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Süßes Internatsleben, was bist du doch bitter

oder: Von der Ungerechtigkeit des Lebens
von

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Erste Annäherung

„Marci! Marci!“

Mit einem lauten Knall flog die Tür zu seiner winzigen Lehrerwohnung gegen die Wand. Erschrocken, da er nicht mit einem solchen Überfall gerechnet hatte, sah Marcell von den Vokabeltests auf, welche er momentan korrigierte. Eigentlich hätte es ihn nicht wundern müssen, dass ausgerechnet Cathy einen solchen Auftritt hinlegte. Er war ein solches Benehmen schließlich von ihr gewöhnt. Dennoch bekam er einen ziemlichen Schrecken und ehe er sich versah, hatte er einen langen, roten Strich über den Test gezogen, welchen er soeben korrigierte. Bevor er ernstlich schimpfen konnte, schlangen sich schon zwei Arme um ihn. Überschwänglich drückte Cathy sich an ihren besten Freund, der zu perplex war um auch nur ein Wort herauszubringen.

„Marci!“, quietschte Cathy wieder freudig und entließ ihn aus ihrer Umarmung.

Nicht, dass sie ihm versehentlich die Luft abdrückte!

Nachdem Marcell ein paar Mal tief eingeatmet hatte, drehte er sich zu seiner besten Freundin um.

„Was ist passiert?“, fragte er neugierig.

Sie strahlte ja richtiggehend! Marcell kannte Cathy zwar nun seit mehreren Jahren, doch selten hatte er sie so überglücklich gesehen. Irgendetwas Gutes musste also geschehen sein. In Anbetracht der Tatsache, dass seine ehemalige Schülerin immer brutal schlecht in Mathe gewesen war, kam ihm der Verdacht, dass sie ja eventuell in der letzten Klausur eine gute Note geschrieben hatte.

„Hast du in Mathe besser als Ausreichend bekommen?“, wollte er sogleich wissen, ohne ihr Gelegenheit gegeben zu haben, mit ihrer bahnbrechenden Neuigkeit herauszurücken. Doch zu seinem Erstaunen schüttelt Cathy heftig den Kopf.

„Nein, du Dummkopf, wie kommst du denn auf diese absurde Idee?“, kicherte sie

Pikiert zog Marcell eine Augenbraue hoch, obwohl es ihn eigentlich nicht besonders störte, dass sie ihn einen Dummkopf genannt hatte. Auch diese Ausdrucksweise war ihm alles andere als unbekannt und er hatte sich längst damit abgefunden, dass er ab und an mal ein Schimpfwort an den Kopf geworfen bekam.

„Mir fällt sonst nichts ein, was dich so glücklich machen könnte. Außer Marko Arnautovic hat es sich anders überlegt und dich zu einem Date eingeladen.“, erwiderte Marcell.

Herr Arnautovic war im letzten Schuljahr für zwei Monate Praktikant gewesen und Cathy hatte aus irgendeinem verqueren Grund einen Narren an ihm gefressen. Allerdings waren ihre Flirtversuche kläglich gescheitert. Der Praktikant hatte sich nicht im Geringsten für die Blonde interessiert und obwohl das damals ein harter Schlag gewesen war, konnte Marcell nicht anders, als Cathy von Zeit zu Zeit mit dem jungen Mann aufzuziehen.

Jetzt aber schnaubte seine beste Freundin nur.

„Tss, der kann schön bleiben, wo der Pfeffer wächst!“, behauptete sie und zu ihrer maßlosen Überraschung stellte sie fest, dass sie es tatsächlich auch so meinte. Nach vier Monaten qualvollen Schmachtens aufgrund unerwiderter Gefühle war Cathy endlich frei. Zumindest bildete sie sich das ein.

Wieder wanderte Marcells Augenbraue in die Höhe.

„Das sind ja ganz neue Töne!“, meinte er, „Aber jetzt sag schon, was ist passiert, dass du so... so... so bist.“

Das klang reichlich lahm, aber Marcell, obwohl er die deutsche Sprache studiert hatte, wusste nicht, wie genau er Cathys Zustand beschreiben sollte. So euphorisch, aufgedreht und maßlos glücklich hatte er sie eben nie erlebt. Dabei kannte er sie seit Jahren und hatte geglaubt, alles von ihr zu wissen. Tja, so täuschte Marcell sich und das nicht gerade wenig.

Cathy hingegen konnte nun wirklich nicht mehr länger mit der fantastischen Neuigkeit hinter dem Berg halten.

„Ich bin im Team.“, platzte sie heraus.
 

Vier einfache Worte. Nicht einmal lange oder besondere Worte. Und doch veränderten sie die Welt schlagartig. Zunächst konnte Marcell die Bedeutung nicht recht erfassen. Er starrte Cathy recht belämmert an. Dann aber gab es kein Halten mehr. Er sprang auf von seinem Stuhl und zog das Mädchen in eine mehr als herzliche Umarmung.

„Ich... wow!“, war alles, was Marcell hervorbrachte, während diesmal er Gefahr lief, Cathy die Luft abzudrücken.

„Ich weiß, ich weiß!“, japste Cathy, der es nichts ausmachte, dass sie kaum atmen konnte. Sie erwiderte die Umarmung und strahlte Marcell mit blitzenden Augen an. Ihre Wangen waren hochrot, ob vor Freude oder Luftmangel wusste der Lehrer nicht zu sagen und es war ihm im Moment auch reichlich schnuppe. Was zählte, war, dass Cathy es geschafft hatte. Sie hatte ein wichtiges Ziel erreicht. Etwas, das sie sich bereits seit Jahren sehnlichst wünschte. Und nun war es in Erfüllung gegangen! Das Leben war doch etwas Wunderbares, fand Marcell. Nicht einmal der Gedanke an Metzelder vermochte es in diesem Moment die Miene des Lehrers finster werden zu lassen.

„Weißt du was?“, sagte er, nachdem er Cathy doch wieder losgelassen hatte.

Gespannt sah sie ihn an. Was er wohl jetzt noch loswerden wollte?

„Das müssen wir feiern, findest du nicht?“

Heftig nickte Cathy. Und wie sie das fand! Sie war ganz einer Meinung mit ihrem besten Freund.

„Lass uns in die Stadt fahren. Wir gehen Essen und dann können wir ja schauen, ob was Gutes im Kino kommt.“

„Au ja!

Sofort war Cathy Feuer und Flamme. Dann aber fiel ihr siedend heiß Metzelder ein. Sicherlich musste sie ihn vorher um Erlaubnis bitten? Immerhin hatte sie ihm keine Gelegenheit gegeben zu ihrem Triumph Stellung zu nehmen.

'Das war ziemlich dumm von mir. Wenn er beleidigt ist, wird er mich nicht mit Marcell weggehen lassen.', dachte sie betrübt.

Marcell derweil bemerkte nichts von ihren Gedanken und dem damit verbundenen Gefühlsumschwung. Er war bereits eifrig dabei, den Abend in allen Einzelheiten zu planen.

„Ich werde noch eben die Tests fertig korrigieren und danach können wir sofort los.“

Cathy nickte.

„In der Zwischenzeit hab ich auch noch was zu erledigen. Sobald ich das hinter mir hab, komm ich zurück zu dir, okay?“

„Einverstanden.“, antwortete Marcell zufrieden.

In diesem Augenblick hätte das Leben nicht schöner sein können. Seine beste Freundin war im Schulteam. Und sie würden nach langer Zeit einmal wieder einen netten Abend miteinander verbringen. Etwas, was sie schon längst hätten tun sollen, aber da war ja Cathy die Ausgangssperre Metzelders im Weg gewesen, gefolgt von der Klausurenphase.

„Also, bis gleich!“, verabschiedete Cathy sich, ehe sie auf dem Absatz kehrt machte und eilig in Richtung von Metzelders Büro stürmte.
 

'Wer kann denn das sein?'

Ein Klopfen an der Tür hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen. Er saß an seinem Schreibtisch, wo er wieder und wieder die Begegnung mit seiner Schülerin Revue passieren ließ. Er hatte sie noch nie zuvor so glücklich gesehen.

„Herein!“, rief er, als ihm bewusst wurde, dass vor der Tür ja jemand stand, der ihn zu sprechen wünschte.

Sofort trat die Person ein. Christoph war nicht wenig erstaunt, als er Cathy gegenüber stand. Im Gegensatz zu vorhin allerdings sah sie nun reichlich verzagt aus. Er fragte sich, was geschehen sein mochte, dass sie sich so seltsam betrug. Mit 18 war sie doch schon beinahe aus der Pubertät raus und das 'Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt'- Prinzip sollte in ihrem Fall nicht mehr greifen. Tja, so konnte man sich täuschen.

„Was gibt es denn?“, fragte Christoph, als Cathy keinerlei Anstalten machte, den Mund zu öffnen. Auf seine Frage hin straffte sie ihre Schultern. In ihren grauen Augen schimmerte etwas, was er nicht genau benennen konnte.

„Es tut mir Leid, dass ich vorhin so abrupt fortgerannt bin. Das war sehr ungehörig.“, entschuldigte Cathy sich formvollendet und dazu noch ziemlich altmodisch.

Christoph konnte sich nicht erinnern das Wort 'ungehörig' je aus dem Mund eines Schülers gehört zu haben. In seiner Jugend war das noch etwas verbreiteter gewesen, aber heutzutage? Da er gar nicht mit einer solchen Ansprache gerechnet hatte, war er einen Moment aus dem Konzept gebracht.

„Wirklich, ich hätte mich bei Ihnen bedanken sollen für das harte Training und alles.“

Das klang schon etwas neuzeitlicher. Endlich erwachte Christoph aus seiner Starre. Er erhob sich und kam um den Schreibtisch herum, bis er genau vor Cathy stand. Seine Hand landete auf ihrer Schulter und drückte selbige sanft.

„Du musst dich nicht so verzweifelt entschuldigen.“, meinte er mit einem Lächeln, „Ich bin nicht böse auf dich. Ganz und gar nicht. Eher im Gegenteil.“

Höchst überrascht sah Cathy zu ihm auf.

„Ehrlich?“, rutschte es ihr heraus, woraufhin sie leicht errötete. Dass sie auch nie ihre Klappe halten konnte!

„Ja, ehrlich.“, erwiderte Christoph, jetzt schon beinahe belustigt.

Er fand ihre Verlegenheit irgendwie niedlich. Das kannte er kaum von ihr. Sonst war sie nicht gerade auf den Mund gefallen und übermäßig höflich hatte er sie auch noch nie erlebt. Er hätte wer weiß was darum gegeben, wenn er nur in eben diesem Moment in ihren Kopf hätte schauen können. Zu gern hätte er gewusst, was darin vor sich ging. Da er aber kein Uri Geller war, musste er wohl darauf verzichten.
 

Eine Weile herrschte Schweigen. Stumm sahen Mann und Mädchen sich in die Augen. Aus irgendeinem Grund wollten ihnen die rechten Worte nicht in den Sinn kommen, so dass sie sich auf den Blickkontakt beschränkten. Schließlich aber fiel Cathy ein, dass sie noch etwas Anderes vorhatte an diesem Abend als in den Augen ihres Coachs zu versinken. Beim Gedanken an Marcell wurde ihr heiß und kalt. Sicherlich war er längst fertig mit den Tests und fragte sich nun, wo sie blieb!

„Ähm...“, räusperte Cathy sich.

Neugierig wartete Christoph ab, was sie wohl zu sagen hatte.

„Ich wollte mit Marci noch weggehen in die Stadt und...“

„Ja?“, hakte er nach.

Wollte sie ihn einladen, mitzukommen? Doch das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Er war nun mal nicht besonders grün mit Marcell und das würde er auch niemals sein. Gewiss wollte Cathy sich nicht den Abend verderben, in dem sie die beiden Lehrer mit der gegenseitigen Gegenwart belastete.

„Na ja...“

Wieder brach Cathy ab, sah Christoph allerdings unverwandt an.

„Spuck's schon aus, ich werd dich nicht gleich fressen!“, rutschte es ihm ungeduldig heraus.

„Darf ich mit Marci in die Stadt gehen und so lange wegbleiben, wie ich mag?“, überwand sie sich dann.

Verblüfft starrte Christoph sie an. Hatte sie ihn gerade eben tatsächlich um ERLAUBNIS gefragt? Sie? Eine volljährige Schülerin?

'Ich mag ja ihr Coach sein, aber das heißt doch nicht, dass ich bestimmen kann und darf, wann sie mit wem wo hingeht und wie lange.', schoss es Christoph durch den Kopf.

'Außer am nächsten Tag steht etwas Wichtiges an.', schränkte er ein.

Cathy aber wartete noch auf Antwort. Bang klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Wollte er denn nicht endlich antworten? Oder überlegte er gerade, wie er ihr am schonendsten Nein sagte? Unwillkürlich verfinsterte sich ihre Miene, die Hände ballten sich zu Fäusten. Christoph bemerkte die Veränderung natürlich. Er hätte blind sein müssen, um sie zu übersehen. Und erneut wünschte er, er könnte ihre Gedanken lesen. Schließlich gab es keinen plausiblen Grund so düster zu schauen, als ob es einem die Petersilie verhagelt hätte. Das Gegenteil war doch der Fall! Cathy hatte ein wichtiges Ziel erreicht. Sie sollte aufgedreht sein, wie als ob sie Alkohol getrunken hätte. Stattdessen machte sie eine Miene zum Eier abschrecken. Das war doch nicht normal!

„Also gut!“, brach sie das Schweigen, „Ich darf nicht, schönen Dank auch!“

'Hey, Moment mal! Das geht mir jetzt etwas zu schnell!', protestierte Christoph in Gedanken, beeilte sich aber, ihr diesen Unsinn auszureden.

„Wie kommst du denn auf diesen Quatsch?“, fragte er unverblümt.

Irritiert zuckte Cathy zusammen.

„Aber...“, hob sie an, klappte ihren Mund allerdings rasch zu, ohne gesagt zu haben, was für eine Vermutung sie gehabt hatte. Das musste sie nicht einmal. Christoph konnte es sich auch so schon denken. Ein Grinsen, wenn auch kaum merklich, erschien auf seinen Zügen.

„Wieso glaubst du denn, du darfst nicht? Bist du völlig übergeschnappt?“, begann er, hob jedoch mahnend die Hand, als Cathy Anstalten machte, eine Antwort zu geben.

„Ich bin noch nicht fertig, Fräulein!“

Das klang absichtlich etwas strenger, damit sie auch ja die Klappe hielt und die Ohren aufsperrte. Cathy gehorchte, ohne zu wissen, dass sie genau das tat, was Christoph von ihr wollte - nämlich keine Unterbrechung. Sonst würden sie morgen früh noch hier herumstehen und nichts und wieder nichts wäre bei der Diskussion, welche sie unweigerlich geführt hätten, herumgekommen. Lieber nahm er das Zepter in die Hand und sagte, was ihm auf der Seele lag.

„Also, ich will dich vor morgen früh nicht mehr hier sehen, klar?“

Da klappte Cathy glatte die Kinnlade runter.

„Heißt das... ich darf?“, hakte sie sicherheitshalber nach. Nicht, dass sie ihn missverstanden hatte! Das wäre ja noch schöner!

„Genau das heißt es. Los, verschwinde. Amüsier dich mit Jansen!“, beschied Christoph sie.

Jetzt riss sie auch noch ihre Augen auf. Sie meinte, mitten im schönsten Traum zu sein. Er meinte das ernst! Er meinte das tatsächlich ernst!
 

Da war es wieder, dieses Strahlen. Dieser Gesichtsausdruck, der Christoph ganz kribbelig machte. Wenn sie doch nur aufhören würde, ihn anzustarren, wie ein dummes Huhn beim Donnerschlag! Er schluckte hart. Konnte sie nicht endlich abhauen? Er gönnte ihr ja den Triumph und das sie den Abend in angenehmer Gesellschaft verbringen wollte.

Bevor Christoph jedoch dazu kam, auch nur eine weiteren Gedanken zu fassen, hörte er ein gestammeltes Danke. Dann schlangen sich zwei Arme um ihn und zum zweiten Mal seit er ihr Coach war, umarmte Cathy ihn. Diesmal war ihre Dankbarkeit wirklich grenzenlos. Sie weinte schon fast vor Rührung, was beide Beteiligten dann doch etwas albern fanden. Allerdings war Cathy machtlos gegen den Wasserhahn, der sich Tränendrüsen schimpfte.

„Danke, tausend Dank!“, erscholl es aus Cathys Kehle, ehe sie ihn doch losließ.

Ein letztes Lächeln schenkte sie ihm, dann machte sie kehrt und war mindestens so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Lächelnd sah Christoph ihr nach.

'Was bin ich bloß für ein Trottel...', ging es ihm durch den Kopf, während er selbigen schüttelte. Aber er störte sich nicht einmal daran. Zu gefangen war er in dem Augenblick völliger Glücksseligkeit, den er Cathy beschert hatte.

Vielleicht würde von jetzt an ja alles besser werden...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MissMalfoy
2010-12-22T01:56:12+00:00 22.12.2010 02:56
Wie süß. ich hatte ja gedacht, da kommt noch ein Kuss. ;) Wer weiß, wann der kommt. :D
Es war ein sehr schönes Kapitel, wirklich toll.
Von:  Sakura-Jeanne
2010-11-26T17:27:39+00:00 26.11.2010 18:27
hammer kapitel


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