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Yeh Zindagi Hai.

Neue Chance, neues Leben?
von

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Das andere Zuhause

Die nächsten Tage verliefen für Sudhir sehr stressig. Er war die meiste Zeit damit beschäftigt, seine Mitarbeiter in ihre Aufgaben einzuweisen und ihnen bei Fragen und Problemen zur Seite zu stehen und Tipps zu geben. Seine eigene zu erledigende Arbeit kam dabei meist zu kurz und so musste er bereits vom ersten Tag an Überstunden machen.

Abends fiel er daraufhin meistens erschöpft ins Bett und schlief beinahe auf der Stelle ein. Die viele Arbeit störte ihn dabei wenig, nur dass er unter diesen Umständen Kavita und Shruti nicht besuchen konnte, missfiel ihm. Er nahm sich dies allerdings fest für das Wochenende vor.

Bei seiner Planung fragte er sich, ob denn Shrutis Ehemann noch da oder ob er bereits wieder abgereist war. Zweiteres wäre ihm lieber gewesen, denn vom ersten Eindruck her hatte Sudhir ein merkwürdiges Gefühl Atul gegenüber gehabt. Er war zwar höflich gewesen, doch ihm hatte der Blick, mit dem er Shruti angeschaut hatte, nicht gefallen. Es war nicht der eines liebenden Ehemannes gewesen, sondern der eines Mannes, der sich einen Spaß aus der Unsicherheit einer Frau gemacht hatte.

Natürlich wusste Sudhir nicht, ob er sich das nicht nur eingebildet hatte, denn es war offensichtlich, dass er Atul gegenüber von vornherein etwas negativer eingestellt war. Er hatte schließlich das, was er momentan am meisten begehrte – nämlich Shruti. Ja, Sudhir war eifersüchtig und am liebsten hätte er die Tatsache, dass sie verheiratet war, ignoriert, doch das war unmöglich. Er musste sich damit abfinden und nach vorn schauen – in eine Zukunft ohne Shruti an seiner Seite. Diese Gedanken missfielen ihm zutiefst, doch er würde lernen müssen, sich daran zu gewöhnen und damit abzufinden. Eine andere Wahl hatte er schließlich nicht.
 

Als das Wochenende letztlich herangerückt war, gönnte sich Sudhir zuerst einen faulen Vormittag mit langem Ausschlafen und ausgiebigen Frühstück. Anschließend duschte er, zog sich an (1) und machte sich auf den Weg zum Gasthaus, wo er hoffte, zum Mittag von Kavitas Kochkünsten profitieren zu können.

Am Gasthaus angekommen, trat er nach kurzem Klopfen an der Eingangstür ein und wunderte sich, dass weder jemand zu sehen noch zu hören war. Suchend schaute er sich um, fand jedoch weder im Haus noch im Garten jemanden.

Besorgt fragte er sich, wo alle abgeblieben waren, als plötzlich die Eingangstür geöffnet wurde und Kavita eintrat. Als sie Sudhir sah, zauberte sich ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht. „Sudhir, mein Junge!“, rief sie freudig aus und kam auf ihn zu. „Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst, wo du doch versprochen hast, uns besuchen zu kommen.“ „Ich wäre liebend gern schon früher gekommen, aber die ersten Arbeitstage waren ein reines Chaos...“, erwiderte Sudhir entschuldigend und bückte sich, um Kavitas Füße zu berühren. Kavita lächelte daraufhin warmherzig und meinte, während sie auf dem Weg zur Küche war: „Hauptsache ist doch, dass du jetzt da bist. Chalo! Ich mache uns beiden zur Stärkung etwas Ordentliches zum Mittag.“

Sudhir folgte ihr, stutzte jedoch etwas bei den Worten `uns beiden´. „Nur für uns zwei? Sind Shruti und ihr Mann nicht da?“, wollte er wissen und versuchte dabei, seine Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen. „Nein, sie essen bei sich zu Hause Mittag. Shruti ist selten hier, wenn Atul da ist...“, antwortete Kavita, während sie Wasser in einen Topf füllte und ihn anschließend auf den Herd stellte. Ihre Worte ließen Sudhir aufhorchen. „`Bei sich zu Hause´?“, wiederholte er ungläubig. „Du meinst, Shruti wohnt eigentlich gar nicht hier?!“ „Ji. Sie wohnt eigentlich eine Straße weiter in dem kleinen Haus, das ihre Eltern ihr vererbt haben. Wenn Atul in Delhi ist, zieht sie allerdings bei mir ein, damit sie nicht die ganze Zeit alleine sein muss.“, erklärte sie. „... Und wie oft kommt Atul nach Hause?“, wollte Sudhir wissen. „Für gewöhnlich vielleicht ein oder zwei Wochen im Vierteljahr. Sein Besuch im Moment ist eine wirklich große Überraschung gewesen...“

Sudhir gab daraufhin nur ein kurzes „Mhm...“ als Antwort und saß die restliche Zeit bis Kavita mit dem Kochen fertig war, schweigend da. Diese neuen Informationen, die er gerade bekommen hatte, musste er erst einmal einordnen und er war sich noch nicht sicher, wie.
 

Sudhir verbrachte den gesamten Samstag bei Kavita, um ihr bei ein paar Arbeiten im Haus zu helfen und um sich mit ihr zu unterhalten. Sie war mittlerweile schon so etwas wie eine Art Mutterersatz für ihn geworden und er hatte sie unheimlich gern um sich. Er konnte mit ihr über Gott und die Welt reden und sie hatte immer einen guten Rat für ihn.

Was Sudhir heute allerdings ablenkte, war die Tatsache, dass er wissen wollte, wie es Shruti ging. Natürlich hatte er sich vorgenommen, auf Abstand zu ihr zu gehen, damit seine Gefühle für sie nicht noch stärker wurden, doch ein rein freundschaftlich gemeinter Besuch konnte doch nicht schaden. Er wollte schließlich nur sehen, ob bei ihr alles in Ordnung war, wo er sie doch schon seit einigen Tagen nicht gesehen hatte.

Wie er das allerdings anstellen sollte, wusste er nicht. Er konnte ja schließlich nicht einfach zu ihrem Haus gehen und klopfen. Das wäre unangebracht gewesen, das wusste er selbst. Ihr Ehemann war schließlich für einen seiner seltenen Besuche da und da konnte Sudhir nicht etwas von ihrer wertvollen Zeit zu zweit stehlen.

Je länger er jedoch darüber nachdachte, desto mehr nagte der Gedanke an ihm, dass gerade im Moment ein anderer Mann allein mit Shruti war und höchstwahrscheinlich Dinge tat, die lieber er selbst mit ihr getan hätte. Es war geradezu niederschmetternd und er versuchte, sich abzulenken, doch im Endeffekt kamen alle seine Überlegungen immer wieder zu demselben Punkt.

Nachdem er Kavita nach dem Abendessen beim Aufräumen der Küche geholfen hatte, beschloss er, sich langsam wieder auf den Weg in seine Wohnung zu machen. Er dankte Kavita für die nette Bewirtung und versprach, so bald wie möglich wieder zu Besuch zu kommen.

Nachdem er die Eingangstür hinter sich geschlossen hatte, hätte er eigentlich nach links gehen müssen, doch seine Füße trugen ihn wie von selbst nach rechts – in die Richtung, in der sich Shrutis Haus befand. Da er nicht genau wusste, welches der Häuser es war, schaute er unauffällig in jedes hellerleuchtete Fenster, um nach Shruti oder Atul Ausschau zu halten.

Nach etwa zehn Minuten hatte er schließlich Glück und er entdeckte Atul, der, wie es aussah, im Wohnzimmer saß und Zeitung las. Sudhir musterte kurz das kleine Haus und stellte fest, dass es sehr gemütlich aussah und gut zu Shruti passte. Atul hingegen wirkte wie ein Fremdkörper darin. Er schien zu modern für diese dörfliche, rustikale Umgebung. Sudhir fragte sich, wie die Ehe zwischen ihm und Shruti überhaupt zu Stande gekommen war. Liebten sich die beiden oder war ihre Hochzeit arrangiert gewesen?

Ersteres fiel Sudhir schwer zu glauben, denn warum hätte Shruti sich sonst so weit auf ihn eingelassen? Doch der Gedanke daran, dass sie in einer aufgezwungenen Ehe leben musste, missfiel ihm ebenfalls. Ob er Shruti wohl danach fragen konnte, ohne dass sie es falsch auffassen oder sich peinlich berührt fühlen würde? Er beschloss, es zu wagen, wenn er das nächste Mal mit ihr alleine sein würde – wann immer das auch sein mochte.

Als Sudhir seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen ließ, fiel ihm die halboffene Küche auf, in der er Shruti entdeckte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und schien gerade damit beschäftigt zu sein, das Abendessen vorzubereiten. Ihr Anblick ließ sein Herz etwas leichter werden, denn nun wusste er, dass es ihr gut ging.

Nachdem er sie ein wenig in der Hoffnung, dass sie sich umdrehen würde, beobachtet hatte, beschloss er, sich auf den Heimweg zu machen. Es hatte im Endeffekt schließlich doch keinen Sinn, wie ein Stalker vor ihrem Haus herumzulungern und darauf zu warten, dass sie ihn zufällig entdeckte.

Erleichtert und deprimiert zugleich trat er den Weg in seine Wohnung an und hoffte, dass Atul so schnell wie möglich wieder abreisen würde, damit er selbst die Gelegenheit hatte, wieder mit Shruti zu sprechen und mit ihr allein zu sein. Und dabei war es ihm egal, wie selbstsüchtig dieser Wunsch war.
 

(1) http://i49.tinypic.com/153obxl.jpg



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