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Zufrieden

von

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Zufrieden

Mein bester Freund hat es ehrlich gesagt nicht leicht mit mir. Wenn ich mich beschreiben müsste, würden mir nur negative Eigenschaften einfallen. Ich bin cholerisch und werde in meinen Ausbrüchen beleidigend und manchmal sogar handgreiflich. Zum Glück stand er mir dann meistens zur Seite, um mich zurückzuhalten, damit ich nichts tat, was ich später bereute. So habe ich schon mal in seiner Abwesenheit, er ist wohl nur auf dem Klo gewesen, einem Jungen aus meiner Klasse, es musste irgendwann Anfang der Mittelstufe gewesen sein, eine verpasst, weil er sich über mich lustig gemacht oder ich zumindest in diesem Moment gedacht habe, dass er sich über mich lustig machte. Ich weiß noch Wort für Wort, was er zu mir gesagt hat: „Warum hast du eigentlich immer so einen böswilligen Ausdruck in den Augen? Es wirkt beinahe so, als möchtest du den nächstbesten umbringen. Wenn du-“ Weiter ist er nicht gekommen.

Am nächsten Tag habe ich dann erfahren, dass er mir nur den Rat geben wollte, etwas freundlicher zu schauen. Ich weiß, ich hätte ihn ausreden lassen oder mich nachher wenigsten bei ihm entschuldigen sollen. Doch ich konnte es nicht. Zum einen ist es mir sehr sehr sehr unangenehm, meine eigenen Fehler einzugestehen. Zum anderen halte ich noch heute, fast fünf Jahre später, den Schlag aus meiner Sicht der Dinge für gerechtfertigt. Wie kann man jemanden so taktlos auf seinen Schwachpunkt ansprechen? Ich kann doch nichts dafür, dass der Ausdruck in meinen Augen ist, wie er ist. Meine Eltern haben mich sogar schon mal zu so einer seltsamen Gesichtsmassage geschickt, um meine Gesichtsmuskeln zu entspannen. Allein, wie sich das schon anhört! Natürlich ist dieser Versuch genauso lächerlich, wie er klingt, gescheitert. Schließlich bemerke ich ja nicht einmal selbst, dass ich so bösartig, wie alle flüstern, schaue.

Wegen meiner Augen hatte ich schon immer Probleme, Freunde zu finden. Das erste, was man sich bei einem Menschen anschaut, ist halt das Gesicht. Und wenn das den Eindruck vermittelt, dass ich dich gleich umbringen könnte, hinterlässt das keinen positiven ersten Eindruck. Doch mit Aaron Schreiber ist das irgendwie ganz anders.

So weit ich denken kann, hat es für mich niemals eine Zeit ohne Aaron gegeben. Sein Vater und meine Mutter kennen sich aus Schultagen und, wie der Zufall es will, haben sie ihre Partner, also seine Mutter und meinen Vater, nur durch den jeweils anderen kennengelernt. Schon seltsam und verdächtig, wenn ihr mich fragt. Aber was gehen mich schon die Beziehungen meiner beziehungsweise seiner Eltern an? Richtig, gar nichts.

Aber vielleicht ist gerade das der Grund, warum sich Aaron mit meinem boshaften Blick abgefunden hat: Er kennt mich halt nichts anders und ist mit diesem Ausdruck meiner Augen aufgewachsen. Im Sandkasten beim Sandkuchenbacken soll er, laut meiner Mutter, sogar einmal gesagt haben, dass meine Augen schön wären. Ich weiß ja nicht so recht ...

Wenn ich morgens in den Spiegel gesehen habe, bekam ich ab und an selbst einen Schreck. Aus diesem Grund hängt auch jeden Morgen bereits ein Handtuch über dem Waschbecken, das ich über den Spiegel werfe, um mich beim Zähneputzen nicht selbst böse anzuschauen. Ich frage mich, wie Aaron das aushält, wo ich es doch selbst nicht lange ertragen kann.

„Du bist unzufrieden“, hat Aaron mal gesagt. Ich weiß auch heute noch nicht, was er damit gemeint hat. Und er hat sich auch strikt geweigert, es mir zu erklären. „Wenn du zufrieden bist, wirst du merken, dass du glücklich bist.“

Wie meinen?
 

„He, Mäuschen!“

Ungerührt ließ ich meinen Kopf auf meinen Armen, die wiederum auf meinem Tisch lagen, liegen. Auch öffnete ich nicht die Augen, als ich ihn neben mir zum Stehen kommen hörte. Denn ich wusste genau, was mich erwartete, wenn ich sie öffnete. Ein keckes Lächeln, ein himmelblaues Paar Augen, das mitlächelte, und eine widerspenstige Haarsträhne vor seinem linken Auge.

„Du weißt genau, dass ich diesen Spitznamen nicht leiden kann ... du Häschen“, murrte ich in der Hoffnung, ihn mit seinem Spitznamen zurechtzuweisen und ihm zu demonstieren, wie nervenraubend es sein konnte. Doch ich wusste, dass ich genau das Gegenteil erzielte. Er sah es als ein Zeichen meiner unendlichen Zuneigung zu ihm an- was auch nicht nicht der Wahrheit entsprach. Trotzdem konnte er mich damit schnell auf die Palme bringen. Vor allem dann, wenn ich mies gelaunt war. Heute jedoch schien er ein wenig Glück zu haben. Immerhin war ich am Morgen nicht wie sonst in meiner Bettdecke gefangen gewesen und im Kampf mit ihr aus dem Bett gefallen- das konnte doch nur ein positives Zeichen für den kommenden Tag gewesen sein.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Man durfte wirklich niemanden erzählen, wie wir zu diesen Spitznamen gekommen sind, obwohl das eigentlich nur eine fröhliche Erinnerung aus Kindheitstagen war. Es war Fasching im Kindergarten gewesen. Das sollte als Hilfestellung wohl ausreichen, oder? Ich war eine kleine graue Maus und Aaron ein kleiner brauner Hase. Und schlau wie wir als Kindergartenkinder waren, schlossen wir eine Wette ab- um zwei Schokoriegel. Er musste mich immer mit mein Mäuschen ansprechen und ich musste ihn immer mit mein Häschen ansprechen. (Und darauf sind wir überhaupt erst gekommen, als uns unsere Mütter in unseren Kostümen gesehen haben. Seine Mutter entzückt: „Sie dir nur mein Mäuschen an!“ Meine Mutter entzückt: „Und erst mein Häschen!“ -- Richtig, meine Mutter hätte am liebsten Aaron mit nach Hause genommen, während seine Mutter mich liebend gern entführt hätte. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sich ihre Meinungen bis heute nicht geändert haben. Tolle Mütter, was?)

Letztendlich, ich bin wohl wieder von Thema abgekommen, waren wir auf dem Nachhauseweg und keiner von uns hatte Schwäche gezeigt- schließlich ging es um zwei Schokoriegel. Und weil wir beide so schön durchgehalten haben, bekam am Ende jeder von uns einen Schokoriegel. Doch die Namen sind als Spitznamen geblieben, wenn auch glücklicherweise ohne das mein- meistens jedenfalls.

„Ach was, ich weiß doch, dass du das magst, mein Mäuschen“, sagte er und schob seinen Stuhl auf die andere Seite meines Tisches, sodass er mir gegenübersaß. Ich grummelte und er lachte leise. Als es dann ruhig war, schaute ich auf. Nur einen von drei Punkten, Mist. Er lächelte nicht, sondern sah mich nur nachdenklich an. Doch die Haarsträhne, diese widerspenstige Haarsträhne, vor seinem linken Auge war da.

Er lächelte erst wieder, als ich meine Hand ausstreckte, um sie ihm aus dem Gesicht zu streichen. Natürlich war dies vollkommen überflüssig, denn diese Haarsträhne war so eigensinnig, dass man sie nicht aus seinem Gesicht streichen konnte. Dennoch war es jeden Morgen das gleiche. Denn wenn schon so eine verdammte Haarsträhne dickköpfig sein durfte, hatte sie Sophie Pfeiffer noch nicht kennengelernt.

Ach ja, Sophie Pfeiffer war meine Wenigkeit.

„Du musst da wirklich mal was machen“, seufzte ich und gab schließlich diesen aussichtslosen Kampf wie jeden Morgen auf. (Doch morgen, morgen würde ich es schaffen, ganz sicher!) Er sah mir lächelnd in die Augen und griff nach meiner Hand, bei der ich im Begriff war, sie wieder als Kissen zu benutzen.

„Aber wieso denn, mein Mäuschen?“ Er lächelte verschmitzt und lehnte sich vor, bis seine Lippen meinen Handrücken berührten. Verdutzt sah ich ihn an. „Bist du zufrieden?“, fragte er leise, ohne aufzusehen.

„Ich ... Ich weiß nicht ...“ Irgendwie klang meine Stimme einen Tick höher als sonst. War das wirklich Aaron, Aaron Schreiber, der da vor mir saß und meine Hand hielt? Mein Aaron? Ich wusste, dass er und ich und allgemein unsere Beziehung zueinander schon immer anders gewesen ist. Nicht seltsam oder komisch anders, nein. Einfach nur anders anders. Ich sah, wie sein Lächeln breiter, freundlicher und, das klang jetzt sicher merkwürdig, zärtlicher wurde. Ich hätte nie gedacht, dass Aaron sein schon perfektes Lächeln noch perfekter machen konnte.

„Soll ich es dir sagen, mein Mäuschen?“, flüsterte er.

„Was ...?“ Ich glaub's nicht. Ich habe den Faden verloren. Sein perfekter als perfektes Lächeln, seine wunderschönen himmelblauen Augen, diese einzigartige Haarsträhne vor seinem linken Auge, die fast unbemerkt meinen Handrücken kitzelte, weil Aaron sich immer noch nicht dazu herabgelassen hatte, aufzusehen. Ich spürte, wie die warme Luft seines Atems über meine Haut strich. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken.

„Bist du zufrieden?“, fragte er erneut.

„Du hast das ... mein Mäuschen ... vergessen ...?“, murmelte ich. Was war nur los? Aaron berührte mich doch nicht zum ersten Mal. Doch seine Lippen ... sie waren ganz weich und warm auf meinem Handrücken ... nur auf meinem Handrücken. Er lachte leise.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, mein wertes Fräulein“, flüsterte er und drückte erneut seine Lippen sanft auf meinen Handrücken ... nur auf meinen Handrücken. Langsam, aber sicher wurde ich doch sauer. „Bist du zufrieden, mein Mäuschen?“

„Nein ...“, hauchte ich angetan, konnten den leisen verärgerten Unterton meiner Stimme jedoch nicht so einfach verbergen. Dafür glaubte ich, jetzt endlich zu verstehen, was er damals gemeint hat. Erst wenn ich mit meinem Leben zufrieden war, würde ich merken, dass ich glücklich war. Doch just in diesem Moment war ich alles andere als zufrieden. Etwas fehlte noch für meine vollständige Zufriedenheit. Aber ich wusste, dass ich diesem perfekten Zustand der vollständigen Zufriedenheit so nah wie nie zuvor war. So nah, zum Greifen nahe, nur noch ein kleiner Schritt --

„Nicht?“ Nun war Aarons Zeit gekommen, verblüfft zu sein. Er sah auf. Das perfekter als perfekte Lächeln war verschwunden. Er schaute mich fragend an und legte dabei den Kopf ein wenig schief, wie es meine Hündin Michelle immer tat, wenn ich sie nach meinen Sachen fragte, die sie gern irgendwohin verschleppte. Zu den Opfern gehörten beispielsweise meine Haarbürste, meine Fernbedienung oder mein kabelloser Controller für meine PlayStation 2. Meist fand ich die Sachen dann unter meinem Bett oder im Wäschekorb wieder.

„Nicht ganz“, korrigierte ich ihn leise, wieder im Hier und Jetzt, und nicht an Michelle denkend, die in diesem Moment wahrscheinlich in ihrem Körbchen schlummerte und sich ein neues Versteck für meine Sachen ausdachte. „Etwas ... fehlt noch.“

Und da war es wieder. Das perfekter als perfekte Lächeln, das ich nur für mich allein haben wollte. Ich wollte die einzige sein, der er dieses Lächeln schenkte. Nur mir ... Welches wäre wohl der einfachste Weg, um es mir nur für mich allein zu sichern?

Er ließ meine Hand los, stattdessen umgriff er mit seinen beiden Händen vorsichtig mein Gesicht. Sie waren so warm und weich und zart. Ich war immer der Meinung gewesen, dass seine Hände fürs Schreiben oder Zeichnen bestimmt waren und nicht für seinen jetzigen Nebenjob auf dem Bau. Ich musste ihn schleunigst da wegbekommen, auch wenn das gerade in diesem Moment nichts zur Sache tat.

Ich hatte das Gefühl, als wenn meine Haut unter seinen Fingern zu brennen begänne. Doch nicht das Brennen, das man spürte, wenn man den Finger zu lange in der Flamme einer Kerze hielt. Das Brennen, das ich meinte, ließe sich am besten vergleichen mit ... ja, mit was wohl? Mir wollte ehrlich gesagt nichts Vergleichbares einfallen. Reichte es nicht auch, wenn ich sagte, dass es einfach nur ein schönes Gefühl war, das ich nicht mehr missen möchte?

Er streichelte mit seinen Daumen über meine glühenden Wangen, während er mich langsam zu sich zog. Aber auch er kam von sich aus näher. Das perfekter als perfekte Lächeln war das letzte, was ich sah, bevor ich die Augen schloss. Dann spürte ich seinen heißen Atem auf meiner Haut, beinahe so wie vorher auf meinem Handrücken, nur viel intensiver. Seine Nase strich kaum die meine und seine Haarsträhne rief im Hintergrund meines Wahrnehmungsvermögens irgendwo ein angenehmes Kitzeln aus. Das nächste, was ich fühlte, war das Kribbeln im Bauch, das zu explodieren schien, als seine Lippen endlich auf meine trafen. Es war mir wie Stunden vorgekommen, dabei durfte es nicht mehr als einige Sekunden gedauert haben.

Er roch nach Tannennadeln. Also ist er wieder auf den Bäumen gewesen. Er kletterte zwar nicht in den Tannen, wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein, trotzdem schaffte er es immer wieder, wie eine zu duften. Ich habe einmal probiert, eine Tanne hinaufzuklettern, und dachte mir im Nachhinein: einmal und nie wieder. Zum einen pieksten mich die Nadeln verständlicherweise, damals habe ich noch nicht so weit vorausdenken können oder wollen, von allen Seiten und zum anderen waren die Äste nicht gerade stabil. Ich bin runtergefallen, als ein Ast unter meinem Fuß gebrochen ist. Dabei habe ich mir das Knie und den Ellenbogen aufgeschürft. Und als wäre das noch nicht genug, durfte ich mir von meinen Eltern eine Standpauke über das Bäumeklettern anhören. Aaron hatte damals nur gelacht. Blödmann.

Der Kuss weilte nur kurz. Wahrscheinlich waren wir beide zu nervös und unsicher, um ihn noch mehr in die Länge zu ziehen. Es wirkte beinahe wie eine Mutprobe aus Kindertagen, was jedoch nicht bedeutete, dass ich seine Lippen auf meinen nicht mochte und genoss. Ich öffnete die Augen wieder und blickte in sein stahlendes Himmelblau. Er lächelte unsicher, hatte seine unbefangene Art noch nicht ganz wiedergefunden. Auch seine Wangen glühten und erst jetzt bemerkte ich, dass seine Hände zitterten. Ich lächelte verlegen. Dann räusperte ich mich leise.

„Was sollte jetzt eigentlich das ganze Theater mit dem 'Bist du zufrieden'?“ Das Räuspern hatte nicht ganz so viel gebracht, wie ich gehofft hatte. Meine Stimme war nur ein brüchiges Flüstern und dazu kam auch noch, dass sie zitterte. Auch er räusperte sich- erfolgreicher.

„Genauso, wie ich es gesagt habe, mein Mäuschen.“ Das mein Mäuschen klang nun irgendwie anders als vorher. Allgemein klang seine Stimme nun ruhiger und entspannter als zuvor, obwohl ich nicht gesagt hätte, dass sie vor unserem nonverbalen Geständnis unruhig und gespannt gewesen wäre. „Nur wenn du glücklich und zufrieden bist, hast du dieses Lächeln, dieses strahlende Lächeln, auf den Lippen, das ich so -– Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass du wunderschöne Augen hast, wenn du lachst. Aber wie ich dich kenne, hast du das sicher wieder vergessen.“

Ich blies beleidigt die Wangen auf. Mit dem Daumen der linken Hand streichelte er mir wieder sanft über die Wange. Mit der anderen Hand strich er mir eine meiner losen Haarsträhnen hinters Ohr.

„Wie alt waren wir da bitteschön? Und überhaupt, warum kannst du dich daran erinnern?“, fragte ich schnell, als ich spürte, wie mir das Blut in die Ohren schoss.

„Ich kann mich daran noch so gut erinnern, weil das der Moment war, in dem ich mich in dein Lächeln verliebte. Danach habe ich alles daran gesetzt, um nur wieder dieses Lächeln sehen zu können, was bei dir jedoch nicht sonderlich einfach zu handhaben war. Und als wir dann in die Schule kamen, war es endgültig vorbei mit, ich darf es ja wohl so ausdrücken, meinem Lächeln.“

War das nun ein ... Liebesgeständnis? Wohl kaum, oder? Immerhin hatte er nur von meinem Lächeln gesprochen, in das er sich verliebt hatte, richtig? In den Büchern, die ich gelesen habe, war es immer anders vonstattengegangen. Doch Moment, hatte er sein Lächeln gesagt? Dann war es wohl nur gerecht, sein perfekter als perfektes Lächeln nun als meines zu bezeichnen, nicht?

„Die Kinder in der Schule sagten, ich schaue immer so böse“, erwiderte ich. „Und weil sie das sagten, machte es mich sauer, deswegen-“

„Tja, deswegen hast du nur noch trauriger dreingeschaut. Das wird wohl hoffentlich mit dem heutigen Tag ein Ende finden?“, fragte er lächelnd. Dieses perfekter als perfekte Lächeln, mein Lächeln, musste ansteckend sein, denn im nächsten Moment spürte auch ich meine Lippen ein Lächeln formen. „Genau das meine ich!“ Sein Daumen strich gedankenverloren über meinen gehobenen Mundwinkel.

„Etwa ... nur mein Lächeln ...?“, wisperte ich und erneut glühten meine Wangen auf. Beschämt senkte ich meinen Blick. Wirklich, was war nur in mich gefahren? Aaron Schreiber, mein bester Freund, und ich, Sophie Pfeiffer, seine beste Freundin. Könnte es zwei größere Narren auf dieser Welt geben? Oder war diese Entwicklung unserer Beziehung etwas ganz Alltägliches und Natürliches?

„Nicht nur dein Lächeln“, antwortete Aaron schon ein wenig vorwurfsvoll. „Ich ...“ Verlegen senkte auch er seinen Blick und legte seine immer noch zittrigen Hände auf meine, die auf dem Tisch zwischen uns lagen. Während seiner kurzen Gedenkpause, in der er nach den richtigen Worten zu suchen schien, sah ich auf. „Ich liebe alles an dir. Deine wunderschönen Haare, deine wunderschönen Augen, dein wunderbarer Charakter, dein wunder--“

„Ist gut jetzt. Du machst mich ja ganz verlegen ...“, unterbrach ich ihn. Ich wich seinem unangenehm direkten Blick, den er während seines Geständnisses wieder mutig gehoben hatte, aus. Es war allein schon seltsam, von jemanden gelobt zu werden, doch das ganze auch noch aus Aarons Mund mit seiner Stimme zu hören, war zu viel für mich. Nicht im negativen Sinne, dass ich es nicht glaubte oder nicht ertragen konnte. Es klang schön in meinen Ohren, musste ich gestehen. Doch da gab es noch meinen unglaublich großen Stolz, der mir diese Blöße nicht zulassen wollte.

Er lachte leise. „Komm her, mein Mäuschen.“

Nichts lieber als das! Ich stand auf und ging um den kleinen Tisch herum. Währenddessen ließ er meine Hand keineswegs los. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er sie noch fester und bestimmter umschloss, als wenn er befürchtete, ich könnte jeden Moment Reißaus nehmen. Doch ich hätte ihn versichern können, dass ich in diesem Moment keinen einzigen Gedanken daran zu verschwenden gedachte. Wohin sollte ich auch schon laufen, wenn nicht mit ihm zusammen? Bei ihm angekommen, erwartete mich schon ein freier Schoß. Ich setzte mich vorsichtig, nicht sicher, ob es wirklich das war, was er wollte. Es war nicht das erste Mal, dass ich auf seinem Schoß saß, doch es war das erste Mal, dass ich es mit diesem kribbelnden Gefühl in der Bauchgegend tat. Er zog mich näher an sich heran. Es war wohl wirklich das, was er wollte.

Er vergrub sein Gesicht in meiner Schulter. „Hm, deine Haare“, summte er genüsslich. „Wenn das mal nicht das Shampoo ist, das ich dir letztens ausgesucht habe. Wunderbar ...“ Er seufzte zufrieden.

„Lass das, du klingst wie ein-“ Weiter kam ich nicht, als ich plötzlich seine Lippen an meinem Hals spürte. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Es hätte nichts mit den leidenschaftlichen Vorspielen aus Buch und Film zu tun. Es war einfach nur eine liebevolle Berührung. Dennoch konnte ich nichts gegen die Hitze tun, die mir in die Wangen schoss. Mal wieder. Zur Abwechslung.

„Ich ...“, flüsterte ich, ich gestand, ein wenig atemlos in sein Ohr. „Ich ... liebe dich auch ... irgendwie ...“

„Das letzte Wort hättest du dir ruhig sparen können“, grummelte er, lächelte dennoch selbstgefällig. War es etwa so offensichtlich gewesen? Doch diese Frage verschwand wieder im Hintergrund, da ich wahrscheinlich eh niemals eine Antwort darauf bekommen würde. Und weil es wieder da war, mein perfekter als perfektes Lächeln. Ich schmiegte mich an ihm. Ich sah und spürte, wie er schauderte, als mein Atem sein Ohr und seinen Nacken strich. Ich lächelte. Wenn ich jetzt so im Nachhinein noch einmal an meine bisherige Schulzeit dachte, fragte ich mich, wie ich nicht hatte bemerken können, dass ich bereits von Anfang an alles besessen hatte, was ich brauchte.

„Weißt du, woran mich dein Geruch nach Tannennadeln erinnert hat, mein Häschen?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SunWarrior
2009-08-04T18:49:53+00:00 04.08.2009 20:49
Wow-cdder Tex t hat was und erkärt, wie sich eine Liebe entwickeln kann-wunderbar und erstklassig-klasse stil, klasse Beschreibungen.


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