Träumer
Träumer
Dunkelgrüne Grashalme wiegen sich sacht im Wind, welcher den Sand der Dünen leicht aufwirbeln lässt. Das leise, monotone Rauschen der Wellen strahlt Ruhe aus und nur das Kreischen der am rötlich gefärbten Himmel kreisenden Möwen durchbricht die Stille.
Am Horizont sinkt die Herbstsonne nieder, allmählich taucht sie die Welt in eine dämmrige Atmosphäre. Die raue See wirkt so friedlich in den Abendstunden, lässt die morschen, hölzernen Fischkutter sanft hin und her wiegen.
Meine Arme schlingen sich um meine angezogenen Beine ich erschaudere.
Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich mich ein wenig zurücklehne und in meinem Rücken die Wand des kleinen Leuchtturms spüre.
Die weiße Farbe blättert an einigen Stellen ab und hinterlässt nur grauen, trüben Putz.
Aus halb geschlossenen Augen betrachte ich die zackigen Felsen, welche wie Kolosse aus dem Meer herausragen. Sie bestehen gegen die peitschende Brandung und werden von glitzernden Schaumkronen umspült.
Ich liebe die Einsamkeit, die sich mit der Abendröte wie ein Schleier über die Erde legt und sanft das Gemüt berührt.
Während dieser Stunden bin ich oft nachdenklich, verliere mich in mir selbst und frage mich, wer ich wirklich bin … ob ich eine Zukunft habe.
Vielleicht kenne ich meinen eigenen Weg nicht, lebe nur noch in den Tag hinein …
In der Erwartung, dass er auch heute seine Bahn zieht …
Er geht barfuss durch den weißen Sand, trägt die Schuhe locker in den Händen.
Nur die Fußspuren zeugen von seiner Präsenz, bis das Wasser sie verwischt … als sei er nie da gewesen.
Sein helles, zur Hälfte geöffnetes Hemd flattert bei jedem seichten Lufthauch und die Wellen umspielen seine schmalen Knöchel.
Jeden Tag kommt er hierher.
Nur ich sehe ihn.
Er weiß es nicht, denn ich sitze auf meiner Düne, auf den Treppen des Leuchtturms und das trockene, hohe Gras schützt mich vor seinem Blick.
Wie wohl sein Name ist …?
Heute ist niemand zu sehen, die ewig lange Sandbank erstreckt sich vor mir … menschenleer.
Ein Seufzen entkommt mir und ich löse das Band aus meinen schwarzen Haaren, lasse es über meine Schultern fallen und drehe eines der widerspenstig abstehenden Enden zwischen meinen kühlen Fingern.
Durch den weichen Grund gedämpfte Schritte nähern sich, lassen mich aufhorchen, doch ich rege mich nicht und plötzlich steht er neben mir.
Der Wind spielt in seinen braunen Strähnen und seine tiefblauen Augen sind starr ins Nichts gerichtet.
Zwischen uns herrscht ein angenehmes Schweigen.
Sekunden werden zu Minuten, zu Stunden … es fällt kein einziges Wort und er entfernt sich ein Stück weit von mir, schlendert bis zum Rand der Düne und verweilt dort.
Jegliches Zeitgefühl verschwindet, seit wann ist er hier?
Ich spüre meinen gleichmäßigen Herzschlag, spüre, wie seine Anwesenheit mich beruhigt.
Geh nicht …
Er wendet sich halb zu mir um, die Umrisse seiner zarten Statur werden von den letzten, schwachen Sonnenstrahlen nachgezeichnet und ich höre ihn leise lachen.
Es ist nur ein Hauch, seine Stimme dringt aus unendlicher Ferne an mein Ohr und ich merke, wie es mich trifft …
Wie betäubt …
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