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Bad habits

von

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KAPITEL 1

Dort stand er wieder, Amaya Tsuyoshi. Ich weiß gar nicht, ob er sich überhaupt bewusst ist, welche Auswirkung er auf andere hat. Sollte er sich dessen jedoch bewusst sein, dann weiß er dies verdammt gut einzusetzen...

Um mein kleines Amöbenhirn war es bereits in dem Moment geschehen, als ich ihn das erste mal sah... obwohl es sehen nicht ganz trifft, treffen dagegen schon eher... Ich war mal wieder spät dran und auf meiner ewig während Suche nach dem richtigen Unterrichtsraum habe ich es irgendwie geschafft komplett vom Weg ab zu kommen und bin letztendlich am anderen Ende der Schule raus gekommen, dummerweise bin ich dabei genau über ihn gestolpert, bzw. ich bin genau in ihn rein gerannt und habe ihn damit das erste mal getroffen...
 

Die Folgen waren für mich mal wieder eine Woche Krankenhaus und zwei Wochen Bettruhe. Das war einer der schlimmsten Unfälle, die ich bisher hatte. Ich habe es irgendwie geschafft, mir das linke Bein, drei Rippen und das rechte Handgelenk zu brechen und zudem habe ich mir eine Gehirnerschütterung zu gezogen, die nicht von schlechten Eltern war und die Frage aufkommen lässt, ob jetzt überhaupt noch etwas da ist, was beim nächsten Crash erschüttert werden könnte. Das letzte, an das ich mich noch erinnern kann, ist sein besorgtes Gesicht. Seine wunderschönen smaragdgrünen Augen, die von seinem wahnsinnig dichten und wie Seide glänzendem pechschwarzem Haar leicht umrahmt wurden, sahen mit soviel Sorge auf mich herab, dass mir gar nicht bewusst wurde, wie viele Schmerzen ich eigentlich hatte... zumindest meinem Amöbenhirn war dies nicht bewusst, meinem Körper sehr wohl und der schickte mich daher Sekunden später in eine erlösende Ohnmacht.
 

Als ich wieder zu mir kam, war ich bereits im Krankenhaus und hatte die wohl besten Scherzmittel überhaupt bekommen. Die Krankenschwestern trugen alle Feenkostüme und die Pfleger dazu passende Elfenkostüme. Sie tanzten um die in allen erdenklichen Farben schimmernden Lampen und die Ärzte schlugen auf ihren kunterbunten Stetoskoptrommeln den Takt dazu... zum Glück ebbte die Wirkung wieder ab, bevor ich einen totalen Realitätsverlust erlitt. Nach einer Woche wurde ich dann wieder aus dem Krankenhaus entlassen und die Schwestern hatten mir sogar einen Kuchen mit meinem Spitzname „Porsche“ gebacken. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich diesen Spitznamen bei den Schwestern habe, weil mich meine Eltern immer mit einem Porsche aus dem Krankenhaus abholen, um mich aufzuheitern oder weil meine Behandlungskosten zwei Ärzten des Krankenhauses bereits einen Porsche eingebracht hatten... ich frage mich sowieso, wo meine Eltern das Geld für meine Behandlungen hernehmen und dann noch Geld haben, einen Porsche zu mieten, um mich aus dem Krankenhaus ab zu holen. Ich erleide mindestens einen Unfall pro Monat und liege mindestens zweimal im Jahr aufgrund etwas ernsterer Verletzungen im Krankenhaus.
 

Das ganze ist jetzt allerdings schon wieder ein paar Wochen her und meine Verletzungen sind alle abgeheilt. Zum Glück hat meine elfenbeinfarbene Haut dabei keine Schäden genommen. Es ist sowieso ein Wunder, dass ich nicht mit Narben überseht bin. Da ich meine Hautfarbe nicht sonderlich mag, wäre es für mich an sich kein gravierendes Problem, wenn sie hin und wieder hier und da mal eine kleine Narbe davon trägt. Allerdings hat mir meine Haut auch schon viele Komplimente meiner sowohl männlichen als auch weiblichen Verehrer eingebracht und ich bezweifle, dass ich diese noch bekäme, wenn mein Körper von Narben übersäht wäre. Ich verstehe sowieso nicht, was die Alle in mir sehen, mit meinen hellblonden gelocktem Haar, meinen pechschwarzen Augen, dieser elfenbeinfarbenen Haut und den blassrosa Lippen falle ich derart aus der Rolle, dass ich in jeder Menschenmenge sofort auffalle und von allen angestarrt werde. Manchmal glaube ich sogar, dass ich gar nicht mit meinen Eltern verwandt bin und wenn ich nicht die Augen meiner Mutter hätte, wäre ich mir da sogar ziemlich sicher. Aber vielleicht ist auch einfach der Ort meiner Zeugung Schuld an meinem Aussehen, denn so dominant können die Gene meines Ururgroßvaters auch nicht sein, dass ich derart blond und blass das Licht der Welt erblicken konnte...
 

Aber kommen wir wieder zum Thema zurück: dort drüben steht er! Wie er da so cool an der Mauer lehnt und lässig eine Zigarette raucht, macht mich völlig irre! Naja, das Kommissionsmitglied in mir möchte sofort zu ihm rüber laufen, ihm die Zigarette aus der Hand reißen, eine Strafpredigt halten und ihn dann zum Schuldirektor schleifen, denn nicht nur, dass er eigentlich noch zu jung zum rauchen ist, ist dies auf dem Schulgelände auch verboten. Aber das tut jetzt alles nichts zur Sache, denn der Teil von mir, der unbedingt mit ihm reden will, ist stärker, wenn leider auch nicht stark genug, damit ich den nötigen Mut fasse und endlich zu ihm rüber gehe und ihn die alles entscheidende Frage stelle: was ist an dem Tag meines Unfalls eigentlich passiert? Dabei weiß ich nicht einmal, ob er sich überhaupt noch an mich erinnert, geschweige denn, ob er überhaupt meinen Namen kennt. Wo doch unsere Namen irgendwie mit einander verbunden sind, irgendwie ist das Schicksal, schließlich folgt oft auf eine regenreiche Nacht ein nebliger Morgen... Das ist doch ein Zeichen, dass muss doch auch er erkennen! Aber halt, das setzt zunächst voraus, dass er meinen Namen kennt... und wenn ich genauer darüber nachdenke, möchte ich gar nicht, dass er meinen Namen kennt...
 

Meine Eltern haben die perfide Angewohnheit, dass sie ihren Kindern einen typischen Namen des Landes geben, in dem sie gezeugt wurden und meine Eltern sind viel gereist... Das hatte zur Folge, dass sie für fast jedes Land der Welt einen Namen für ihre Kinder parat hatten, bevor es überhaupt geboren wurde. Und an diesem Namen hielten sie fest, unabhängig davon, mit welchem Geschlecht das Kind letztendlich auf die Welt kam... meiner Schwester brachte es den Namen Kasumi Sam ein. Meinen einen Bruder hat es mit Kasumi Luan noch ganz gut getroffen, Luan kann zwar auch ein Frauenname sein (Zusammensetzung aus Lou und Ann) allerdings handelt es sich dabei auch um einen albanischen Männernamen und eine mögliche weibliche Interpretation dieses Namens ist nicht allzu offensichtlich. Allerdings haben sich sich bei ihrer Türkeireise ein Jahr später für den wunderschönen türkischen Namen Kaya entschieden... das Geschlecht des gerade gezeugten Wesens war natürlich noch unbekannt und was passt dann besser als Kaya? In der Türkei ein starker Männername, im Rest der Welt ein Frauenname... meine Schwester hat es damit auch noch ganz gut getroffen, denn diese männliche Interpretation ist hier zu lande eher unbekannt.
 

Aber wer kennt sie nicht? Die Kimis dieser Welt angefangen bei Kimi Räikkonen über die kleine Kimi in unserer Nachbarschaft. Leider können sich die Menschen bei mir nicht entscheiden, ob sie in mir Männlein oder Weiblein sehen sehen sollen und oft genug entscheiden sie sich für das falsche. Ok, meine Eltern haben mich in Finnland gezeugt, ok sie wollten einen finnischen Namen. Aber musste es denn unbedingt Kimi sein? Nur weil sie dreimal Glück mit ihrer Namenswahl hatten, hieß das ja noch lange nicht, dass sie auch ein viertes Mal Glück hatten! Hätten sie sich nicht einfach noch ein zwei Alternativ Namen einfallen lassen könne? Wie Aira oder Aki, nur um sicher zugehen, dem Kind einen Namen zu geben, dass seinem Geschlecht gerecht wird! Ist das denn zu viel verlangt? Allem Anschein nach ja, denn meine Eltern haben mir letztendlich den wunderschönen Namen Kasumi Kimi gegeben und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie dafür hassen oder lieben soll!
 

Ich hatte mich gerade in meine Hasstiraden über den Sturrsinn meiner Eltern hinein gesteigert, als ich plötzlich angesprochen wurde.

„Hey du, wie lange willst du da noch stehen und Maulaffen feil halten? Du störst mich damit!“

„ähm...öhm... a..al..also iiich wollte nur eeetwwas fragen...“

„Sag mal, bist du nicht Kasumi Kimi?“ In diesem Moment schien mein Herz aus zu setzen, er kannte meinen Namen! Er kannte ihn wirklich und wenn er ihn aussprach klang er irgendwie gut! Ich war so euphorisch, dass ich seine nächsten Worte fast nicht mehr mitbekommen hätte.

„Kasumi Kimi also, dein Name passt wirklich gut zu dir“ er schien meinen Namen zu mögen, die Euphorie in mir schien ungeahnte Höhen zu erreichen „als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du wie ein wabbliger schwammiger weißer Haufen, genau wie Nebel!“ Während er sich zunächst vor lachen kaum auf den Beinen halten konnte und nach einigen Minuten grölend und lachend über seinen eigenen Witz Richtung Schulgebäude schlenderte, spürte ich deutlich, wie in mir etwas zerbrach. Meine Welt lag förmlich in Scheiben! Er hatte sich über meinen Namen lustig gemacht! Nicht über Kimi, aber über Kasumi und dieser Name verband mich doch mit seinem! Sah er diese Verbindung etwa nicht? Spürte er denn nicht auch diese Schicksalshaftigkeit? Wie kann er nur so grausam sein!
 

Ich sackte in mich zusammen und kauerte wie ein Häufchen Elend auf der Erde. Ich weiß nicht, wie lange ich so da saß, aber irgendwann viel mir auf, dass dies der Ort war, an dem ich ihn das erste Mal getroffen hatte. Hier hatte ich mich in ihn verliebt und hier brach er mir das Herz, ohne auch nur zu ahnen, dass ich ihn wirklich mochte. Ich sah mich um und irgendwie war alles verschwommen und unscharf. Erst jetzt viel mir auf, dass ich heulte wie ein Schlosshund. Zum Glück war niemand da, der mich sehen konnte. An meiner Schule hatten sie ein seltsames Ritual für Leute, die heulten. Man vertrat hier die Auffassung, dass einige sofortige Reinigung und Kühlung des Gesichts erforderlich ist und zwecks größtmöglicher Effizienz wurde die „Heulsuse“ dafür in den höchst eigenen Schulteich befördert, der selbst im Sommer kaum über 10°C hinaus kam. Und zwecks Gleichbehandlung wurde hierbei nicht einmal wischen Jungen und Mädchen unterschieden. Ausnahmslos jede Heulsuse landete im Teich und durfte den Teichbewohnern Gesellschaft leisten.
 

Um mich etwas zu beruhigen und zu verhindern, dass mich jemand weinend sieht, beschloss ich mich etwas um zu sehen. Wenn dies der Ort ist, an dem ich ihn das erste Mal getroffen habe, dann sollte es doch möglich sein, raus zu finden, wieso ich mich so schwer verletzt habe. Bereits nach ein paar Minuten hatte ich den Grund entdeckt. Eine wirklich kleine gut versteckte Kellertreppe. Allerdings nicht gut genug, denn ich musste sie zu hundert Prozent erwischt haben. Einige der alten Steinstufen hatte frische Bruchstellen und hier und da war noch zu erkennen, dass jemand büschelweise Gras raus gerissen hatte, vermutlich um die Treppe hinunter zu steigen und höchst wahrscheinlich um mich wieder hoch zu holen. Dieser Ort sprach ja förmlich für mein Glück! Nicht nur, dass ich die einzige versteckte marode Kellertreppe auf dem ganzen Schulgelände gefunden hatte, nein hier wurde mir auch meine Herz gebrochen. Im Moment sah ich nicht mehr viel Sinn in meinem Leben und gerade, als ich überlegte, ob ich mich die Treppe noch einmal hinunter schmeiße und diesmal vielleicht genug Glück habe und mir das Genick breche, wurde ich von hinten angesprochen.

„Hey, du bist ja immer noch hier“

„hmmm“

„Du schuldest mir übrigens noch ein Schachtel Zigaretten! Du hast meine zertreten kurz bevor du da runter gesegelt bist. Sie haben mich zwar vor einem blauen Fleck am Bein bewahrt, aber ich möchte trotzdem neue von dir und um dir selbst einen Gefallen zu tun, solltest du sie mir schnellst möglich vorbei bringen. Du schuldest mir schließlich was, immerhin habe ich dich da raus gezogen und ich pflege meine Schulden auf die ein oder andere Art ein zu treiben und ich weiß nicht, ob dir die Art der Zinszahlungen gefällt. Also bring mir morgen zur Mittagspause entweder meine Zigaretten hierher oder leiste die erste Zinszahlung!“
 

Ich glaubte, ich hörte nicht recht! Erst verletzt er mich und dann stellt er auch noch solche Forderungen! Warum sollte ich ihm Zigaretten besorgen? Er darf doch noch gar nicht rauchen und schon gar nicht in der Schule! Und was meint er mit Zinszahlungen? Ich wollte ihn gerade zur Rede stellen, als ich feststellen musste, dass er schon wieder gegangen ist.
 

Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Ich verstehe nicht einmal mehr, wieso ich so auf ihn stehe? Dabei weiß ich nicht einmal, ob er auf Männer oder Frauen steht. Ich habe ihn allein diese Woche mit 4 verschiedenen Mädchen und 5 verschiedenen Jungen knutschen sehen. Entweder ist er notgeil und nimmt alles was kommt oder ist einfach ein wenig flatterhaft... aber egal was, nichts davon gestattet ihm so mit mir zu sprechen und eine derart absurde Forderung zu stellen! Ich werde ihn hier morgen Mittag zur rede stellen müssen!
 

Am nächsten Tag fand ich mich etwa 20 Minuten vor der vereinbarten Zeit an der kleinen Kellertreppe ein. Ich war gewappnet und hatte mir eine Rede zurecht gelegt, mit der ich ihm klar machen wollte, was ich von seinem Verhalten halte und dass ich gar nicht daran denke seine Forderungen zu erfüllen. Zum kröhnenden Abschluss wollte ich mich umdrehen und voller Selbstvertrauen davon spazieren, bevor er auch nur irgendwas sagen kann. Ich ging gerade in Gedanken noch einmal meine Rede durch, als ich plötzlich angesprochen wurde.

„Gut dass du schon da bist, ich hab nachher noch was vor. Also, wo sind meine Zigaretten?“
 

Was sollte das? Er war viel zu früh hier! Ich starrte ihn nur völlig überrascht an und mein Hirn war wie leer geblasen, nicht ein Hauch der Rede war noch da, ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Ok, wie es aussieht, hast du meine Zigaretten nicht dabei. Aber heute ist dein Glückstag! Da ich gleich ein Date habe kommst du heute um deine Zinszahlung drum herum. Also tu dir selbst einen Gefallen und besorg die Zigaretten bis morgen, denn dann werde ich nicht mehr so viel Nachsicht haben!“ sprachs und verschwand, ehe ich auch nur realisieren konnte, dass er hinter mir steht...

Dann muss ich wohl meine Predigt auf den nächsten Tag verschieben...
 

Also erschien ich wieder pünktlich am verabredeten Ort und wartete dort auf das erscheinen von Amaya. Während ich noch überlegte, ob ich noch einmal die Predigt durchgehe, die ich die ganze Nacht geübt hatte, oder ob ich über die Lösung meiner Mathehausaufgaben nachdenke, erschien er auch schon vor mir. Ich hätte meine Zeit nicht mit meinen Hausaufgaben verplempern sollen, sondern mich lieber seelisch und moralisch für diesen Moment vorbereiten sollen. Wie am Vortag war mein Gehirn wieder völlig leer gefegt, mein Körper war nur noch ein leere Hülle die ziemlich dämlich aus der Wäsche guckte... aber das alles merkte er entweder nicht oder es beeindruckte ihn herzlich wenig. Es kann natürlich gut sein, dass er den Anblick von geistlosen Wesen häufiger genießen darf und sich daher bereits daran gewöhnt hat... Zumindest sprach er ziemlich regungslos zu mir.

„So Kimi, mit was für einer Zinszahlung fangen wir denn an“ Entweder wollte er mich auf den Arm nehmen, oder er dachte wirklich so angestrengt über die Zinszahlung nach, wie er da tat. „Gestern habe ich dir ja deine Zinsen erlassen, aber wir fangen trotzdem mit etwas leichtem an, was auch du hinbekommen müsstest“

Was sollte das denn heißen? Und warum sieht er mich so an, als würde er mit einem Grundschulkind sprechen?
 

„Für heute gebe ich mich damit zufrieden, dass du meine Hand küsst!“

„Warum sollte ich etwas derartiges tun?“

„Weil du mir nach wie vor eine Schachtel Zigaretten schuldest und da ich sie nicht sehen kann, nehme ich mal an, du hast sie nicht besorgt. Bleiben also nur die Zinsen, die du heute ableisten musst und die Leistungsart habe ich dir gerade gesagt“ Der Blick, mit dem er mich bei diesen Worten bedacht, hatte etwas derart durchdringendes, dass sich meine Rücken förmlich von selbst bog und meine Lippen wie magnetisch angezogen seine Hand anvisierten und einen Kuss darauf gaben. Keine Sekunde später hörte ich dieses schallende Gelächter in meinen Ohren klingeln.

„Siehst du, so schwer war es nicht! Morgen selbe Zeit, selber Ort“

Und während ich mich fragte, was mich da gerade geritten hatte, seine Hand zu küssen, verschwand er immer noch lachend, wie ein kleiner Schuljunge, der sich freute, dass ihm etwas tolles gelungen war, Richtung Schulausgang.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich da noch stand, aber irgendwann ging ich dann immer noch verwundert über mein Verhalten nach Hause. Nur um am nächsten Tag zur geforderten Zeit am vereinbarten Ort wie hypnotisiert auf ihn zu warten. Diesmal ließ er mich beide Hände küssen. Und ich tat wieder, wie mir befohlen, obwohl ich dies eigentlich gar nicht tun wollte. Ich hatte nach wie vor die zurecht gelegte Predigt im Kopf, die sich aber prinzipiell verdünnisierte, wenn er auf der Bildfläche erschien.
 

So ging es einige Tage weiter und nach gut zwei Wochen hatten wir uns zu seinen Schultern hoch gearbeitet. Irgendwie fing es an mir zu gefallen, was wir hier taten. Und so verschwieg ich ihm, dass ich bereits vor über einer Woche die Zigaretten besorgt hatte. Ich befürchtete, dass wir dann hiermit aufhören würde und irgendwie wollte ich das nicht mehr. Allerdings war diesmal etwas anders. Er befahl mir nicht, ihm die Schultern oder gar den Nacken zu küssen. Denn obwohl mir anfing zu gefallen, was wir hier taten, tat ich nur, was er mir befahl.

„Heute drehen wir den Spieß um! Ab heute bin ich es, der dich küsst!“ und um selben Moment küsste er meinen Nacken. Er löste damit ein derart wahnsinniges Kribbeln in mir aus, dass ich im ersten Moment nicht wusste, was mit mir geschah. Allerdings ließ er mir auch nicht viel Zeit um dies heraus zu finden. Entgegen der anderen Tage, an denen wir uns so zu sagen Schritt für Schritt vorgearbeitet haben, schien er diesmal große Schritten machen zu wollen. Bevor mir überhaupt richtig bewusst wurde, was er da tat, hatte er sich über meinen Nacken nach vorn gearbeitet und küsste mich direkt auf den Mund. Ich weiß nicht einmal, was ich in dem Moment empfand, ich weiß nur, dass ich ihn sehr heftig von mir gestoßen habe und nach Hause gerannt bin. Ich war dermaßen durcheinander, dass ich nicht mehr wusste, was ich fühlte. Mag ich ihn oder nicht, aber wenn ich ihn mag, warum hab ich ihn dann weg gestoßen und wenn ich ihn nicht mögen sollte, warum hab ich dann die ganze Zeit mitgespielt? Diese Fragen beschäftigten mich derart, dass ich die ganze Nacht kein Auge zu getan und am Ende doch noch keine Antwort hatte. Aber dank der durchgemachten Nacht sah ich jetzt wirklich furchtbar aus. Meine Haut hatte etwas von eierschalenfarben und meine Augenringe konnten sich getrost mit meinen Mundwinkel unterhalten, obwohl die ziemlich weit nach unten reichten...
 

Ich traute mich so kaum aus dem Haus zu gehen, geschweige denn zur Schule. Allerdings hatte ich noch weniger Mut dazu, zu Hause zu bleiben und noch etwas zu schlafen. Zum einen hatte ich Zweifel, dass ich würde schlafen können und zum anderen würde mich meine Mutter eventuell ausquetschen, warum ich nicht zur Schule kann und dafür fehlte mir echt die Kraft. Also raffte ich mich auf und ging in die Schule. Beschloss aber Amaya den ganzen Tag aus dem Weg zu gehen.

Dies gelang mir an sich auch ganz gut. Ein paar mal wäre ich fast in rein gerannt, aber ich konnte es am Ende gerade so verhindern. Ein paar mal war ich allerdings auch kurz davor zu ihm zu gehen. Er schien sehr bedrückt und suchte anscheinend nach mir, aber noch konnte ich ihm nicht ins Gesicht sehen.

Nach der Schule wollte ich eigentlich auf direktem Wege nach Hause gehen, aber meine Füße trugen mich vollautomatisch zur kleinen Kellertreppe an der ich mich die letzten Wochen regelmäßig mit Amaya getroffen habe. Ein Teil von mir hoffte, dass er nicht da war und ein anderer Teil hoffte inständig, dass er hier auf mich warten würde. Als ich um die Ecke des Gebäudes bog, sah ich, wie Amaya wie ein aufgescheuchtes Eichhörnchen vor der kleinen Kellertreppe hin und her raste. Er sah genauso schlecht aus, wie ich mich fühlte und irgendwie war der Teil, der ihn nicht sehen wollte, etwas verstummt. Als er sich umdrehte und mich erblickte, sah ich so etwas, wie Angst, Erleichterung und Unsicherheit in seinen Augen. Mit zwei Schritten war er bei mir und umarmte mich, was er bisher noch nie getan hatte.
 

„Ich hatte solche Angst, du würdest nicht kommen. Ich habe dich heute überall gesucht und schon befürchtet, dass du nicht da bist, vielleicht krank oder bei deiner Flucht in ein Auto gelaufen und jetzt schwer verletzt oder gar tot! Das hätte ich mir nie verzeihen können! Ich hatte solche Angst, dass du mich jetzt hassen würdest und nie wieder mit mir sprichst! Das hätte ich nicht ausgehalten, ich konnte vor lauter Sorge die ganze Nacht nicht schlafen... Ich hatte doch gedacht, du würdest mich auch mögen und den Kuss genauso wollen...“

Langsam erwiderte ich seine Umarmung.

„Ich hasse dich nicht, zumindest glaube ich das. Ich war mir nur selbst nicht sicher und habe die ganze Nacht darüber nachgedacht“

„Also magst du mich? Dann bin ich ja wirklich Schuld an diesen grässlichen Augenringen und deiner seltsamen Hautfarbe, dabei mag ich das Elfenbein viel lieber, als dieses seltsame eierschalenfarbene.“

„Vielleicht, ja, danke, glaube ich.“
 

Wir musste beide so heftig lachen, dass wir zusammen zu Boden stürzten. Hier rollten wir uns noch eine Weile gemeinsam über den Rasen und schliefen bald vor lauter Erschöpfung uns in den Armen liegend ein. Ich weiß zwar nicht, wie lange wir hier so geschlafen haben, aber das war der beste, erholsamste Schlaf, denn ich je hatte. Zumindest schien die Sonne noch und ich würde nicht zu spät nach Hause kommen. Als ich zur Seite sah, um zu sehen, ob Amaya noch schläft, musste ich feststellen, dass Amaya mich bereits beobachtete.

„Du siehst wirklich süß aus, wenn du schläfst“

„Ich würde das ja auch gern von dir sagen, aber du hast mir ja keine Chance gegeben, dich schlafend zu sehen“

Ich drückte ihm flüchtig einen Kuss auf die Lippen, stand hastig auf und raste nach Hause, damit ich dort an kam, bevor es dunkel wurde.

Auf der Wiese bei der kleinen Kellertreppe blieb ein in sich hinein lächelnder und sehr glücklich wirkender Amaya zurück, der sich auf den Rücken rollte und etwas wunderschönes vor seinem inneren Auge zu sehen schien.



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