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You don't know.

von

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Sometimes everything seems awkward and large

Imagine a Wednesday evening in March

Future and past at the same time
 

Mittwoch Abend. Seltsamerweise waren es bei ihm nie die Montage, die ihm Sorgen bereiteten. Es war immer Mittwoch, wenn bei ihm etwas schief lief. Immer Mittwoch, wenn ihm alles über den Kopf wuchs. Nachdem auch der Rauch einer gesamten Zigarettenschachtel seinen Kopf nicht leichter hatte werden lassen, entschied er sich schließlich seufzend, der Nacht noch einen Sinn zu geben. Er schlüpfte flink in seinen Jeansmantel und seine schwarzen Lederschuhe, schob sich eine Sonnenbrille auf die Nase - obgleich für Außenstehende völlig sinnlos, aber für ihn ein gutes Mittel, seine tiefen Augenringe zu verbergen - und trat auf die von mattem Laternenlicht erleuchtete Straße. Und es regnete. Leicht nur, aber es regnete. Fußmärsche im Regen waren noch nie seine Stärke gewesen, weshalb er sich nach dem Abbiegen auf eine lebendigere Straße dann doch ein Taxi heranwinkte und den Fahrer mehr brummend als sprechend anwies, ihn zur 'nächsten Kneipe' zu fahren. Alkohol war keine Lösung. Aber momentan war es die beste Alternative, die er auf Lager hatte. Beim Aussteigen drückte er dem leicht magersüchtig wirkenden Taxifahrer ein paar hundert Yen zuviel in die Hand.
 

I make use of the night, start drinking a lot

Although not ideal for now it's all that I've got
 

Schon einige Meter vor dem Eingang konnte er die abgespielten Songs nicht nur hören, sondern sogar den Text verstehen, zumindest wenn nicht gerade gegröhlt wurde. Klang vielversprechend. Zumindest hatte er so keine Möglichkeit mehr über die Dinge nachzudenken, die ihn seit Wochen verfolgten. Er wollte alles ausblenden. Die Luft, die dem schmächtigen Japaner im Jeansmantel entgegendrückte, war warm, stickig, rauchig und stank so sehr nach Alkohol, dass er fürchtete, der Alkoholspiegel in seinem Blut würde schon allein vom Atmen ansteigen. Was er jetzt brauchte, war Jack. Es war ein gutes Gefühl, das Brennen in seinem Rachen. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde der Alkohol eine eiterne Wunde in seiner Seele ausbrennen. Es vergingen einige Drinks, bis auf dem Barhocker neben ihm das Gesicht wechselte. Die zierliche Blondine bestellte sich Jack Daniel's mit Ginger Ale und stieß ihr Glas leicht gegen die Kante seines eigenen. Er lächelte, zum ersten Mal an diesem Mittwoch Abend.
 

"Ginger, eh?"

"Mein Name ist..."

"Ich werde dich Ginger nennen. Nice, to know your name."

"Ich weiß deinen noch gar nicht."
 

You don't know, you don't know

You don't know anything 'bout me
 

Seine Lippen kräuselten sich zu einem schelmischen Lächeln und ohne eine Antwort zu geben, bestellte er noch zwei weitere Drinks. Es war nicht immer notwendig, sich mit Höflichkeiten aufzuhalten. Es war nicht immer notwendig, den anderen zu kennen, wenn die Chemie stimmte. Und sie stimmte. Ihr leises Lachen drang in seine Ohren, wanderte durch seinen Körper und krallte sich irgendwo anders fest. In Alkohol zu ertrinken war besser, als in einem Fluss oder in Selbstmitleid. Wenn er heute schon unbedingt ertrinken musste, wieso also nicht in den klaren, blauen Augen einer schönen Frau.
 

An ocean, a lake, I need a place to drown

Let's freeze the moment because we're going down

Tomorrow you'll be gone
 

Ihre Haut war weich und warm, erhitzt vom Alkohol und dem Moment. Die kleinen Küsse, die sie auf seiner Kehle verteilte, brannten mehr als das Hochprozentige, dass er in sich geschüttet hatte, um sämtliche Gefühle abzutöten. Jetzt wollte er nur noch das - fühlen. Sie fühlen. Ihre Fingernägel gruben sich in sein Fleisch, doch er selbst verbot sich jeglichen Laut. Ihre Stimme war es, die ihn erfüllen sollte, so wie er sie erfüllte. Er strich über ihre Haut, die weiß und zerbrechlich wirkte wie Porzellan und ein wohliger Schauer kroch über seinen Nacken hinab, als er spürte wie empfindlich sie auf selbst hauchzarte Berührungen reagierte. Und er küsste sie. Er küsste sie so sanft, wie er noch nie jemanden geküsst hatte. So sanft, wie er nur die Person geküsst hätte, die Ginger mit ihrem Lachen aus seinem Kopf gespült hatte. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn näher, enger an sich. Die Zeit schien still zu stehen. Selbst als beide für einen Moment die Luft scharf in ihre Lungen zogen, stand alles um sie herum still. Das Ticken der Uhr, der Verkehr auf der belebten Straße vor dem Fenster, das alles spielte keine Rolle. Und es war gut so. In wenigen Stunden würden sie wieder getrennte Wege gehen. Das Hier und Jetzt war alles was zählen durfte.
 

Sie schlief in seinen Armen ein. Und zum ersten Mal seit Tagen, Wochen vielleicht, er wusste es nicht mehr so genau, driftete er in einen erholsamen, traumlosen Schlaf. Alle Erwartungen übertroffen oder fortgeschwemmt, denn dass er am nächsten Morgen allein aufwachen würde, hatte er von Anfang an gewusst.
 

Gone, gone, gone
 

Er wachte mit einem Lächeln auf, obwohl er sich von dem vielen Alkohol der letzten Nacht ein wenig benommen fühlte. Sich zur Seite drehend zog er die schwarze Satindecke an sich. Der Geruch von Ginger Ale war noch nicht ganz verflogen und er fragte sich, ob sie im Gegensatz dazu noch nach Jack-Cola und American Spirit roch. Sein Kopf war leicht und seine Stimmung hell und sonnig. Sie blieb es auch nach dem Duschen noch und auch auf dem Weg zur Arbeit. Wie ein kleines Kind drückte er seine Nase an Schaufenstern platt, in denen Fernseher die neuesten Kinotrailer und PVs abspielten. Er wunderte sich selbst über seine plötzliche Verwandlung, aber es war wohl das Beste, was ihm hätte passieren können. Die negativen Erfahrungen jedes einzelnen Mittwochs seines Lebens waren nur mittwochs so negativ.
 

If only I could start to care

My dreams and my Wednesdays ain't going nowhere
 

Kollegen grüßten, sahen ihn verwundert über seine gute Laune an und lachten über seine schlechten Witze. Selbst als der Blonde, der sein Hauptproblem darstellte, auf ihn zukam um sich für den Streit des letzten Tages in aller Form zu entschuldigen, winkte er einfach nur ab. Er hatte keine Lust auf eine neue Diskussion. Seit Jahren waren sie schon befreundet, seit Monaten war es für ihn mehr, und doch stritten sie immer wieder über die selben nichtigen Dinge, weil jeder von ihnen zu stolz oder zu stur war um einfach einmal nachzugeben. Es war nicht einfach. Und es wäre nicht einfacher geworden, wäre man ständig darauf herumgeritten.
 

"Ich weiß, dass du nachtragend bist."
 

Der kleinere lächelte sanft, dachte einen Moment lang an seine Gefühle zu dem Blonden, an das Stechen in seiner Brust, dass er jeden Tag mit Fassung trug und dann an den Geruch von Ginger Ale auf seinem Bettlaken.
 

You don't know, you don't know

You don't know anything about me anymore



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mono-kun
2009-11-06T16:54:32+00:00 06.11.2009 17:54
Aw, ich liebe deinen Schreibstil. Ich finde, du kannst wirklich gut mit Worten umgehen. So kann man richtig die Stimmung fühlen, die in der Fanfic vorliegt. ._.
Und die Zitate runden das Ganze wirklich gut ab. Mir gefällt sie sehr. Vielleicht schreibst du ja nochmal eine? . w .


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