Zum Inhalt der Seite

Dein Geheimins, mein Geheimnis

Wenn Neugier zum Verhängnis wird
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wo bin ich und wenn ja, warum?

Ein kühler Novembertag brach an im Bundesstaat Montana. In einem winzigen Farmhaus, weitab vom Schuss, erwachte langsam ein zierliches, blondes Mädchen, noch verwirrt vom Schlaf.

‚Keine Vögel?’, war einer ihrer ersten Gedanken. Als sie probehalber einen Fuß unter der Bettdecke hervorschob, zog sie ihn sofort zurück. Die Luft war eisig!

‚Wo bin ich denn hier gelandet? Hat etwa Elsie vergessen das Zimmer über Nacht zu heizen?’, wunderte sie sich.

Als sie sich dann aber genauer umsah, fiel ihr etwas Entscheidendes auf:

Sie war nicht da, wo sie erwartet hatte zu sein. Warum?

„Wo zum Henker bin ich hier?“, fragte sie laut in die Stille.

Keine Antwort. Mit einem Seufzer machte das Mädchen sich daran, ihre Umgebung zu erkunden. Es gab nur zwei weitere Türen. Die eine führte in ein winziges, beengtes Badezimmer, in dem gerade eben so eine Toilette, ein Waschbecken mit Spiegel, eine Duschkabine und ein Einbauregal über dem Klosett Platz fanden. Eine Heizung gab es nicht, ein Fenster ebenso wenig. Dafür war die Lüftung angesprungen, sobald die junge Frau den Lichtschalter betätigt hatte.

„Na toll, bin ich hier in Liliput, oder was?“, murrte sie, nachdem sie das Bad in Augenschein genommen hatte. Hier gab es nichts, was ihr Aufschluss darüber gab, wo sie sich befand. Der einzige Hinweis war ein elektrischer Rasierapparat, der auf einen männlichen Bewohner des Häuschens hinwies. Das war aber auch schon alles. Also dann, weiter mit der Inspektion. Mit einem Seufzer schloss Cat die Badezimmertür, hatte zuvor noch das Licht ausgeknipst. Dann wandte sie sich der zweiten Tür zu. Immer noch war sie allein. Als sie aber gerade die Klinke von besagter Tür herunterdrücken wollte, drang ein „An deiner Stelle würde ich das sein lassen!“ an ihre Ohren. Rasch wirbelte sie herum und sah sich einem hochgewachsenen, blonden Mann gegenüber. Spontan schätzte Cat ihn auf Ende, vielleicht Mitte Dreißig. Er war mit einem roten, verblichenen Karohemd bekleidet, einer Jeans und Cowboyboots. Ein Dreitagebart zierte Wangen und Kinn, ebenso wie dunkle Ringe unter den Augen. Vielleicht hatte er ja Schlafprobleme?

Er musterte sie ziemlich ungeniert, was Cat mehr als unangenehm war. Sie konnte es nicht leiden wenn man sie taxierte wie ein Stück Vieh. Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie nur mit einem knappen Abendfummel bekleidet war.

‚Wundervoll!’, dachte sie ironisch, ‚ich bin mit einem fremden Mann in einem fremden Haus und alles, was ich trage, ist dieser absolut peinliche Fetzen!’
 

Es waren nur wenige Augenblicke vergangen bis das Mädchen sich wieder im Zaum hatte. Herausfordernd erwiderte sie den Blick des Mannes. Wenn sie sich von ihm schon dumm anstarren lassen musste, würde sie es ihm mit gleicher Münze heimzahlen. Außerdem war es besser, wenigstens so zu tun als ließe sie sich von ihm nicht einschüchtern. Im Falle eines Falles würde er sie ohnehin überwältigen können. Von dem was sein Hemd erahnen ließ, schloss Cat, dass der Fremde muskulös war. Vielleicht ja Holzfäller oder so was Abgefahrenes. Das würde auch seinen Klamottenstil erklären, der nicht gerade glamourös war.

„Wer sind Sie? Was mache ich hier, wie bin ich hergekommen und warum sollte ich das Zimmer nicht betreten?“

Unbeeindruckt und völlig gelassen antwortete der Fremde: „Ich bin Stephen.“

Dann zog er sie von der Tür weg, holte einen Schlüssel vom Türrahmen und schloss das Zimmer ab. Anscheinend traute er ihr nicht über den Weg. Verständlicherweise, sie kannten sich ja gar nicht.

„Weil ich sage, dass du dich davon fernzuhalten hast, kapiert?“, fügte er hinzu.

Jetzt klang er doch eher bedrohlich.

„Hast du das kapiert?“, wiederholte er.

Sie nickte, dann leise hinzufügend: „Ja, hab ich.“

Er schien zufrieden.

„Und da du mir schon Löcher in den Bauch gefragt hast: Wie heißt du überhaupt?“

Einen Moment war sie ernsthaft versucht, ihm irgendeinen anderen Namen zu nennen, dann aber entschied sie sich dagegen und antwortete wahrheitsgemäß: „Ich heiße Caitlin.“

„Fein, Caitlin. Da du kaum nach Hause gehen werden willst, erkläre ich dir mal ein paar kleine Regeln, die für dieses Haus gelten.“

„Warum werde ich nicht nach Hause gehen werden wollen? Woher wollen Sie das überhaupt wissen?“, brach es sogleich aus ihr heraus. Wie sie es hasste, wenn andere Menschen glaubten, ihr Verhalten voraussagen zu können.

„Klappe. Wenn ich rede, hörst du zu.“

Cat zuckte zurück. Was fiel dem Kerl eigentlich ein? Sie würde schön selbst entscheiden, ob sie blieb oder ging. Und im Moment wollte sie nichts lieber als weg von hier. Schließlich war er ein Fremder und wer wusste schon, ob er nicht irgendwie Dreck am Stecken hatte.

„Mir reicht’s! Ich gehe!“, verkündete sie hoheitsvoll, zur Haustür marschierend, fast schon damit rechnend, dass er versuchen würde, sie aufzuhalten.

Stephen machte jedoch keinerlei Anstalten sie zurückzuhalten. Er schien eher amüsiert.
 

Cat öffnete schwungvoll die Haustür und wollte auf die Veranda hinaustreten, als sie es sich doch anders überlegte. Draußen war es eisig und der Boden von Frost bedeckt. Das hier war nicht der Bundesstaat, den sie erwartet hatte. Und die Temperatur lud nicht eben dazu ein, mit einem so dünnen Partykleid auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen.

„Ich glaub mein Schwein pfeift! Das ist im Leben nicht Kalifornien!“, kam es von ihr.

Stephen, der jetzt wie aus dem Boden gewachsen, neben ihr stand, lachte nur. Aber es war ein freudloses Lachen.

„Wo bin ich?“, verlangte Caitlin einmal mehr zu wissen.

„Nicht in Kalifornien, Kleine.“

„Und wo dann? Idaho? Utah? Montana? Wyoming? Oder doch Oregon?“

„Ist gut jetzt. Du musst hier nicht mit deinen Erdkundeweisheiten angeben.“

„Und wo sind wir hier? Im Niemandsland?“, fauchte Cat, jetzt wütend.

Was fiel dem Kerl ein? Sie wollte nur wissen, wo sie war. Und das war eine legitime Frage, wenn man bedachte, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie hergekommen war und wieso sie eigentlich nicht zuhause war. Augenscheinlich mochte der werte Hausherr es gar nicht, wenn man zu viele Fragen stellte. Das konnte echt heiter werden.

„Ja, Niemandsland trifft es ganz gut. Ich lebe ein wenig abgeschieden.“, gab Stephen zu.

Tatsächlich waren es 17 Meilen bis zur nächsten Kleinstadt. Und es war wirklich nichts mehr als eine solche.

Cat schnaubte.

„Sieht aus, wie das gottverlassenste Fleckchen Erde, das mir je untergekommen ist.“, meinte sie abschätzig.

„Kann schon sein.“

Stephen wandte sich von ihr ab, nahm einen schweren Mantel vom Garderobenhaken und machte Anstalten, das Haus zu verlassen.

„Wo wollen Sie hin?“, fragte Caitlin, jetzt mit einer Spur Angst in ihrer Stimme. Was, wenn er ging, sie allein zurückließ und gar nicht mehr zurückkam? Und sie dann irgendwann verhungern, verdursten oder sonstwie krepieren würde? Da sie sich mitten im Nirgendwo befand, konnte sie eine Flucht vergessen. Bevor sie Zivilisation erreicht hätte, wäre sie entweder erfroren oder hätte sich hoffnungslos verlaufen. Darauf wollte Cat es lieber nicht ankommen lassen. Sie lebte eigentlich recht gern.

„Weg, siehst du doch! Während ich nicht hier bin, bleibst du im Haus. Versuch ja nicht, ins Schlafzimmer zu gehen oder durch die Fenster abzuhauen. Das würde dir nicht gut bekommen, glaub mir. Wenn du Hunger kriegst, bedien dich in der Küche. Ansonsten hab ich genügend Bücher und einen Fernseher. Go nuts.“

Sprach’s und ließ Cat wie einen begossenen Pudel stehen. Baff starrte sie ihm nach, beobachtete, wie er zu einem ziemlich klapprigen Kastenwagen europäischen Fabrikats trat, die Frotschutzfolie von der Windschutzscheibe nahm, anschließend selbige zusammenfaltete und in den Wagen stieg. Kurz darauf brauste er davon, Cat stand noch immer im Türrahmen und hatte vor lauter Verwunderung sogar vergessen, dass ihr ziemlich kalt war.
 

Stephen verließ die Veranda und trat zu seinem roten VW Kastenwagen. Die alte Karre hatte ihm immer gute Dienste geleistet. Deutsche Qualität eben. Rasch nahm er den Frostschutz von der Frontscheibe, faltete die Folie zusammen und stieg ein. Er sah das Mädchen im Türrahmen stehen und ihn beobachten. Ein Seufzer entfuhr ihm.

‚Was hab ich mir bloß dabei gedacht, sie mitzunehmen?’, fragte er sich zum wohl hundertsten Mal. Aber es war einfach über ihn gekommen. Er hatte keine Ahnung, wieso. Solche Anwandlungen verspürte er selten und wenn er es tat, ignorierte er sie so gut er konnte. Bei diesem kleinen, vorlauten Ding hatte seine Disziplin versagt. Und er wusste noch immer nicht, wieso.

‚Ich sollte diese sentimentale Ader loswerden. Sonst kann ich direkt ein Asylantenheim eröffnen!'

Mit diesen düsteren Gedanken startete Stephen den Motor und brauste über den Feldweg in Richtung Landstraße.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-01-11T15:31:57+00:00 11.01.2009 16:31
tolle story ; würde mich total freuen,mal mehr von dir zu hören ; love.
Von:  xhinnon
2009-01-11T13:41:21+00:00 11.01.2009 14:41
Okay, schön das es weiter geht, aber eine Sache stört mich noch:
Du schreibst, es gäbe nur zwei weitere Türen, eine davon führt ins Badezimmer, die andere in das kleine Badezimmer. Das die Küche im selben Raum wie ihre Schlafstätte ist, kann ich mir ja noch vorstellen, aber wo geht der Typ raus? Durchs Fenster? xD


Zurück