu unserer Gruppe dazu. Corinne, unser kleiner Wirbelwind, war es leid sich diesem einen Mann zu verschreiben, der noch dazu eigentlich immer gleich handelte. Wie oberflächlich, hatte sie gemeint. Und Lilli, für sie war ihr neuer Verehrer immer noch ein Dorn im Auge, aber sie wollte ihm die Chance auf ein Date gewähren, sobald wir die Welt gerettet hatten.

Du meine Güte, wie das klingt. Auf meiner To-Do-Liste stehen nun Dinge wie: Bösewichte besiegen. Aber ich fügte mich doch recht gut in die Rolle einer Heldin. Ich meckerte nicht, ich jammerte nicht und ich rannte nicht blind drauf los. Außerdem hatten wir Informationen über Japan aufgetrieben, die uns bei der Suche des Zieles helfen konnten. Mit Hilfe der alten Magie war es uns gelungen die Stelle des Kampfes fast genau zu bestimmen. Hokkaido hieß die kleine Insel, die Nördlichste von allen. Die nächste Aufgabe war nun nur noch gewesen dorthin zu gelangen. Das klang im Vergleich zu all dieser Magie doch recht einfach. Leider bin ich Yara, das Aberkind.

„Was willst du jetzt gegen diese Klage unternehmen?“

Ja, was sollte ich tun? Ich hatte ein Buch gestohlen und man hatte mich doch ertappt. Um an einen Ausweis zu kommen hatte ich meine Daten angeben müssen, der Rest war nur noch simples Bildschirm anstarren gewesen. Die Videokameras hatten all meine Schritte verfolgt. Außerdem hatten sie wohl durch eine Mitarbeiterin der Bibliothek schnell einen Hinweis bezüglich mir erhalten. Wäre ja auch zu schön gewesen.

Aber das Buch war gar nicht mehr in meinem Besitz. Mit dem Schreiben in der Tasche gingen wir gemeinsam zur Uni zurück. Wir wollten nur kurz bleiben und ich beschloss das Ende der Geschichtsstunde zu wählen um Herrn Won die Zurückgabe des Buches zu „erklären“.

Es läutete, doch niemand kam heraus. Unsicher sahen wir uns an. Nach weiteren zehn Minuten klopfte ich. Keine Antwort. Wie auch? Der Raum war groß, ein Klopfen hörte man sicherlich nicht. Vorsichtig öffnete ich die Tür und linste hinein. Sofort herrschte mich ein wütender Herr Won an, warum man seine Stunde unterbreche. Da hatten wir des Rätsels Lösung: Er überzog zur Strafe einfach maßlos die Stunde. Warum war ich nicht früher darauf gekommen?

Ich hatte wirklich gar keine Zeit um groß darüber nachzudenken. Die Priesterin schubste mich in den Hintergrund und formte meine Lippen zu unbekannten Lauten und Worten. Während ich also auf Japanisch auf Herrn Won einredet, der genauso verdutzt war wie ich, verstand ich nicht ein Wort. Danke schön, an dieser Stelle. Sie hätte mir wenigstens sagen können, dass sie einen Plan hat und vielleicht hätte ich ihr dann mitgeteilt, wie man meinen Dozent richtig anpackte. Aber hey, ich bin es ja nur, die deutsche Yara. Grummelig lies ich sie gewähren und hörte die Antwort des Japaners. Ich verstand immer noch nichts. Das war doch zum verrückt werden.

Wie eine Marionette bewegte ich mich wieder aus dem Raum und schloss die Tür. Große Augen sahen mich an und ich war wieder ich selbst. Wütend presste ich die Lippen aufeinander.

„Was hat er gesagt“ fragte Lilli zögernd. Ich schwieg.

„Oh, war wohl doch nicht so gut, oder?“ Sehr hilfreich Corinne, wirklich.

„Yara, jetzt sag doch endlich was!“

„Diese vermaledeite Kuh! Ich habe keine Ahnung was sie gesagt hat!“ Nein, ich hörte nur das Lachen von ihr, tief in meinem Inneren. „Sie amüsiert sich gerade köstlich“ fügte ich noch erklärend hinzu, nicht minder erbost.

Plötzlich öffnete sich die Tür hinter mir und Herr Won, breit lächelnd sprang fast wie ein junges Reh an uns vorbei. Wir starrten ihm hinterher.

„Was um Himmelswillen...?“

Ja, was war da nur geschehen. „Ich weiß es auch nicht...“ gab ich nach einiger Zeit zurück.

Hinter uns kamen die Studenten heraus, die den Gang nach dem Dozenten absuchten und schließlich fix das Weite suchten.

„Wartet! Was ist passiert?“ riefen wir schon fast gleichzeitig. Einige musterten uns abfällig. Was hatte meine Vorfahrin nur gesagt?

„Er ist begeistert von deinem Vorschlag, was sonst?“ Die Studentin klang mehr als angepisst. „Da du jetzt anscheinend eine von ihm bist, pff!“ Mehr Antwort gab es nicht.

Als wir wieder allein waren, fand ich endlich meine Stimme wieder. „Was habe ich nur getan?!“

Wir gingen Herrn Won suchen und fanden ihn schließlich auch.

„Er ist gerade mitten in einem Gespräch mit dem Herrn Direktor! Ihr könnt jetzt nicht zu ihm!“

„Ja, aber warum ist er bei ihm?! Rede ich den Chinesisch?!“ Meine Geduld war mit der Suche verloren gegangen.

„Nein... aber japanisch“ kicherte es hinter mir. Tolle Hilfe, wirklich.

„Ich verbitte mir diesen Ton, junge Dame! Ihr wartet entweder im Gang oder kommt morgen wieder! Das ist mein letztes Wort!!“

Bis morgen wollten und konnten wir nicht warten. Wer wusste schon, was da drinnen vorging? Vielleicht wollte man mich von der Uni werfen, weil ich gestohlen hatte. Oder man wies mich ein! Ausgeschlossen! Also warteten wir. Und warteten... und warteten... und.... Eine Stunde später kam Herr Won endlich wieder zum Vorschein. Verdutzt sah er in die Gesichter von jungen Frauen, die ihm jeden möglichen Fluchtweg abschnitten. Schließlich grinste er wieder so breit, als hätte er einen Stock im Mund, der alles verursachte.

„Es ist besiegelt“ rief er erfreut aus. In meinem Kopf fuhr ein Zug vorbei. Er war laut, sehr laut sogar. Hatte ich jetzt den Rest überhört?

„Bitte... was wurde besiegelt?“

Der Japaner sah mich verwundert an und öffnete noch einmal den Mund. Wieder hörte ich einen Zug. Dann ging er fröhlich von dannen.

„Was hat er gesagt?“

„Yara, sei doch nicht albern! Er hat es jetzt zweimal gesagt!“ Alle waren aus dem Häuschen. Aber warum nur?

„Bitte, ich möchte es noch einmal hören, ja?“

„Yara!“ Evelyn legte mir eine Hand auf die Schulter. „Wir fliegen nach Japan!“ Kurz darauf gab der Zug eine triumphiernde Fanfare zum Besten.

Ich war vielleicht kein blinder Held. Aber taub auf jeden Fall!



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