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Liebe und Schmerz unter Engeln - Hazus Geschichte

Schwarz und Weiß
von

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The Beginning

In einer Welt, die bevölkert war von Engeln gab es auch Gut und Böse, genau wie in der Menschenwelt. Denn die Engel wurden in Gut und Böse unterteilt. Gut waren die, die Weiße Schwingen hatten und schlecht alle anderen, allen voran die Schwarzflügler. Der Herrscher über diese Welt war Ganso, außerdem seine Frau Tarachi und deren drei Kinder Soku, Hiko und Rei. Alle waren mit weißen Flügeln geboren und galten somit als reine Wesen. Ganso hatte jedoch noch einen Bruder, Zoku. Dieser war mit pechschwarzen Schwingen zur Welt gekommen und hatte dann auch noch versucht, seine Mutter zu töten. Somit wurde er verbannt und seither alle seiner Sippe mit schwarzen Flügeln gebrandmarkt. Die Engel mit schwarzen Flügeln galten unter der restlichen Bevölkerung als schlecht und wurden auch so behandelt. Viele sahen in ihnen nicht mehr als Vieh oder Sklaven und das bekamen diese dann auch zu spüren.
 

In einem Dorf außerhalb der Stadt in der Ganso residierte kam es, dass ein kleiner Junge in einer armen Bauernfamilie geboren wurde. Seine Eltern, seine Mutter Hanami und sein Vater Riko freuten sich auf das Kind, denn es war ihr erstes gemeinsames.

Der kleine Engel wurde mit hellbraunen Haaren und großen ockerfarbenden Kulleraugen geboren.

Nach den Strapazen der Geburt hielt Hanami ihren Sohn das erste Mal in den Armen.
 

„Hazu sollst du heißen, mein Kleiner.“, sagte sie zu ihm mit einem mütterlichen Lächeln auf den Lippen. Doch als sie den Kleinen drehte, verfinsterte sich ihre Miene rasant. Vorsichtig strich sie über die kleinen Flügel, fast noch gar nicht zu sehen und doch da. „Riko…“, flüsterte sie leise und wollte, das ihr Mann ans Kindbett kam.
 

Riko war ein kräftiger Mann, immer arbeitsam und auf den Feldern unterwegs, was man ihm auch ansah. Mit weit fassenden Schritten durchmaß er den Raum und setzte sich auf die Bettkante.

„Was ist denn? Geht es dem Kleinen nicht gut?“, fragte er etwas nervös, denn er sah den schockierten Ausdruck in ihren Augen. „Nun sag doch…“

Doch Hanami brachte kein Wort über die Lippen und drehte den Säugling nur mit dem Rücken zu Riko damit dieser die Flügel begutachten konnte. Der Mann musste zwei mal hinsehen bis er begriff, was seine Frau von ihm wollte. Dann schlug er dich die Hand vor den Mund.
 

„Oh nein...“, waren seine einzigen Worte.

„Sie sind… anders…“, meinte Hanami nur stockend.
 

Was sie damit meinten war, dass die Flügel des kleinen Hazu nicht die typisch schneeweiße Farbe hatten, die man von einem neugeborenen Engel erwartete. Seine Flügel waren dunkler, nicht schwarz aber fast gräulich.
 

„Mach… dir keine Sorgen, Liebste. Vielleicht… geht das wieder weg…“, meinte Riko leise, ohne jedoch wirklich Hoffnung in seine Worte zu legen.

Seine Frau seufzte nur. So hatte sie sich ihr erstes Kind nicht vorgestellt.
 

Hazu wuchs behütet auf. Fast schon zu behütet konnte man sagen, denn seine Eltern versuchten alles erdenkliche, um ihn möglichst wenig im Dorf zu zeigen. Sie hatten unvorstellbare Angst, dass man sie wegen dem Kind von der Dorfgemeinschaft ausstoßen könnte. Nach drei Jahren wurde Hanami wieder schwanger und brachte ein gesundes Mädchen mit schneeweißen Flügeln zur Welt.

Eines Abends dann setzten sich Riko und Hanami zusammen, Hazu spielte im Nebenzimmer.
 

„Riko…“, fing sie leise an. „Wir müssen etwas tun… seine Flügel werden immer dunkler. Wir können ihn nicht ewig verstecken…“ Sie war ziemlich verzweifelt und die letzten Jahre in diesem Versteckspiel zu leben hatten ihr viel von ihrer einstigen Schönheit geraubt.
 

Das sah auch ihr Mann. Es quälte ihn zu sehen, was aus seiner Frau geworden war. Er hoffte, dass mit der Geburt ihrer Tochter alles besser werden würde, doch er hatte sich getäuscht. Dadurch, das die Kleine Ramune mit weißen Flügeln zur Welt gekommen war, hatte Hanami Hazu regelrecht links liegen gelassen, sich nur noch um das Mädchen gekümmert und angefangen, den Jungen zu hassen.

„Wir müssen… ihn loswerden…“, meinte er dann leise, denn er wollte nicht, dass die Götter das hörten. Wovon er sprach war eine Sündentat.

Hanami sah erschrocken auf.

„Du kannst doch nicht…“
 

„Nein, ich dachte daran ihn… auszusetzen. Vielleicht nimmt sich jemand seiner an… jemand, der ihn mehr liebt, als wir es im Moment können.“ Er streichelte ihr sanft über die Wange. „Meinst du nicht, das könnte das Beste sein?“
 

Hanami musste lange darüber nachdenken. Den gleichen Abend war sie noch zu keiner Entscheidung fähig und betrachtete den mittlerweile 4 Jahre alten Hazu lange beim Schlafen. Immer wieder strich sie ihm durch das Haar. Auch wenn ihr der Junge verhasst war, es war immer noch ihr Kind, das sie einmal geliebt hatte.
 

Am nächsten Tag gab sie ihre Einwilligung zum Vorhaben ihres Mannes und sie gingen zusammen mit Hazu in die Stadt. Riko meinte, dass es hier kaum auffallen würde, wenn sie mit Kind kamen und ohne wieder gingen. Der kleine Hazu freute sich, denn endlich durfte er mal wieder an die frische Luft. Er war noch nie außerhalb des Dorfes gewesen und löcherte seine Eltern mit Fragen, wo sie hingingen und was sie unternehmen würden.

Seinen Eltern machte er ihre Entscheidung dadurch noch viel schwerer. Irgendwann lies Riko seine Frau zurück, denn sie mochte das nicht mit ansehen. Er ging mit Hazu in eine kleine Seitenstraße, wo man ihn nicht gleich finden würde.
 

„So kleiner Mann. Mama und ich wollen ein Geschenk für dich zum Geburtstag kaufen. Wartest du hier so lange, bis wir dich wieder abholen? Du willst doch wohl noch nicht vorher sehen, was du bekommst, oder?“ Riko fiel das Gespräch außerordentlich schwer und als er dann auch noch Hazus Miene sah, die sich bei seinem Worten immer weiter aufhellte, wurde ihm so schwer ums Herz, sodass er seinen Sohn noch ein letztes Mal umarmte. „Und nicht weglaufen, ja?“, rief Riko noch und verschwand dann hinter der nächsten Hausecke.
 

„Ok, Papa!“, rief Hazu aufgeregt und setzte sich auf eine Stufe, die zu einem Hauseingang führte.

Riko kehrte ohne ihren Sohn wieder zurück zu seiner wartenden Frau.

„Lass uns gehen.“, sagte er nur knapp und die beiden verließen die Stadt wieder.
 

Hazu wartete und wartete. Er war der Meinung, dass seine Eltern schon ganz schön lange für den Einkauf brauchten, und doch wartete er weiter. Es wurde dunkel und um ihn herum gingen in den Häusern die Lichter an. Nach einer Weile fing er an zu frieren, denn es war Winter im Land. Langsam stand er auf und ging zum Ende der Seitenstraße um auf die große Straße zu blicken. Es waren noch viele Engel unterwegs, die meisten wohl auf dem Nachhauseweg, andere in eine Kneipe um den Feierabend mit einem Bier zu begießen. Dem Kleinen wurde unwohl. Er machte sich Sorgen um seine Eltern, hatte Angst, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte und fing nach einer Weile an zu weinen. Die Engel auf den Straßen schenkten ihm jedoch kaum Beachtung. Ab und an blieb mal eine Frau stehen um nach ihm zu sehen, aber nach ein paar Blicken drehten sie sich angewidert weg und gingen fort. Hazu verstand nicht, warum ihm niemand half. Es wurde immer später und hätte er nicht so eine Angst gehabt, dann wäre er wohl schon müde gewesen. Er traute sich aber auch nicht aus der Gasse hinaus, schließlich hatte sein Vater gesagt, dass er hier auf ihn warten sollte. Als der Mond schon hoch am Himmel stand, suchte er sich instinktiv zwischen Müllbergen und Hauseingängen einen Ort, wo es wärmer war. Er fand eine Kiste, groß genug für ihn, um darin bequem zu schlafen. Zeitungpapier ersetzte seine Decke. Immer noch weinte der Kleine bitterlich, denn er verstand nicht, warum er nun allein hier war – ohne seine Eltern, ohne zu Hause und ohne Abendessen. Sein kleiner Körper wurde von deinem Schluchzen durchgeschüttelt, doch wärme ihn dies auch. Als es nur noch ein paar Stunden bis zum Morgen zu sein schienen, schlief er endlich ein.
 

Gepolter und Geschrei weckten Hazu am nächsten Morgen. Seine Knochen waren steif gefroren und sofort fing er wieder erbärmlich an zu zittern.

„Mama?“, rief er leise. Er erfasste seine Situation nicht richtig, so schlaftrunken wie er noch war. Nach ein paar Minuten ohne Antwort auf weiteres Rufen des Kleinen und immer lauter werdenden Geräuschen öffnete Hazu die kleinen Augen und sah, dass er immer noch in der kleinen Kiste lag. Es stank fürchterlich, denn die Wintersonne hatte die Abfälle um ihn herum so weit erwärmt, dass sie übel anfingen zu riechen. Angewidert stand er auf und sah sich um. Die Gasse sah immer noch so aus wie gestern Abend und Nacht. Langsam fiel ihm ein, warum er hier war und er merkte, dass seine Eltern immer noch nicht zurück gekommen waren um ihn abzuholen. Wieder fing er fürchterlich an zu weinen, doch wieder interessierte es niemanden auf der Straße, dass ein kleiner Engel dort saß und anscheinend niemanden mehr hatte.
 

Als er sich wieder etwas beruhigt hatte, fing der Hunger an ihn zu quälen. Seit gestern Mittag hatte er nichts mehr gegessen. Also rappelte er sich auf und ging zum Ende der Gasse. Es waren noch nicht so viele Leute unterwegs, denn es war kein Markttag, so wie gestern. An den Straßenseiten waren Hauseingänge und da Hazu sich nicht besser zu helfen wusste, klopfte er an die nächste Tür und wollte um etwas zu essen beten.

Doch das war nicht so einfach, wie er es sich in seiner kindlichen Unwissenheit vorgestellt hatte, denn alle Engel, die ihm freundlich die Tür öffneten, wiesen ihm im nächsten Moment schon wieder mit einem finsteren Gesicht ab und schlugen die Tür zu. Am Ende der Straße angekommen klopfte er an die letzte Tür. Eine junge Frau kam heraus, ein kleines Kind, etwas älter als Hazu selbst an der Hand.
 

„Hallo kleiner Engel, was kann ich denn für dich tun?“, fragte sich freundlich. Ihr Sohn versteckte sich etwas hinter ihrem Bein. Er stand seitlich zu Hazu, sodass dieser seine schneeweißen kleinen Flügelchen sah. Er dachte an seine eigenen, die links und rechts hinter seinen Schultern hervorguckten und zog sie schnell etwas ein. Sie waren anders – seine eigenen Flügel. Anders als bei dem Kind, das ihm gegenüber stand. Dann erinnerte er sich wieder an die Frage der Frau.

„Ich habe Hunger…“, antwortete er ihr etwas verspätet und mit großen Augen. Unterstützend knurrte sein Magen auch noch dazu.
 

„Oh, du Armer…“, meinte sie ernsthaft besorgt und wendete ihm den Rücken zu. „Komm doch erst einmal rein. Hejo, nimmst du ihn mit in dein Zimmer und spielst mit ihm, bis ich mit dem Essen fertig bin?“, fragte sie ihren Sohn noch mit samtweicher Stimme.

Hejo brummte nur. „Komm mit.“, warf er Hazu entgegen und ging voraus.
 

Hazu selbst fühlte sich nicht ganz wohl in dem großen fremden Haus. Außerdem hatte er Angst, dass sein Vater böse wurde, weil er die Stelle verlassen hatte, an der er warten sollte. Trotzdem folge er dem kleinen Engel vor ihm. Dabei hatte er wieder einen Blick auf dessen Flügel. Die waren wirklich weiß. Er drehte seinen Kopf etwas und streckte den linken Flügel aus. Seiner war definitiv nicht weiß, sondern grau. Was das wohl zu bedeuten hatte? Aber diese Frage war aus seinen Gedanken gefegt, als er in das Zimmer von Hejo kam. Spielzeug soweit das Auge reichte. In dem Moment nach der Nacht auf der Straße und seinem Leben in Bescheidenheit bis jetzt kam ihm das hier wie das Paradies vor.
 

Hejo selbst saß schon auf dem weichen Teppichboden und spielte mit einem kleinen Holzschwert, welches er immer wieder gegen eines seiner Kuscheltiere stieß. Hazu sah begeistert zu, blickte sich dann aber nach einem eigenen Spielzeug um. Ihm fiel ein Plüschtier in die Augen. Es war ein Engel mit großen weißen Schwingen und einem goldenen Stab in der Hand.

„Wer ist das?“, fragte Hazu an Hejo gewandt. Dieser drehte sich widerwillig um.

„Ganso.“, antwortete er nur knapp. „Der, der uns vor euch beschützt!“

Hazu war erschrocken von Hejos Abneigung und auch von seinen Worten.

„Warum beschützt?“, fragte er nur verständnislos.

„Weil ihr schlecht seid. Ihr, mit euren schwarzen Flügeln.“ Hejo hielt jetzt das Schwert umklammert und richtete es nicht mehr auf das Stofftier, sondern wie zur Verteidigung erhoben gegen Hazu. Sie saßen nur wenige Meter auseinander.

„Aber ich hab doch gar keine schwarzen Flügel. Schau, meine sind nur grau!“, meinte er mit wieder etwas erhellter Miene, drehte Hejo den Rücken zu und deutete mit deiner kleinen Hand auf seine Flügelchen.
 

In dem Moment hörte man es nur klirren, denn Hejo Mutter war gerade ins Zimmer gekommen und hatte das Tablett mit den dampfenden Suppenschüsseln fallen lassen. Die starrte Hazu entgeistert an, als würde Zoku persönlich vor ihr sitzen. Eilig ging sie zu Hejo und nahm ihn auf den Arm um dann wieder zur Tür zu rennen.

„Verfluchte Brut!“, schrie sie Hazu noch entgegen und knallte beim Hinausgehen die Tür wieder zu. Dann schloss sie ab und Hazu damit ein. So schnell die konnte eilte sie auf die Straße und suchte nach einem Wächter.
 

Hazu saß derweil schockiert in dem Zimmer. Schon wieder war er den Tränen nahe, denn er konnte nicht verstehen, warum alle Engel eine solche Abneigung gegen ihn zu haben schienen. Er hatte ja schon erfahren, dass die Engel mit schwarzen Flügeln böse waren. Aber weder kannte er so jemanden, noch hatte er je einen gesehen, noch war er selbst einer. Wieder betrachtete er seine Flügel und kam doch nur wieder zu dem Entschluss, dass sie eindeutig nicht schwarz waren, sondern grau.

Er umklammerte seine Knie und setzte sich auf das weiche Bett. So wartete er, doch das Haus blieb ruhig, hinter der Tür schien sich nichts zu tun. Nach einer Weile übermannte ihn die Müdigkeit wieder und er legte sich zusammengerollt auf das Bett. Fast augenblicklich schlief er ein.
 

„Wach auf, du Missgeburt!“, schrie jemand nah an Hazus Ohr und zerrte ihn am Arm in eine aufrechte Position. Schlagartig war er wieder wach, öffnete die Augen und sah einem stämmigen Mann in die kleinen Glubschaugen. Er realisierte die Situation gar nicht so schnell, wie alles um ihn herum geschah. Der Mann packte ihn am Kragen seiner Jacke und hob ihn unsanft aus dem Bett. Als wäre er ein Ding schleifte er ihn hinter sich her. Aus den Augenwinkeln sah Hazu Hejo und seine Mutter in der Haustür stehen. Beide starrten ihn aus hasserfüllten Augen an.

„Macht mit ihm, was ihr wollt, aber sorgt dafür, dass er gefälligst keine unschuldigen Engel mehr belästigt!“, rief sie dem groben Mann noch hinterher. Dann fiel die Tür zu und Hazu konzentrierte sich wieder auf den Engel, anscheinend eine Stadtwache, die ihn hinter sich her zog.
 

„Was… hab ich denn getan?“ Er versuchte sich gar nicht erst zu wehren, denn gegen den erwachsenen Mann hatte er eh keine Chance. Stattdessen versuchte er mit dem Mann Schritt zu halten, damit dieser ihn nicht wie ein Stück Vieh hinter sich her ziehen musste.
 

„Was du getan hast…“, meinte der Mann verächtlich und spuckte angewidert auf die Straße. „Schwarzgeflügeltes Balg.“ Weiter schien er sich nicht um Hazu zu kümmern.

Hazu stellte auch keine weiteren Fragen, denn es schien im klüger, wenn er einfach die Klappe hielt. Der Mann wollte anscheinend eh nicht mit ihm reden, noch ihm etwas erklären.
 

Irgendwann blieb er stehen und Hazu stolperte fast. Sie befanden sich an der Stadtmauer, unweit von einem Eingang.

„Am besten ich schmeiß ihn einfach vor die Stadttore. Mir doch egal, was mit dem Zwerg passiert. Sollen ihn doch die Wölfe fressen.“, redete der Mann eher zu sich selbst, als zu irgendjemanden anders.

Hazu bekam jedoch alles mit und er wusste, dass er nicht alleine vor die Stadtmauern wollte. Dort waren nur riesige Wälder und vor Dunkelheit und dunklen Wäldern hatte er Angst.

Jetzt fing er doch an sich zu wehren und versuchte sich aus der Umklammerung der Wache zu befreien.
 

„Ich will nicht nach draußen!“, weinte er vor sich hin und zerrte an der kräftigen Hand des Mannes. „Ich hab Angst alleine.“
 

Der Engel beugte sich hinab und hob den Jungen jetzt ganz hoch. „Ich kann dir auch einfach deine hässlichen Flügel abreißen, oder dich gleich um die Ecke bringen. Ich bin noch viel zu gnädig zu einer Missgeburt wie du eine bist!“ Langsam führte er die Hand zum schmalen Hals des Jungen.
 

„Lass ihn runter!“, ertönte eine kalte Stimme hinter ihm.
 

Wie, als wenn er gegen eine unsichtbare Wand gestoßen wäre, hielt der Mann inne. Seine Augen wurden immer größer, denn er hatte die Stimme hinter sich sofort erkannt. Langsam, fast in wie in Zeitlupe senkte er die Hand. Dann drehte er sich um und sah dem Mann in die eiskalten Augen.
 

Hinter ihm stand Zoku. Leibhaftig wie er ihn noch nie gesehen hatte. Schon oft hatten Wachen von Begegnungen mit ihm berichtet, doch jetzt erst merkte der Mann, dass sie alle untertrieben waren.

Zoku war groß, allerdings nicht riesig. Seine schwarze Kleidung umschmeichelte seinen sehnigen Körper und trotz der recht kalten Temperaturen trug er nur ein kurzärmeliges Hemd. Seine langen schwarzen Haare waren elegant zur Seite gekämmt und seine eisblauen kalten Augen starrten den Mann unbarmherzig an. Er hätte ein ganz normaler attraktiver Engel sein könnten, wären da nicht die riesigen schwarzen Schwingen, die aus seinem Rücken traten und links und rechts der Schultern hervor hingen.
 

„Lass ihn los!“, wiederholte er sich, immer noch mit ruhiger Stimme.
 

Diesmal gehorchte der Mann aufs Wort und lies Hazu runter. Dieser wusste nicht so recht wie ihm geschah. Er sah zwischen den Männern hin und her, unfähig zu entscheiden, was er tun sollte. Also blieb er unschlüssig in der Mitte zwischen ihnen stehen. Der andere Mann, der mit den pechschwarzen Flügeln, sah in seinen Augen ziemlich gefährlich aus, doch er hatte ihn gerade gerettet, so wie er die Situation einschätzte.
 

„Komm her Kleiner.“, sprach ihn ebendieser Schwarzgeflügelte nun an. Seine Augen sahen allerdings nicht auf ihn runter, sondern fixierten immer noch die Wache. Diese stand ebenfalls unbeweglich da und starrte zurück. Vorsichtig bewegte er sich dann doch auf den schwarzen Engel zu. Er hatte Angst, furchtbare Angst, dass dieser auch gemein sein könnte, doch instinktiv spürte er, dass er bei ihm sicherer war, als in der Gesellschaft der Wache von eben.
 

„Gut so.“, meinte Zoku und legte die Hand auf die Schulter des Jungen. Er brach den Blickkontakt zu der Wache immer noch nicht ab, meinte jetzt jedoch wieder mit eiskalter Stimme: „Und du verschwinde!“
 

Als wäre es ein unwiderruflicher Befehl seines Vorgesetzten gewesen, nahm der Wächter die Beine in die Hand und lief in entgegengesetzter Richtung davon. Schon bald war er in die nächste Gasse eingebogen und somit aus Zokus und Hazus Blickfeld verschwunden. Noch einige Sekunden sahen die beiden dem Mann hinterher, dann wandte sich Zoku dem Kleinen zu.
 

„Wie ist dein Name, Kleiner?“ Seine Stimme klang immer noch tonlos, als wäre es eine Frage, die er stellen musste und nicht stellen wollte. Zoku hockte sich neben Hazu hin und sah ihn interessiert an. Wie ein Käufer, der seine neue Ware in Augenschein nehmen wollte.
 

Hazu behagte sie Situation gar nicht. Dennoch wich er dem Blick des Engels ihm gegenüber nicht aus, sondern starrte auch ihn an.

„Hazu!“, rief er dann fast schon heraus. Er hatte das Gefühl, dass der Mann gefährlich war. Sein Magen fing unter den abschätzigen Blicken seines Gegenübers an seltsam zu kribbeln.
 

„Hazu also. Für dein Alter scheinst du es schon faustdick hinter den Ohren zu haben. Sag, hast du Angst vor mir?“ Zoku lächelte den Kleinen an.
 

„Angst nicht.“, Hazu wendete nun doch den Blick ab und sah unsicher zu Boden. „Es ist nur… ein komisches Gefühl.“ Hazu wusste nicht, wie er das flaue Gefühl im Magen beschreiben sollte, also beließ er es dabei.
 

„Das ist normal, mach dir keine Sorgen. So ist das nun mal, wenn man seinem wahren Vater gegenüber steht. Hazu, weißt du, wer du bist?“
 

Hazu sah ihn verwirrt an. Er war erst 4 Jahre alt, woher sollte er wissen, wer er war. „Ich bin Hazu…“, antwortete er unsicher. Dann fiel ihm etwas ein und zwar die Flügel. „Ich bin… so wie du?“
 

Zoku lächelte wieder. Der Kleine war wirklich pfiffig. „Genau. Du bist so wie ich. Daher bist du bei mir sicher, und das willst du doch, oder? Sicher sein? Also, kommst du mit mir mit?“ Er streichelte Hazu in einer liebevollen, väterlichen Geste über den Kopf.
 

Hazu nickte nur. Was sollte er schon allein auf der Straße und seine Eltern waren weg. Schnell verscheuchte er die Gedanken an sie. Zoku sagte, er wäre sein Vater. Vielleicht hatte er Recht und Hazu gehörte einfach zu ihm. Er streckte sich etwas und beäugte die Flügel von Zoku. Sie waren pechschwarz wie die Nacht, viel dunkler als seine eigenen. Langsam hob er die Hand und wollte die Federn berühren, doch Zoku entzog ihm den Flügel.
 

„Weißt du, die Flügel eines Engels sind der wertvollste Besitz, den sie haben. Verlierst du deine Flügel, dann verlierst du deine Erinnerung. In jeder Feder ist eine Erinnerung verankert. Reißt man sie dir heraus, ist sie unwiderruflich verloren.“ Zoku sprach mit trauriger Stimme zu ihm, so als wäre ihm das eben Gesagte selbst schon passiert. „Unsere Flügel sind anders als die der hohen Engel. Als die der Herrscher. Kennst du Ganso, kleiner Hazu?“
 

Hazu nickte. „Der, der die Engel vor uns beschützt.“, wiederholte er die Worte von Hejo.
 

Zoku lächelte traurig, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein. Er ist der, der uns hasst, uns jagt und uns tötet. Er ist mein Bruder. Aber weißt du… Ich bin der, der uns vor ihm beschützt. Wir beide sind nicht die einzigen Engel mit dunklen Flügeln. Willst du die anderen kennen lernen?“

Hazu nickte nur und sah ihn mit großen Augen an. Er hatte nicht alles verstanden, was Zoku ihm gerade erzählt hatte, doch sein Misstrauen dem Engel gegenüber schwand langsam. Trotz seiner gefährlich aussehenden schwarzen Flügel war er so viel freundlicher als der Wächter eben, mit seinen weißen Flügeln.
 

„Dann komm mit und lerne deine wahre Familie kennen.“ Zoku nahm den kleinen Hazu auf den Arm uns löste sich in Luft auf. Als er sich wieder materialisierte, befanden Hazu und er sich im Untergrund. Diese Welt lag im inneren Ring der Stadt und war die Welt der Schwarzflügler. Hierhin verirrten sich nie die weißen Engel, denn für sie war es hier so gefährlich wie für die schwarzen Engel außerhalb des Untergrundes. Die Häuser hier waren alt und sahen mehr danach aus, als ob sie gleich einstürzen, als dass sie noch lange stehen würden. Die gut ausgebauten und prunkvollen Straßen der Oberwelt wichen hier nur halb gepflasterte Wege oder festgetretene Pfade aus Staub. Auch der Himmel schien sich hier verdunkelt zu haben.

Hazu bekam Angst. Er kuschelte sich etwas in die starken Arme von Zoku. Diese setzte ihn jedoch gleich ab auf die eigenen Beine und ging voraus in das einzige halbwegs stabil aussehende Haus.
 

„Komm mit Hazu. Ich will dir deine neue Familie vorstellen.“
 

Hazu sah den großen Mann neben sich unsicher an, fasste dann aber Mut und folgte ihm einfach in das Haus. Dort war es dunkel und kalt. Ein paar Kerzen erhellten den Gang, in dem sie sich befanden, ansonsten nahmen die Schatten alles Übrige ein. Er begann zu zittern. Vor Angst und auch vor Kälte, doch Zoku schien sich darum nicht zu kümmern.
 

„Ich hab Angst…“, machte sich Hazu mit fast piepsiger Stimme bemerkbar.
 

„Die solltest du lernen abzulegen. Du darfst keine Angst haben. Wenn du deinen Bruder kennen lernst, wirst du verstehen, was ich meine. Wir sind Ausgestoßene und werden verfolgt. Wenn wir unseren Gegnern mit Angst gegenübertreten, dann sind wir verloren.“
 

Hazu verstand schon wieder nicht, was Zoku ihm sagen wollte, außer, dass er anscheinend kein Angst mehr haben durfte. Er versuchte sich zusammen zu reißen und straffte seinen Körper ein wenig. Ein paar Schritte später bliebt Zoku vor ihm auch stehen und stieß eine Flügeltür auf. Sie führte in eine riesige Halle. Sie befanden sich unter der Erde, keine Fenster mit Tageslicht erhellten den Saal, nur die Kronleuchter spendeten Licht. Zoku ging eiligen Schritten durch den Raum zu einem kleinen Podest. Dort standen drei punkvolle Stühle. Ein großer in der Mitte und etwas kleiner links und rechts daneben. Hazu folge ihm eilig und erkannt bald, dass auf den Stühlen links und rechts Engel saßen und auch sie hatten pechschwarze Flügel.
 

„Jinan, Shisuta, kommt her.“, rief Zoku den beiden entgegen.

Jetzt erst konnte Hazu die beiden Engel richtig erkennen. Das Mädchen, Shisuta war so alt wie er selbst. Sie war klein und zierlich, hatte aber schon lange braune Haare und ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Der Junge neben ihr, Jinan, war älter. Er hatte schwarze Haare und eine schlanke Figur. Seine Augen guckten genauso eiskalt wie die seines Vaters. Sowieso sah er Zoku sehr ähnlich.
 

Hazu wurde plötzlich von Zoku herangezogen. „Das sind deine Geschwister, Hazu. Das Mädchen ist Shisuta und der Junge hier Jinan. Sie werden dir alles zeigen und immer für dich da sein, verstanden?“, meinte er scharf, auch in Richtung seiner beiden Kinder.

Alle drei nickten zustimmend, auch wenn Jinan Hazu dabei etwas mürrisch ansah. Hazu schluckte einen Kloß im Hals hinunter und ging auf die beiden zu.
 

„Ich bin Hazu…“, stellte er sich vor uns reichte Shisuta die Hand. Diese grinste ihn freundlich an, nahm die Hand und rief begeistert: „Ein neuer Bruder, ein neuer Bruder…“ und hüpfte dabei auf und ab. Jinan sah ich abschätzig von oben bis unten an und knurrte dann ein unfreundliches „Komm mit.“
 

Hazu sah Zoku noch einmal an, der zufrieden schien. Er nickte den Kindern zu und Jinan führte Hazu in die Gemächer hinter der Halle. Zoku war zufrieden mit sich. Wieder hatte er jemanden von ihrer Sorte entdeckt, der von Natur aus dunkle Flügel hatte. Die meisten Engel mit schwarzen Flügeln waren nicht seit ihrer Geburt so. Außer seinen eigenen Kindern gab es nur eine Handvoll Engel, die mit den dunklen Schwingen zur Welt gekommen waren. Allen anderen wurden die Flügel mit Magie schwarz gefärbt, wenn sie sich Zoku angeschlossen hatten. So waren sie als Aussätzige, als Sklaven gekennzeichnet – als Verräter. Zoku setzte sich seufzend auf seinen Thron. Seine Sippe war gebrandmarkt mit dem Zeichen der schwarzen Brut. Und nur, weil er, weil Zoku so zur Welt gekommen war. Dafür hasste er seinen Vater und jetzt seinen Bruder, der unverdienter Weise an der Macht war. Der Thron des Herrschers über die Welt der Engel stand ihm selbst zu, nicht Ganso, seinem dummen missratenen Bruder. Doch er war verstoßen worden und hatte keine Chance gehabt sich zu beweisen.
 

Zoku schüttelte den Kopf. Es half nichts. Er musste endlich mit der Vergangenheit abschließen und sich nach vorn konzentrieren. Nach vorn Richtung Thron. Er wollte Ganso stürzen, koste es, was es wolle. Und er würde es schaffen. Seine Armee wurde immer größer und eines Tages würde er mit ihnen zum Gegenschlag ausholen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Blackberry89
2009-07-22T20:13:43+00:00 22.07.2009 22:13
*-*
oh, das gefällt mir
ich hab noch nie was von dir gelesen. ich wusste echt gar nicht, dass du so ein tolles schreibhandwerk besitzt!

dann sag ich jetz ma was zur story (hab erst dieses kapitel gelesen):
darf ich dazu mal irgendwann ein bild zeichnen??? *-* ich hab da schon genau was im kopf *hände reib*
okay, nu zur story XD: gefällt mir echt gut. kriegst zwei daumen b^^d
das einzige, was mich son bissl stört, dein hazu is erst 4 jahre alt...manchmal wirkt er aber partout nicht so, er wirkt viel älter und reifer. für son kleinen jungen macht der sich an manchen stellen viel zu viele gedanken. er erscheint nicht naiv genug...ja, das is das, was mich son bissl wurmt.
aber so der zusammenhang und der inhalt is echt toll *morgen weiterlesen wird*
Von:  Dystopia
2009-04-14T17:54:47+00:00 14.04.2009 19:54
Q_Q der arme hazu.....

das die gescihchte so schnell vorran geht ist gut, es hält das interesse des lesers immer auf einer hohen linie. vielleicht könnten die interaktion der engel und die beschreibungen der umstände etwas ausfürhlicher sein, aber die geschichte ist spannen und allein das zählt. ^^
Von:  Dry-The-Rain
2009-04-14T11:38:40+00:00 14.04.2009 13:38
Wow.
Ich finde es toll.
*Muss ich ja zugeben*
Tauchen noch mehr Caras auf?
Zoku ist irgendwie cool.
Ich will unbedingt das du weiter schreibst.
Hazu tut einen ja beinahe leid
*Ihn trotzdem tritt*
*Fies lach*



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