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Der Rabe

von

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Das große Fest

Nach wenigen Tagen hatte sich ein fester Tagesablauf bei Ian gebildet. Morgens aß er allein und ging zum Unterricht. Mittags aß er mit Hiero, Guntram und Rabanus. Nachmittags trainierte er mit einigen älteren Schülern das Kämpfen und abends erledigte er seine Aufgaben und brachte seine Hütte in Ordnung. Er reparierte das Dach, machte Brennholz oder putzte. Vor dem Einschlafen las er Abenteuergeschichten.

Bis auf seine drei Freunde und seinen Lehrer sprach kaum einer mit ihm. Seine Klassenkameraden mieden ihn und beschwerten sich, warum er bereits schweren Stoff behandelte. Des Öfteren spielten sie ihm streiche, klauten seine Sachen und versenkten sie in Wasser. Immer wieder musste er deswegen mit dem Lehrer sprechen, weil er seine Aufgaben nicht abgeben konnte. Außerdem sahen ja auch die Älteren immer zu, wenn er im Brunnen nach den Blättern haschte und dann nass ins Haus lief. Wie oft er deswegen schon rote Ohren hatte, hatte er nicht gezählt.

Der Sommer ging zu Ende und die grünen Blätter wurden gold und rot. Diener schmückten die Akademie und die Schüler wurden alle unruhig.

Das große Fest stand vor der Tür. Es dauerte fünf Tage und war neben den Signums und Geburtstagen, das einzige Fest, das Corbinian kannte. Auch er war aufgeregt. Sein Onkel und Gereon hatten für ihn immer Geschenke gekauft und leckeres Essen kochen lassen.

In der Nacht vor dem ersten Festtag, an dem man die Familie beschenkte, schlief er kaum. Er hatte zwei selbst geschnitzte Figuren nach Hause geschickt. Er war kein Künstler, das wusste er, aber es war auch somit das einzige, was er konnte.

Als er erwachte, zog er sich hastig an. Er war nicht geweckt worden. Corbinian kletterte die Leiter hinunter in die Stube. Verwirrt sah er sich um.

Es war leer.

Die Magd hatte ihm kein Essen gebracht und es lagen auch keine Pakete da. Er wartete. Draußen hörte er das Wiehern der Pferde und das Johlen von Kindern. Vorsichtig sah er hinaus. Alle Jungen seiner Klasse hielten Pferdezügel in der Hand.

Einige Male war Corbinian mit seinem Onkel oder Gereon ausgeritten. Auf einem Pony, weil er noch kleiner war.

‚Ein Pferd würde nicht in meine Stube gebracht werden.’

Sehnsüchtige Hoffnung stieg in ihm auf, als er langsam, unsicher und scheu zu den Ställen ging. Die Jungen bemerkten ihn und sahen ihn verächtlich an. Er ging zu einem Stallburschen.

„Verzeih, wenn ich störe.“, meinte er leise, aber der Diener bemerkte ihn dennoch. „Ist auch ein Pferd für mich angekommen?“

„Nein, Hoheit. Nur diese Herren haben welche erhalten.“

„Verstehe, wo kann ich denn meine Sachen abholen.“

„Wurden sie Euch nicht gebracht?“

Corbinian nickte und die Jungen, die gelauscht hatten, kicherten gemein. Er ging nicht wieder an ihnen vorbei, sondern lief einen Umweg zu seiner Hütte. Dort traf er auch noch auf seine Magd, die ihm sein Frühstück gebracht hatte. Hoffnungsvoll grüßte und bedankte er sich. Sie war gewohnt tonlos und unfreundlich.

Er aß stumm und schmeckte nur wenig. Nach weniger als der Hälfte, war er satt.

Es war früher Morgen und die Stunden krochen dahin. Corbinian wusste nichts mit sich anzufangen. Lustlos saß er in seinem Sessel und versuchte zu lesen. Immer noch hörte er die Jungen und die Pferde.

Erst als der Mittag kam, freute er sich leicht. Seine Freunde aßen mit ihm, auch wenn sie sich nur über ihre Geschenke unterhielten.

„Und, Ian? Was hast du?“, fragte Rabanus und grinste frech.“

Corbinian sah ihn ertappt an. „Ich habe ein Buch bekommen.“, sagte er schnell.

„Ein Buch? Ich würde meinen Eltern ja was erzählen, würde sie mir so was schenken.“, lachten Hiero.

Doch Corbinian schwieg und aß weiter.

Am nächsten Tag, war es Tradition mit seinen Freunden zu feiern. Die vier Jungen waren den ganzen Tag bei Corbinian und tranken verdünnten Wein, aßen Süßigkeiten und sprachen über vieles. Das war ein Tag, den Corbinian das erste Mal richtig feierte.

Der dritte Tag kam. In der Akademie bauten die Jungen Tunnel, in denen nachts, gegen einen Obolus, Bürger aller Stände sich gruseln konnten. Corbinian trug ein Kostüm und erschreckte im Innern die Leute. Er hielt einen Teil der Einnahmen. Bis jetzt hatte man ihm immer nur Gruselgesichten erzählt.

Am vierten Tag war er allein. Es war Tag der Liebenden. Seine Freunde waren zusammen mit ihren Verlobten. Jedoch waren sie alle einmal kurz bei ihm gewesen, um sich vor zu stellen. Verwirrt hatte er festgestellt, dass die Mädchen alle etwa so alt waren wie er.

Den fünften und letzten Tag verbrachten sie zu siebt. Es war Tag des Volkes. In der Stadt gab es bunte Buden, Gaukler, Barden und Essen. Corbinian und seine Freunde warfen Büchsen um oder machten bei kleinen Wettkämpfen mit. Jedoch war er sparsamer, als seine Freunde. Er hatte nur das Geld vom Gruseltag. Dafür konnte er aber auch seine Preise behalten. Hiero und die anderen beiden schenkten alles den Mädchen. An diesem Tag fühlte er sich sehr unwohl. Einmal, weil er als einziger allein in der Gruppe war und einmal, weil er so wenig Geld hatte und seine Freunde ihm anboten ihm etwas zu leihen.

Es war alles anders, als vorher.



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