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Einmal Nr. 9

a X-Mas-OneShot / TyKa
von

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Einmal Nr. 9

„Ha... ha… hatschi!“, kam es vom Sofa, dicht gefolgt von einem obligatorischen zweiten „Hatschi!“.

„Na dich hat es ja echt erwischt.“ Der Rothaarige kam aus der Küche und stellte eine Schüssel mit heißer Flüssigkeit auf den metallenen Couchtisch.

„Schön, dass Sie das auch schon bemerken, Herr Ivanov“, knurrte sein Gegenüber hörbar durch die Nase, ehe er einen Blick auf das Gefäß vor ihm auf dem Tisch warf und ein langes Gesicht zog. „Igitt! Schon wieder Suppe?“

„Wenn du gesund werden willst, iss sie. Ansonsten lass mich mit deinem Gezeter in Ruhe.“ Der Andere kehrte, im Begriff den Raum wieder zu verlassen, dem Graublauhaarigen auf dem Sofa den Rücken zu.

Doch dieser dachte nicht einmal im Traum daran, Ruhe zu geben: „Yuriy, ich will etwas Anderes zu essen!“

„Dann mach’ dir was!“, war die Antwort, die der Angesprochene ohne sich umzudrehen, dafür aber in einem dezent genervtem Unterton von sich gab.

Trotzdem wurde hinter ihm weiter gejammert: „Ich bin krank. Mir tut alles weh. Ich kann nicht aufstehen!“

Der Andere rollte mit den Augen, ehe er zum Wandtelefon neben der Küchentür ging, dort nach dem Telefonhörer griff und ausnutzte, dass dieser schnurlos war, indem er es dem Elend auf dem Sofa in den Schoss warf – die Bestellkarte vom Okonomiyaki-Schnellimbiss um die Ecke folgte ebenfalls per Luftpost.

„Bestell dir was zu essen und dann gib Ruhe! Ich muss mich fertig machen.“, damit verschwand Yuriy im Bad der kleinen Wohnung, aus dem man auch schon kurz darauf die Dusche hören konnte.

Der junge Mann auf dem Sofa sah ihm grimmig nach: Er wusste genau, dass der Andere das Wasser zunächst nur aufgedreht hatte, um sein Rufen nicht mehr zu hören – duschen würde er in Wirklichkeit erst später. Doch so leicht würde er es ihm nicht machen: Missmutig blieb er im Schneidersitz sitzen und zog die gelbe Fleecedecke, mit der er sich zugedeckt hatte, bis über die Nasenspitze – ohne dabei den wartenden Blick von der Badtür zu lassen.
 

„Mann, Takao, gib Gas! Du kommst noch an deinem ersten Arbeitstag zu spät.“ Im Schneckentempo band sich der Angesprochene seine Turnschuhe zu, ehe er zu seinem Bruder blickte, der im angrenzenden Wohnzimmer mit seiner Freundin im Arm auf der Couch saß und sich einen kitschigen Liebesfilm ansah.

„Bin schon weg“, seufzte der Blauhaarige zurück.

„Nimm es nicht so schwer, Takao. Es wird dort sicher schön sein“, sagte die Braunhaarige mit aufmunternder Stimme, wobei sie jedoch weiterhin auf die Mattscheibe blickte und interessiert verfolgte, wie die Hauptdarstellerin ihrem Partner einen Hausschuh hinterher warf.

„Mhm. Ciao, bis später.“ Mit dieser gleichgültigen Reaktion war Takao auch schon zur Haustür hinaus.

Vor dem Haus, indem er mit seinem Bruder Hitoshi, einem zielstrebigen Sportstudenten, lebte und das sie von ihrem verstorbenen Großvater geerbt hatten, blieb er kurz stehen und zog den Reißverschluss seiner Winterjacke bis zum Anschlag hoch, ehe er die Hände in die Jackentaschen steckte und durch den hohen Schnee, der in den letzten zwei Nächten gefallen war, den Weg von der Tür zur Straße entlang stapfte.

Der kalte Dezemberwind blies ihm ins Gesicht, sodass Takao den Kragen seiner Jacke so hoch zog, wie es nur ging, da er, wie so oft, nicht in Erwägung gezogen hatte, einen Schal umzubinden – und zum Umkehren war er schlichtweg zu faul, abgesehen davon, dass er ohnehin schon spät dran war. Im fahlen Licht, das die flackernden Straßenlaternen über ihm abgaben, beobachtete er die wenigen Autos, die zu so fortgeschrittener Stunde an ihm vorbei- und durch den Schneematsch auf der Fahrbahn fuhren und dabei merkwürdige Geräusche machten. Ein Geräusch, das Takao nicht beschreiben konnte. Es klang wie... Ja, wie klang es?

„Wie ein feuchtes ‚Flatsch’!“, schoss es ihm durch den Kopf.

Er hatte keine Ahnung, was ein ‚Flatsch’ überhaupt sein sollte, aber so musste sich ein ‚Flatsch’ – ein feuchtes ‚Flatsch’ – anhören. Zumindest stand bei diesem Geräusch in Mangas, die er ab und an las, immer groß und fett ‚Flatsch’ geschrieben.

Aber ‚Flatsch’ hin oder her: Es half ihm nicht seine miese Laune auch nur ansatzweise zu bessern. Der junge Japaner blickte wieder auf den Gehweg vor ihm.

„Von wegen, es wird sicher schön. Hiromi hat leicht Reden. Sie muss ja auch nicht um zwanzig Uhr in einem beschissenen Schnellimbiss antanzen, um dort für einen Hungerlohn die halbe Nacht zu schuften.“ Takao war sauer.

Er hatte seinen gut... na ja, gut vielleicht nicht, aber ausreichend bezahlten Job als Barkeeper in einer angesagten Diskothek hier in Tokio vor einer Woche verloren und musste sich jetzt glücklich schätzen, dass er so kurz vor Weihnachten noch eine Stelle als Taxifahrer in einer Okonomiyaki-Imbissbude gefunden hatte. Ansonsten hätte er die Weihnachtsgeschenke dieses Jahr wohl selber basteln müssen, da es nicht seine Art war, Geld vorsorglich auf die hohe Kante zu legen oder frühzeitig für das bevorstehende Fest einzukaufen. Überhaupt war er im Gegensatz zu seinem Bruder kein vorausschauend planender Mensch. Er lebte den Moment und dachte nur wenig an die Zukunft. Daher musste er sich aber auch im Moment mit seiner neuen Arbeit abfinden, wenn er nicht doch Schere und Klebstoff schwingen wollte. Zudem wäre Selbstgebasteltes von ihm sicher nicht auf ernst gemeinte Begeisterung der Beschenkten gestoßen – zumindest erinnerte er sich noch gut daran, wie er im Kindergarten versucht hatte einen Hund aus Knetmasse zu formen, dieser Hund von den Kindergärtnerinnen und seinem Bruder aber als Schildkröte mit Schlappohren identifiziert worden war. Also wollte er wie jedes Jahr lieber Geschenke kaufen, als seine Familie und Freunde mit seiner nicht vorhandenen künstlerischen Begabung zu beglücken. Und somit musste er nun akzeptieren, dass er den ganzen Abend lang in einem Auto, das sicher eine dermaßene Schrottlaube war, dass es auseinanderfiel, sobald man nur das Zündschloss betätigte, durch die Gegend gurken und Essen ausliefern würde.

Und das alles nur wegen IHM, diesem arroganten Arsch von jenem Abend, an den Takao sich bis ins kleinste Detail erinnerte, wenn, wie in diesem Augenblick, in ihm die Wut über seine gegenwärtige Situation aufloderte. Er war ein Gast wie jeder andere auch gewesen – abgesehen von seiner Mundfaulheit, der es zu verdanken gewesen war, dass sein rothaariger Freund jede Bestellung hatte aufgeben müssen. Doch diese anzumutende Stummheit war mit einmal gebrochen gewesen, als Takao ein simples Glas auf der Theke umgekippt war und sich dessen Inhalt über den Schoß des Gastes verteilt hatte. Der junge Japaner wusste bis heute nicht, ob es an seiner Wut gelegen hatte oder es die Eiswürfel gewesen waren, die sich im Schritt des Gastes wiedergefunden hatten, die den Blick ausgelöst hatten, den er daraufhin Takao zugeworfen hatte. Er wusste nur, dass sein Gegenüber in der nächsten Sekunde furchtbar ausgerastet war – während sein Freund daneben gestanden und sich köstlich amüsiert hatte. Und obwohl er sich, sogar bereit erklärt hatte die Reinigungskosten zu übernehmen und tausendfach entschuldigt hatte, hatte der wütende Clubbesucher nicht aufgehört mit Worten auf ihn einzudreschen. Irgendwann war es Takao zu bunt geworden und er hatte lautstark gekontert. Allerdings war die Auseinandersetzung so eskaliert, dass sich nicht nur einige andere Gäste nach den zwei Streithähnen umgedreht hatten – und das war bei der lauten Musik, die in Diskotheken üblicher Weise vorherrschte, schon ein Zeichen gewesen, dass sie gut zu hören gewesen sein mussten – sondern auch Takaos Chef wenige Sekunden später hinter ihm gestanden hatte. Natürlich war dieser alles andere als begeistert darüber gewesen, dass sein Angestellter dermaßen ausfallend geworden war, und so hatte der Blauhaarige sich wenige Sekunden später auf der Straße wieder gefunden – ohne Arbeitsplatz.

„Wenn ich den Typen noch mal zu Gesicht bekomme, drehe ich ihm den Hals um.“ Das hatte Takao sich noch im selben Moment geschworen – und dieser Vorsatz galt bis heute.
 

Sich die Haare abtrocknend und nur mit einem Badetuch um die Hüfte bekleidet kam Yuriy aus dem Badezimmer. Der Anblick der sich ihm bot bewegte ihn zu einem hoffnungslosen Kopfschütteln.

„Kai, hast du dir immer noch nichts zu essen bestellt?“, fragte er und blickte den Graublauhaarigen auf der Couch an, der sich bis zu den Augen unter seiner Decke verkrochen hatte und starr in seine Richtung sah.

„Ich bin krank!“, kam es unter der Decke hervor.

Yuriy seufzte: „Du benimmst dich wie ein kranker Vierjähriger.“

Der Rothaarige legte sich das Handtuch, dass er zum Haare abtrocknen benutzt hatte, über die Schulter und ließ sich neben dem Anderen auf der Sitzfläche aus Kunstleder nieder, ehe er das Telefon, welches immer noch unangerührt da lag, wo er es hingeworfen hatte, an sich nahm.

„Wie immer Nummer 9?“, fragte er ruhig.

Kai nickte und fügte durch die Decke hinzu: „Mit Zwiebeln!“

„Auch noch Extrawünsche, der Herr?!“ Yuriy suchte im Nummernspeicher des Apparates nach der Durchwahl des Okonomiyaki-Imbisses, bei dem sie immer bestellten.

Er fand und wählte sie, um dann dem Freizeichen zu lauschen, ehe am anderen Ende der Leitung eine Stimme erklang und er seine Bestellung aufgeben konnte. Kai beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, bis das recht kurze Telefonat beendet war und Yuriy auflegte.

„Hast du an die Zwiebeln gedacht?“, fragte der Kränkelnde mit finsterer Miene.

Der Ältere sah ihn an und hob eine Augenbraue: „Ja natürlich. Du hast doch daneben gesessen.“

„Ich habe nicht zugehört“, war Kais patzige Antwort.

„Ach Kai...“, seufzte Yuriy und legte das Telefon auf den Tisch, wo immer noch die unangerührte, wahrscheinlich längst nur noch lauwarme Suppe stand, ehe er einen Arm um seinen besten Freund legte, „Ich weiß, dass es dir beschissen geht.“

„Schön, dass du das weißt.“, maulte der Andere.

Ja, Yuriy wusste, dass es ihm schlecht ging – nicht wegen der Erkältung, mit der er seit wenigen Tagen kämpfte, sondern wegen der Trennung von seinem Freund Boris, die er gerade durchgemacht hatte. Über ein Jahr war Kai mit ihm zusammen gewesen – bis vor zwei Wochen, als Boris ihm gebeichtet hatte, dass er einen Anderen hatte. Wütend war Kai an diesem Abend nach Hause gekommen und hatte seinen Ex seitdem nicht mehr wieder gesehen, bis auf ein einziges Mal beim Einkaufen: Arm in Arm war er mit seinem Neuen auf der anderen Straßenseite entlang geschlendert, ohne seinen Verflossenen zu bemerken. Und Kai kochte jedes Mal innerlich, wenn er daran dachte, wem er hatte weichen müssen. Ein Junge mit schwarzen Haaren, die so lang waren, dass man ihn gut damit hätte erdrosseln können, wie Kai fand, war die Ursache allen Übels. Auf die Entfernung hatte er ziemlich feminin gewirkt. Stand Boris neuerdings darauf? Oder was hatte dieser Typ, sah man von der Haarlänge ab, das Kai nicht hatte, dass Boris sich für ihn entschieden hatte? Diese Frage stellte der Graublauhaarige sich häufig, auf die er wahrscheinlich nie eine Antwort erhalten würde, da er von nun an jeden Kontakt zu seinem Ex vermied und sich stattdessen lieber von seinem besten Freund bemuttern ließ.

„Wenigstens bist du über das Schlimmste hinweg“, versuchte Yuriy ihn aufzumuntern.

„Das Schlimmste?!“, kam es fragend von seinem Sitznachbarn.

„Na, wenn dich einer sitzen gelassen hat und du noch an ihm hängst, dann bist du wie ein altes, vergammeltes, modriges Ausstellungsstück im Museum – sobald man dich auch nur ansieht, fällst du auseinander“, erklärte sein Freund todernst.

Und er kannte Kai lange genug, um solch eine These aufstellen zu können.

Sie hatten von klein auf dasselbe Internat besucht. In der Unterstufe waren sie noch Erzrivalen gewesen, bis sie zusammen einen Mitschüler krankenhausreif zugerichtete hatten. Sie hatten gewettet, wer zuerst die deckenhohe Leiter in der Sporthalle bis zur Spitze erklimmen konnte, und dabei aus Versehen jenen Mitschüler aus vier Meter Höhe von den Sprossen gestoßen. Daraufhin waren sie zu zwei Monaten Gerätedienst verdonnert worden, was bedeutet hatte, dass sie nach Unterrichtende, die Geräte der letzten Klasse, die Sportunterricht gehabt hatte, wieder wegstellen mussten. Zu dieser Zeit herrschte noch Kleinkrieg zwischen ihnen – dabei ging es von nun an natürlich vor Allem darum, wessen Schuld es nun war, dass sie diese Arbeit machen mussten. Und jeder der Beiden hatte den Anderen übertreffen wollen, wenn es darum ging, in möglichst kurzer Zeit die Bodenmatten einzusammeln. Und dieser Konkurrenzkampf hatte bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem der Hausmeister die beiden damals noch kleinen Jungen zwischen den hohen Kästen und Barren übersah und im Geräteraum eingesperrt hatte, angedauert. In dieser Nacht, in der sie als zwölfjährige Halbwüchsige aus Langeweile und von Hunger geplagt gelernt hatten, wie man sich ‚einen runterholte’, waren beide ein Kopf und ein Arsch geworden, wie eine ehemalige Lehrerin der Beiden sie später in der Mittelstufe einmal bezeichnet hatte.

„Wenn man euch in einen Sack steckt und draufhaut, erwischt man immer den richtigen.“, waren damals ihre zornigen Worte gewesen, nachdem die Zwei kurz zuvor durch ihren Leichtsinn fast den Chemieraum in die Luft gejagt hatten.

Dieser Zusammenhalt hatte über die Schulzeit hinaus gehalten. Und auch heute konnte man sie noch als ‚einen Kopf und einen Arsch’ bezeichnen – nur dass es nun auf die Situation ankam, wer der Kopf und wer der Arsch war.

Natürlich waren sie erwachsener geworden und teilten nicht mehr die Streichhölzer gerecht untereinander auf, um damit zu zündeln. Heute teilten sie ganz andere Dinge miteinander: die Wohnung, das Badezimmer und manchmal auch das Bett.

Und in allen den Jahren hatte Yuriy Kai ausreichend kennen gelernt, um ihn zu verstehen. Eigentlich war dieser ein ruhiger, vielleicht etwas miesmuffeliger, aber dennoch angenehmer Zeitgenosse. Nur wenn er das Leben als frisch geborener Single ertragen musste, wurde er zu einem, in Selbstmitleid ertrinkendem Etwas, das nichts konnte, außer jammern und sich im Bett verkriechen. Dieser Phase lag, wie Yuriy wusste, der allgemeine Trennungsschmerz zugrunde.

Doch kaum war diese Stufe nach ein oder zwei Tagen überstanden – Kai hatte bisher keinem Verflossenen länger als drei Tage nachgetrauert – entwickelte sich das Etwas zu einer Mischung aus Kleinkind und Sklaventreiber. Genau in dieser zweiten Phase war der Graublauhaarige inzwischen angekommen. Er machte seinen Mitmenschen das Leben zur Hölle: Yuriy gegenüber führte er sich auf wie ein Baby, zu allen Anderen wurde er zu einer unerträglichen Zicke, die nur darauf wartete, ihnen etwas Beleidigendes an den Kopf zu werfen. Da war so mancher froh, wenn Kai wieder Kai war und sich in Ignoranz übte. Und während erstere Phase noch verständlich war, hatte diese hier einen spezifischeres, ordinäreres, weniger psychisches als physisches Problem als Wurzel, welches an und für sich leicht zu beheben gewesen wäre – zumindest, wenn man sich nicht so aufführte, wie Kai es tat und es sich mit jedem verscherzte, kaum dass man ihn getroffen hatte.

„DAS SCHLIMMSTE?!“, wiederholte der Jüngere entsetzt, sprang auf und verschränkte wütend die Arme vor der Brust, wobei die Decke zu Boden ging, bevor er Yuriy mit selbstmitleidigem Unterton und weiterhin durch die Nase sprechend angiftete. „Das Schlimmste mache ich gerade erst durch! Ich hatte seit über zwei Wochen keinen Sex! Weißt du wie’s meinem Arsch geht? Ich bin kurz davor anschaffen zu gehen!“

Exakt das war das Problem. Der Rothaarige konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, bestätigte Kai ihm doch gerade, dass er tatsächlich in der sekundären Phase seiner Entwicklung zurück zu seinem eigentlichen Ich angekommen war. Lasziv legte der Rothaarige seine Hand auf den Allerwertesten seines Freundes und packte ihn mit der anderen an der Taille, um ihn mit einer gekonnten Bewegung auf seinen Schoß zu befördern.

„Das tut mir leid für dich“, hauchte er ihm verführerisch entgegen. „Du weißt, ich würde dich gerne davon erlösen, aber das geht im Moment nicht, Sweetheart.“

Kais Gesichtsausdruck wurde noch wütender, als er sich von dem immer noch fast nackten Yuriy löste und erneut aufstand: „Ich brauche deine Hilfe nicht!“

Im Grunde war das gelogen, wie Kai wusste. Es war bereits einige Male vorgekommen, dass sie sich nicht nur gegenseitig beim Onanieren - im wahrsten Sinne des Wortes - zur Hand gegangen waren, sondern eben auch das ein oder andere Mal die Flexibilität ihrer Matratzen getestet hatten – auf rein freundschaftlicher Basis selbstverständlich – wenn mindestens einer von Beiden es gebraucht hatte. Doch es gab eine Einschränkung für diese Freundschaftsdienste, an die sie sich strikt hielten: Sie wurden nicht geleistet, wenn einer von ihnen in einer festen Beziehung war. Und das war momentan der Fall! Yuriy hatte sich an diesem Abend schließlich auch nicht aus Lust und Laune wieder mal ordentlich herausgeputzt – oder war zumindest noch dabei.

Grummelnd ging Kai in Richtung Bad, als Yuriy ihm nachrief: „Was hast du denn jetzt vor?“

„Pinkeln“, war die knappe Antwort seines Freundes.

„Soll ich dir nicht lieber Windeln ummachen? Passt besser zu deinem Verhalten von eben“, kam es etwas gehässig aus dem Wohnzimmer.

„Leck mich!“ Damit flog die Badtür mit einem lauten Knall zu.

Yuriy stützte einen Ellenbogen auf die Armlehne und den Kopf auf seine Hand:

„Später vielleicht.“
 

Kaum war Takao an seinem neuen Arbeitsplatz angekommen und hatte das Ladenlokal betreten, hatte ihm sein gestresster Chef – ein Mann mittleren Alters mit spitzem Bart, Kopftuch um die Stirn und mehlverschmierter Schürze – eine unhandliche Warmhaltebox aus Holz, auf der ein kleines Blatt Papier lag, in den Arm gedrückt.

„Da auf dem Zettel steht alles, was du wissen musst. Der Wagen steht vorm Laden und der Schlüssel steckt. Beeil’ dich aber!“ Dies war alles gewesen, was sein Vorgesetzter ihm zur Begrüßung entgegengebracht hatte, bevor er mit seinem Pfannenwender wieder hinter der weitläufigen Arbeitsfläche verschwunden war.

Nun saß der Blauhaarige in einem alten, roten Toyota, der, wie er vermutet hatte, seine besten Tage hinter sich hatte, und kutschierte Okonomiyaki durch Tokios Straßen. Inständig hoffte der junge Japaner, das Essen unversehrt ausliefern zu können – bisher hatte der Wagen, Baujahr 1985, noch nicht sein Vertrauen. Zumindest rostete das Gefährt bereits an den Radkästen und der Motorhaube, die zudem kleine Löcher aufwies, welche den Eindruck erweckten, sie sei in eine wilde Schießerei verwickelt worden. Und als er die Kofferraumklappe, nach dem Unterbringen der Lieferung, geschlossen hatte, war er vor Schreck etwas zurückgewichen, da er das Gefühl gehabt hatte, sie würde ihm jeden Moment auf die Füße fallen, so laut wie sie dabei gescheppert hatte. Auch das Radio schien nicht wesentlich jünger als das Auto selbst zu sein, da es defekt war – zumindest ließ sich kein anderer Sender einstellen, sodass Takao Japans Schlagerhitparade ertragen musste. Natürlich hatte er das Gerät auch schon abgestellt, doch sobald er auf die Bremse trat, schaltete sich das verfluchte Dinge wieder ein. Inzwischen hatte er es aufgegeben, das Radio so leise gestellt, wie es nur ging – leider hörte man den Ton immer noch deutlich genug – und sah genervt auf die rote Ampel, an der er stand: Konnte sie nicht endlich grün werden? Lange würde er das Gedudel nicht mehr aushalten. Doch scheinbar schien die Ampel darauf zu pochen, ihn möglichst lange warten zu lassen, sodass er letztlich das Radio erneut ausschaltete.

Prüfend hielt er die Hand vor die Luftschlitze der Lüftung, die er nach dem Start eigentlich auf die höchste wärme Stufe gestellt hatte. Doch ihm blies nur kalter Wind, untermalt von einem grauenhaften Pfeifen, welches wohl einige Blätter, die sich in den Schlitzen angesammelt hatten, auslösten, entgegen. Daher schaltete er die Heizung wieder ab, bevor er sich verkühlte. Endlich schaltet die Ampel wieder auf Grün und Takao trat erneut aufs Gaspedal.

In einer ruhigen Seitenstraße, nur einige Blöcke weiter, hielt er vor einem gepflegten und scheinbar recht neuem Mehrfamilienhaus – und kaum dass er gebremst hatte, musste er erneut die säuselnde Stimme eines Schlagerstars ertragen. Allerdings konnte er diesem nun den Saft abdrehen, in dem er den Motor abstellte und den Schlüssel abzog.

Takao seufzte: Sein erster Arbeitstag hatte so katastrophal begonnen, wie er es sich ausgemalt hatte. Er griff nach dem kleinen Zettel auf dem Beifahrersitz, der ebenso schmutzig und abgesessen war, wie der Fahrersitz – die Rückbank fehlte gänzlich – und verglich die Adresse mit jener, an der gerade gehalten hatte: Schien korrekt zu sein. Daher stieg er aus, schloss die Autotür hinter sich mit Bedacht – er wollte erst gar nicht riskieren, dass sie abfiel – und holte ebenso vorsichtig die Box aus dem Kofferraum, die Klappe dabei mit Samthandschuhen behandelnd, ehe er die Stufen zum Haus hinaufging.

An der Eingangstür zum Hausflur blickte er auf den Namen auf seinem Zettel, der gleichzeitig als Rechnung diente, und suchte dann Selbigen auf den Klingelschildern.

Er fand ihn – allerdings stand dort noch ein zweiter Familienname, den Takao in den slawischen Sprachraum einordnete. Er blickte nochmals auf den Zettel: Dort stand nur ein Name.

„Ach ist auch egal...“, schulterzuckend betätigte er den kleinen weißen Knopf neben dem Namensschild.
 

Yuriy war bereits seit zehn Minuten wieder im Bad, nachdem Kai dieses wieder geräumt hatte. Letzterer saß nun, erneut in seine Decke gewickelt und mit bösem Blick, auf dem Sofa und sah fern. Zumindest beobachtete er das Schneegestöber auf dem Bildschirm, dass erschienen war, nachdem er die rote Taste auf der Fernbedienung des Fernsehapparates gedrückt hatte.

„IVANOV!“, rief er verschnupft, weiter auf den Bildschirm starrend.

Sekunden später ging auch schon die Badezimmertür auf und sein rothaariger Mitbewohner stand topgestylt und fertig für einen Clubbesuch im Wohnzimmer, von welchem alle anderen Räume und auch die Wohnungstür abgingen: „Was brüllst du jetzt schon wieder rum wie ein Kleinkind?“

„Es schneit!“, zischte Kai.

Yuriy blickte aus dem Fenster: „Tut es doch schon die ganzen letzten Tage... aber im Moment nicht.“

„Nicht da.“ Der Graublauhaarige, der den Blick des Anderen verfolgt hatte, deutete nun wütend auf die Mattscheibe.

„DA!“

Sein Freund sah in besagte Richtung: „Schon mal daran gedacht, den Receiver einzuschalten?“

„Ja, aber das Ding steht nicht mehr auf Standby! Ich kann es mit der Fernbedienung nicht einschalten“, moserte der Andere weiter, während er mehrmals, um sein Problem zu verdeutlichen, auf die Einschalttaste der Receiverfernbedienung drückte.

Yuriy seufzte: „Dann muss man aufstehen und ihn am Gerät einschalten.“

„Ich bin krank!“, war abermals Kais wirres Argument.

„Ich hoffe, du verreckst mir hier nicht, wenn ich nachher weg bin.“ Damit drückte er am Empfänger auf die kleine Taste mit der Aufschrift ‚On’.

Ohne auf ihn einzugehen, beobachtete Kai nun zufrieden, wie ihm ein Wettersprecher die Temperaturen für die kommenden Tage vortrug.

„Also weiterhin bitterkalt draußen“, kommentierte Yuriy, der ebenfalls kurz zuhörte, den Bericht.

„Du bist Russe – du musst das gut finden“, antwortete Kai, auf Yuriys Herkunft anspielend, ehe er umschaltete.

Kopfschüttelnd beobachtete sein Freund ihn: Kai, dessen Mutter selber Russin war, wurde wirklich zu einer Mimose, wenn er zu wenig Sex hatte – und den hatte er ganz offensichtlich.

Im selben Augenblick klang ein grelles Schellen durch die kleine Wohnung.

Während Kai weiter die Mattscheibe und das nun darüber flimmernde Anime argwöhnisch verfolgte, ging Yuriy zur Tür, spähte kurz durch den Türspion in den leeren Flur und griff dann nach dem Hörer der Gegensprechanlage: „Ja?“

„Kuno’s Okonomiyaki-Lieferservice – Ihre Bestellung ist da“, bekam er zur Antwort.

„Ah, vierter Stock“, entgegnete der Rothaarige, legte den Hörer wieder auf und betätigte einen kleinen Knopf zum Entriegeln der Haustür.

Zwar würde es etwas dauern, bis der Lieferant bei ihnen in der Etage ankam, dennoch öffnete Yuriy schon mal die Tür, bevor er sich an Kai wandte: „Dein Happahappa kommt.“

„Ich hab’s mitbekommen. Und rede nicht so mit mir!“ Ohne ihn anzusehen, zappte Kai weiter durchs Programm – Animes fand er doof.

„Ich wollte mich nur auf dein temporäres, geistiges Alter einlassen“, erklärte Yuriy.

Mit einem ‚Pling’ verkündete einer der zwei Fahrstühle im sechsstöckigen Wohnhaus, dass er soeben in diesem Stockwerk gehalten hatte. Die Tür öffnete sich und nur wenig später stand der Bote vom Imbiss vor Yuriy. Dieser staunte nicht schlecht: Er hatte den Blauhaarigen schon einmal gesehen.

Und scheinbar erinnerte sich auch sein Gegenüber, als er ihm nun unwillig den Inhalt seiner mitgebrachten Holzbox überreichte: „Hier bitte, die Bestellung für Hiwatari! Macht fünfhundert Yen.“

Nun sah auch Kai vom Fernseher zur Wohnungstür, wo Yuriy gerade die Lieferung auf dem Sideboard neben der Tür abstellte und in seinem Portmonee nach dem passenden Kleingeld suchte. Der Graublauhaarige beobachtete den Boten: Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Allerdings wusste er nicht, wo er ihn schon mal gesehen hatte.

„Geht zwar auf Kosten des Herren dahinten auf der Couch, aber ich übernehme das ausnahmsweise. Hier, bitte.“ Yuriy reichte seinem Gegenüber sechs Münzen.

Dieser nahm das Geld entgegen, bevor er einen flüchtigen Blick ins Innere der Wohnung warf. Dabei traf er Kais Blick. Etwas Mordlustiges lag in dem des Anderen, wie der junge Mann auf der Couch fand. Wenig später wandte der Blauhaarige sich auch schon ab und kehrte wortlos zum Fahrstuhl zurück. Yuriy beobachtete ihn dabei genau und musterte ihn von oben bis unten, bis er im Aufzug verschwunden war.

Er schloss die Tür wieder, nahm das Essen und ging damit zu Kai hinüber: „So eine Überraschung, dass ausgerechnet DER jetzt bei unserem Stammimbiss arbeitet.“

„Kanntest du ihn?“, fragte Kai, der selber nicht darauf kam, wo er den Lieferanten schon mal gesehen hatte.

„Na, das war doch der Typ, den du letzte Woche im Underground so zusammengeschissen hast. Schon vergessen?“, erinnerte sein Freund ihn, während er das Essen neben der kalt gewordenen Suppe abstellte.

Nun fiel es auch Kai wieder ein: Das war der Barkeeper eines Clubs gewesen, den er und Yuriy kürzlich besucht hatten. Sie gingen ab und an immer mal wieder in Discotheken, um ihren Spaß zu haben. Nur an diesem Abend war er, Kai, aufgrund seiner Trennung von Boris äußerst reizbar gewesen. Und dann kam so ein dahergelaufener Nichtsnutz daher und schüttete ihm einen Longdrink über den Schoß. Dass der Graublauhaarige sich nicht mehr hatte beherrschen können, war angesichts seiner ohnehin schon miserablen Laune für Yuriy abzusehen gewesen.

„War eigentlich ganz schön mies von dir, ihn so fertig zu machen. Er kann schließlich auch nichts dafür, dass deine Beziehung in die Brüche gegangen ist.“

Der Ältere nahm sich ein Stück Okonomiyaki.

Ja, damit hatte er wahrscheinlich Recht, überlegte Kai. Aber es war ja auch die Schuld von diesem dusseligen, unfähigen Barkeeper gewesen, dass das Glas nicht stehen geblieben war und er durch die folgenden Auseinandersetzung seinen Job verloren hatten. Solche Fehler durfte man sich in Kais gegenwärtiger Verfassung eben nicht erlauben.

„Und wenn schon... Er hat ja offensichtlich schon eine neue Stelle.“ Auch Kai kämpfte sich nun aus der Decke und griff nach dem Essen. „Außerdem hattest du deinen Spaß dran, wenn ich mich recht erinnere.“

„Wohl wahr.“ Yuriy widmete sich währenddessen dem Wandspiegel neben der Garderobe, um sein Äußeres nochmals zu kontrollieren.

„Aber wäre der nichts für dich? Er hat immerhin einen knackigen Hintern.“

Sein Freund hob eine Augenbraue: Offenbar hatte sein Mitbewohner den Lieferanten beim Gehen wirklich genauestens unter die Lupe genommen.

„Nicht alle knackigen Hintern sind schwul – sieh’ dich an!“ Mit halbvollem Mund sprach Kai weiter. „Und was soll ich mit so einem Versager, der jetzt als Taxibote im Schnellimbiss arbeitet?“

„Ach ja, ich vergaß: Dein Arsch macht es ja jetzt nur noch mit intellektuellen Schwänzen“, witzelte der Rothaarige und spielte darauf an, dass sowohl er, Yuriy, als auch Kais Ex studierten.

Denn seit Boris blickte der Graublauhaarige, der im selben Semester wie Yuriy BWL studierte, ein wenig herablassend auf alle, die keinen akademischen Abschluss anstrebten. Und seither sprach er in diesem abwertendem Ton von diesen Leuten. Kai gab ihm keine Antwort. Dafür tat es wiederum die Türklingel. Erneut blickte der Andere durch den Spion und riss die Tür im nächsten Moment auch schon freudig auf.

„Hi, Schatz!“, schallte es vom Hausflur in die Wohnung.

Ohne aufzusehen erkannte Kai allein an der schrillen Stimme, dass es sich bei dem neuen Ankömmling nur um Yuriys größten Fehler handeln konnte: Seine sexuelle Orientierung.

„Hey, Baby!“ Ein schmatzendes Geräusch drang an Kais Ohr, welches nur bedeuten konnte, dass dort auf der Fußmatte wirklich jene Person stehen musste, die er vermutete hatte: Eine gewisse Person mit rosaroten Haaren, die so grell und grässlich waren, dass Kai nicht einmal hinsehen musste, damit ihm übel wurde.

Nun ja, vielleicht waren es auch nicht die Haare, sondern die hohe Mädchenstimme, die ihn jedes Mal so abschreckte. Oder es war einfach die Tatsache, dass es die feste Freundin seines besten Freundes und Teilzeitliebhabers war, die diesen daran hinderte, sich Kais ‚speziellen’ Bedürfnissen zu widmen. Offensichtlich hatte sie das Glück gehabt, dass jemand gerade die Haustür geöffnet hatte, als sie angekommen war – sicherlich der Okonomiyaki-Lieferant.

„Hier geben sich die Nervensägen ja die Klinke in die Hand“, grummelte Kai beiläufig, während er wieder auf den Fernseher sah.

„Was hat der denn für eine Laune?“, fragte das Mädchen hörbar verwundert ihren Freund, während es noch auf der Fußmatte stand, Kai auf der Couch aber wohl bemerkte und zu ihm hinüber sah.

Sie kannte ihn und Yuriy erst seit einigen Tagen und hatte den Graublauhaarigen bisher nur wortkarg und abweisend erlebt. Denn jedes Mal, wenn sie ihren Freund besucht oder wie jetzt zum Date abgeholt hatte, war Kai bereits in sein Zimmer geflüchtet, sobald er auch nur die Klingel gehört hatte, und hatte sich lediglich wenige Sekunden, wenn er zwischen Küche, Bad und seinem Zimmer ab und an hin und her gehuscht war, blicken lassen. Er hatte ihr bewusst nie viel Beachtung geschenkt und ihr bloß beim ersten Zusammentreffen ein karges ‚Hi’ entgegen gebracht. Bereits als Yuriy Kai glücklich von seiner neuen Flamme, die er beim Einkaufen getroffen hatte, erzählt hatte, hatte der Andere aufgrund von Abneigung die genaueren Umstände, unter denen sie sich kennen gelernt hatten, schon nach wenigen Sekunden wieder verdrängt. Alles was ihm davon noch in Erinnerung geblieben war, war eben die Tatsache, dass es im Supermarkt passiert war. Und er hatte auch nicht vor, die Neue seines besten Freundes jemals näher kennen zu lernen, geschweige denn sie zu akzeptieren. Doch da sie dieses Mal erst an der Wohnungstür hatte auf sich aufmerksam machen müssen, war ihm keine Zeit für seine Flucht geblieben. Und da sie ohnehin gleich mit dem Rothaarigen aufbrechen würde, um Tokios Bars und Clubs mit ihrer Heterosexualität zu beglücken – Kai bemitleidete sie eher dafür – blieb er dieses Mal stur sitzen.

„Ach, der ist immer noch nicht über seinen Ex hinweg.“ Yuriy seufzte. „Lass uns gehen! Der hat mich heute wirklich schon genug genervt.“

Er nahm seinen Wintermantel vom Haken, steckte Schlüssel, Portmonee und Handy ein und blickte nochmal zu seinem Freund, der ihn nicht ansah.

„Mao und ich sind dann weg. Bis dann! Und treib’ es bitte nicht wieder zu wild mit deinen kleinen Spielzeugen, sonst muss ich mir wieder anhören, wie sehr dir der Hintern wehtut.“, Yuriy störte sich nicht an Kais Antwort, die nur aus dessen hochgestrecktem Mittelfinger bestand, und zog die Wohnungstür hinter sich und seiner Freundin zu.

„Ist doch meine Sache, was ich mit den Plastikschwänzen anstelle“, nörgelte Kai leise in die verlassene Wohnung.

Und überhaupt: Es war eine geringere Sünde, Vibratoren und andere Spielzeuge dieser Art zu mögen, als bisexuell zu sein! Sowieso verstand er nicht, wozu es so etwas wie Hetero- und Bisexualität geben musste, in einer Zeit, wo die Gentechnik so weit war, dass man Menschen im Reagenzglas heranzüchten konnte. Seine Eltern hatten seine homosexuelle Ausrichtung nie akzeptiert und das Sorgerecht an seinen Großvater übergeben, noch während er im Internat gewesen war. Kai war dies jedoch inzwischen relativ egal – seine Eltern, zu denen er seit damals keinen Kontakt mehr hatte, waren schließlich auch langweilige Heteros gewesen. Und Kai hätte nie über Yuriys Sünde hinwegsehen und mit seinem besten Freund zusammenziehen können, wenn er nicht der großartigste und wertvollste Mensch, den Kai kannte, gewesen wäre. Gut, dass Yuriy das war, denn mit niemand Anderem konnte er so ordinär sprechen, wie beide es zu tun pflegten, wenn sie unter sich waren – kamen Dritte dazu, hielten die Zwei sich damit weitestgehend zurück, sah man von kleinen Gesten wie Kais Abschiedsgruß von eben ab.

Stumm zappte Kai weiter durch das TV-Programm und schob sich dabei ein Stück der japanischen Pizza in den Mund.
 

„Das darf doch alles nicht wahr sein!“ Fluchend schlug Takao die Haustür kurz nach Mitternacht hinter sich zu und trat seine Schuhe, nachdem er sie ausgezogen hatte, wütend in die Flurecke.

Sein Bruder Hitoshi kam daraufhin aus dem Wohnzimmer: „Geht das auch leiser? Hiromi schläft.“

Der Ältere deutete in Richtung seiner Freundin, die auf der Couch lag und scheinbar tief und fest schlummerte.

„Toll, kann sie das nicht in deinem Zimmer?“, entgegnete der Andere wütend.

„Ich habe es doch selber gerade erst gesehen, als ich aus der Küche kam. Ansonsten hätte ich sie schon nach oben gebracht“, erklärte Hitoshi leise und blickte verliebt auf das Mädchen im Nebenraum, bevor er wieder seinen Bruder ansah.

„Und warum tobst du hier so rum?“

„Weil alles scheiße ist!“, antwortete Takao, während er bereits dabei war, gut hörbar die Treppe in den ersten Stock hinaufzusteigen. „Erst so ein Drecksjob und dann darf ich als erstes auch noch den Arsch beliefern, wegen dem ich meine Stelle im Underground verloren habe!“

„Oh, das ist natürlich Pech“, kam es von seinem Gegenüber.

„PECH? Pech nennst du das? Ich komme mir total verarscht vor!“, zischte Takao gut hörbar.

Der Andere fuchtelte mit den Händen: „Ist ja gut, aber jetzt sei leiser.“

„Tzz, nichts ist gut.“ Damit trampelte der Jüngere die Treppe hoch und verschwand in seinem Zimmer, während sein Bruder kurz seufzte und dann zurück ins Wohnzimmer ging, um die Braunhaarige behutsam von der Couch aufzulesen und ins Bett zu bringen.

Seine Verwandtschaft entledigte sich währenddessen mit düsterem Gesichtsausdruck ihrer Sachen. Nur in Boxershorts warf Takao sich auf sein Bett. Er war so erschöpft, dass er nicht einmal das Licht in seinem Zimmer eingeschaltet hatte.

„Und das nach nur vier Stunden Arbeit?“, ging es ihm durch den Kopf, als er das Gesicht in seinem weichen Federkissen vergraben hatte.

Er hatte heute nicht mal um fünfzehn Uhr arbeiten müssen, so wie er es am nächsten Tag tun würde – und trotzdem war er vollkommen erledigt und ausgelaugt. Kein Wunder: Das ewige ‚Rein ins Auto - Raus aus dem Auto’ und Treppensteigen zu den Wohnungs- und Haustüren der Kunden war wirklich anstrengend. Und dann schienen vorrangig auch noch Großfamilien beim Schnellimbiss zu bestellen, so schwer wie einige Boxen, die er an diesem Abend hatten schleppen müssen, gewesen waren. Zumindest ging er nicht davon aus, dass ein oder zwei Personen die Massen, welche er zu einigen Kunden geliefert hatte, alleine essen konnten. Das hätte nicht mal eher selbst geschafft, obwohl er einen ausgesprochen gesunden Appetit besaß. Doch heute war dieser wie verflogen. Möglicherweise lag es daran, dass er den ganzen Tag Essen gesehen und gerochen hatte oder aber an seiner Erschöpfung. Oder, um alle Möglichkeiten einmal in Erwägung gezogen zu haben, an einer bestimmten Person, die er innerlich mehr und mehr verfluchte.

Seufzend drehte der Blauhaarige den Kopf zur Seite und blickte aus dem Fenster: Der mit Schneewolken behangene Winterhimmel hatte sich etwas aufgeklärt, sodass der Mond hell in sein Zimmer schien. Wenn es nur die Tatsache gewesen wäre, dass sein neuer Job entsetzlich anstrengend war: Aber nein, das Schicksal schien ihn zu hassen. Er hatte als ersten Kunden auch noch ausgerechnet diesen widerlichen Mistkerl beliefern müssen, der daran Schuld war, dass er nun Essen durch Tokio chauffierte. Immerhin wusste er jetzt den Nachnamen dieses arroganten Arsches: Hiwatari. Und er wusste wo er wohnte. Aber was brachte ihm dies? Selbst wenn er hingegangen und die Wohnung in Brand gesteckt hätte, sein Leben wäre dadurch nicht besser geworden. Im Gegenteil: Dann hätte er schwedische Gardinen am Fenster gehabt und weder Geld verdient, noch jemals eine Freundin gefunden.

Ja, er war inzwischen neunzehn Jahre alt und bis heute Solo ohne Unterbrechung. Er hatte zwar auch nie intensiv nach einem Mädchen Ausschau gehalten, aber dennoch bedrückte es ihn nun, dass er in seinem neuen Job wohl noch weniger Aussichten darauf hatte, endlich jemanden zu finden. Abermals seufzte Takao und musterte dann den Mond: Die Krater erschienen ihm plötzlich wie ein Gesicht mit fiesem, gehässigem Lächeln auf den Lippen.

Wütend packte der Japaner sein Kissen und warf es in Richtung Mond: „Hör auf so scheiße zu grinsen!“

Doch er war zu müde, um sportliche Höchstleistungen im Weitwurf zu erzielen, sodass sein Kissen nicht mal bis zu Fensterscheibe kam, sondern schon einen Meter davor zu Boden ging. Seufzend schloss Takao die Augen: Irgendwie war doch alles in seinem Leben im Moment mal wieder planlos und einfach ätzend.
 

„Herzlichen Glückwunsch! Sie haben Hunderttausend Yen gewonnen!“ Ein Tusch und Freudenschreie rissen Kai aus seinen merkwürdigen Träumen – Träumen von sprechenden Riesenokonomiyakis, die ihn erschlagen wollten.

Irritiert blickte er sich um: Er fand sich auf der Couch in seiner und Yuriys Wohnung liegend und halbwegs mit seiner Fleecedecke zugedeckt wieder. Er musste eingeschlafen sein – soviel stand fest. Aber was war das für ein bescheuerter Traum gewesen? Und was hatte ihn überhaupt geweckt? Sein Blick fiel auf den Fernseher, wo irgendeine alberne Sendung lief, in der Zuschauer offenbar Quizfragen per Telefon beantworten und so Geld gewinnen konnten. Der Graublauhaarige blickte auf die rote Digitalanzeige des DVD-Rekorders: Eine Fünfzehn, ein Doppelpunkt und eine Sechzehn, die in der nächsten Sekunde zur Siebzehn wurde, leuchteten ihm entgegen.

„So spät?“ Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass er die Nacht tatsächlich auf dem Sofa verbracht hatte und bereits der nächste Tag angebrochen war.

Er richtete sich auf. So lange hatte er schon ewig nicht mehr geschlafen – lag wahrscheinlich an der Erkältung.

„Yuriy?“, schallte es wenig später von seiner Seite verschnupft durch die Wohnung. „Ivanov!“

Doch er bekam keine Antwort. Kais Augenmerk richtete sich auf den Wohnzimmertisch, wo noch die Reste seines Okonomiyakis, so wie die kalte Suppe vorzufinden waren: Das konnte nur bedeuten, dass sein bester Freund nicht nach Hause gekommen war. Andernfalls hätte Yuriy die Spuren von Kais Mahl nämlich beseitigt, das wusste der Graublauhaarige. Nun ja, wenn man Semesterferien hatte, konnte man es sich ja erlauben, die Nächte auch mal spontan außerhalb zu verbringen. Kai musste wieder an seinen Traum denken: Möglicherweise war ihm das Essen nicht gut bekommen, dass er so einen Mist geträumt hatte. Da fiel ihm der Imbissbote vom Vorabend ein: Vielleicht hatte er ihn vergiften wollen, weil er seinetwegen seinen alten Job verloren hatte? Okay, der Gedanke war albern, stellte Kai schnell fest. Die laufende Nase hochziehend schob er die Decke zur Seite. Er wollte sich erheben, spürte jedoch schon bei der kleinsten Bewegung jeden einzelnen Knochen. Dieses Erkältungssymptom war wesentlich ausgeprägter als am Vortag und hielt ihn daher davon ab, wie gewohnt zügig aufzustehen. Er wirkte nun viel mehr wie ein alter, gebrechlicher Mann, der vergessen hatte, sein Medikament gegen Rheuma zu schlucken, als er eine Hand auf sein Knie und die andere in den Rücken stützte um sich aufzurichten. Er nahm die Überreste des Essens an sich und brachte sie in die Küche, wobei er feststellte, dass Gliederschmerzen etwas Grauenvolles waren.

„Lässt der Arsch mich alleine, wo’s mir so beschissen geht. Und dann noch wegen ein paar Brüsten!“, murmelte Kai etwas stinkig, während er den Mülleimer mit Okonomiyaki-Resten und dem, für Schnellimbisse typischen Plastikbehältnis, fütterte.

Nachdem auch die Suppe den Weg in die Kanalisation gefunden und der junge Mann die Schüssel ausgespült hatte – sowohl Yuriy, als auch er selbst hätten sich gerne eine Spülmaschine geleistet, doch das war bei ihrem Studentenbudget momentan nicht drin – ging er zielstrebig auf den Kühlschrank zu. Zumindest drängte ihn ein Anflug von Hunger dazu, die Schranktür zu öffnen. Bei anderen Leuten mochten Erkältungen mit Appetitlosigkeit einhergehen – bei ihm nicht. Doch der Blick in den Kühlschrank brachte ein ernüchterndes Ergebnis: Nichts, was ihm auch nur annährend die Lust bereitete, es zu verspeisen. Knurrend nahm er einen Schluck aus der Saftpackung, die in der Tür stand, stellte sie zurück und schloss die Tür wieder, ehe er, nach einem kurzen Abstecher ins Bad, wo er seine verspätete Morgentoilette absolvierte, wieder zum Sofa trottete um sich dort, erneut in seine Decke gewickelt, niederzulassen. Er blickte auf sein Handy, bevor er es vom Couchtisch in seine Hand nahm: Yuriy hatte nicht einmal angerufen. Nur das Symbol einer ungelesenen SMS blinkte ihm entgegen.

Bereits ahnend, was darin geschrieben stand, öffnete er sie: „2008-12-20 – 01.12 Uhr – Yuriy – ‚Komm’ heute Nacht nicht nach Hause. Wenn was ist, ruf’ dir ein Kindermädchen. Yu’.“

Nicht mehr oder weniger sinnvolle Informationen, die ihm längst bewusst waren, standen dort.

„Penner!“, zischte Kai, „Na warte... Ich ruf’ mir auch ein Kindermädchen.“

Und schon war der grüne Hörer auf der Tastatur gedrückt.

Wenig später erklang am anderen Ende der Leitung Yuriys Stimme, der ein genervter Unterton zugrunde lag: „Kaiiii... was willst du? Hast du die Windeln voll gemacht?“

„Ich habe Hunger!“, entgegnete Kai dieses Mal besonders trotzig, während er im Hintergrund Maos Stimme hörte, die Yuriy Dinge ins Ohr säuselte, die er, Kai, nicht hören wollte.

„Weißt du immer noch nicht wo der Kühlschrank steht?“, fragte sein Freund spöttisch.

„Da ist nur Schrott drin“, erwiderte Kai.

Ein Seufzer – eigentlich eher ein erregtes Stöhnen, aber das wollte Kai nicht als solches wahrhaben – kam vom anderen Ende: „Dann geh’ einkaufen, bestell’ dir was oder angle dir einen Kerl, der dich einlädt. Aber lass mich jetzt in Ruhe – du hörst doch, ich bin beschäftigt.“

Der Graublauhaarige wollte noch Widerworte geben, da hatte sein Freund schon aufgelegt. Mit finsterem Gesichtsausdruck legte Kai das Telefon wieder weg.

„Beschäftigt. Von wegen...“, er wollte nicht wissen, inwieweit Yuriy sich von seiner Freundin hatte während des Telefonates befummeln lassen.

„Wenn ich ihm egal bin, dann verhungere ich halt.“

Mit verschränkten Armen blickte Kai auf den Fernseher: Dass er dem Anderen nicht egal wusste er – genau wie er wusste, dass er seinem besten Freund gerade etwas zu sehr auf die Nerven ging. Aber was sollte er sonst machen? Er hatte nichts zu essen – zumindest nichts, was er essen wollte – und niemanden, der sich um seine anderen Bedürfnisse kümmerte. Und dann war er auch noch krank, sodass er sich zu schlapp fühlte, um draußen durch die Kälte zu marschieren und sich einen Typen aufzureißen, so wie Yuriy es ihm empfohlen hatte. Mal ganz abgesehen davon war es nicht seine Art, andere anzubaggern – er ließ sich lieber angraben. Aber Erkältung hin oder her: Irgendetwas musste er gegen seinen fürchterlichen Sexentzug tun, da dieser sich inzwischen in ihm wieder deutlich bemerkbar machte, als er nun etwas unruhig hin- und herrutschte. Es war ja nahezu unmenschlich, so zu leben.

Etwas schmollend, etwas verzweifelt blieb er sitzen und starrte auf die ordinäre Sendung in der Flimmerkiste.

Eine ganze Weile verharrte er in dieser Position. Erst nach einer knappen Viertelstunde stand Kai erneut auf, dieses Mal jedoch mit Decke um die Schultern, und ging in sein Schlafzimmer, wo er den Kleiderschrank öffnete und sich davor auf den Boden sinken ließ – erneut musste er dabei in Kauf nehmen, dass er wie ein Greis wirkte, da die Gliederschmerzen ihn sonst sicherlich umgebracht hätten.

Er zog einen schwarzgraugestreiften Pappkarton hervor, öffnete den Deckel und begann darin zu wühlen. Nicht lange und er fand zwischen Handschellen und allerlei anderen Sexspielzeugen, was er gesucht hatte: Seinen Vibrator, den er seit Anfang seiner Beziehung mit Boris nicht mehr benutzt hatte, da sein Ex sich nicht groß für Utensilien dieser Art hatte begeistern können. Kai hatte damit leben können, denn auf Imitate konnte man verzichten, wenn man Echtfleisch hatte. Aber das war nun nicht mehr der Fall. Der Graublauhaarige betätigte den kleinen Schalter am unteren Ende des Silikonpenis, sodass dieser begann sich zu bewegen.

Zufrieden beobachtete er dies: „Tja, Yuriy, die Batterien gehen noch. Und so lange du nicht hier bist, wirst du mich auch nicht davon abhalten, das auszunutzen.“

Mit schelmischem Gesichtsausdruck, der an ein Kind erinnerte, welches seinen Eltern einen Streich spielte, schaltete er das Gerät wieder aus, bevor er die Kiste wieder verstaute und den Schrank schloss. Aus seiner Nachttischschublade fischte er eine angebrochene und schon recht zerdrückte Tube Gleitgel, die zusammen mit dem Vibrator ihren Platz auf dem Nachttisch neben der stets parat stehenden Packung Kosmetiktücher fand. Zufrieden beobachtete er die Utensilien: Alles schien perfekt vorbereitet, um sich zumindest von einem Leid ein wenig zu erlösen. Doch es gab etwas, das ihn plötzlich davon abhielt sich selbst unglaubliche Glücksgefühle zu bescheren: Seine Blase. Wie aus dem Nichts verspürte er einen Harndrang, der ihm nichts Anderes übrig ließ, als schnellen Schrittes ins Bad zu huschen, wobei er seine kuschelige Decke verlor. Und er musste sie liegen lassen, wenn er nicht im nächsten Moment eingenässt in seinem Zimmer stehen wollte.
 

„SCHON WIEDER?“ Takao konnte nicht glauben, was er auf dem Zettel las, der auf der Transportbox mit dem Essen, das er auf seiner zweiten Fahrt an diesem Tage ausliefern sollte, nachdem er sich einige Zeit auftragslos im Imbiss aufgewärmt hatte, lag.

„Sie sind hier Stammkunden“, erklärte sein an diesem Tag ziemlich übel gelaunter Chef, während er einige Okonomiyaki auf der Bratfläche hin und her bewegte.

Der Blauhaarige wäre vor Wut am liebsten mit dem Kopf durch die Wand gegangen, doch ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als die Bestellung auszuliefern, wenn er nicht in wenigen Minuten wieder arbeitslos sein wollte. Mit düsterer Miene und Warmhaltebox trotte er deshalb hinaus in das Schneegestöber, welches vor einigen Minuten wieder eingesetzt hatte – wenn das verdammte Schicksal ihn schon ärgern wollte, dann konnte es natürlich nicht darauf verzichten, ihm auch noch Frostbeulen zu bescheren – zum Auto, lud das Essen in den Kofferraum und schloss lautstark die Klappe: Ein Fehler wie er im nächsten Moment bemerkte. Sie war zwar nicht abgefallen, aber dafür wieder aufgesprungen, und eines der Rücklichter hatte dabei mysteriös aufgeleuchtet.

„Scheiß Karre!“, zischte er, bevor er den Kofferraum nun vorsichtiger schloss und sich selbst hinters Steuer verfrachtete.

Die Vorfreude auf die Schlagermusik, die er nun wieder erdulden musste, sowie auf den nächsten Kunden standen ihm ins Gesicht geschrieben, als er den Motor startete und nicht zum ersten Mal an diesem Tage unerträgliches Gejaule aus dem Autoradio erklang. Missmutig blickte er durch die Windschutzscheibe. Er sah nur eins: Weißes Licht. Zu gerne hätte er sich eingeredet, es wäre das berühmt berüchtigte Licht am Ende des Tunnels, doch dummerweise ließ es sich beseitigen, indem man den Scheibenwischer einschaltete. Und das musste Takao, wenn er die Straße sehen wollte. Immerhin, die zarte Schneedecke auf der Scheibe, blieb ihm zumindest auf der Beifahrerseite erhalten. Es hätte ihn auch stark gewundert, wenn beide Scheibenwischer funktioniert hätten. Aber wozu sollten sie das auch? Schließlich quietschte das eine abgenutzte Wischblatt für zwei und fabrizierte zusammen mit dem Knarren des Motors der Wischanlage ein Konzert, bei dem sich sogar schwerst Schwerhörige die Ohren zugehalten hätten. Dummerweise brauchte Takao aber seine Hände zum fahren, sodass er widerwillig den abgegriffenen, etwas klebrigen Lautstärkeregler am Radio höher drehte: Lieber Kopfschmerzen von Japans Schlagerstars, als einen Tinitus durch die nervtötenden Geräusche von vorne. Mit durchdrehenden Reifen fuhr er an – wenn er schon mit dieser Schrottkarre und der unerträglichen Geräuschkulisse unterwegs war, wollte er wenigstens passend dazu, nämlich absolut umweltschädlich in jeder Hinsicht fahren.
 

Erleichtert schloss Kai die Badtür hinter sich: Das war gerade noch mal gut gegangen. Lange hätte er dem Blasendruck nicht standhalten können. Noch so ein Übel, das eine Erkältung mit sich brachte. Aber nun war es Zeit sich den wirklich wichtigen Dingen im Leben zu widmen. Er sammelte seine Decke auf: Sie sollte ihm bei seinem Vorhaben Gesellschaft leisten, schließlich brauchte man im Winter Jemanden im Bett, der einen warm hielt und an den man sich kuscheln konnte – die Decke schien ihm dafür wie geschaffen, zumal sie ihn danach nicht fragen würde, ob es ihm gefallen hatte. Kais Blick fiel aus dem Fenster: Draußen schneite es wieder. Aber das war jetzt nicht sein Problem, sodass er sich augenblicklich abwandte.

Er hatte gerade sein Zimmer wieder betreten und wollte voller Vorfreude die Zimmertür hinter sich schließen, als die Türklingel seine Gesichtszüge entgleisen ließ: Welcher verdammte Arsch wagte es, ihn jetzt noch zu stören?

Mit wütendem Gesicht trat er aus dem Zimmer und stapfte zur Tür: „Yuriy, wenn du das bist, bringe ich dich um!“

Kai hätte es nicht gewundert, wenn der Rothaarige statt seinen Schlüssel zu benutzen geklingelt hätte, um ihn zu ärgern. Bereit sein Gegenüber anzukeifen öffnete er die Wohnungstür. Davor stand jedoch niemand. Trieb sein Freund es jetzt etwa schon so weit, dass er an der Haustür schellte, damit Kai sich die Arbeit machen und zur Gegensprechanlage greifen musste?

„Wehe, wenn ja!“, dachte der Graublauhaarige, als er nach dem Hörer griff. „Ja?“

„Kuno’s Okonomiyaki-Lieferservice – Ihre Bestellung ist da“, bekam er als Antwort von einer ihm vom Vorabend bekannten Stimme.

Etwas verdutzt blickte er drein, bevor er erwiderte: „Ich habe nichts bestellt.“

„Es steht hier aber auf meinem Zettel!“, kam es genervt vom anderen Ende der Leitung.

Kai seufzte: Das musste Yuriy gewesen sein. Sein Freund kannte ihn einfach zu gut, um nicht zu wissen, dass er sich in seiner Verfassung selber nichts zu essen besorgen würde, sodass er kurzerhand erneut den Schnellimbiss kontaktiert hatte.

„Was ist nun?“ Wieder erklang die gereizte Stimme aus dem Hörer.

Wortlos legte Kai auf. Er war im Begriff, einfach wieder in sein Zimmer zurückzukehren, doch würde der offensichtlich ohnehin schon schlecht gelaunte Bote dann möglicherweise Sturm klingeln – und das war sicher kontraproduktiv, wenn man sich seinem eigenen Körper widmen wollte. Außerdem hatte er ja wirklich großen Hunger. Und da sein Vibrator kaum ungeduldig werden würde, änderte Kai seinen Plan: Erst das Essen, dann der Sex. Er betätigte kurz den Knopf an der Gegensprechanlage, ließ die Wohnungstür angelehnt und ging wieder in sein Schlafzimmer. Es dauerte nicht lange und er kehrte zurück, legte eine Münze auf dem Wohnzimmertisch ab und ließ sich erneut auf die Polstergarnitur sinken. Wartend beobachtete er das Geschehen im noch laufenden Fernsehen, bis nach einiger Zeit der Fahrstuhl im Hausflur zu hören war und an die Wohnungstür geklopft wurde.

„Es ist offen.“ Kai wandte seinen Blick nicht ab – er hatte die Tür schließlich bewusst nicht geschlossen.
 

„Es ist offen? Hallo? Geht’s noch?“, waren Takaos Gedanken, während er nun vor der angelehnten Wohnungstür stand, hinter der dieser Idiot wohnte.

Konnte der Penner nicht mal an die Tür kommen? Mit grantiger Miene öffnete der Japaner diese und erblickte selbiges Bild wie am Vortag: Der Graublauhaarige, dem er es zu verdanken hatte, dass er sicher bald mit von Schlagersängern handelnden Albträumen herumschlagen würde, saß auf seiner Couch und sah fern, ohne Anstalten zu machen, seine Bestellung in Empfang zu nehmen.

Und offensichtlich tat dies heute auch der Rothaarige nicht, da das penetrante Arschgesicht – Takao fielen ihm gegenüber ausgesprochen viele Beleidigungen ein – ihn nun ansah und in kaltem Ton aufforderte, die Wohnung zu betreten: „Willst du da Wurzeln schlagen? Bring’ das Essen rüber! Ich habe Hunger.“

Der Bote war drauf und dran zu testen, wie gut die Plastikschachteln, in der die Okonomiyaki verpackt wurden, fliegen konnten, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Er stellte die Holzkiste, aus der er das Essen zuvor entnommen hatte, an der Tür ab und ging auf den Kunden zu.

Plump stellte er das Essen vor ihm auf dem Tisch ab: „Hier.“

Den unverschämten Unterton konnte er sich nicht verkneifen, was dem Graublauhaarigen nicht entging.

Er sah von der Schachtel zu ihm hoch: „Hmm, ich sollte mich wohl mal über die Unfreundlichkeit seines Personals bei deinem Chef beschweren.“

Dass der Stehende kurz vorm Explodieren war, war nicht zu übersehen. Doch wurde dies von dem Anderen gekonnt ignoriert.

Er deutet gelassen auf den Tisch, wo eine 500-Yen-Münze lag: „Dein Geld.“

Doch Takao starrte ihn weiter stumm und zornig an, sodass der junge Mann auf dem Sofa wieder zu ihm hochsah: „Was ist noch? Kostet doch fünfhundert, oder nicht?“

„Wenn ich es entscheiden könnte, würde ich dein beschissenes Geld nicht mal anrühren, geschweige denn annehmen.“ Eine Welle von Wut schwappte aus dieser Antwort hervor.

„Na ja, ist ja deine Sache, ob du noch so einen armseligen Job verlieren willst. Aber so ein Versager wie du ist sicher ohnehin daran gewöhnt, auf der Straße zu hocken.“ Der Andere wollte gerade seelenruhig nach dem Essen greifen, als Takao ihm nun gefährlich nahe kam.

Etwas irritiert blickten ihn nun dunkelrote Augen, die keine zehn Zentimeter mehr von seinen eigenen entfernt waren, an, während der Blauhaarige sich nun aufgebracht über ihn gebeugt hatte und sich ihre Nasenspitzen fast berührten.

„Hast du mich gerade Versager genannt?“ Die Frage brachte Takao nur noch zischend hervor – er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so wütend gewesen war.

Doch der Andere schien sich keineswegs einschüchtern zu lassen.

Er sah kurz zur Seite, bevor er wieder den direkten Blickkontakt aufnahm, die laufende Nase etwas hochzog und kühl bestätigte: „Ja, habe ich. Und wann habe ich dir erlaubt mich zu duzen?“

„Stimmt, das Du ist viel zu Schade für Arschgeigen wie dich", fauchte der Andere.

Im selben Moment waren Schritte im Flur und nur Sekunden später eine Stimme hinter Takao zu hören.

Er identifizierte sie als die des Rothaarigen, der scheinbar so eben zur offenstehenden Tür herein gekommen war: „Hey, Kai, lass dich nicht stören, ich...“

Während der Ankömmling seinen Satz abrupt unterbrochen hatte, war Takao in seiner Haltung wie zu Stein erstarrt: Mit einem von ihnen hätte er sich angelegt, aber nun waren sie in der Überzahl – eindeutig ein schlechter Zeitpunkt, um seinen Gegenüber weiter zur Schnecke machen zur wollen.
 

Yuriy hatte sich bereites gewundert, dass die Wohnungstür seiner und Kais Wohnung sperrangelweit aufstand, als er aus dem Lift gestiegen war. Doch der Anblick, der sich ihm bot, als er sein trautes Heim betreten hatte, war äußerst merkwürdig: Kai, der wie gewohnt in seine Decke gemummelt auf dem Sofa saß, und sich offensichtlich ein Blickduell mit dem Okonomiyaki-Boten vom Vortag lieferte. Nasenspitze an Nasenspitze starrten sich die Beiden an. Er hatte zwar den Imbiss angerufen und für Kai Essen bestellt, damit dieser nicht verhungerte, doch solch ein Schauspiel hier vorzufinden, hatte er nicht erwartet. Was zum Henker sollte das werden? Dem Rothaarigen schoss so manche Antwortmöglichkeit durch den Kopf. Aber egal ob nun eine davon zutraf oder nicht, er wollte sich seinen Spaß nicht entgehen lassen. Grinsend ging er von hinten auf den regungslosen Lieferanten, den er mit seiner Ankunft offenbar aus der Fassung gebracht hatte, zu.

Er holte kurz aus und schlug ihm kräftig auf den Rücken: „Hey, schön dass du auch wieder da bist.“

Natürlich war dies geheuchelte Freude – Yuriy war vollkommen egal, dass der Blauhaarige erneut anwesend war, übte er schließlich nur seinen Job aus. Alles was er hatte bezwecken wollen, war das Bild, welches sich ihm nun bot: der Kleinere hatte durch den Schlag das Gleichgewicht verloren. Und da er mit verschränkten Armen dagestanden hatte, war der Abstand zwischen seinem und Kais Gesicht zu gering gewesen, um sich noch rechtzeitig an der Rückenlehne des Sofas abzufangen und damit zu verhindern, dass er seine Lippen nun auf denen des Graublauhaarigen wiederfanden. Yuriy wusste nicht, wessen Blick ihm besser gefiel: Der verärgerte, genervte Kais oder der entsetzte des Anderen – doch innerlich amüsierte er sich köstlich.

„Oh, tut mir leid.“ Sein Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht.

Ebenso schnell, wie er gefallen war, schreckte der Blauhaarige wieder hoch, machte auf dem Absatz kehrt und flüchtete schnellen Schrittes und wortlos in Richtung Tür, wo er seine Kiste wieder an sich nahm und blitzschnell die Wohnung verließ, wobei er die Wohnungstür mit einem lauten Knall hinter sich zu zog.

„Hast du dir die Zähne nicht geputzt oder warum dampft der jetzt so schnell wieder ab?“ Spöttisch sah Yuriy von der Tür zu Kai hinunter.

Dieser blickte nun mürrisch zurück: „Was sollte das jetzt?“

„Weiß nicht. Mir war so danach. War ja Zufall, dass er noch hier war. Hätte gedacht, dass er längst wieder weg ist“, war Yuriys Antwort, während dieser sich, bester Laune erfreuend, abwandte und auf sein Zimmer zuging.

Kai sah ihm nach: Yuriy, der also wie von ihm vermutet das Essen bestellt hatte, konnte so ein Idiot sein. Der Kuss hatte Kai an sich nicht gestört. Es kam ohnehin öfters vor, dass er mal hier mal da in Clubs und Bars Typen küsste, deren Namen er nicht einmal kannte – da machte einer mehr oder weniger den Kohl auch nicht fett. Aber die hirnrissigen Aktionen, die der Ältere ab und an zu seiner eigenen Belustigung auf Kosten Anderer lieferte, waren doch... na ja... eben hirnrissig. Mit einem wirschen Kopfschütteln beließ Kai es jedoch bei seinem Unverständnis – es gab einfach wichtigere Dinge als den Ivanov’schen Humor zu verstehen. Er richtete seinen Blick wieder auf den Tisch. Gerade als er erneut nach dem Essen greifen wollte, fiel sein Augenmerk auf die Geldmünze, die nach wie vor unangerührt dalag: Jetzt hatte dieser Versager tatsächlich das Geld vergessen.

„Tzz, selber Schuld, wenn er wieder seinen Job verliert.“ Das abgegriffene Metall nun ignorierend, öffnete er die Schachtel und augenblicklich strömte ihm der appetitliche Duft des Okonomiyakis entgegen.

Er nahm es genauer unter die Lupe: Nummer 9 auf der Bestellkarte, in handliche Dreiecke geschnitten und vor allem mit Zwiebeln – So wie er es liebte.

Genüsslich biss er in das erste Stück hinein, bevor er mit vollem Mund rief, dabei wieder seinen Blick auf den Fernseher richtend: „Wasch machschd du eigendlisch hia? Had Mao disch voa dü Tüa geschetzt, weil du eune Flaschä öm Bött bischd?“

„Hättest du wohl gerne.“ Der Rotschopf, dem bewusst war, was Kai von seiner Freundin hielt, antwortete lautstark aus seinem Zimmer. „Ich will nur ein paar Sachen holen. Du wirst auch heute Nacht ohne mich verbringen müssen.“

Der Jüngere schluckte seinen Bissen hinunter: „Na super. Du Arsch, ich bin krank! Kümmere dich gefälligst um mich!“

Es verging einige Zeit, bevor Yuriy mit einer geöffneten Reisetasche, die er offenbar schon zu Hälfte gefüllt hatte, aus seinem Zimmer kam: „Kannst ja den Okonomiyaki-Typen wieder her bestellen. Der kümmert sich sicher gerne um dich.“

„Der bringt mich höchstens um. Oder wird es versuchen – schaffen eher weniger. Versager bleibt nun mal Versager.“ Kai sah Yuriy nach, als dieser im Bad verschwand.

„Ach komm schon, du stehst doch auf Schmerzen – ist doch genau das Richtige für dich, wenn er dir deinen kleinen süßen Arsch versohlt“, hörte man ihn aus dem Nebenraum lachen.

Kai hob eine Augenbraue, um seiner Skepsis gegenüber Yuriys Satz Ausdruck zu verleihen: „Selbst wenn dem so wäre, würde ich DEN als Letzten herholen.“

„Wie du meinst.“ Der Rothaarige kehrte mit der nun geschlossenen Tasche in den Wohnraum zurück, ging auf Kai zu, blieb vor ihm stehen und neigte sich zu ihm hinunter, wobei auch er ihm nun gefährlich nahe kam, bevor er ihn am Kinn fasste und ihm kalt und bestimmend in die Augen sah. „Aber dass ich keine Flasche im Bett bin, solltest DU eigentlich am besten wissen.“

Ohne eine Reaktion Kais, der den eisblauen Augen mit einem pikierten Blick begegnet war, abzuwarten, neigte der Ältere den Kopf des Graublauhaarigen leicht zur Seite und küsste ihn auf die Wange, ehe er von ihm abließ und zur Wohnungstür ging: „Bis dann, Sweetheart.“

Kai sah ihm trotzig nach, bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
 

Schnaufend stand Takao vor dem roten Toyota. Diese beiden Typen hatten doch einen Knall. Sowohl dieser Hiwatari-Hirni, als auch der Rothaarige tickten nicht mehr ganz sauber. Oder hatte Letzterer ihn nicht absichtlich gestoßen, wodurch er unbeabsichtigt die graublauhaarige Pestbeule, welche er hatte gerade zur Sau machen wollen, geküsst hatte? Doch, natürlich hatte er das. So bescheuert begrüßte man doch sonst niemanden, den man kaum bis gar nicht kannte. Er hatte sich wahrscheinlich einen Spaß daraus gemacht. Und der Hiwatari-Mistkerl hatte es einfach so hingenommen?! Das war doch nicht normal. Er selbst, Takao, war zunächst so verwirrt und erschrocken gewesen, dass er auf seiner Flucht aus dieser Wohnung, in der scheinbar nur Verrückte wohnten, die Treppe genommen hatte und alle vier Stockwerke zu Fuß bewältigt hatte. Und das obwohl ihm von der Lauferei später am Abend ohnehin die Füße wieder wehtun würden. Aber inzwischen war seine Verwirrtheit purem Zorn gewichen. Wütend öffnete er den Kofferraum und warf die Holzkiste mehr hinein als dass er sie stellte. Und auch die Klappe behandelte er dieses Mal nicht sonderlich sensibel, sodass er fünf Versuche brauchte, um sie zuzuschlagen und sie auch zu blieb. Wütend trat er letztlich gegen den hinteren Radkasten auf der Fahrerseite, mit dem Erfolg, dass die Karosserie nun von einer weiteren Beule geziert wurde und sein Fuß höllisch schmerzte. Auf einem Bein humpelte er daher nach vorne, stieg ein, schloss die Tür wieder und legte seine Unterarme auf das Lenkrad und seine Stirn auf ebenjene.

„Was mache ich hier eigentlich?“, ging es ihm durch den Sinn.

Er regte sich über Jemanden auf, von dem er ohnehin längst wusste, dass er ein Vollidiot in jeder Hinsicht war, zerstörte seinen ‚Dienstwagen’ und verletzte sich dabei auch noch selber. Das konnte es unmöglich wert sein. Er musste das Geschehene vergessen und Hiwatari, so wie alles, was mit ihm zu tun hatte, aus dem Gedächtnis verbannen. Takao hob den Kopf etwas, sah dabei auf die erneut zugeschneite Windschutzscheibe und musste kurz künstlich lächeln: Wie sollte er ihn und das ganze Schlamassel, dass er ihm inzwischen eingebrockt hatte, vergessen, wenn dieser Volldepp scheinbar nicht in der Lage war, sich selber etwas zu essen zu machen, und täglich beim Imbiss bestellte? Selbst wenn man erkältet war – und das war der Graublauhaarige, so wie es sich für Takao angehört hatte – musste man doch noch in der Lage sein, ein paar Instantnudeln aufzuwärmen. Aber so wie es aussah, war dieses okonomiyakiverfressene Arschloch zu dumm dazu.

Mit Zornesfalten auf der Stirn nahm der Blauhaarige eine halbwegs aufrechte Haltung ein, trat auf die Kupplung und drehte den Schlüssel im Zündschloss: „Von wegen, ich sei ein Versager.“

Sich erneut über seine steten akustischen Begleiter Japanische Volksmusik und Scheibenwischanlage freuend, ließ er abermals die Reifen quietschen und raste dann mit überhöhter Geschwindigkeit davon.
 

Eine gute Dreiviertelstunde kämpfte Kai mit seinem Essen. Gut, er kämpfte weniger, als dass er es genoss, aber er hatte es ja auch schließlich nicht eilig, da er immer noch sicher war, sein Spielzeug im Schlafzimmer würde auf ihn warten. Gelangweilt auf die Tierdokumentation im Fernsehen starrend griff er nach dem letzten Stück seines inzwischen kalten Essens. Yuriy und der Imbissbote hatten seinen Zeitplan wirklich aus der Bahn geworfen, aber deswegen hetzte er sich jetzt nicht beim Essen ab, zumal er ja ohnehin einsam und verlassen war und somit sich für alles so viel Zeit lassen konnte, wie er wollte.

„Die Landlungenschnecke ist ein Zwitter, benötigt aber zur Paarung dennoch einen Partner...“, Informationen über die wohl glibberigsten Zeitgenossen im Tierreich hatte Kai in den letzt zwanzig Minuten genug erhalten – die meisten davon waren umgehend irgendwo im Nirvana seiner Erinnerung wieder verschwunden. Aber ‚Paarung’ war das Stichwort, auf das er gewartet hatte. Er griff nach der Fernbedienung und schaltete die Flimmerkiste ab.

„Aber ich brauche dazu keinen Partner – zumindest keinen vollständigen aus Fleisch und Blut.“, ging es Kai durch den Kopf. „Ich komme auch ohne dich zurecht, Yuriy, du elender Zwitter – du Landlungenschnecke!“

Dass er selber aufgrund seines immensen Tempos, in dem er jede Handlung ausführte, an eine Schnecke erinnert, war Kai in diesem Moment nicht bewusst. Außerdem hatte er immer noch Gliederschmerzen und war somit berechtig sich in Slow Motion zu bewegen. Im Seniorenstil erhob er sich mit seiner Decke erneut von seinem Sitzplatz, da fiel sein Blick wieder auf die 500-Yen-Münze, die noch vor ihm auf dem Tisch lag. Schulterzuckend nahm er sie an sich und ging zurück in sein Zimmer, wo er das Geld auf dem Nachttisch ablegte, bevor er zufrieden feststellte, dass der dunkelblaue Vibrator noch das stand, wo er ihn zurückgelassen hatte. Er schloss die Tür hinter sich: Jetzt würde ihn Nichts und Niemand mehr aufhalten. Das Deckenlicht aus- und die Nachttischlampe einschaltend, ließ er langsam die Fleecedecke von seinem Körper aufs Bett gleiten, bevor er sich langsam - dieses Mal hatte es nichts mit den Gliederschmerzen zu tun, sondern damit, dass er Hektik beim Sex vollkommen unangebracht fand - darauf kniete. Er legte eine Hand auf seinen linken Oberschenkel und begann, die Augen schließend, mit den Fingerspitzen seinen Körper hinauf zu streichen. Kaum dass er am Hals angekommen war, machte seine Hand, nach einem kurzen Abstecher in den Nacken, kehrt und eilte zurück zum Saum seines Pullovers. Mit leichten Bewegungen bewegte sie sich darunter. Vorfreudig auf das, was noch kommen würde, öffnete Kai seine Augen wieder etwas und blickte auf den künstlichen Penis vor ihm. Doch als sein Blick auf die Münze daneben viel, verharrte er in seiner Position. Der Anblick nahm ihm irgendwie jegliche Lust, sich selber zu verwöhnen.

Möglicherweise hatte der Okonomiyaki-Lieferant erneut seinen Job verloren, weil er vergessen hatte, die Bezahlung mitzunehmen. Aber wenn dem so war, war es ja nicht sein Problem, sondern das von diesem Versager. Anderseits... was, wenn er ihm dann wirklich etwas antun würde? So wie er sich vorhin verhalten hatte, war er sicher zu noch mehr im Stande. Und Kai wollte eigentlich nicht wissen, wie sauer der Bote noch werden konnte. Hinzu kam, dass er nicht zweimal mit daran Schuld sein wollte, wenn ein und dieselbe Person ihren Job verlor.

Seufzend ließ er seine Hand unter seinem Oberteil hervorgleiten, da seine Plan nun wie folgt aussah: Essen, gute Tat vollbringen und dann Sex. Ersteres hatte er erledigt, also nahm er nun die Münze wieder an sich und stand abermals auf, um sich eine andere Hose anzuziehen. Dass er aber auch immer Menschen gab, die seine Pläne aus der Bahn warfen! Immerhin würde er danach ein reines Gewissen haben und sich auf die wirklich wichtigen Dinge ungestört konzentrieren können. Und so kurz vor Weihnachten hatte er mit dieser Tat dann auch sicher ausgezeichnete Chancen, einer Wohltätigkeitsorganisation beizutreten. Dass er dies nicht beabsichtigte, war eine andere Sache. Zielstrebig steckte Kai das Geld in die Hosentasche, blickte dann aber noch mal wehmütig auf seinen Vibrator, bevor er zurück nach nebenan ging. Er pflückte seine Winterjacke von der Garderobe, zog sie und seine Schuhe an, steckte noch kurzer Hand sein Handy ein – ihn würde zwar niemand anrufen, aber wenn ihm danach war, könnte er zumindest Yuriy kontaktieren und ihm befehlen, ihn von den verschneiten Straßen einzusammeln – und verließ die Wohnung.
 

Wütend trat Takao eine Getränkedose, die nicht zugeschneit und somit offenbar kurz zuvor von jemandem im Park, durch den er gerade ging, fallengelassen worden war. Das Metall flog ein Stück über die Fußspuren der anderen Menschen, die in der letzten Zeit hier entlang gegangen waren, und blieb dann im Schnee liegen.

Die Hände in die Jackentasche gesteckt, lehnte er sich gegen einen Laternenpfosten, an dessen Seite ein dezenter Schneeschleier haftete, und blickte gen Himmel. Inzwischen hatte die frühe winterliche Abenddämmerung über ihm Einzug gehalten und man sah die Schneeflocken, die nach wie vor ihren Weg aus den Wolken fanden, im Licht der Laterne tanzen. Sein Atem war in der kalten Luft deutlich sichtbar. Erneut war er arbeitslos. Sicher hätte sein Chef es ihm verziehen, wenn er nur die Radkappe am alten Toyota an der Bordsteinkante vor dem Imbiss kaputtgefahren hätte – schöner gemacht hatte sie die Schrottlaube ohnehin nicht mehr. Dies war ihm nämlich passiert, als er, wütend wie er war, von seiner letzten Fahrt zurückgekommen war. Ein lautes Knacken war zu hören gewesen. Und nach dem Aussteigen hatte er die zweigespaltene Plastikscheibe neben dem Wagen vorgefunden. Etwas erschrocken, aber auch empört war sein Vorgesetzter, dem der verräterische Laut des zerberstenden Kunststoffs nicht entgangen war, aus dem Laden gestürmt. Er hatte ohnehin schon schlechte Laune gehabt, da das Geschäft an diesem Abend nicht sonderlich gut lief und er obendrein Streit mit seiner Gattin gehabt hatte, wie Takao im Nachhinein erfahren hatte. Mit erzürnter Miene hatte er den Blauhaarigen die zwei Hälften des Plastiks entsorgen lassen und war selber wieder in den Imbiss zurückgekehrt. Somit war der Jüngere zunächst mit einem blauen Auge davon gekommen. Doch als er ihm gefolgt war und der Ladenbesitzer das Geld für die Lieferung, die sein Angestellter soeben ausgeliefert gehabt hatte, wie gewöhnlich eingefordert hatte, waren so gleich das zweite Auge und Takaos Rauswurf dazu gekommen. Er hatte vor Wut über den Kunden und jenes Ereignis, welches sich in der Wohnung Hiwataris zugetragen hatte und an das er nicht mehr denken wollte, tatsächlich vergessen, die fünfhundert Yen für das Okonomiyaki mitzunehmen. Und da er selber kein Geld bei sich trug, hatte er es auch nicht aus seiner eigenen Tasche zahlen können. Wäre sein Chef besserer Laune gewesen, hätte er ihm vielleicht die Möglichkeit gegeben, es nachträglich zu bezahlen, aber das war er leider nicht. Also stand Takao nun, ohne einen Yen mehr in der Tasche, erneut auf der Straße.

Eine gute Stunde war vergangen, seit er gefeuert worden war. Er war in der Zwischenzeit kreuz und quer ziellos durch die Straßen in der Nähe des Imbisses gewandert und letztlich hier gelandet. Nachhause wollte er nicht. Er hatte keine große Lust, wieder einmal Hitoshis und Hiromis Liebesgesäusel ertragen zu müssen – die beiden turtelten wirklich in jeder freien Sekunde, ohne Rücksicht auf ihr Umfeld zu nehmen. Und Hiromi war so gut wie täglich bei ihnen zu Hause, da sie dort ungestört waren. Bei ihr zuhause gab es so etwas wie Eltern, die offenbar schwerer zu ignorieren waren, als der kleine Bruder des Freundes. Und zum Anderen musste Takao sich auch eingestehen, dass er sich schämte, schon wieder den Job verloren zu haben. Vielleicht hatte dieser Mistkerl, dem er auch dieses Schlamassel im Endeffekt zu verdanken hatte, doch Recht: Vielleicht war er ein Versager?!

„NEIN!“ Bei diesem Gedanken verließ der Blauhaarige seine lehnende Haltung und schrie es laut in die Dunkelheit hinaus. „Ich bin kein Versager!“

Ein junges Pärchen ging gerade Arm in Arm an ihm vorbei und blieb augenblicklich im Moment seines abrupten Ausbruchs stehen, um ihn ungläubig anzustarren. Er bemerkte sie im Augenwinkel und lächelte sie verlegen an, bis die Zwei kopfschüttelnd weitergingen. Takao seufzte: Kein Job, kein Geld, keine Geschenke – tolles Weihnachtsfest. Vielleicht sollte er, um der Schmach seiner Familie gegenüber zu entgehen, über die Festtage zu seinem langjährigen Freund Kyouju gehen. Sie kannten sich seit der Mittelschule. Und sie verstanden sich auch heute noch ausgezeichnet, auch wenn sich ihre Interessen gänzlich unterschieden – Kyouju war ein entsetzlicher Computerfreak, der allen Klischees, die es über ebendiese gab, bestätigte. Er trug eine Brille, sein Kleiderschrank brachte offenbar nicht mehr hervor als unifarbene T-Shirts und abgetragene Jeans, er hatte des Öfteren einen Dreitagebart, war schüchtern gegenüber anderen Menschen und besaß eine Pornosammlung, die so groß war, dass man sich mindestens eine Woche Urlaub nehmen musste, wenn man sich alle Filme hintereinander ansehen wollte. Aber dann würde er, Takao, bis nach Neujahr – noch so ein Fest, dem er unbedingt entgehen musste – zumindest beschäftigt sein, auch wenn ihn diese Filme kein bisschen interessierten. Er wusste nicht woran es lag, aber er fand nichts Erregendes daran, einem Mann und einer Frau dabei zu zusehen, wie sie es wild trieben und sie dabei merkwürdige, quiekende Geräusche von sich gab.

Mutlos blickte er in das Schneegestöber um ihn herum, als plötzlich sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Ohne auf das Display zu achten, holte er es hervor, schob die Abdeckung hoch und hielt es an sein Ohr.

„Ja?“, fragte er in genervtem Ton.

Doch sogleich sah er überrascht und erschrocken drein, als er hörte, wer da am anderen Ende war.

„Ja...“, er begann wie wild zu nicken, obwohl sein Gesprächspartner dies nicht sehen konnte. „Ja. Natürlich. Ja, ich werde da sein. Vielen Dank.“

Mit fassungslosem Gesicht legte er auf und blickte auf das Telefon: Das war der Besitzer des Okonomiyaki-Ladens gewesen. Er hatte bereits bei Takao zu Hause angerufen und dort von seinem Bruder seine Handynummer erfahren, die er auch tatsächlich genutzt hatte, um ihm mitzuteilen, dass er ab morgen wieder als Taxilieferant arbeiten könne.

„Der Kunde hat eben das Geld vorbeigebracht. Er sagte, es sei nicht deine Schuld gewesen, dass du es vergessen hast. Ich habe es mir nochmal überlegt und gebe dir noch eine Chance“, waren seine Worte gewesen.

Takao konnte sein Glück nicht fassen. Dieser verdammte Arsch war tatsächlich von seiner Couch aufgestanden und hatte ihm das Weihnachtsfest gerettet? Für einen Moment wollte der Blauhaarige sich aufmachen, um Hiwatari zu umarmen und ihm zu danken, doch dann fiel ihm ein, dass es ja eigentlich nur seine Schuld war, dass es überhaupt soweit gekommen war.

Verstimmt sah Takao weiter auf das Handy: „Das war ja wohl auch das Mindeste, was er tun konnte.“

Und sowieso: Der Hornochse hatte Glück gehabt, dass Takao nicht umgehend nach seinem Rauswurf bei ihm aufgekreuzt war und seine Wohnung doch noch in Brand gesteckt hatte. Ein Piepsen, welches ihm verkündete, dass der Akku seines Telefons keinen Saft mehr hatte, riss ihn aus den Gedanken. Um das Warnsignal nicht noch einige Male hören zu müssen, bis der Apparat von alleine ausging, schaltete er ihn manuell ab und steckte ihn wieder ein. Schnaufend lief er weiter durch den Schnee, während man in der Nähe jemanden husten hörte.
 

Seine verschnupfte Nase machte Kai zu schaffen. Er war den ganzen Weg bis zum Imbiss gelaufen, nur um lächerliche fünfhundert Yen dahin zu bringen. Aber was war ihm auch anderes übrig geblieben? Ein Auto hatte er nicht und mit dem Fahrrad ließ es sich, abgesehen davon, dass er es ohnehin nicht leiden konnte, bei diesem Schneeaufkommen kaum vorwärtskommen. Taxis waren ihm zu teuer und öffentliche Verkehrsmittel zuwider. Und so entsetzlich weit war der Weg ja nun auch nicht gewesen, zumal er als Halbrusse eigentlich so einiges an Kälte vertragen konnte. Aber sein ohnehin schon angeknackstes Immunsystem schien da anderer Meinung gewesen zu sein. Zumindest lief seine Nase jetzt unaufhörlich. Taschentücher hatte er natürlich keine dabei, denn Hochziehen war einfach viel authentischer bei einer Erkältung – zumindest würde er das behaupten, wenn ihn jemand danach fragen würde. In Wirklichkeit hatte er sie zu Hause vergessen.

An seine Schmerzen am ganzen Körper wollte er inzwischen gar nicht mehr denken. Und zu allem Überfluss musste er nun auch noch andauernd husten. Und das alles nur wegen beschissenen, lächerlichen, doofen fünfhundert Yen! Kai konnte nicht glauben, dass er sich all das angetan hatte, nur um einem dahergelaufenen Lieferanten den Arsch zu retten.

„Ich bin viel zu nett“, ging es ihm durch den Kopf, während er mit seiner Nase kämpfte.

Aber es war tatsächlich gekommen, wie er es sich schon fast gedacht hatte: Der Okonomiyaki-Bote war entlassen worden, weil er das Geld vergessen hatte. Doch Kai hatte sich überwunden und dem Imbissinhaber versichert, dass es nicht die Schuld seines Angestellten gewesen war. Er hatte ihn daraufhin anrufen und wieder einstellen wollen – ob er es wirklich getan hatte, wusste Kai nicht, da er gleich wieder gegangen war. Er wollte nur nach Hause in sein Bett. Doch innerlich hoffte er irgendwo, dass der Mann sein Wort gehalten und die Kündigung umgehend rückgängig gemacht hatte. Kai wollte nämlich wirklich nicht das Opfer einer noch größeren Wutattacke als der von vor zwei Stunden werden – dazu war er im Moment einfach nicht in der Verfassung.

Die beißende Kälte zerrte an seinen Kräften, während er nun den Park durchquerte, durch den er auch schon auf dem Hinweg gegangen war. Vielleicht sollte er wirklich ernst machen und Yuriy anrufen. Nein, das konnte er nicht tun. Er wusste, wie sehr er seinen Freund nervte, wenn er so drauf war, wie im Moment. Er hatte sich auch mal eine Pause verdient. Andererseits ging es ihm inzwischen wirklich nicht mehr erwähnenswert gut.

Wieder musste er stark husten, doch kaum war dieses verklungen, blieb er abrupt und parallel zu einer Person, die ihm entgegengekommen war, stehen. Er stand nun auf einer Höhe mit ihr, als er sie bemerkt hatte.
 

Wie zur Salzsäule erstarrt hatte Takao innegehalten, als er plötzlich jemand Bestimmtes neben ihm bemerkte – er war ihm entgegengekommen.

Weiter geradeaus blickend knirschte er mit den Zähnen: „Verfolgst du mich?“

„Dasselbe könnte ich dich fragen“, war die unwirsche Antwort.

„Ich bin nur auf dem Weg nachhause“, schwindelte Takao.

„Ich ebenfalls“, erwiderte der Andere.

„Schön.“ Der Blauhaarige sah weiter emotionslos in seine Gehrichtung. „Und ich werde mich nicht dafür bedanken, dass du das Geld zu meinem Chef gebracht hast, auch wenn er mich wieder eingestellt hat.“

„Sollst du auch nicht, ich habe es nämlich nicht für dich getan“, kam es trocken zurück – auch der Andere sah ihn nicht an.

Takao blieb ebenfalls stur: „Schon klar. Du hattest nur Schiss vor mir.“

„Träum weiter und hör’ auf mich zu duzen“, war die Reaktion darauf.

„Nein, du duzt mich auch. Und zu Idioten wie dir bin ich nicht höflich“, erklärte der Blauhaarige.

„Schön“, der Andere ging weiter, „dann mach’ was du willst, aber lass mich in Ruhe.“

„Werde ich auch.“ Takao setzte sich ebenfalls wieder in Gang.

Sie waren bereits einige wenige Meter wieder voneinander entfernt, als der Blauhaarige ein Niesen des Anderen hörte.

„Gesundheit“, rief er gleichgültig.

„Ich dachte du wolltest nicht...“, der Andere wurde kurz von einem Hustenanfall unterbrochen, „...höflich zu mir sein.“

„Das war auch nicht höflich gemeint“, brachte der Blauhaarige frech hervor.

„Nein, natürlich nicht. Du...“, wieder kam das Husten dazwischen.

Dieses Mal beendete der Andere seinen Satz aber nicht.

„Was? Was du?“ Davon ausgehend, dass die Person hinter ihm hatte ihn erneut beleidigen wollen, drehte er sich nun aufgebracht um und wollte verbal und vielleicht auch physisch auf ihn losgehen, als ihm auch schon der Schrecken im Gesicht stand.

Der Graublauhaarige stand schwer hustend da und sackte im nächsten Moment in sich zusammen. Ihren Kleinkrieg für einen Augenblick vergessend, eilte Takao zu ihm zurück.
 

Im Schnee kauernd hielt Kai seinen Kragen, während er sich mit der anderen Hand abstützte. Plötzlich hatte ihn jegliche Kraft verlassen. Er zitterte am ganzen Körper und keuchte vor Erschöpfung. Der Blauhaarige, mit dem er sich gerade noch ein absurdes Wortgefecht geliefert hatte, kam zu ihm zurück.

„Alles okay?“, fragte er hörbar besorgt.

„Klar. Alles bestens. Sieht man das nicht?“ Kai belächelte dies. „Und jetzt verzieh dich endlich!“

Doch entgegen seiner Aufforderung hockte der Andere sich neben ihn: „Du bist ganz blass.“

Kai antwortete nicht: Was sollte das jetzt? Natürlich war er etwas blass – er war krank. Plötzlich spürte er die Hand des Blauhaarigen auf seiner Stirn.

„Du hast Fieber!“, rief dieser kurz darauf entsetzt aus.

„Tzz.“ Fieber, so etwas Blödsinniges, fand Kai und zog seinen Kopf weg.

Und selbst wenn er es gehabt hätte, würde er sich jetzt sicher nicht hier die Blöße geben. Stumm erhob er sich. Doch kaum, dass er wieder auf den Beinen war, gaben diese wieder nach. Dieses Mal fand er sich jedoch nicht im Schnee kniend wieder. Der Blauhaarige war aufgesprungen und hatte ihn, im Moment als er erneut zu fallen drohte, aufgefangen.

Kai blickte auf die Hand auf seiner Brust, die ihn davon abhielt, vornüber zu kippen, bevor er unfreundlich in das Gesicht des Anderen sah: „Ich brauche deine Hilfe nicht.“

„Das sieht für mich aber anders aus.“ Er hielt ihn weiter fest.

Die rubinroten Augen des Graublauhaarigen funkelten ihn böse an: „Du sollst mich loslassen, Versager!“

Mit einem dumpfen Aufschlag landete Kai erneut im Schnee – dieses Mal allerdings bäuchlings.

„Bitte sehr“, nun war es der Andere, der düster auf ihn hinabblickte und ihn bei dem Wort ‚Versager’ hatte fallen lassen.

Mit einem Blick, der ironischen Dank ausdrückte, lag Kai nun da, bevor er versuchte sich wieder aufzurichten. Doch während er noch auf allen Vieren im Schnee kauerte und erneut mit seinem Husten kämpften, wurde er schon von zwei Händen hochgezogen.

„Ich bringe dich nach Hause“, erklärte der Blauhaarige und legte einen von Kais Armen um seine Hals, während er ihn mit der anderen Hand hinter dem Rücken entlang an der Taille fasste, um zu verhindern, dass er erneut nähere Bekanntschaft mit dem weißen Untergrund machte.

„Ich brauche deine Hilfe nicht“, wiederholte der Kranke leise und verschnupft.

Sein Helfer seufzte: „Ich würde dich auch gerne hier liegen lassen, aber ich will nicht daran Schuld sein, dass du hier im Schnee verreckst. Ich habe deinetwegen schon genug Ärger gehabt.“

Kai schwieg. Er wusste im Moment nicht, was er dazu sagen sollte. Und so ließ er sich widerwillig von dem Anderen stützen, während sie sich nun langsam gemeinsam auf den Weg zu Kais Wohnung machten.
 

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte Kai, nachdem sie sich bis zum Parkausgang angeschwiegen hatten.

„Takao. Kinomiya, Takao“, der Blauhaarige blickte weiter geradeaus, „und du heißt Kai, oder?“

Der Angesprochene sah ihn überrascht an: „Ja, woher...“

Er wurde unterbrochen: „Der andere Idiot hat dich vorhin so genannt, als er zur Tür rein kam.“

„Yuriy ist kein Idiot, du Versager“, zischte Kai.

„Pass auf was du sagst, oder ich lasse dich doch liegen“, kam es gelassen von Takao.

Ob dies eine leere Drohung war oder nicht, wusste der Graublauhaarige nicht. Aber er wollte ihn auch nicht provozieren, um dies herauszufinden. Überhaupt war ihm im Moment absolut nicht mehr nach Provokation zu Mute. Er wollte nur noch heim. Und weil er Yuriy nicht anrufen und noch mehr belasten wollte, schwieg er.

„Der Rotschopf heißt also Yuriy?!“ Takao schoss plötzlich so manche Frage durch den Kopf. „Brüder seid ihr doch bestimmt nicht – ihr seht euch nicht ähnlich. Ist er ein Freund von dir?“

„Ja“, war die karge Antwort.

„Dein bester?“, war die nächste Frage.

„Ja“, kam es wiederholt verschnupft von Kai.

„Und ihr wohnt zusammen?“, wollte der Andere weiter wissen, während sie nun eine ruhige Seitenstraße entlang gingen.

„Ja.“ Wieviele Fragen er ihm wohl stellen wollte?

Kai hatte keine große Lust, alles aus seinem und Yuriys Leben zu erzählen. Zum Einen gab es dort Vieles, was Beide gerne für sich behielten. Zum Anderen stieß ihre eigenartige Beziehung, die sie führten, erfahrungsgemäß auf Argwohn und weitere, merkwürdige Fragen bei Dritten. Auch Boris hatte lange gebraucht, um zu verstehen, dass sie nicht einfach nur beste Freunde waren, sondern auch vieles miteinander erlebten, was auch Boris mit Kai ausprobierte. Kai seufzte: Jetzt dachte er schon wieder an seinen Verflossenen... oder eher an den Sex, der ihm im Moment fehlte.

Takao vernahm den Seufzer: „Ist irgendetwas?“

„Nein“, antwortete Kai leise.

Der Blauhaarige schien mit dieser Antwort zufrieden und fragte daher neugierig weiter:

„Ist der eigentlich immer so ein Hirni?“

„Wer?“ Der Andere hatte schon wieder vergessen, von wem sie gerade noch gesprochen hatten.

Der Jüngere zog Kais rutschenden Arm um seine Hals wieder etwas höher: „Yuriy.“

„Er ist kein Hirni“, zischte Kai erneut. „Und er hat an so was halt seinen Spaß.“

„Seine Spaß, pff“, kaum hörbar gab Takao, dem der unfreiwillige Kuss immer noch reichlich unangenehm war, dies von sich.

Der Graublauhaarige blickte ihn skeptisch an: War das, was Yuriy da fabriziert hatte, so schlimm für ihn gewesen?
 

Schweigend kamen die Zwei irgendwann an der Haustür des Wohnhauses, in dem Kai wohnte, an.

Dieser griff in seine linken Hosentasche, die allerdings leer war: „Wo ist denn mein...“

Weil Takao ihn immer noch stützte, was wohl auch ganz gut war, denn Kai fühlte immer noch den Pudding in seinen Beinen, und seine rechten Arm samt Hand fest im Griff hatte, versuchte Kai mit der Linken um sich herum an seine rechte Hosentasche zu greifen. Doch er war so zittrig und schlapp, dass Takaos freie Hand den Weg schneller fand und die Tasche von außen abtastete, ohne dass der Blauhaarige hinsah, um zusehen, wo er hingriff.

Als er ihn glaubte gefunden zu haben, griff er fest zu: „Ich hab ihn!“

Erst als er Kai ins Gesicht sah und dieser ihn zunächst perplex und dann missgestimmt anblickte, bemerkte er, dass er da nicht den Schlüsselbund in der Hand hatte.

„DAS ist NICHT mein Schlüssel.“ Zähneknirschend griff Kai wenig später in seine linke Manteltasche, fischte das Bund heraus und hielt es Takao vielsagend vor die Nase.

Der Andere, der erschrocken seine Hand wegnahm, sah ihn peinlich berührt an, war ihm nun bewusst, was er da zu packen bekommen hatte. Wortlos öffnete Kai die Tür.
 

In der Wohnung angekommen, löste der Ältere sich von seiner Stütze und entledigte sich seiner Garderobe. Takao blieb an der Tür stehen, schloss diese aber hinter sich und sah sich interessiert um. Als er das erste Mal in diesem Raum gestanden hatte, hatte er seiner Umgebung keine große Beachtung geschenkt – zu groß war seine Wut auf den Anderen gewesen. Doch dafür musterte er die kahlen, weißgestrichenen Wände und die aalglatte Einrichtung nun umso genauer. Für seinen Geschmack wirkte alles viel zu kalt und ordentlich. In seinem eigenen Zimmer herrschte generell ein rigoroses Chaos. Er beobachtete Kai, der in einem der Nebenräume verschwand, ohne von ihm noch viel Notiz zu nehmen. Etwas geistesabwesend zog Takao seine Schuhe aus, um ihm zu folgen. Auch seiner Jacke entledigte er sich, da die Wohnung gut beheizt war und es ihm so zu warm wurde.

Kai war in sein Schlafzimmer gegangen, wie der Blauhaarige feststellte, als er nun ebenfalls im Zimmer stand.

Während Kai sich erschöpft aufs Bett sinken ließ, wo immer noch seine kuschelige Fleecedecke lag, sah der Andere sich auch hier um: Ebenfalls alles recht ordentlich, sah man von Kais Gürtel ab, der auf dem Boden lag, nachdem Kai diesen aus den Schlaufen seines Hosenbunds gezogen und ihn einfach fallengelassen hatte. Sein Blick wanderte weiter durch den Raum bis zum Nachttisch, wo die daraufstehende Lampe als einzige Lichtquelle im Zimmer vor sich hin leuchtete und gedämpftes Licht abgab. Perplex starrte Takao auf das Objekt davor.

„Was zum Teufel...?“ Er konnte die Frage, die ihm so herausrutschte, nicht beenden – zu verlegen machte ihn, was er da sah.

Kai, der beide Augen geschlossen hat, öffnete eins wieder und verfolgte Takaos Blick, der geradewegs auf den Silikonpenis fiel, der nach wie vor dastand.

Er sah wieder zurück zu dem Blauhaarigen und reagierte auf dessen Miene: „Noch nie einen Vibrator gesehen?“

Der Angesprochene begann zu stottern: „Öhm, doch... ja... schon. Nur nicht... in echt. Ich hätte nicht gedacht, dass du so was hier rumstehen hast. Warum nimmt deine Freundin ihre Sachen nicht mit nach Hause?“

„Weil er...“, während er die Fleecedecke unter sich wegzog und auf den Boden fallen ließ, da sie zu viele Unebenheiten bildete, um bequem darauf liegen zu können, griff Kai nach zwei der Kosmetiktücher, um sich damit die Nase zu putzen, „...mir gehört.“

Takao klappte die Kinnlade herunter. Kai jedoch achtete nicht darauf, sondern knüllte die benutzen Tücher zusammen und warf sie in den Papierkorb, der nicht weit vom Bett weg stand, bevor er wieder erschöpft die Augen schloss. Es war so typisch für viele Heteros, dass sie beim Anblick solcher Sachen aus der Fassung gerieten. Während der Andere weiter auf das Spielzeug starrte und es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis ihm die Augen ausfielen, richtete er sich jedoch wieder auf und zog seinen Pullover aus. Zumindest versuchte er es. Aufgrund seiner Gliederschmerzen war er nämlich zu unbeweglich, um ihn über den Kopf zu ziehen, wie er es immer tat, sodass er sich schließlich darin verhedderte und verzweifelt versuchte sich zu befreien. Die relativ unbeholfenen Bewegungen und die merkwürdigen Geräusche, die er dabei machte, ließen Takaos Aufmerksamkeit nun noch vom Synthetikglied abgleiten und zu Kai hinüber schwenken. Etwas argwöhnisch beobachtet er das Schauspiel, bevor er kopfschüttelnd seine Jacke, die er die ganze Zeit über festgehalten hatte, beiseite legte, zu ihm hinging und ihm den Pullover ganz über den Kopf zog.

„Danke“, seufzte Kai und ließ sich wieder zurück aufs Kissen sinken.

Takao legte das Oberteil weg und beobachtete den Graublauhaarigen dann, wie er mit nacktem Oberkörper auf der Seite dalag, die Augen geschlossen hatte und ruhig atmete.

„Ich will ihn berühren“, ...um Himmelswillen, bei was für einem Gedanken hatte Takao sich da erwischt?

Schockiert über sich selbst wandte er sich in seiner Verlegenheit etwas ab.

Plötzlich hörte er Kai verschnupft fragen: „Warum bist du eigentlich noch hier?“

Takao sah auf: „Öhm, du hast nicht gesagt, dass ich gehen soll. Und ich kann dich, so wie es dir geht doch nicht alleine lassen. Yuriy ist ja scheinbar nicht hier.“

„Hmpf.“ Das war alles, was Kai daraufhin von sich gab.

Warum meinten immer alle, er bräuchte ein Kindermädchen? Er hatte keine Ahnung. Aber er war jetzt auch zu kraftlos, um darüber nachzudenken. Daher schloss er wieder seine Augen.

Takao sah ihn über die Schulter hinweg wieder an.

„Ich hole dir mal etwas zu Trinken“, damit verließ er den Raum und suchte die Küche auf – verlaufen konnte man sich in der kleinen Wohnung nicht.

Nachdem er Gläser und etwas zu Trinken gefunden hatte, kehrte er zurück. Der Blauhaarige ging wieder zu Kai und setzte sich auf die Bettkante. Das Gesicht des Anderen war immer noch kränklich blass.

Er hielt ihm das Wasserglas hin: „Hier, bitte.“

Kai sah ihn zunächst misstrauisch an, erhob sich aber dann etwas, um einige Schlucke zu sich zu nehmen, bevor Takao ihm das Glas wieder abnahm und der Andere zurück sank. Der Blauhaarige stellte das Wasser auf dem Nachttisch ab, wobei sein Blick erneut kurz auf den Vibrator fiel. Abermals peinlich berührt sah er hastig zurück zu Kai. Kleine Schweißperlen bildeten sich an seinen Schläfen und seinem Hals. Erneut legte Takao ihm die Hand auf die Stirn – er hatte nach wie vor Fieber.

„Vielleicht sollte ich einen Arzt rufen“, sagte er leise.

Doch Kai lehnte ab, ohne die Augen zu öffnen: „Blödsinn. Doch nicht wegen einer Erkältung.“

Daraufhin schweigend sah der Blauhaarige ihn weiter an. Sein Blick fiel auf Kais Mund, den er leicht geöffnet hatte, da er nicht durch die Nase atmen konnte. Bisher waren ihm diese schmalen, aber schönen Lippen nicht sehr aufgefallen. Er verspürte auf einmal das dringende Bedürfnis sie noch einmal zu berühren. Ohne nachzudenken hob er zögerlich eine Hand und bewegte sie in Richtung Kais Gesicht. Aber kaum, dass zwei seiner Finger ihn leicht berührt hatten, riss er die Augen auf. Takao schrak zurück und stand auf.

Kai sah ihn ernst an: „Was sollte das?“

„Ich... ähm... ent... entschuldige“, verhaspelte sich sein Gegenüber.

Kai hatte die Berührung zwar nur leicht gespürt, aber dennoch ausreichend genug, um sich nun auf einem Unterarme zu abzustützen, sich dadurch etwas aufzurichten und den Anderen neugierig anzusehen.

„Wolltest du mich gerade befummeln?“, fragte er höhnisch.

„Was? Nein“, Takao sah ihn entsetzt an, „ich bin doch nicht schwul!“

Kai legte den Kopf in den Nacken und blickte ihn aus dem Augenwinkel an: „Ach nein? Was macht dich da so sicher? Hast du schon mal einen anderen Kerl außer mir geküsst?“

Der Jüngere lief nun etwas rot an, da er das tatsächlich schon einmal hatte. Es war ein ehemaliger Schulkamerad gewesen – Max war sein Name. Beide waren nach einer Party sturzbetrunken gewesen und so war es dann passiert. Aber zu mehr als Küssen war es nicht gekommen.

„Ein Schweigen ist auch eine Antwort. Also ja.“ Kai deutete sein Verhalten richtig.

„Und hast du schon mal mit einer Frau geschlafen?“

Jetzt wurde es Takao zu bunt, daher fauchte er ihn an: „Hat dich nicht zu interessieren!“

Doch auch hieraus konnte der Graublauhaarige, der erneut husten musste, etwas schlussfolgern: „Das heißt nein.“

„Und wenn schon!“ Takao sah ihn ernst an. „Das heißt alles nicht, dass ich schwul bin.“

„Natürlich nicht – aber sicher wissen tust du es auch nicht.“ Kai drehte sich auf den Rücken und stützte sich nun auf beide Unterarme, auch wenn das für ihn in seiner gegenwärtigen Verfassung relativ anstrengend war. „Was hält dich also davon ab, auszuprobieren, ob es dir gefallen würde oder nicht?“

Dass er sich gerade regelrecht als Freiwild anbot, war Kai bewusst. Und eigentlich war ihm Takao bisher für so etwas ja zuwider gewesen. Doch inzwischen hatte er an der offensichtlichen Unerfahrenheit des Anderen Gefallen gefunden. Es machte ihm Spaß, damit Spielchen zu treiben. Und auch wenn die Erkältung ihn inzwischen fast komplett ausgelaugt hatte, so sehnte er sich immer noch nach sexueller Zuneigung – und das von Minute zu Minute mehr. Wer ihn von dieser Sehnsucht erlöste war ihm daher inzwischen schon fast gleich.

Takao zögerte mit seiner Antwort, sodass Kai die Gelegenheit erneut für sich nutzte:

„Sag mir bitte nicht, du hast Angst, dass ich dich mit der Erkältung anstecke – das habe ich wahrscheinlich längst getan.“

Der Blauhaarige sah zur Seite: Natürlich hatte er davor keine Angst. Aber er wusste doch überhaupt nicht wie das ging. Er hatte noch nie mit einem Mädchen ernsthaftere Zärtlichkeiten ausgetauscht und jetzt sollte er es ausgerechnet mit einem Mann das erste Mal tun? Das war doch bescheuert.

Wieder keine Antwort bekommend, entschloss Kai sich, ihn wieder zu provozieren: „Oder... hast du Angst, dass du doch nur wieder den Versager raushängen lässt?“

Augenblicklich sah Takao ihn wieder wütend an und schlug mit der Faust gegen die Zimmertür, neben der er stand und die daraufhin zufiel, bevor er einen Schritt ans Bett macht: „Nenn’ mich nicht Versager! Ich bin keiner!“

„Beweis es mir.“ Kais Blick hatte etwas Verführerisches.

Zweifelnd sah Takao auf den Vibrator neben ihnen, als er bemerkte, wie Kai eine Hand auf seine eigene Brust legte und damit über seine trainierten Bauchmuskeln langsam hinab zu seinem Hosenbund glitt, wo er mit einer kurzen Handbewegung Knopf und Reißverschluss öffnete. Takao konnte nicht anders als ihn dabei genauestens zu mustern. Er wollte seinen Blick abwenden, doch es ging einfach nicht. Als der Ältere ihn nun auch noch mit dem leicht geöffneten Mund und halbgeschlossenen Augen ansah, bemerkte er, dass sich in seiner eigenen Lendengegend etwas deutlich regte. Doch so peinlich ihm dies auch war, er war von der Situation, in der er sich befand, vollkommen paralysiert und nicht in der Lage irgendetwas dafür zu tun, dass es Kai verborgen blieb. Mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen sah der Graublauhaarige auf den Schritt des Jüngeren, wo sich eine deutliche Beule abzeichnete: Männer ohne Erfahrung waren wirklich leicht zu erregen.

„Und? Stehst du noch im inneren Konflikt mit dir selbst?“ Kai sah Takao abwartend an. „Also dein Körper hat sich scheinbar schon entschieden.“

Mehr Reaktionen als weitere Schamesröte im Gesicht zeigte der Angesprochene jedoch auch nach längerem Warten nicht. Ihm war einfach nur nach Weglaufen zu Mute, doch seine Beine hatten sich offensichtlich dazu entschieden, stehen zu bleiben.

Daher setzte Kai sich nun aufrecht hin: „Meine Güte, das kann man ja nicht mehr mit ansehen.“

„Was...?“ Immer noch unfähig zu handeln, musste Takao nun beobachten, wie der Andere sich an seinem Gürtel zu schaffen machte.

Fast schon hilflos verfolgte er Kais Finger, die geschickt die Schnalle öffneten. Was sollte er nur tun? Er konnte das doch nicht einfach geschehen lassen. Er musst ihm ein für alle Mal zeigen, dass man ihn nicht einfach einen Versager schimpfen konnte. Und selbst wenn er einer war, dann wollte er dies zumindest nicht bestätigen, indem er nichts tat. Auch wenn er keine Ahnung hatte, wie man das hier spielte, er würde es zumindest versuchen. Und am Besten würde er mit dem Anfangen, worin er zumindest etwas geübt war.

Kai wollte sich gerade mit dem Hosenknopf befassen, als die Miene Takaos plötzlich vor Entschlossenheit nur so strotzte. Abrupt packte er die Handgelenke des Anderen, zog sie von seinem Bund weg und drückte ihn zurück in die Kissen, während er sich breitbeinig über ihn kniete. Doch ein wenig überrascht von dieser unangekündigten Selbstsicherheit des Blauhaarigen blickte er ihn an, als sich Takaos Lippen auch schon auf seine legten, während er ihn weiter fest ins Kissen drückte. Die braunen Augen, in die er nun blickte strahlten eine Zielstrebigkeit aus, die Kai bisher selten gesehen hatte. Zufrieden öffnete er seinen Mund noch etwas weiter, als die Zunge des Anderen dabei war, forsch in seine Mundhöhle vorzudringen. Die Art und Weise mit der Takao seine Zunge umspielte, sagte ihm, dass es nicht das erste Mal sein konnte, dass er jemanden so küsste. Während er nun die Augen schloss, glitten die Hände des Anderen seine Arme, die neben Kais Kopf lagen, hinab und begannen neugierig seine Brust zu erkunden. Sanft strichen sie über die Haut, die durch das Fieber bereits von einem zarten Schweißfilm überzogen wurden. Doch viel weiter hinab wagten sie sich scheinbar nicht. Sie berührten nicht einmal die Brustwarzen des Graublauhaarigen. Und Kai spürte deutlich, dass Takaos Hände zitterten – der Jüngere war merklich angespannt. Daher öffnete er die Augen wieder und brachte sich und den auf ihm Sitzendem mit dem Bisschen, was er noch an Kraft hatte, in eine aufrechte Position. Verwundert sah der Blauhaarige ihn an: Hatte er etwa schon was falsch gemacht? Doch Kai lächelte zaghaft, bevor er dem Anderen das Sweatshirt auszog. Nun war er derjenige, der seine Hände auf Takaos Brust und seine Lippen an dessen Hals legte. Sinnlich strich er über die nackte, weiche Haut des Anderen, leckte mit der Zunge seinen Hals entlang und kniff sanft in seine Brustwarzen. Der Schmerz ließ Takao scharf die Luft zwischen den Zähnen einziehen. Doch es war ein Schmerz, der die Lust auf mehr in ihm weckte.

Kai legte eine Hand auf Takaos Hinterkopf und zog ihn dicht an sich ran, sodass er ihm mit seiner dunklen Stimme ins Ohr flüstern konnte: „Sei nicht so ängstlich. Mach einfach was dir gefällt.“

Damit ließ er wieder von ihm ab und sich selbst wieder ins Kissen fallen. Erwartungsvoll blickte er den Jüngeren an. Dieser brauchte einige Sekunden, ehe er Kais Anweisung verstand, sich wieder zu ihm herab beugte und seine Hände erneut auf Reisen schickte. Doch wieder umstrichen sie Kais Brustwarzen nur - sehr zu dessen Bedauern. Lernte er denn nicht dazu? Allerdings wurde der Graublauhaarige so gleich gelehrt, dass man keine voreiligen Schlüsse ziehen sollte, als sich Takaos Lippen an einer der gewünschten Stellen niederließen und er sanft in die kleine Erhebung biss, um sie dann mit der Zunge zu umspielen. Genüsslich atmete Kai aus, während Takao sich auch der anderen Seiten widmete und das schmerzliche, aber angenehme Spiel dort wiederholte. Seine Hände spielten währenddessen an seinem Bauchnabel und zeichneten zärtlich die Bauchmuskulatur des Älteren nach. Kai blieb einfach regungslos liegen und genoss, was der Andere da tat. Zufrieden beobachtete er bald, wie Takao tiefer rutschte und ihn Stück für Stück seiner Hosen entledigte, bis er splitterfasernackt unter ihm lag. Es dauerte zwar etwas, bis die Finger des Blauhaarigen ihre Liebkosungen an tieferen Stellen fortsetzten, doch als bald sie es taten, entfuhr Kai ein lustvolles Stöhnen. Irgendwann konnte er nicht mehr anders, als blindlings nach dem Gleitgel auf der Nachtkonsole suchen. Kaum dass er es gefunden hatte, hielt er es Takao mit wollüstigem Blick hin. Dieser hielt inne und sah irritiert zurück.

Kai musste angesichts seiner erneuten Ratlosigkeit schmunzeln: „Egal was du da jetzt weiter machst, ohne geht’s nicht. Ich bin nämlich keine Frau.“

Takao sah auf die Tube in seiner Hand: Er war ausreichend aufgeklärt, um zu verstehen, was Kai meinte, doch plötzlich überflog ihn ein erneutes Gefühl von Angst. Er hatte doch wirklich keine Ahnung davon. Aber offenbar duldete Kai keinen Rückzug. Er öffnete die Tube, ergriff eine von Takaos Händen und drückte etwas von dem kalten Inhalt auf seine Fingerspitzen.

Der Jüngere sah ihn verzweifelt an: „Kai, ich... ich kann das nicht.“

„Doch, das kannst du.“ Der Graublauhaarige hielt seine Hand weiter fest, legte die Tube wieder beiseite und bewegte Arm und Hand des Jüngeren in die gewünschte Richtung.

Und trotz anfänglichen Widerstands fand Takao seine Finger letzten Endes dort wieder, wo Kai sie haben wollte. Und das, was er daraufhin tat, sollte nicht das Letzte gewesen sein, wozu Kai ihn an diesem Abend trieb.
 

Ein fremder Geruch stieg Takao in die Nase, als er aufwachte. Geblendet blinzelte er dem Tageslicht, das durchs Fenster fiel, entgegen. Wo war er? Plötzlich nahm er langsame, gleichmäßige Atemzüge hinter sich wahr. Er drehte sich um: Dort lag Kai auf dem Rücken. Einen Arm hatte auf seinem nackten Oberkörper liegen. Die Haare hingen ihm zum Teil zerzaust ins Gesicht. Etwas zögerlich blickte der Blauhaarige unter die Bettdecke, ließ sie aber sofort wieder hastig sinken. Er erinnerte sich nun wieder daran wo er war und an die vergangene Nacht. Jedes Detail lief wie im Film vor seinem inneren Auge ab. Es wirkte wie ein Traum, doch es war keiner. Warum sonst sollte er hier nackt neben dem Anderen liegen? Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg, wenn er daran dachte, doch er wusste auch, dass nicht nur er seinen Spaß gehabt hatte. Er sah neben das Bett: Ein paar zusammengeknüllte Kosmetiktücher lagen dort verstreut. Aus einem lugte ein gelbes Kondom hervor. Ihm hallten die Laute, die Kai in dieser Nacht von sich gegeben hatte, wider. Dann fiel sein Blick auf die Uhr am Radio, das im Regal neben dem Fenster stand: Takao schrak auf. Es war bereits kurz nach dreizehn Uhr. Hastig stand er auf und lief einmal ums Bett herum, um seine Boxershorts zu finden.

Er hatte sie gerade wieder angezogen und bückte sich nach seiner Jeans, als er Kai mit verschnupfter Nase murmeln hörte: „Wo willst du denn so plötzlich hin?“

Verschlafen blickte er ihn über die Bettdecke, mit die er nur noch halb zugedeckt war, an, sich dabei am Hinterkopf kratzend. Tyson musste sich eingestehen, dass ihm der Anblick gefiel, doch er hatte keine Zeit, ihn länger zu genießen.

Hastig zog er sein Oberteil an: „Ich muss in zwei Stunden bei der Arbeit sein und vorher noch duschen und frische Sachen anziehen. Außerdem macht mein Bruder sich sicher schon Sorgen, weil ich nicht angerufen habe und er mich auf dem Handy nicht erreichen konnte.“

„Hmm.“ Kai beobachtete ihn und zog dabei die Bettdecke höher, da ihm kalt wurde.

Der Andere zog noch schnell seine Socken an und nahm seine Jacke, die er über dem Schreibtischstuhl abgelegt hatte, an sich, bevor er zur Tür ging: „Hab’ ich Alles? Ich glaube schon.“

Er sah sich noch einmal prüfend um.

„Takao?“ Als er bereits die Türklinke in der Hand hatte, sprach Kai ihn, nach wie vor verschnupft, an.

Der Angesprochene sah noch einmal zu ihm hinüber: „Ja?“

Schweigen trat ein. Kai sah ihm tief in die Augen – ein freundliches Lächeln bildete sich sogar auf seinen Lippen. Was kam jetzt? Wurde sein Gegenüber etwa sentimental?

Es vergingen noch einige Sekunden, bevor Kai ruhig weitersprach: „Tu mir das bitte nicht an und verlier das Wertvollste, das du vielleicht besitzt.“

Er sprach in Rätseln. Kai lächelte weiter sanft. Takao hingegen stand mit fragendem Gesicht da.

„Draußen ist es nämlich eisig kalt. Also...“, aus dem Lächeln wurde ein fieses Grinsen, „...mach’ den Hosenstall zu!“

„Äh....“, aus der Fassung gebracht blickte der Jüngere an sich hinab.

Tatsächlich stand seine Hose noch offen. Ungehalten schloss er sie und öffnete dann die Tür.

„Tschüss.“ Das war alles, was er Kai noch entgegenbrachte, ehe er den Raum und kurz darauf die Wohnung verließ.

Der Graublauhaarige sah einige Zeit zur Zimmertür. Er konnte nicht sagen warum, aber ihm ging es plötzlich ausgesprochen gut. Und das obwohl die letzte Nacht ihm den Rest gegeben hatte und er nun vollkommen kraftlos war. Müde schloss er die Augen wieder.

Erst ein Klopfen weckte ihn einige Zeit später erneut.

„Na? Ausgeschlafen?“, hörte er aus Richtung Tür.

Kai blinzelte verschlafen in den Raum, ehe er Yuriy am Türrahmen lehnend entdeckte. Offenbar war er gerade erst nach Hause gekommen, da er noch dabei war seinen Mantel auszuziehen.

Der Rothaarige schweifte mit dem Blick durch den Raum: „Und? Wer war der Glückliche?“

„Hmm?“, kam es von dem Graublauhaarigen, der sich langsam und verschlafen aufrichtete.

„Na, das da wirst du alleine ja wohl kaum fabriziert haben.“ Yuriy deutete auf den beachtlichen Papierhaufen neben dem Bett.

„Ach so...“, Kai blickte ebenfalls auf die zahlreichen, benutzten Tücher. „Er ist doch kein Versager, wie ich feststellen musste. Zumindest nicht in der Hinsicht.“

Sein Freund grinste, da Kai ihm auf einmal keine patzigen Antworten mehr gab: „Ah, verstehe. Aber erst nicht auf mich hören wollen. Er muss ja wirklich gute Arbeit geleistet haben, dass ich hier nicht mal beschimpft werde, weil ich erst jetzt wieder da bin.“

„Tja, aber er ist noch ein Anfänger.“ Kai sah seinen Freund schelmisch an. „Ich glaube nicht, dass das noch mal vorkommen wird.“

„Warten wir’s ab.“ Yuriy verließ das Zimmer wieder, während Kai zwei unbenutzte Kosmetiktücher aus der Packung neben sich zog, um sich die Nase zu putzen.

Er warf sie gerade auf den Haufen am Boden, als der Ältere noch mal den Kopf zur Tür hereinstreckte.

„Ach ja, bevor ich es vergesse: Ich bin heute Abend mit Mao im Kino. Aber das sollte ja kein Problem sein“, er grinste, „ich bestell’ dir einfach von unterwegs was zu essen. Nummer 9, wie immer?“

Reflexartig und mit seinem breiten Grinsen verschwand er wieder aus Kais Sichtfeld, als der Jüngere eines seiner Kopfkissen nach ihm warf, welches am Türrahmen abprallte und zu Boden ging.

Mit einem zufriedenen Lächeln ließ Kai sich wieder nach hinten fallen und sah zur Decke: „Aber vergiss die Zwiebeln nicht!“
 

Ende
 

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Mit großer Verspätung ist dieser OS endlich on - ich hoffe, er gefällt nicht nur meinem Wichtelkind. *zumindest selber sehr viel Spaß dran hatte* XP
 

Ly x3



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  -Viala-
2012-07-31T17:09:26+00:00 31.07.2012 19:09
Eine suuuper gute FF, die du da geschrieben hast! Kai ist wirklich der Brüller. Gerne hätte ich sogar noch mehr von der verqueren Beziehung zwischen Yuri und Kai erfahren, aber im Rahmen der One-Shot war das alles soweit mehr als nur angemessen.

Vielen Dank für dieses Lesevergnügen!

Vg,
-Viala-
Von:  TyKa
2009-05-04T13:02:56+00:00 04.05.2009 15:02
du meine güte
die FF ist ja hammergeil!
kai ist der knüller
ich hab mich weggschmissen
wie du ihn so, weinerlich gemacht hast
wenn er krank ist
das ist ja so kawaii
*_*

und Tyson kommt auch genial rüber
ich find die FF super-spitze
und mit dem Pairing einfach g-e-n-i-a-l!
XD
hab sie mir auch in die Favo-Liste gesteckt
^^

lg
TyKa
Von:  shibui
2009-04-24T12:12:19+00:00 24.04.2009 14:12
So, nun auch mal mein Kommi zu meinem Wichtelgeschenk. Ich bezieh mich jetzt auf das Geschenk, was ich Weihnachten bekommen habe.
Ich wusste ehrlich gesagt erst mal nicht recht, was ich dir schreiben sollte, auch weil du mich ja gebeten hattest, nicht zu kritisch zu sein. Und nachdem ich jetzt eine Woche drüber nachgegrübelt habe, bekommst du jetzt doch ein ausführliches Kommi. Falls es dir nicht gefällt, kannst du es gerne wieder löschen. Mich stört das nicht^^

Erstmal hab ich mich sehr gefreut, dass du dich aus meiner Auswahl für TyKa entschieden hast. Am Anfang dachte ich sogar erst, du hättest Tala x Ty geschrieben (worüber ich mich auch sehr gefreut hätte). Aber auch Yu/Kai-Friendship und TyKa als Pärchen war eine sehr schöne Kombination.
Die Idee selbst hat mir auch sehr gut gefallen, also mit Ty als Essensbote (kann man das so sagen? O.o) und das sie sich darüber anfangs nicht leiden konnten und so. Dass du Yu und Mao als Nebenpair hattest (Hiro ignoriere ich einfach XD), war obendrein ein hübsches Zusatzgeschenk für mich *freu* Auch viele Details und Kleinigkeiten waren schön hervorgehoben und haben der Story die gewisse Natürlichkeit gegeben (wie das mit dem Auto zum Beispiel). Aufbau und Umsetzung waren auf jeden Fall sehr gelungen und auch vom Schreibstil her hat es mir gut gefallen.

Letztlich sind es aber zwei Punkte, die mir jetzt nicht ganz so gefallen haben, wobei der eine Punkt eher meine subjektive Empfindung ist @.@
Und zwar geht es noch mal um das Thema OOCness. Der Grund, weshalb Ty und Kai OOC wirken, ist meiner Meinung nach nicht das Genre Humor, sondern das ihnen ein bisschen die Tiefe fehlt. Ich weiß, dass du das anders kannst, umso mehr hat es mich erstaunt, dass das hier so war wie es war. Kai war permanent notgeil und nebenbei mies gelaunt, Tyson war nur mies gelaunt.
Bei einem kurzen OS kann das schon mal lustig sein, aber bei 17000 Wörtern haben mir dann ein bisschen die Tiefe bzw. positive Emotionen gefehlt. Du stehst ja grade auf OP, wenn ich mich recht erinnere. Kann es sein, dass du dich da hast inspirieren lassen? Ich hab meine OP-Phase ja schon hinter mir und ich hab das Fandom letztlich verlassen, weil gerade bei ZoSa-Humor-FFs durchgehend mit dem selben "Stilmittel" gearbeitet wurde. Nämlich permanente schlechte Laune der Charas, alles, was sie denken ist selbstironisch, wenn nicht zynisch. Die Charas kommen dann natürlich etwas flach und ungeformt rüber und das sollte selbst bei "Humor" nicht sein. Gerade bei Tyson hat das dann das Gefühl von OOC hervorgerufen. Das ist deshalb schade, weil ich gerade seine süße, naive, liebe Seite so mag. Freilich darf er auch mal ironisch sein, doch dauerhaft wirkt das bei ihm OOC. O.o

Der andere Punkt: Kai hat erst seit zwei(!) Wochen keinen Freund mehr UND er ist schlimm erkältet (so stark, dass er am Ende bewusstlos wird), aber alles, was seine Gedanken beschäftigt ist Sex? Er hat keine andere Emotion über seinen Ex, als nur das er den Sex vermisst? So oberflächlich ist Kai doch auch nicht *schmoll* Und wenn man erkältet ist (Kopfschmerzen, laufende Nase, Gliederschmerzen, womöglich Übelkeit, hohes Fieber etc.), dann ist doch das letzte, was man will Sex, oder geht nur mir das so? O.o Und in dem Moment, wo es ihn am Schlechtesten geht, schläft er mit Ty... Hm, wäre die Trennung vom Freund ein halbes Jahr her und Kai wäre nicht erkältet, dann wäre das mit der Notgeilheit absolut okay gewesen, so kann ich das einfach nicht glauben. Für mich ein Logikfehler *sorry*

Hoffe, du bist mir jetzt nicht böse, dass ich da so direkt war. Wie gesagt, du kannst es gerne wieder löschen. Aber ich wollte dir halt schon sagen, woran es liegt mit dem OOC. Denn oft ist es ja so, dass man zwar weiß, dass etwas nicht stimmt, aber nicht wirklich weiß, wo genau das Problem liegt. Als Leser hat man da schon mehr Distanz.

Ich hab mich aber insgesamt sehr über mein Geschenk gefreut (auch wenn das jetzt vielleicht nicht so geklungen hat *räusper*). Du hast dir so viel Mühe gegeben, darauf geachtet, welche Pairings ich mag, dir eine niedliche Storyline überlegt, auf Details geachtet usw. Denk also bitte nicht, dass es mir nicht gefallen hat, ja? Es ist immer schwer, Leuten, die man persönlich kennen gelernt hat und auch noch sympathisch findet ein Kommi zu schreiben. Also, wenn du das Kommi nicht willst, ignorier/lösch es lieber anstatt mir böse zu sein, okay?

lg shibui^^
Von:  Water_Jill
2009-04-15T10:35:20+00:00 15.04.2009 12:35
Also man ich muss ja sagen am anfang hab ich gedacht: "Oh mann! 11 seiten, das kann ja was werden!"
Aber mit jeder seite wurde es immer interessanter! Du schreibst wirklich gut und vorallem sau lustig xDD

Ich finde du hast die beieden charas gut rübergebracht, auch wenn ein wimmernder kai nicht passt, dafür umso lustiger ist^^

mir hat deine ff jedenfalls gefallen!

Lg Water_JIll
Von: abgemeldet
2009-04-13T14:50:04+00:00 13.04.2009 16:50
So, nun verfass ich mal nen Kommi - wo ichs eh schon gelesen hab XD
Ich konnte mir so zumindest endlich mal einen Eindruck von deinem Schreibstil machen. Gewoehnungsbeduerftig zwar, worauf ich spaeter noch mal eingehen werde, aber durchaus ansprechend XD.
Die Geschichte hat mir von der Handlung sehr gut gefallen, zwar ist Kai ein wenig OOC geraten, aber irgendwie ist das typisch Mann, sie koennen die groessten Machos, die coolsten Draufgaenger sein, aber wenn sie krank werden, mutieren sie zu jammernden quengelnden, wimmernden Riesenbabys und Kai mal in so einer Rolle zu erleben war durchaus amüsant und womit du die Kurve noch gekriegt hast, war die Sache, dass er nur vor Yuriy das so zeigt ^^.
Takao hats in der FF ja echt nicht gut erwischt, der Arme, den scheint das Pech echt zu verfolgen - besonders lustig war das mit dem Schrottauto immer wieder, das war irgendwie so ein kleiner Running gag XD.
Und dann das Schicksal, das hat ja in dieser FF gewaltig seine Finger im Spiel… ich mag es, wie du die Beiden dargestellt hast und generell die Charaktere uni dieser FF.
Folglich hat mir auch das Pairing gefallen, bei dir ist Takao nicht das arme schuechterne Hascherl sondern eben er.

Was mir aufgefallen ist, ist dass du den Hang hast, manche Saetze extrem in die Laenge zu ziehen, mir ist zwar klar, dass das wohl einfach ein Stilmittel ist, nur waere es vielleicht ratsam, wenn du sie ab und an zumindest ein wenig kuerzer machen wuerdest, dann kommt die Bedeutung von wichtigen Saetzen noch mal etwas besser zur Geltung und so ist es, insbesondere wenn die FF ein wenig laenger ist, auch einfacher dem Text zu folgen. Das wird naemlich auf Dauer etwas anstrengend.

Zu Rechtschreibung sag ich nix, die Tippfehler hab ich ja selbst eliminiert XD.
Also dann, es wuerde mich freuen, wenn du mich wieder fuer diesen Job anstellen wuerdest (Festanstellung Betalesen, die Arge macht mir eh Druck XD)


LG, Katze


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