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Busgeflüster

von

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André

„Eine Fahrkarte, bitte.“ – klirr – Geld annehmen, zurückgeben. Türen schließen. Warten.
 

„Hey, Sie da! Wird’s noch? Ich muss zur Arbeit.“

„Jetzt halten Sie den Mund. Sie fahren wohl nie Bus. Wir halten hier immer etwas länger. Sie kommen schon noch pünktlich.“

Dankbar lächle ich der alten Frau Meier über den Spiegel zu. Sie versteht mich – als einzige. Die Anderen haben sich auch daran gewöhnt, aber der Mann ist neu, vermutlich Workaholic und nur auf seine Karriere aus.

Seufzend schaue ich aus der Türe. Ob er noch kommt? Zwei Minuten kann ich noch warten, die Zeit hole ich leicht wieder auf. Irgendwie weiß ich ja, dass es sinnlos ist zu warten. Er ist gestern nicht gekommen, vorgestern, die ganze Woche. Ich kenne ihn nicht und doch vermisse ich ihn.
 

Langsam kommt Frau Meier auf mich zu.

„Lass gut sein, Hendrik. Er kommt nicht. Du solltest fahren.“ Nur schwer kann ich den Blick von der Scheibe lösen. Langsam nicke ich um ihr verständlich zu machen, dass ich nun losfahren werde.
 

Warum kommt er nicht mehr? André Jenniches – der Name steht auf seinem Studententicket.

Und warum zum Teufel vermisse ich ihn so. Vielleicht ist er ja krank. Seit drei Jahren fahre ich diese Strecke und ich sehe ihn jeden Morgen. Nie war er auch nur einen Tag krank – immer haben wir uns gut unterhalten.

Und jetzt dreh ich fast durch. Frau Meier versteht mich, sie versteht immer alle. Sie ist so eine nette Busomi, die sich immer alle Sorgen anhört und immer einen passenden Rat geben kann.

Der Rest der Busfamilie ist auch wie immer da – und dieser Mann. Von den meisten kenn ich auch den Vornamen und mit allen habe ich mich schon unterhalten – jeden Morgen, seit drei Jahren.

Am liebsten immer mit André. Wo ist er bloß?
 

Frau Meier hat sich wieder hingesetzt. Langsam setze ich den Blinker. Aus den Augenwinkeln meine ich ihn zu sehen – nein, ein Trugbild. Da ruft Martin von hinten.

„Hendrik, halt an. Er ist da! André ist zurück.“

Ruckartig trete ich auf die Bremse. Die Autos, die nun hupend an mir vorbeifahren sind mir egal. Wie in Trance drehe ich mich um und tatsächlich – da steht André wie jeden Morgen. So als wäre nichts geschehen. Lachend winkt er mir zu und springt fröhlich in den Bus, als ich ihm die Tür öffne.

„Danke, Hendrik. Ich bin wie immer zu spät.“
 

Mein Herz rast bei seinem Lächeln. Alles ist, als wäre er wirklich jeden Morgen da gewesen. Nichts weist darauf hin, was in der letzten Woche passiert ist. Er setzt sich auf seinen Stammplatz – rechte Seite, erste Reihe der Gangplatz – und schenkt mir noch ein strahlendes Lächeln.
 

Mit schweißnassen Händen betätige ich den Blinker und ordne mich nun endgültig in den fließenden Verkehr ein.

Nach und nach steigen die Familienmitglieder aus, auch der Workaholic. Um diese Zeit wollen keine anderen Menschen aus unserer kleinen Stadt weg. André bleibt wie immer am längsten sitzen, die Universität ist die Endhaltestelle.
 

Noch gut 1km, dann sind wir da. Ich kann André abliefern und danach Pause machen.

Von weitem seh ich schon das Uni-Gelände.

„Du, Hendrik. Hör mal. Ich habe dich vermisst, weißt du das eigentlich? Ich hab endlich meinen Führerschein, doch irgendwie fehlt mir deine morgendliche Fahrt.. DU fehlst mir.“ Er zupft sich am Ohr, so wie er es immer macht, wenn er verlegen ist. Stillschweigend stoppe ich in der Haltebucht. Ohne ein Wort zu sagen öffne ich die Türen und André nimmt traurig seine Sachen. Als er schon auf der Treppe steht flüster ich den einzig möglichen Satz in diesem Moment: „André, ich liebe dich.“
 

An diesem Tag steigt er nicht aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Shunya
2011-11-27T20:43:03+00:00 27.11.2011 21:43
Echt süß, schade, ich wohne in der Stadt, da trifft man ständig andere Leute im Bus. *drop*
Die Fanfic gefällt mir. Ist kurz und locker erzählt. Das passt gut zur Story. :)
Das Ende gefällt mir auch sehr gut!
Von:  Benjy
2009-03-23T21:09:48+00:00 23.03.2009 22:09
Wuaaaaah...wieso habe ich das jetzt erst gefunden!? *schiefgrins*
Ich kann mich meinen Vorschreiber_innen nur anschließen - genialer Kitsch!
Einfach zuckersüß und es fehlt an nix!
Gut, ich steh jetzt zwar nicht so auf die Namen Hendrik und André, aber das interessiert hier eh keinen!

Wirklich gut gemacht!
Von:  Estral
2009-03-12T20:59:18+00:00 12.03.2009 21:59
Oh wie süüüß^^
*knuddel*
es ist zwar kurz aber...so toll
*gefällt mir richtig
*rumroll*
hach...iwie echt nüdlich^^und doch nicht zu kitschig^^
echt klasse!!!
Von:  Flippi
2009-02-27T23:18:57+00:00 28.02.2009 00:18
Oh, das ist mal eine geschichte...
ich mag sie! ^___^
Das war wirklich mal was....
Hätte ich jetzt nicht gleich so vermutet,
aber ist dir soooo gut gelungen! ^___^
Oh, du kannst wirklich so genial OS schreiben!
Lg

Flippi
Von:  farbenfroh
2009-02-26T22:25:44+00:00 26.02.2009 23:25
Normalerweise bin ich ja immer etwas skeptisch bei so kurzen Texten, aber ich muss sagen, dass die Kuerze hier garnicht stoert.
Die Story ist gut geschrieben und die Idee an sich auch nicht schlecht. Gefaellt mir. :)
Von:  7Nine
2009-02-25T20:21:46+00:00 25.02.2009 21:21

Also normalerweiße stehe ich nicht so auf Kitsch, aber das hier ist toll >.<
Obwohl man in eine Szene reingeworfen wird und ohne Information da steht, fehlt es nicht ein bisschen.
Sehr kurz, aber sehr gut geschrieben. Richtig gut ^^



Es erinnert mich ein wenig an meine Ausbildungszeit, wo jeder jedem in Bus kannte ^^
Von: abgemeldet
2009-02-25T19:34:15+00:00 25.02.2009 20:34
das ist sooooo süß >-<!!! ich fand die ja schon süß als ich sie das erste mal gelesen hab, aber jetzt zum zweiten mal *schmüff*

die ist dir total gut gelungen, sogar ich anti-romantik-schmalz-fanatikerin find das in ordnung xD, wenn du das noch länger gezogen hättest, wäre das einfach zu übertrieben, aber so *-* herrlich *seuftz* XD


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