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Vergangene Schatten

von

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Schauergeschichten

"Und ich sage dir, Dracuma-Katzen gibt es nicht!"

Aufgeregt hockte Etcetera auf ihrem hübschen, weiß-blau kariertem Kissen und raufte sich entnervt die wuschligen Ohren. Warum musste Pouncival, dieser Idiot, auch unbedingt ihrer kleinen Zieh-Schwester Electra beinahe kurz vorm Schlafengehen dieses Gruselmärchen aufbinden? Jetzt kauerte das Nesthäckchen der Jellicles verängstigt in ihrem Korb, während an Schlaf nicht zu denken war.

"Und wenn doch? Dann werden sie kommen, wenn du aus dem Zimmer gehst und ein Dracuma-Kater wird mir in den Hals beißen!" Nun fing Electra tatsächlich an zu weinen und Etcetera nahm sich fest vor, dem vorlauten Straßenkater Pouncival bei der nächsten Gelegenheit einen gepfefferten Tritt in den Hintern zu verpassen.

"Electra", begann sie mit ruhiger Stimme und versuchte gleichzeitig nicht die Geduld zu verlieren, "das war nur eine Geschichte, mit der Pouncival dir Angst einjagen wollte." Langsam krabbelte Etcetera zu der Kleinen hinüber und nahm das Kätzchen tröstend in die Arme. Schniefend schmiegte Electra sich in das helle, getigerte Fell ihrer Schwester und schaute sie aus großen, blauen Augen an.

"Bist du da auch ganz sicher?", fragte die Kleine mit einer Mischung aus Ernst und Skepsis und Etcetera nickte. "Klar. Ganz abgesehen davon könnten Dracuma-Katzen in so hellen Nächten wie heute ihr Versteck gar nicht verlassen, weil- "

" -der Mondschein sie sofort einfrieren würde", unterbrach sie Electra, sprang blitzschnell aus ihrem Korb und lief zur großen Fenstertür im Zimmer. Durch das Glas erblickte das Kätzchen den großen, silbernen Halbmond und unzählige, glitzernde Sterne und seufzte erleichert auf; am nachtschwarzen Himmel war nicht eine Wolke zu sehen.

Auch Etcetera konnte sich ein erleichtertes Stöhnen nicht verkneifen. "Na siehst du. Heute Nacht und Morgen kannst du ruhig schlafen und ich wäre dir sehr dankbar, wenn ich das auch könnte." Noch immer schwirrte ihr nach einem überschwänglichen Party-Morgen mit einigen Jellicle-Katzen von der Straße und mehreren großzügigen Schalen sehr süßer Früchtemilch gehörig der Kopf und Etcetera hoffte, dass sie Electra nun ausreichend davon überzeugt hatte, eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Allein ihren Nerven zuliebe ...

"Na gut." Und unverzüglich kletterte der kleine Wirbelwind in ihren Korb zurück, rieb zum Abschied noch ihren Kopf an Etceteras und verschwand mit einem genuschelten "Schlaf gut" unter ihrer bunten Wolldecke. Müde, aber unendlich zufrieden kuschelte sich Etcetera ebenfalls in ihre Kissen im eigenen Korb und schnurrte wohlig. Es dauerte auch nicht lange, dass sie in geheimnissvolle Traumwelten entschwebte ...
 

Schleier verschwammen vor ihrem Blickfeld, so dass sie nichts erkennen konnte, außer schwarze Finsternis. "Wo bin ich?", dachte Etcetera erstaunt und auch unbehaglich, weil dieser Ort ihr auf eine schauerliche Art und Weise vertraut und bekannt vorkam.

Allmählich schälten sich Umrisse von hohen Gebäuden, Mauern und unbeleuchteten Straßenlaternen aus der Dunkelheit. Zögerlich machte die junge Katze noch ein paar Schritte, bevor sich aus dem Nichts eine gewaltige Gestalt genau vor ihr aufbäumte und mit langen, scharfen Krallen nach ihr langte. Erschrocken versuchte sie nach hinten auszuweichen, da stürtzte sich das Monster auf sie und Etcetera erblickte nur noch zwei furchteinflößende, scharlachrote Augen als das Ungetüm sich über sie beugte und das Kätzchen verschlang ...
 

Zu tiefst erschrocken und schweißgebadet schreckte Etcetera aus ihrem Traum hoch und wandte sich sofort im Zimmer um. Niemand war hier, außer Electra, die seelenruhig schlummerte, und schon gar keine unheimliche, schwarze Gestalt.

Verärgert über sich selbst fuhr sich Etcetera energisch über die Ohren und legte sich wieder hin; das war auch wirklich zu albern. Dass sie noch versucht hatte, Electra dieses dumme Märchen auszureden und nun selbst davon Albträume bekam. Allerdings ... je mehr sie darüber nachdachte, desto stärker wurde dieses grausige Gefühl der Vertrautheit, das das Kätzchen bereits im Traum verspürt hatte. Doch sosehr sich Etcetera auch bemühte, sie kam nicht dahinter, woher sie es kannte. Unruhig wälzte sie sich hin und her, merkwürdiger Weise hellwach - und mit dem schrecklichen Gedanken im Hinterkopf, dass, wenn sie es nicht bald erraten würde, etwas schlimmes geschehen würde ...
 


 

Zur selben Zeit rollte sich Sillabub in ihrem Korb herum und konnte wie Ectetera nur schwer einschlafen. Obwohl die Kissen im Korb warm und weich waren und das Kätzchen mit allem der Welt zufrieden war. Im Korb nebenan döste die wenig jüngere Sulumi dagegen friedlich und sorglos. Victoria seufzte auf als Sillabub ihre Ruhestatt verließ und ruhelos im Zimmer auf- und abwanderte.

"Was ist los, Silla?" Besorgt wandte die junge, schneeweiße Queen der Freundin das Gesicht zu und ließ die Ohren leicht sinken. Sie hatte es gerne, wenn die etwas jüngere Sillabub bei ihr und ihrer Zieh-Schwester Sulumi übernachtete und mochte sich dann auch ohne Widerrede um alles kümmern - so wie dem Kätzchen ihren eigentlichen Schlafplatz anzubieten. Umso bedrückter fühlte sich Victoria jetzt, sollte Sillabub doch in dieser Nacht problemlos einschlummern können, wo die folgende Nacht für sie etwas ganz besonderes sein würde ...

Sillabub kratzte sich einen Moment lang am linken Ohr und machte dann eine traurige Miene. "Ich weiß nicht ... ich weiß, ich sollte mich eigentlich auf morgen nacht freuen ... aber ..." Entmutigt setzte sich das Kätzchen auf den Fußboden, ließ sie den Kopf sinken und spielte an einem losen Faden im Teppich.

"Aber?" Vorsichtig hakte Victoria argwöhnisch nach und nahm neben Sillabub auf dem Teppich platz. Aufmunternd zupfte sie neckisch an Sillabubs Schwanzspitze und zog anschließend den Kopf ein als deren Pfoten ihren weißen Ohren gefährlich nahe kamen. Doch das schokoladenbraune Kätzchen nahm sie rasch wieder zurück und vergrub sich erneut in Gedanken.

"Na ja, ich hab jedes Jahr zum Geburtstag den Eindruck, das mit meiner Schwester irgendwas nicht stimmt. Sie ist dann immer so ungewöhnlich ruhig und schweigsam ... immer wenn ich sie anspreche, ist sie völlig in Gedanken versunken und reagiert dann gereizt und genervt." Das Kätzchen legte den Kopf in beide Pfoten und atmete schwer aus. Victoria legte den Kopf schräg; derartiges war ihr noch nie aufgefallen. Aber Sillabub kannte ihre Schwester vermutlich viel besser durch den ungewöhnlich engen Kontakt, den die Beiden pflegten. Schließlich hob Sillabub den Kopf und sah ihrer Freundin zum ersten Mal an diesem Abend richtig in die Augen.

"Dass es so ist, ist ja noch nicht einmal das Schlimmste, weil ich nichts daran ändern kann. Dass kann nur sie selber. Aber ich weiß ja nicht einmal, warum das so ist, ich würde ihr so gerne helfen ..." Voller Gram fiel das Kätzchen in sich zusammen. Soweit sie sich zurückerinnern konnte, wurden alle ihre Geburtstage mit der Zurückgezogenheit und Unzufriedenheit ihrer sonst so lebhaften ältesten Schwester überschattet. Daher hatte Sillabub ihre Geburtstage, die wie die der anderen Jellicle-Katzen immer sehr festlich und fröhlich organisiert gewesen waren, nie richtig genießen können. Und wenn sie morgen nacht in das "Teenie"-Alter eintreten würde, würde Sillabubs Geburtstagsfeier beinahe einem zweiten Jellicle-Ball gleichkommen!

"Meinst du, dass das irgendwas mit mir zu tun hat?", fragte sie an Victoria gewandt sehr leise - und bereute es sofort.

"Unsinn!" Victoria reagierte heftiger als sie selbst es erwartet hatte und senkte ihre Stimme augenblicklich. "Natürlich nicht, Süße, sie wird schon ihre Gründe dafür haben, sei es, dass ihr ein paar fette Ratten bei der Jagd vor der Nase entwischt sind oder dass sie mal wieder eine Abfuhr von Tugger erhalten hat." Hingebungsvoll knetete die junge Katze die zierlichen Ohren ihrer Freundin. Sillabub schnurrte wohlig, obwohl sie mit Victorias Erklärung nicht ganz zufrieden war. Doch vielleicht würde ihre Schwester morgen bei diesem erfreulichen Anlass besser gelaunt sein. Und auch Victoria hoffte, dass die eigenwillige Straßenkatze, ihrer Schwester zuliebe, wenigstens dieses eine Mal versuchen würde, ihre Gefühlszustände vor allen anderen zu verstecken um sich mit Sillabub zu amüsieren.

Letztenendes ging Sillabub dann doch zurück in ihren Korb um wenigstens noch ein paar Stunden zu schlafen. Victoria hingegen hockte noch lange auf dem Fensterbrett und beobachtete nachdenklich den silbrig schimmernden, ungewöhnlich großen Halbmond. In einem Versuch, mehr über die folgenden Nächte zu erfahren, fragte sie die Sterne um Rat, die jedoch nur still und schweigsam allmählich verblassten ...
 


 

Ungefähr zur gleichen Zeit als Sillabub Victoria von ihren Sorgen berichtete, huschten zwei schwarze Schatten durch Londons enge Gassen. Als wären sie ein Herz und ein Gedanke, genügte ein Blick vom jeweils anderen und ein Nicken oder Kopfschütteln um sich über Richtung und Ziel zu einigen. Als sie den Schatten der hohen Gassenwände beim Sprung auf eine steinerne Mauer verließen, flutete das silbrige Mondlicht auf ihrer beider Erscheinung und zeigte die außergewöhnlichen Fellfarben der zwei Straßenkatzen: schwarz mit bunten Flecken und Streifen. Fast völlig identisch schlichen sie über die Mauer als die hintere der beiden Katzen plötzlich den Kopf hob und schnupperte. Blitzartig fuhr der Kopf der vorangegangenen herum und lag schräg.

"Was ist los, Tantomile?" Die Stimme eines Katers erklang und wirkte neugierig. Seine Zwillingsschwester antwortete nicht sofort und schnupperte abermals, so als müsste sie sich erst ganz und gar sicher werden. Doch seine Spur waberte so deutlich in ihrer feinen Nase, dass Tantomile es nicht mehr leugnen konnte - was sie am allerliebsten getan hätte.

"Macavity" Kaum mehr als ein Flüstern drang es an die guten Ohren ihres Bruders, die sich daraufhin augenblicklich flach zurücklegten. Nun versuchte dieser ebenfalls, den markanten Geruch der Unsichtbaren Pfote wahrzunehmen, doch ohne Erfolg. "Bist du sicher?", fragte er seinen Zwilling und ihr durchdringender, warnender Blick ersetzte wie schon so oft jede ausgesprochene Antwort.

"Wir müssen sie warnen, Coricopat", sagte die Streunerin nur, streckte sich sofort in die Höhe und stieß kurz hintereinander mehrere hohe Schreilaute aus. Nur Bruchteile von Sekunden später tat Coricopat es ihr nach, so dass sie zweistimmig einen Warngesang begannen mit dem Ziel, erst alle übrigen Straßenkatzen und danach auch die Hauskatzen zu erreichen.
 

Wir haben Macavitys Spur an der Grenze unseres Revieres aufgenommen. Wir wissen nicht wo er ist, nur, dass er uns seit vielen Jahren außerhalb des Jellicle-Balls auf dem Schrottplatz nicht mehr so gefährlich nahe gekommen ist, wie heute Nacht. Wir werden beide unverzüglich alle Grenzen unseres Revieres absuchen und Bericht erstatten. Zur Sicherheit der eigenen Person und zum Schutz des gesamten Klans der Jellicle-Katzen DARF NIEMAND MEHR DIE GASSEN RUND UM DIESES VIERTEL ALLEIN AUFSUCHEN!
 

Den letzten Satz betonten die beiden mit einem besonders schrillen Kreischen, bevor sie verstummten. Danach patroullierten die Zwillinge gemeinsam durch ihr weitläufiges Revier, immer wachsam und stets darauf vorbereitet, Macavity und seinen Handlangern hinter der nächsten Gassenmauer zu begegnen. Doch in dieser Nacht war keine Spur von dem Katzenschurken zu finden, dennoch machten sich sowohl Tantomile als auch Coricopat darauf gefasst, dass er nicht mehr allzu lange auf sich warten würde!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Julchen-Beilschmidt
2009-02-08T21:10:27+00:00 08.02.2009 22:10
Macavity hab ich nie gemocht und jetzt macht er schon wieder das Jelicle- Fest zunichte?
Der Mistkater!


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