Zum Inhalt der Seite

Katz und Maus

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Katz und Maus von desertdevil

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
 

Kapitel 3
 

Als am späten Nachmittag sein Haus betrat, war er so müde, dass er kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Dank des hirnrissigen Streichs seines Nachbarn und dem damit verbundenen Schlafentzug, war er im Büro auf seinen Unterlagen eingeschlafen und irgendwann mit dem Gesicht auf einem Unterlagenstapel wieder aufgewacht, inclusive Längsstreifen im Gesicht. Wenn Abbey nicht freiwillig Überstunden gemacht hätte, um die anstehenden Steuererklärungen abzutippen und anschließend zur Post zu bringen, hätte Jesse seine Termine nicht einhalten können. Abbey hatte ihn energisch aus dem Büro gescheucht und ihn ermahnt sofort nach Hause zu fahren und sich hinzulegen.

Und genau das würde er jetzt tun. Naja, jedenfalls gleich nachdem er seine Tiere gefüttert hatte. Ein schneller Blick zum Himmel sagte ihm, dass das Ende der Trockenperiode nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

Im Schneckentempo zog Jesse sich um und drehte halbherzig seine Runde. Eine dreiviertel Stunde später hatte er auch die Wölfe in ihren abgelegenen Käfigen versorgt, saß gerade auf dem Sofa und nahm wieder ein Fertiggericht aus der Mikrowelle zu sich, als es an der Tür klopfte.

Stirnrunzelnd und träge kam er auf die Beine, stellte den Plastikteller auf den Tisch und ging in den Flur, um zu öffnen. Ihm klappte die Kinnlade herunter, als er erkannte, wer da vor ihm stand. Mit offenem Mund starrte er Devlin Callahan an, der in einem gestärktem Westernhemd, hautengen schwarzen Lederhosen und polierten Cowboystiefeln vor ihm stand. Mit hochgezogenen Augenbraune wartete er stumm auf eine Erklärung.

Kein Mann, und schon gar nicht dieser, hatte das Recht, so verteufelt gut auszusehen, schoss es Jesse durch den Kopf. Als Callahan ihm dann auch noch ein unwiderstehliches Lächeln schenkte und er die Flasche Wein entdeckte, die er ihm mit einer gebräunten, unberingten kräftigen Hand entgegenstreckte, wurden ihm die Knie weich.

Eine Flasche Wein für ihn? Das konnte nur ein Irrtum sein! Callahan hasste ihn praktisch, dessen war er sich absolut sicher.

Jesse war im Moment weder physisch noch psychisch auf so einen direkten Angriff vorbereitet. Er fühlte sich viel zu erschöpft und ausgelaugt, um sich auf einen neuen Streit mit seinem Nachbarn einzulassen. Besonders nicht, wenn er sich als der Wunschtraum eines jeden Homosexuellen präsentierte.

»Ich dachte wir könnten ein Glas Wein trinken, so zur Versöh ... «, begann er.

In diesem Augenblick tat Jesse das einzige, was ihm in den Sinn kam, um sich vor diesem verführerischen Teufel zu schützen - er schlug ihm die Tür vor der Nase zu und köpfte im gleichen Atemzug die Weinflasche.

Benommen starrte Jesse auf den Glashals, der auf dem Boden hin und her rollte und auf die Splitter die um seine schmutzigen Stiefel verteilt lagen. Dann warf er einen schnellen Blick an sich herunter. Bei Gott, er musste wie ein ausgesetztes Waisenkind aussehen, in dem engen Shirt mit den Löwenmotiven und den zerschlissenen Jeans, die er nachlässig in die Stiefel gestopft hatte. Sein halb aufgelöster Pferdeschwanz hing ihm in wirren Strähnen ins Gesicht, gespickt mit Grashalmen. Und erst die dunklen Augenringe, die er nicht mal mit ein bisschen Make-up versucht hatte zu überdecken. Er musste wirklich scheußlich aussehen und Devlin sah aufregend genug aus, um ...

Tja .. damit hatte er wohl jede Chance auf eine Versöhnung verspielt, wenn das überhaupt der Grund von Devlins Kommen gewesen war. War das nicht der Fall, war es sowieso gleichgültig wie er aussah, oder in was für einer seelischen Verfassung er sich befand.

Frustriert über seine typische Reaktion auf diesen Mann, den er nicht einmal ausstehen konnte, stapfte Jesse ins Wohnzimmer, warf sich wieder auf sein Sofa und hoffte, Devlin würde einfach verschwinden.

Der starrte auf die Kopf- und Halslose Flasche in seiner Hand und war bemüht nicht die Beherrschung zu verlieren. Ihm gelang sogar ein schiefes Grinsen, als er an Jesses entsetzten Gesichtsausdruck dachte. Er hatte wenig mit dem souveränen, selbstbeherrschten Mann gemeinsam gehabt, den er neulich hatte kennen lernen dürfen. Ihm gefiel Jesses heutiger Aufzug besser. Darin sah er wie ein ganz normal arbeitender Farmer aus, wirkte irgendwie zugänglicher.

Entschlossen klopfte er noch einmal an die Tür.

»Parker, ich bin gekommen, um sie zum Essen einzuladen. Zur Versöhnung!«, rief er.

»Ich habe schon gegessen«, kam prompt zurück.

»Auch gut. Wie sieht es dann mit morgen Abend aus?«

»Kein Interesse.«

Mist! Das lief ja überhaupt nicht gut. Und was sollte er jetzt tun? Frustriert fuhr Devlin sich durch die Haare und überlegte. Vorsichtig stapfte er durchs Blumenbeet, um an das Wohnzimmerfenster zu gelangen. Er sah Jesse mit gekreuzten Beinen auf seinem Ledersofa sitzen und an die Wand starren.

»Und was ist mit einem schönen Eisbecher am Sonntagabend?«, schlug er vor.

Jesse fuhr herum und sah irritiert in seine Richtung, dann wandte er wieder den Blick ab. »Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte nicht. Gehen sie jetzt einfach.«

Er sprang auf und verschwand mit etwas, was für Devlin wie Plastikeinweggeschirr aussah in Richtung Küche. Er beeilte sich dem jungen Mann ums Haus herum zu folgen und sah sich im nächsten Augenblick Auge in Auge mit einem fauchenden Panther, der von seiner Anwesenheit augenscheinlich nicht viel hielt.

Devlin wurde ganz anders, als die große Katze auch noch die Zähne fletschte und die riesigen weißen Reißzähne entblößte.

Inständig hoffte er, dass die Fütterungszeit schon vorbei war, sonst endete er noch als Ersatz- und Spezialsteak für diesen Fleischfresser.

Ganz langsam streckte er die Hände nach vor und redete dem Tier gut zu, während er versuchte sich um die Katze herum zu schleichen, sodass er Jesse durchs Küchenfenster sehen konnte. Dann holte er kurz Luft. Er hatte sich vorgenommen nett zu diesem Mann zu sein, aber verdammt! Warum hatte ihm niemand gesagt, dass man so schwer an ihn heran kam?! Trotzdem würde er nicht gleich gehen, auch wenn er sich mehr als unwohl in seiner Haut fühlte. Zuerst musste Jesse einwilligen auf eine vernünftige Art und Weise mit ihm zu reden!

Als Jesse aus dem Fenster sah, schnappte er überrascht nach Luft. Er griff sich an die Brust, als wenn sein Herz schmerzen würde. Keine Sekunde später war er auch schon im Garten und zog den Panther beruhigend von Devlin weg, brachte ihn hinter in die Scheune.

Als er wieder kam, machte er sich gerade bereit seinen Nachbarn zusammen zu stauchen, als der auch schon eines seiner schönsten Lächeln aufsetzte.

»Okay, ich gebe ja zu, dass ich unberechtigt ihr Grundstück betreten habe, aber wer rechnet schon mit so einem Wachposten? Sie sind wahrscheinlich besser geschützt als der Präsident im weißen Haus«, bemerkte Devlin leichthin, obwohl ihm noch ein wenig die Knie zitterten. »Also, wie wäre es, wenn wir beide uns am Samstag zusammen einen Film ansehen?«

Fassungslos starrte Jesse ihn an, während er Schritt für Schritt zurücktrat.

»Ich würde mich eher mit King Kong verabreden«, sagte er schließlich, wandte sich abrupt ab und flüchtete zurück ins Haus.

Devlin rang mühsam um Fassung, trotz allem noch entschlossen sein Temperament im Zaum zu halten. Er beobachtete wieder durch das Küchenfenster, wie Jesse auf die Treppe zustrebte. Dann fiel sein Augenmerk auf das alte Holzspalier, welches bis zum Balkon im Obergeschoss reichte. Zuerst runzelte er die Stirn, aber sein Bruder sollte nachher nicht sagen, dass er nicht versucht hatte sich mit seinem Nachbarn zu versöhnen.

Also beschloss er das Wagnis einzugehen, schob die Ranken bei Seite und hangelte sich am Spalier hoch. Dann schwang er sich über das Balkongeländer, spazierte zu der verwitterten Holztür und klopfte leicht an.

Erschrocken schrie Jesse auf.

»Versuchen sie etwa mich zu beobachten, während ich mich ausziehe, sie perverser Spanner? Ich warne sie! Ich werde sofort Sheriff Clayton von ihrem unglaublichen Verhalten in Kenntnis setzen!«

»Meine Güte, nun komm wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, Blondie. Außerdem weiß ich gar nicht, was ich an dir bewundern sollte. Ist doch alles flach«, rief er erklärend und wurde sich seiner Beleidigung noch nicht mal bewusst. »Ich versuche doch nur, mich für meinen Streich mit der Musik zu entschuldigen. Und vielen Dank noch mal, dass sie uns wieder Wasser zugeleitet haben.«

Devlin versuchte es abermals mit einem charmanten Lächeln.

»Wenn sie mich nur rein lassen würden, könnten wir uns ruhig hinsetzen und unsere Differenzen ... «

»Nein!«, unterbrach Jesse ihn hastig.

Spätestens in diesem Moment musste Devlin feststellen, dass Jesse Parker eine äußerst energische Person war. Er ließ ihm gar keine Zeit, seinen Vorschlag ausführlich zu unterbreiten. Nichts desto trotz würde er sich nicht abweisen lassen, bevor sie nicht eine Art Waffenstillstand geschlossen hatte, soviel stand fest.

»Ich will doch nur mit ihnen reden, Parker. Akzeptieren sie endlich die Tatsache, dass sie mich nicht so einfach wieder loswerden.«

»Dann rufe ich eben die Polizei und verklage sie wegen Hausfriedensbruch«, sagte der andere daraufhin drohend.

Als Devlin sah, wie er nach dem Telefonhörer griff, versuchte er die Tür auf zu bekommen. Dummerweise entschied sich gerade in diesem Moment der morsche Holzboden des Balkons unter seinem Fuß weg zu brechen. Bei dem Versuch, das Gleichgewicht zu halten, langte er mit dem Arm nach hinten zum Geländer und schrie alarmiert auf, als auch dieses beschloss ihm feindlich gesinnt zu sein und nachgab. Devlin schwang zur Seite auf das rutschige Dach, suchte verzweifelt nach einem Halt, den er jedoch nicht fand. Während er kopfüber nach unten rutschte, versuchte er, sich noch zu drehen, um wenigstens mit den Füßen auf den Boden aufzukommen. Aber das stellte sich als Unmöglichkeit heraus. Der dunkle Dornenbusch, der das Vordach beschattete, raste mit erschreckendem Tempo auf ihn zu.

»Ahhhhhh ... « Mit ausgebreiteten Armen landete Devlin in dem stachelgespickten Busch und zog sich einen Riss in seinem brandneuen Hemd zu. Unter Flüchen und Stöhnen befreite er sich aus der stachligen Umarmung, bevor er diesem unsäglichen Kraut einen bösen Blick zuwarf. Alles auf diesem Grundstück schien sich gegen ihn verschworen zu haben, selbst die Pflanzen!

»Sind sie in Ordnung?«

Devlin drehte vorsichtig den Kopf und sah Jesse auf dem kaputten Balkon stehen, von wo aus er ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung musterte. Als ein breites Lächeln auf seinem Gesicht erschien, hielt Devlin automatisch die Luft an. Verflucht, der Kleine hatte aber auch ein anziehendes Lächeln, welches das hübsche Gesicht förmlich zum Leuchten brachte.

Devlin stand einfach nur völlig benommen da und wünschte nur, etwas anderes als seine tollpatschige Showeinlage wäre der Anlass dafür gewesen. Ungeachtet seiner strategisch ungünstigen Lage lächelte er zurück. Er hoffte, Jesse würde es anerkennen, dass er trotz seiner misslichen Lage so viel Humor bewies.

Einen Moment hielten sich ihre Blicke noch gefangen, bevor Jesse`s Gesicht wieder einen abweisenden Ausdruck annahm und er entschlossen vom Geländer zurück trat.

»Callahan, ich fordere sie noch einmal auf zu gehen. Ich möchte ein Bad nehmen, ohne von ihnen ausspioniert zu werden. Und danach möchte ich endlich etwas Schlafen, was mir ja wegen ihrem hirnrissigen Streich die letzte Nacht nicht vergönnt gewesen ist.«

Devlin wünschte sich auch in sein Bett. Aber Ruhe würde er nicht finden, nicht jetzt, wo er seinen Nachbarn in einem ganz anderen Licht gesehen hatte.

»Ich hoffe, sie verschonen mich heute Nacht von ihrem Lärmterror, denn eine weitere Nacht ohne Schlaf überstehe ich nicht.«

Nachdem Jesse die Worte praktisch zu ihm herunter geworfen hatte, drehte er sich wie ein Soldat auf dem Absatz um, ehe er im Haus verschwand.

Irgendwie fassungslos starrte Devlin dem anderen hinterher und verfluchte ihn im selben Moment für seine fatale Anziehungskraft. Gleichzeitig fragte er sich, wo auf einmal diese seltsamen Gefühle herkamen. In ihm war eine Leidenschaft erwacht, die er sich nicht erklären konnte. Verflucht noch mal, Jesse war ein Kerl! Es war doch wohl nicht möglich, dass er für einen Mann mehr als Freundschaft empfand, oder doch ...?

Grollend befreite er sich von den letzten Stacheln die sich in seiner Kleidung verfangen hatten. Erst jetzt bemerkte er die vielen Käfige, die im Schatten der Bäume standen. Gerade als er im Weggehen war, ertönte ein feindseliges Fauchen, in das die anderen Tiere freudig mit einstimmten und ihm ein extravagantes Dschungelkonzert präsentierten.

»Fahrt doch zur Hölle!«, grummelte Devlin verstimmt, bevor er auf sein Auto zuhumpelte. »Jetzt ist er an der Reihe. Ich habe jedenfalls meinen guten Willen gezeigt.« Vorsichtig stieg er in seinen Pick-up und fuhr los.

Er hatte es bei seinem Nachbarn nun mit Direktheit, mit Charme und mit taktvoller Annäherung versucht. Das einzige, was er allerdings auch niemals tun würde, war, ihn auf Knien um Verzeihung zu bitten. Niemals würde er sich auf dieses Niveau herablassen und irgendjemanden um irgendetwas bitten. Kam gar nicht in Frage!

Und was Parker betraf - sollte er doch auf seiner Ranch alt und grau werden, wenn er seine Freundschaft nicht nötig hatte - solange er sich nur ruhig verhielt!
 

Jesse fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und wünschte, er hätte die Zeit anhalten können, als Callahan ihm sein Ich-will-wieder-lieb-sein-Lächeln geschenkt hatte. Es hatte ein wildes Feuer in ihm entfacht, dass er noch nie gespürt hatte.

Bei dem Gedanken an den herausgeputzten Cowboy, der wie ein Käfer auf dem Rücken in dem dichten Dornenbusch gehangen hatte, musste er wieder lachen. Jenes Lächeln, welches er ihm in dem Augenblick zugeworfen hatte, war weder arrogant, noch berechnend gewesen. Damit hatte er sich eigentlich nur über sich selbst lustig gemacht.

Ein hoffnungsloses Seufzen kam ihm über die Lippen. Diese Anziehungskraft, die Davlin auf ihn ausübte und sein jungenhaftes Lächeln waren einfach unglaublich. Er hatte sich noch nie selbst etwas vorgemacht und wusste, dass er sich verliebt hatte. Umso mehr fühlte sich Jesse jedoch verwundbar. Er konnte einfach nicht glauben, dass Devlin keine Hintergedanken gehabt hatte.

Wahrscheinlich hatte er sich nur vorgenommen, ihn auf die sanfte Tour von seiner Ranch zu vertreiben. Tief Luft holend, versuchte Jesse seine Gedanken an den verführerischen Cowboy in die hintersten Winkel seines Hirns zu verbannen. Am Wochenende wartete eine Menge Arbeit auf ihn und er brauchte dringend etwas Schlaf.
 

Als Jesse am nächsten Vormittag auf der holprigen Schotterstraße zu seiner Ranch zurückfuhr, kündigte sich bereits ein Gewitter mit heftigem Donnern an. Hauptsächlich war er nur in die Stadt gefahren, um seinen Vorrat an Fertiggerichten aufzustocken. Anschließend wollte er die Größe der Koppel markieren und die Pfähle, die in der Scheune lagerten in den Boden schlagen. Wenigstens einen Teil davon. Und wenn er sich nicht beeilte, musste er womöglich noch seinen Nachbarn bitten, ihn aus dem Schlamm zu ziehen. Das wollte er auf keinen Fall.

Besogt schielte er nach den Blitzen, die über den finsteren Himmel zuckten. Heute Morgen hatte er extra den Umweg zur Rocking-C-Ranch gemacht, um sich für sein schlechtes Benehmen zu entschuldigen und zu fragen, wie es Devlin nach seinen Sturz ging. Leider war niemand zu Hause gewesen.

Als wieder ein ohrenbetäubendes Donnern, gefolgt von einem Blitzgewitter ertönte, klatschten auch schon die ersten Regentropfen gegen die Windschutzscheibe. Sofort gab Jesse ein wenig mehr Gas, damit er wenigstens noch dazu kam, seine Tiere zu füttern, bevor der Sturm richtig los ging.

Genau in dem Moment platzte der rechte Hinterreifen, der Wagen geriet ins Schleudern und Jesse schaffte es gerade noch ihn kurz vor einem Weidezaunpfahl auf dem Straßengrabenrand zum stehen zu bringen.

»So ein Mist!« Ärgerlich schlug er gegen das Lenkrad. Er hätte heulen können. Es war doch nur noch ein Kilometer bis zur Ranch. Und jetzt so was!

Frustriert sprang er aus dem Wagen, stapfte durch den bereits matschigen Boden zum Kofferraum, um den Wagenheber und den Reservereifen heraus zu wuchten. Seufzend bockte er den Wagen auf, montierte die Radkappe ab und versuchte dann die Radmuttern zu lösen. Aber diese blöden Dinger bequemten sich keinen Millimeter nach zu geben. Dann lehnte sich Jesse mit seinem ganzen Gewicht auf den Schraubenschlüssel, doch der rutschte plötzlich ab. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, sprang er zur Seite, knickte um und landete unglücklich auf dem groben Schotter.

»Verdammt noch mal!«, fluchte Jesse und schnappte nach Luft, als er den stechenden Schmerz in seinem Knöchel fühlte. Hilflos starrte er von seinem Fuß zu diesem verfluchten Werkzeug, bevor er aufstand und vorsichtig den verletzten Knöchel belastete, um zu sehen wie schlimm es war. Wenn er sich vorsah, ging es und deswegen schnappte er sich noch einmal den Schraubenschlüssel und malträtierte die dämlichen Schrauben. Aber es war reine Zeitverschwendung.

Als er ein Motorgeräusch hörte, breitete sich so etwas wie Hoffnung in ihm aus. Doch als er Devlin Callahans Pick-up erkannte verflüchtigte sie sich schnell wieder.

Sein Nachbar kurbelte das Fenster herunter, ließ bedächtig den Blick über seinen triefnassen Aufzug und sein klatschnasses blondes Haar gleiten, das wie ein alter Mopp um Jesses gerötetes Gesicht hing, da sich der Zopf wieder einmal in Wohlgefallen aufgelöst hatte.

»Probleme, Blondie?«

»Nein! Das ist nur eine Übung«, fauchte er gereizt zurück und erdolchte Callahan mit seinen Blicken.

Nichts konnte Devlin nach dem verunglückten letzten Abend eine größere Befriedigung verschaffen, als Jesse hier von Regen aufgeweicht zu sehen, während er sich mit einem Reifenwechsel abplagte. Tatsache war, dass er es nicht gewohnt war, von jemandem derart gegen den Kopf gestoßen zu werden. Sein männliches Ego hatte einen ganz schönen Hieb abbekommen. Wenn Parker also seine Hilfe wollte, dann musste ER schon seinen Stolz überwinden und ihn ausdrücklich darum bitten.

»Was für ein Glück. Die Dürreperiode hat endlich ein Ende gefunden, auf das ich schon so lange gewartet habe«, erklärte er pathetisch. »Tja, für sie ist es wohl ziemlich feucht da draußen, was, Blondie?«

Verzweifelt knirschte Jesse mit den Zähnen.

»Präzise erkannt, Einstein«, knurrte Jesse, bevor er den Schraubenschlüssel wieder ansetzte. Eigentlich müsste Devlin seine Hilfe anbieten. Aber nein. Der blieb lieber in seinem trockenen Wagen sitzen und wartete darauf, dass Jesse ihn anflehte. Doch die Befriedigung würde er ihm nicht geben. Nachdem er Devlins Bemühungen um einen Waffenstillstand gestern Abend zurückgewiesen hatte, wollte er jetzt keine Abfuhr einstecken.

Als Jesse die Geduld verlor, das nutzlose Werkzeug zur Seite feuerte und wütend gegen den Reifen trat, musste Devlin breit grinsen.

»Ob das hilft?«, rief er Jesse durch den strömenden Regen zu.

»Ach .. sie .. sie .. «

»Ja?«, fragte Devlin mit einem teuflischen Grinsen.

Jesse hingegen war so entnervt, dass ihm kein schlimmes Wort mehr einfiel, welches er Callahan an den Kopf werfen konnte. Wahrscheinlich hätte der das sowieso nicht gehört, bei den plötzlich loskrachenden Donnerschlägen.

Jesse gab sich geschlagen. Es hatte keinen Sinn noch weiter hier zu stehen und sich von Callahan verspotten zu lassen. Stattdessen beschloss er nach Hause zu laufen, um von dort aus telefonisch Hilfe anzufordern. Hastig marschierte er los, bereute diesen spontanen Entschluss aber schon im nächsten Moment. Sein verletzter Knöchel knickte weg, sobald er aus dem weichen Schlamm auf den harten Schotter trat. Haltlos stürzte er auf die Straße und riss sich dabei Hände und Knie auf. Stehende Schmerzen schossen von den verletzten Stellen direkt in seinen Kopf. Einen Augenblick blieb er reglos liegen, während der Regen hart auf ihn niederprasselte. Mit Tränen in den Augen, biss er die Zähne zusammen und stemmte sich hoch. Nein! Noch nie in seinem Leben hatte er wegen einer Verletzung geweint oder sich selbst bemitleidet. Nie hatte er sich gehen lassen. Und jetzt das.

Da lag er nun, verletzt und nass bis auf die Knochen. Und um seine Niederlage noch zu vervollkommnen, musste ausgerechnet der Kerl Augenzeuge sein, dessen Meinung ihm zwar egal sein sollte, aber leider nicht war.

Als Devlins Pick-up neben ihm anhielt, erwartete er nichts anderes, als eine weitere zynische Bemerkung. Zu Jesses Überraschung sprang Callahan jedoch aus dem Wagen und kam durch den strömenden Regen direkt auf ihn zu.

Devlin verwünschte sich selbst, während er versuchte Jesse aufzuhelfen.

Es war klar, dass er persönlich verantwortlich für seine Verletzungen war. Wenn er nur seinen dummen Stolz heruntergeschluckt und diesen dummen Reifen gewechselt hätte, wäre das alles nicht passiert.

»Ich werde sie nicht fragen, ob sie in Ordnung sind. Denn ich sehe, dass es nicht der Fall ist«, meinte er, hob Jesse vorsichtig auf die Arme und trug ihn zum Auto. Behutsam ließ er ihn auf den Beifahrersitz gleiten und verzog das Gesicht, als er die Blutrinnsale auf den Schienbeinen sah.

»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich ehrlich und erntete misstrauische Blicke.

»Warum? Ich dachte sie würden die Situation genießen, weil sie mich hassen.«

»Natürlich haben wir Differenzen, Blondie, und wir haben beide das gleiche Temperament. Aber ich schwöre, ich habe mir niemals gewünscht, dass sie sich verletzen.«

Während Devlin um den Wagen lief und sich hinters Steuer schwang, betrachtete Jesse ihn nachdenklich. Er machte sich wirklich Sorgen um ihn.

Die ganzen letzten anstrengenden Tage forderten nun ihren Tribut und trieben ihm erneut Tränen in die Augen. Himmel-Herr-Gott nochmal. Er hatte nicht mehr geweint, seit er ein kleines Kind gewesen war, dass zwischen Pflegeeltern hin- und hergeschoben worden war. Er war stark und energisch ... und trotzdem drauf und dran wie ein albernes Baby loszuplärren.

»Tut es sehr weh?«, erkundigte sich Devlin leise, bevor er den Wagen startete und den ersten Gang einlegte. Jesse antwortete nicht.

»Nur noch ein paar Minuten und sie sind zu Hause. Dann reinigen wir ihre Schürfwunden und packen einen Eisbeutel auf ihren verstauchten Knöchel.«

Jesse warf Devlin einen kurzen Seitenblick zu.

»Danke«, brachte er schließlich mühsam hervor und es kostete ihn einiges an Überwindung. Den Rest der Fahrt herrschte bedrücktes Schweigen zwischen ihnen. Devlin versuchte zwar einmal die Situation aufzulockern, doch Jesse sprang nicht darauf an.

»I-ich danke ihnen wirklich für ihre Hilfe«, sagte Jesse, als Devlin den Wagen vor seinem Haus hielt. »Aber ich glaube, den Rest schaffe ich allein.«

Währenddessen langte er zum Türgriff und stieg vorsichtig aus.

Seine Worte klangen zwar sicher, doch insgeheim hatte er Angst vor Devlins Nähe. Allein schon Devlins Anblick machte ihn verrückt. Doch weiter als aus dem Auto kam er nicht, da spürte er schon feste Arme in seinen Kniekehlen und um seine Taille. Wollte Devlin ihn etwa ins Haus tragen ...?

»Äh .. ich glaube, ich kann allein gehen«, sagte er hastig. »Nachher verheben sie sich noch.« Jesse wusste, dass die Ausrede der letzte Strohalm war, an den er sich klammern konnte, denn er wog eh nicht besonders viel.

»Keine Angst. Ich habe schon Heuballen gestemmt, die wesentlich schwerer waren als sie«, kam es leichthin von Devlin, der ihn mühelos wie eine Feder zum Haus trug.

»Ich bin sicher, sie könnten selbst laufen. Aber warum das Risiko eingehen, die Verletzung zu verschlimmern?«

Als Jesse unabsichtlich mit seinem verletzten Knöchel an den Türrahmen stieß, zuckte er zusammen und umklammerte Devlins Nacken.

»Entschuldigung .. i-ich ... «

Devlin stockte der Atem, als er Jesse auf einmal so dicht an sich fühlte. Er schluckte hart und wunderte sich über seine Reaktion auf diesen geschmeidigen Körper, den er in seinen Armen hielt. Jesses warmer Atem streifte seinen Nacken und elektrisierte ihn förmlich.

Junge, komm auf den Boden zurück, ermahnte Devlin sich selbst. Der Typ ist ein Kerl und verletzt. Und es ist deine Schuld!

»Geben sie mir ihren Haustürschlüssel«, kommandierte er schärfer als beabsichtigt. Doch Jesse griff in seine Tasche und händigte ihm den Schlüssel aus. Dennoch rief diese Geste Wiederstreben in ihm aus. Er wollte Devlin Callahan eigentlich nicht in das Innere seines Reiches lassen.

»Wenn es in der Gegend regnet, klemmt die Tür. Sie müssen vielleicht mit der Schulter nachhelfen«, informierte Jesse ihn.

Während er Jesse mit einem Arm noch fester an seine Brust presste, steckte Devlin mit der anderen Hand den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Als er die Klinke bewegte, rührte sich die Tür nicht, also trat er sie mit seinem Stiefelabsatz auf. Im Haus setzte er Jesse auf der Couch ab und lagerte seinen verletzten Fuß auf der Armlehne. Schließlich schaute er sich in dem stilvoll eingerichteten Zimmer um. Die Wände waren mit hellen kostbaren Tapeten und Textilien bespannt und überall hingen Bilder, die immer wieder Tiere als Hauptmotiv darstellten. Jesse musste eine außerordentliche Vorliebe für solche Vierbeiner haben.

Dann suchte Devlin nach der Küche, um einen provisorischen Eisbeutel für Jesses Knöchel zu besorgen. Bei Anblick der schimmernden Küchenelemente aus heller Eiche und der hochmodernen Arbeitszeile weiteten sich jedoch seine Augen. Jesse Parker verstand es wirklich sich mit unaufdringlichem Luxus zu umgeben. Er war ehrlich beeindruckt von Jesses ausgezeichneten Geschmack und seinem handwerklichen Geschick.

In den Schubladen suchte Devlin nach einem Plastikbeutel, den er mit Eis füllte.

»So, hier haben wir ihren Eisbeutel«, verkündete er betont munter, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte. »Was sie aus diesem heruntergekommenen Haus gemacht haben, ist wirklich bewundernswert. Es gefällt mir«, gab er zu und platzierte den Beutel auf Jesses geschwollenen Knöchel.

»Danke.« Schmerzhaft verzog Jesse das Gesicht. »Bisher hatte ich aber leider noch keine Gelegenheit, mich dem Obergeschoss zu widmen. Mein Beruf nimmt einfach zu viel Zeit in Anspruch. Aber ich hoffe, bald die scheußlichen Tapeten runter reißen zu können, die die Schlafzimmer verunzieren. Allerdings vertraue ich meinen Tapezierkünsten kein Stück. Deswegen werde ich jemanden kommen lassen, der sich der Sache annimmt.«

»Wenn sie Hilfe brauchen - mein Bruder und ich widmen uns ab und zu solchen Renovierungsarbeiten«, gab Devlin freimütig zu.

»Wirklich?« Erstaunt starrte Jesse zu dem Schwarzhaarigen hoch und wunderte sich immer mehr über die verschiedensten Facetten, die bei diesem rauen Cowboy nach und nach zu Tage traten. Inzwischen hatte er schon seinen trockenen Humor, seine Freundlichkeit und sein Mitgefühl zu schätzen gelernt. Und er war offenbar nicht nachtragend, trotz seines heißen Temperamentes.

»Ja, machen wir. Zum Beispiel haben wir im vorletzten Winter die beiden Wohnungen in der Third Street renoviert und auch eingerichtet«, versicherte Devlin ernsthaft.

»Ich erinnere mich. Da wohnt meine Sekretärin!«, bemerkte Jesse, während er versuchte sich in eine bequemere Position zu hieven. »Ich habe Abbeys Apartment ausgesucht und muss sagen, sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.«

»Danke.« Devlin schaute über seine Schulter.

»Wenn sie mir sagen würden, wo sich ihr Badezimmer befindet, besorge ich Verbandszeug für ihre Knie und Hände. Außerdem sollten sie die nassen Sachen ausziehen.«

Jesse schaute an sich herunter. Himmel-Herr-Gott noch mal. Er sah aus wie eine Katze nach einer Maschinenwäsche!

»Das Bad ist oben«, informierte er Devlin. »Und wären sie so freundlich mir meinen Morgenmantel zu bringen? Er hängt neben der Tür.«

»Kommt sofort.« Devlin eilte die Treppe hinauf, betrat das Bad und sah sofort, dass es zu den Räumen gehörte, die dringend einer Renovierung bedurften.

Im Medikamentenschrank fand er Desinfektionsmittel und Verbandszeug sorgsam in einer kleinen Tasche zusammengepackt. Mit einem Seitenblick streifte er die über der Badewanne aufgehängte Unterwäsche und meinte seinen Augen nicht zu trauen. Aus diversen Magazinen wusste er ja, dass es Strings auch für Männer gab, aber diese Dinger da zeigten ja mehr, als sie verbargen.

Seltsam davon angezogen berührte er eines der knappen Kleidungsstücke, riss sich dann aber zusammen und versuchte sich zu erinnern, dass er nur in der Funktion des barmherzigen Samariters in diesem Haus fungierte. Sich zur Raison rufend, nahm er den Morgenmantel vom Haken und verließ den Raum.
 

Tbc...
 

© by desertdevil
 

*hechel*

So.. ich glaube ich habe mit drei neuen Kappis in der letzten Woche einen Rekord aufgestellt..^^

Viel Spaß beim Lesen wünsch ich allen..

*smile*



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  wieprei
2010-06-18T16:54:56+00:00 18.06.2010 18:54
Die Beiden sind so suess. Endlich kommen sie sich naeher.
Strings fuer Maenner? Na ja, finde ich bei Frauen schon grenzwertig. Aber Wem's gefaellt und wenn der richtige Typ drinsteckt.

Lg ines
Von:  wieprei
2010-06-18T16:54:06+00:00 18.06.2010 18:54
Die Beiden sind so suess. Endlich kommen sie sich naeher.
Strings fuer Maenner? Na ja, finde ich bei Frauen schon grenzwertig. Aber Wem's gefaellt und wenn der richtige Typ drinsteckt.

Lg ines
Von:  eden-los
2010-04-06T19:21:21+00:00 06.04.2010 21:21
ich find geschichte einfach nur super und hoffe doch du schreibst auch noch weiter. ich muss zugeben, ich liebe Devlin. die nummer mit der techno-mucke hätte von mir sein können^^

lg eden
Von:  me-luna
2010-03-14T09:46:26+00:00 14.03.2010 10:46
Find die beiden einfach nur göttlich- du hast so einen leichten, frischen Erzählstil, man ist wieder sofort "mittendrin statt nur dabei".
Wobei ich mir Devlin mit seiner Lederhose und Jesse mit seinem Makeup gerne einmal im "realen Leben" vorstelle. ^^

lg
Von:  evejean
2010-03-09T18:31:07+00:00 09.03.2010 19:31
noch ein kapitel *freu*, die beiden sind echte dickschädel. aber wenns drauf ankommt scheinen die sich ja doch zu verstehen ^^

lg eve


Zurück