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100 Themen Herausforderung

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#079 - Freund Verzweiflung

"Vertrau mir", sagte die Verzweiflung.

"Warum?", fragte ich. "Mit Verzweiflung kann man keine Probleme lösen."

"Das ist ein Gerücht", behauptete die Verzweiflung. "Ich bevorzuge lediglich, im Stillen zu helfen. Ich mag es nicht, wenn um meine Hilfe so ein großes Trara gemacht wird. Du etwa?"

"Natürlich nicht", entrüstete ich mich.

"Na dann", schmunzelte die Verzweiflung, "müsstest du mich doch verstehen können."

"Aber warum", bohrte ich nach, "wird von dir denn dann NUR Schlechtes erzählt? Ich habe noch keine Geschichte, keine Erzählung gehört, in der du positiv erwähnt wirst!"

"Das liegt daran, dass du nur von den Enttäuschten hörst." Die Verzweiflung seufzte. "Wer mit meiner Hilfe zufrieden war, kam nur zu gerne meiner Bitte nach, Stillschweigen zu bewahren, aber wer enttäuscht war, suchte natürlich zuallererst einen Sündenbock. Somit kann es gar keine positiven Berichte von mir geben. Die Zufriedenen sind schweigsam."

Ich blieb misstrauisch. "Wie würdest du mir helfen?", fragte ich.

"Das ist ganz einfach, jedenfalls in deinem Fall", lächelte sie. "Die meisten deiner Probleme sind hausgemacht. Du hast Probleme mit deiner Freundin, weil du dich um Kopf und Kragen redest. Du hast Probleme mit deinem Chef, weil du nicht überzeugend auftrittst. Du hast Geldnöte, weil du nicht gut genug feilschst. Alles das kann ich lösen. Ich habe reichlich rhetorische Erfahrung. Ich weiß, wie man an sein Ziel kommt."

"Aber sollte ich nicht genau aus diesem Grund vorsichtig sein und lieber für mich selbst kämpfen? Ich bin bis jetzt immer alleine zurechtgekommen. Wäre es nicht feige, ausgerechnet jetzt aufzugeben?"

Doch die Verzweiflung sah mich nur nachsichtig, fast mitleidig an.

"Du bist müde", sagte sie sanft, so sanft dass es fast wehtat. "Du wirst nicht mehr lange so weiterkämpfen können, und das weißt du. Die Frage ist nicht, ob du Hilfe brauchst. Die Frage ist, wie lange du noch wartest, sie anzunehmen. Nimmst du sie bald an und überwindest du deinen Stolz? Oder nimmst du sie zu spät an, wenn alles schon verloren scheint, und dein Geist an der Herausforderung zerbrochen ist?"

Noch immer zögerte ich.

"Was hindert dich?", fragte sie mich. "Mit der Kraft der Verzweiflung... diese Formulierung kennst du, nicht wahr?"

Es war so verlockend, so einfach ja zu sagen, die Kontrolle aufzugeben über mein Leben, das mir so oder so über den Kopf zu wachsen drohte. Einfach ja zu sagen, sich helfen zu lassen, von einem Freund, dem Freund Verzweiflung.

"Du misstraust mir." Es war keine Frage.

"Was verlangst du für deine Hilfe?", fragte ich.

"Nichts", antwortete die Verzweiflung erstaunt. "Was erwartest du von deinen Freunden als Gegenleistung für deine Hilfe?"

"Loyalität", murmelte ich.

"Das ist auch meine einzige Bezahlung", sagte die Verzweiflung. "Mehr will ich nicht."

Also gab ich nach.

"Was muss ich tun?", fragte ich.

"Entspann dich", war die Antwort, "sonst tut es weh. Wenn du entspannt bist, merkst du es kaum."

Und sie hatte recht. Ich merkte es tatsächlich kaum. Es war, als träte ich ein in einen tagträumerischen Zustand, nicht wach, nicht schlafend.

"Was nun?", fragte ich sie, in Gedanken, denn mein Mund gehorchte mir nicht mehr.

"Was soll nun sein?", zuckte die Verzweiflung mit den Schultern. "Jetzt kümmere ich mich um den Dreck, den du kleiner Wurm hinterlassen hast."

"Wurm?", murmelte ich zu mir, oder auch zu ihr, denn das spielte keinen Unterschied mehr, entsetzt. "Sagtest du nicht eben noch, du wolltest mir helfen?"

"Aber sicher doch", lachte die Verzweiflung, "ich sagte ja bereits dass ich mich um alles kümmere. Aber du hattest mir im Gegenzug deine Loyalität versprochen. Und um mir die zu sichern, habe ich im Laufe der Zeit meine eigenen Methoden entwickelt."
 

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich wieder einmal betrogen worden war. Und dass mir diesmal niemand würde helfen können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Schreiberliene
2010-08-26T00:59:57+00:00 26.08.2010 02:59
So, jetzt ist aber schluss.

Das ich die Idee schön finde, ist eigentlich schon selbstverständlich; stilistisch hat mir das hier auch sehr gut gefallen. Schau aber bitte mal gegen Ende, da verwendest du drei oder viermal sagte sehr dicht beieinander, und an einer stelle schreibst du "dachte" - passender aber wäre lachte...

Ansonsten kann ich dir nur für die bittersüße Lektüre danken und dich darauf hinweisen, dass die Fehler, die Polaris gefunden hat, noch immer da sind.

Liebe Schreibziehergrüße,

Anna
Von: abgemeldet
2010-08-09T21:24:15+00:00 09.08.2010 23:24
Hey ho,
Ich mag es nicht, wenn um meine Hilfe so ein großes Tara gemacht wird.
Meinst du Trara?

Du hast Probleme mit deinem Chef, weil du nciht überzeugend auftrittst.
Das ist der klassiste Buchstabendreher überhaupt, kann das sein?

Ich weiß, wie man an sein Ziel kommt.
An dieser Stelle sind dir die Anführungszeichen abhanden gekommen.

Erinnert mich irgendwie an mein Kapitel, auch, wenn ich mich nicht mehr genau daran erinnern kann - es ist ja bald schon ein Jahr her! Das sollte ich mir wohl dringend noch mal antun, wer weiß, wie viele Fehlerchen da drin noch schlummern...

Ich mag die Personifizierung, das Gespräch. Wie es sich wendet - man erfährt zwar Gründe für die Verzweifelung, dennoch nichts genaues über dein episches Ich, was es ziemlich leicht macht, sich dort hinein zu denken.

Wie alt die Verzweifelung wohl sein mag? So wie die Menschheit, oder gab es sie schon, bevor die Affen von den Bäumen herab stiegen?
Liebe Schreibziehergrüße, Polaris


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