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Drachen sollen fliegen

[NejiTen]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Titel: Drachen sollen fliegen - Born to the skies
Teil: 1/1
Autor: Arianrhod-
Fandom: Naruto
Rating: -
Warning: AU, Strangeness
Pairing: Neji x TenTen
Disclaimer: Nichts gehört mir und ich krieg auch kein Geld.

~~~~~~~

So und endlich trudelt auch der letzte Songficwichtel vom NejiTen-Schreiber-Zirkel ein. >.< Ich brauche immer viel zu lange.
Ist AU und Fantasy, für alle, die es noch nicht mitgekriegt haben, aber für mich und diese beiden Genres auch verhälnismäßig kurz. Auf der anderen Seite war es auch die vierte Idee. Die erste hatte dieselben Genres, aber das wäre wirklich, wirklich lang geworden und hätte wahrscheinlich auch gar nicht mehr auf das Lied gepasst und da hab ich es umgeworfen und das hier genommen.
Ich mag ihn.

Widmung: Für abgemeldet, again.
Nochmal du. XD Und nochmal sorry für die Verspätung. *drop* Naja...
Jedenfalls hätte ich dich auch noch fast für den Neujahrswichtel gehabt, da hab ich dann aber protestiert. Musste doch nicht sein.
Ich hab dieses Lied genommen, weil ... ich mit den anderen absolut nix anfangen konnte, sorry. Jedenfalls mag ich es aber auch ziemlich. :)
Hoffe, der OneShot gefällt. ^^ Komplett anzeigen

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Born to the skies

ich will fliegen

ich will fliegen

will fliegen!

lass mich bitte los
 

doch du gibst mich nicht frei

du zerrst an meinem herz

und du ziehst an dem seil

das uns verbunden lässt
 

Laut rumpelten die Karren über den holprigen Weg. Er war schmal, es würden kaum zwei Wagen aneinander vorbeipassen, falls sie Gegenverkehr bekommen würden. Aber es würde schon klappen – mit viel Geschick und Geduld würde man schon aneinander vorbekommen. Die meisten Kutscher waren geschickt.

Und sie hier hatten alle Zeit der Welt.

Seit Stunden saß TenTen in der hinteren Tür des letzten Wagens, die sie geöffnet hatte, und ließ ihre Beine baumeln. Zwischen ihren Füßen konnte sie gemächlich den Boden vorbeiziehen sehen, Gras, Steine, Unkraut und trockene Erde.

Hinter dem Wagen ihrer Eltern befand sich nur noch die Weite der Hügellandschaft, die sich scheinbar endlos um sie herum erstreckte. Es gab einige Felder und Weiden hier und sie konnten die dazugehörigen Dörfer und Gehöfte vorbeiziehen sehen, manche in so weiter Ferne, dass sie kaum die einzelnen Gebäude ausmachen konnte, manche kaum fünfhundert Meter von der Straße entfernt, dass sie die Leute erkennen konnte, die ihnen entweder zuwinkten oder drohende Gesten machten.

Und die vier Reiter.

Die Reiter hatten sich als das Schlusslicht ganz hinten an den Zug der Gauklerwagen gesetzt. Ihre Pferde mochten einst edle Rösser gewesen sein, doch auch ihnen sah man jetzt die lange Reise an. Sie waren nicht alt, aber sie trugen Narben von vergangenen Kämpfen und ihr Fell war mit Staub und Schweiß bedeckt.

Doch die Augen glänzten intelligent und die Ohren spielten aufmerksam in alle Richtungen. Es waren erfahrene Pferde, die sich nicht mehr so leicht erschrecken ließen, Pferde, die in Schlachten gelaufen waren und ihre Reiter durch wilde, blutige Kämpfe getragen hatten. Kriegspferde, keine Schlachtrösser, denn dazu waren sie zu schlank, aber mindestens ebenso gut ausgebildet.

Ihre Besitzer waren vom gleichen Schlag. Erfahrene Krieger, gezeichnet von Krieg und Wetter, aber noch nicht von Jahren. Der Älteste mochte Ende zwanzig sein, der Jüngste nur ein paar Jahre älter als TenTen selbst.

Einer von ihnen war eine Frau mit emotionslosem Gesicht und dunkel geschminkten Augen, die immer eine weiße Blume in den Haaren trug. Sie sprach nicht viel und hielt sich stets bei dem gepiercten Mann mit dem struppigen, hellrotem Haar, dessen Stimme niemals schwankte. Sie beide trugen eine so ähnliche Aufmachung an Rüstung, dass man sie sofort miteinander verband, auch ohne zu sehen, wie sie interagierten.

Die anderen beiden schienen sich ihnen nur vorrübergehend angeschlossen zu haben oder vielleicht war es auch umgekehrt. Sie waren beide jünger, zwanzig, oder noch weniger Jahre mochten sie zählen.

Der eine hatte goldblondes Haar und strahlend blaue Augen in einem tiefgoldenen Gesicht, ein Gesicht, das stets ein breites, fröhliches Lächeln trug. Er war gesprächig und leutselig und es gab kaum jemanden, der ihn nicht mochte.

Aber es war der letzte, der TenTen am meisten faszinierte. Er war schön und er hatte die langen, schlanken Finger eines Adligen, auch wenn sie schwielig waren und von der Sonne gebräunt, ebenso wie sein aristokratisches Gesicht. Über einen seiner Wangenknochen zog sich eine Narbe bis zu seinem Kiefer und als sie ihn einmal bei der morgendlichen Übung beobachtet hatte, als er ohne Hemd seine Schwertroutine durchgegangen war, hatte sie gesehen, dass es nicht die einzige Narbe war, die er trug.

Im Gegensatz zu seinen drei Begleitern trug er das Haar lang. Es fiel ihm wie ein dunkler Wasserfall zu den Hüften hinab – ein gefährlicher Luxus für jemanden wie ihn. Aber momentan musste er sich nicht darum Gedanken machen, denn momentan befand er sich nicht auf dem Weg in den Krieg.
 

he lass mich los!

ohoh lass mich los!

ohohoh lass mich los!

lass mich los!
 

Niemand hatte gefragt, was vier Söldner in einem friedlichen Land wie diesem suchten und sie hatten es auch nicht gesagt. Aber im Grunde war es auch egal. Sie waren da, das war alles was zählte.

So lief das im Leben eines Schaustellers. Sie dachten nicht an gestern und kaum an morgen und lebten heute. Hier, in diesem Augenblick. Das war das Leben und TenTen war mit dieser Mentalität aufgewachsen wie auch die meisten anderen.

Aber er dort, der Reiter mit dem langen Haar und den schönen Händen… Sie würde ihre Tanzkünste darauf verwetten, dass er nicht als Söldner geboren worden war. Nein. Nein, er war ein Adliger. Er war es zumindest gewesen. Wer wusste schon, was ihn hierher gebracht hatte?

„Hey.“, sagte sie und lehnte sich nach hinten auf die Handballen. „Neji.“ Das war sein Name – kurz war er und er ging ihr glatt von der Zunge. Sein stechender Blick aus den erstaunlichen hellen Augen bohrte sich in sie und sie lächelte freundlich zurück. Wirklich – er sollte mal etwas locker machen. Dies hier war nicht der Krieg.

„Ich frag mich gerade… Wo kommst du her?“

Er schwieg weiterhin, aber er trieb sein Pferd etwas schneller an, dass es aufschloss und sie nicht mehr so laut sprechen musste, damit er sie verstand. Aber ob er ihr überhaupt antworten würde? Es sah nicht so aus, denn er schwieg beharrlich, als müsste er erst überlegen, ob er es ihr sagen sollte oder nicht. Vielleicht musste sie noch einmal fragen, um eine Antwort zu bekommen, oder dreimal.

„Aus dem Osten.“, antwortete er jedoch, ehe sie sich entschloss, ob sie ihre Worte noch einmal wiederholen sollte. Seine Stimme war dunkel wie die Nacht und samtweich, trotz dass er sie eher selten benutzte. Sie liebte seine Stimme.

Die Antwort jedoch war nicht sonderlich aufschlussreich, aber es war beinahe mehr, als sie erwartet hatte. „Meine Familie hat dort große Macht.“, fügte er dann hinzu und TenTen hatte das Gefühl, dass er nicht einmal wusste, warum er ihr das sagte. Sie zog eine Augenbraue hoch und er blickte sie an, ehe er hinzufügte: „Sehr große Macht.“

„Und warum bist du dann gegangen?“

Es musste schön sein mit so einer reichen Familie. Nicht ständig unterwegs sein in Kastenwagen, die zu kalt und zu zugig waren. Immer auf dem Sprung, weil es genug Leute gab, die dem fahrenden Volk mit Feindschaft und Misstrauen entgegensahen. Auftritte mit immer wieder derselben Nummer, denselben Bewegungen um den Leuten ein paar Münzen aus der Tasche zu ziehen. Keine Eltern, die ständig darauf achteten, dass man nicht in die falsche Gesellschaft geriet, weil dies hier viel zu leicht geschah.

Unabhängig sein, sei es vom Geld anderer Leute oder von deren Gnade oder der der Eltern.

TenTens Eltern waren anders als andere. Sie hüteten ihre Tochter wie einen kostbaren Schatz und ihr Leben war eine seltsame Mischung aus Verboten und zu viel Rechten und Pflichten, die Mädchen bürgerlicher Herkunft einfach verschlossen blieben.

„Es ist zu deinem Besten.“, sagte ihre Mutter ständig und ihr Vater verscheuchte jeden Jungen, dem sie schöne Augen machte, weil er ihr gefiel. Warum sollte sie auch nicht? Es war nichts weiter als eine kleine Tändelei und TenTen wusste genau, wie weit sie gehen konnte und wie weit sie gehen wollte. Und sie wusste auch, wie sie sich unerwünschte Verehrer vom Hals schaffen konnte, wenn es ihr zu viel wurde.

Aber ihre Eltern schienen dies nicht zu begreifen, betrachteten sie noch immer als das kleine Kind, das sie nicht mehr war und das vor Jahren mit nackten Füßen und nackten Beinen herumgelaufen war und mit spielerischer Freude geholfen hatte bei allem was anfiel. Jetzt fühlte sie sich von ihnen nur noch eingeengt und angekettet.

Und abhängig und das war das Schlimmste, denn sie wollte nicht so sein.

Sie war ein Freigeist, aber sie ließen sie keiner sein, weil sie sie zu sehr liebten. Sie liebte ihre Eltern, aber sie war nicht dumm – irgendwann würde sie sich von ihnen trennen müssen, denn bei ihnen würde sie einfach nur eingehen wie eine Blume ohne Wasser, wie ein Vogel im Käfig. Sie war nicht dazu geschaffen, ihr Leben lang behütet zu werden, vor allem nicht in einem Leben wie diesem, in dem man nicht behüten konnte, weil es hart war und schnell und laut.

TenTen wollte hinaus und hinauf.

Hinaus in die Welt und in die Weite. Hinauf in den Himmel, der ihr in seiner blauen Unendlichkeit und seiner endlosen Ewigkeit begehrenswerter erschien als alles andere. Begehrenswerter als der perfekteste, hübscheste Junge, begehrenswerter als alle Schätze und ein Schloss, begehrenswerter als weiches Bett, das sie täglich nutzen konnte.

Manchmal, wenn ihre Eltern beschäftigt waren und alle anderen auch und sie nicht – dann rannte sie los.

Einfach los, durch die Straßen und über Felder und Wiesen, durch grünes oder trockenes Gras und Schnee und gefallenes Laub, das schon braun war oder noch rot und gelb, über staubige Wege oder durch knöcheltiefen Matsch, durch schwere Regenschauer, brennende Hitze unter einem wolkenlosen Himmel und leichten Sommerregen, die sie bis alle auf die Haut durchnässten mit Wasser und Schweiß, und durch sanften, durch kalten, durch lauten Wind, der an ihren Haaren zerrte und an ihren Kleidern und der sie von hinten anschob, als wolle er unter ihre unsichtbaren Schwingen greifen, die noch nicht voll ausgebildet waren, um sie in den Himmel zu tragen.

Es war wie eine Droge für sie, wie ein Rausch, der Gefühle in ihr wachrief, die sie nicht missen wollte. Wenn es eine war, so war sie längst abhängig und sie wollte es auch nicht ändern. Dass ihre Eltern sie nachher anschreien, weil sie sich zu viele Sorgen gemacht hatten, kümmerte sie nicht, auch wenn sie glaubte, dass es herzlos war.

Denn für diese Momente hatte sie das Glück gefühlt und die Freiheit und es fühlte sich stets an, als könne sie doch noch fliegen.
 

lange her, dass mich was so fieberhaft packt

ich streife die gewohnte haut ab

und fühl mich wieder nackt

wollte doch nur kosten, aber hat so gut geschmeckt

bin abgehoben, losgeflogen

hab gar nichts mehr gecheckt
 

Aber vielleicht machte sie sich auch nur etwas vor.

Niemand war voll und ganz unabhängig.

Bürgerliche hielten die Gaukler für unabhängig und frei, aber das stimmte nicht, denn sie waren gebunden an das Wetter und die Gunst der Adligen und das Geld, das ihnen zugeworfen wurde von eben jenen, die sie um dieses Leben zu beneiden glaubten.

Auch ständiges Herumvagabundieren, selbst wenn man bleiben konnte, wo man wollte, vorrübergehend zumindest, hatte nicht viel mit wahrer Freiheit zu tun. Man hatte sich darum zu kümmern, dass man nicht verjagt wurde, dass man genug zu essen hatte und dass es auch der Familie und den Freunden gut ging.

Die Fahrenden auf der anderen Seite träumten von der Freiheit des bürgerlichen Lebens. Wie glücklich musste man sein, wenn man ein warmes Haus hatte und eine gute Arbeit, die man sich selbst gewählt hatte und genug Geld einbrachte, die Familie zu versorgen?

Und für sie alle, Fahrende und Bürgerliche gleichermaßen, waren die Adligen frei – sie konnten frei entscheiden, über sich und über ihr vieles Geld, über ihr Land und über ihre Vasallen. Wie konnten sie da nicht frei sein?

TenTen kannte keine Adligen persönlich, aber warum sollten sie völlig frei sein, nur weil sie materielle Dinge besaßen?

Es waren alles wie Träume von kleinen Kindern, die sich wünschten, was sie nicht hatten und nie erreichen konnten. Und damit gaben sie sich zufrieden, denn sie wussten, dass sie nichts ändern konnten. Ein Fahrender würde ein Fahrender bleiben, ein Bürgerlicher ein Bürgerlicher und ein Adliger ein Adliger – man wurde dort hineingeboren, man wuchs darin auf, man lebte dort und man starb dort.

Das war nun einmal Schicksal. Die Leute gaben sich damit zufrieden.

TenTen war nicht so. TenTen gab sich nicht zufrieden mit Traumbildern und Luftschlössern, die sie sich erbauen konnte, wie und wann sie wollte, aber die sie niemals betreten oder auch nur anfassen konnte.

Sie wollte rennen und tanzen und fliegen, einfach weil sie es konnte.

TenTen war für den Himmel geboren und dort wollte sie auch hin. Und auch ihre Eltern würden sie nicht aufhalten können, so sehr sie es auch versuchten. Eines Tages würde sie fliegen.

„Warum bist du gegangen? Wenn sie Macht hat, hat sie Geld. Ging es dir denn nicht gut dort?“

Diesmal warf er ihr ein spöttisches Lächeln zu, dünn und beinahe niederträchtig, als würde er sie für ein naives dummes Ding halten, mit dem es nicht wert war zu sprechen. Aber nur beinahe und darum nahm sie es ihm nicht übel. „Meine Familie … ist sehr streng.“

„Meine auch.“, antwortete sie herausfordernd und diesmal lächelte er nicht, weder spöttisch noch anders.

Aber er sagte auch sonst nichts.
 

die luft ist süß und streichelt

die schlimmsten schmerzen weg

ein blick in deinen spiegel zeigt

ich brauche kein versteck
 

Sie fragte sich, wo er aufgewachsen war. Ob die Reichen und Mächtigen dort auch in zu großen Häusern lebten, mit einer Dienerschaft, die mehrköpfiger war als die Familie selbst? In wuchtigen Burgen, die sich an den Grenzlinien erhoben und dort saßen wie fette Spinnen, die ihr eigenes Territorium, ihr eigenes Netz eifersüchtig hüteten? In vornehmen Schlössern, die hochmütig hinabblickten auf die dreckigen Städte und kümmerlichen Dörfer, die sich an den Boden schmiegten, während sie selbst ihre Türme hoch in den Himmel streckten ohne ihn je zu erreichen?

Ob sie dort alle dieses schöne, lange Haar hatten? Und diese faszinierenden Augen, die wie die eines Blinden wirkten und doch mehr sahen als alles, was sie selbst erkennen konnten?

Sie stützte das Kinn in die Hände und heftete ihren Blick auf seine elegante Gestalt und fragte sich, wie es wohl war, zwischen Menschen zu leben, die alle so schön und anmutig waren. Zwischen mächtigen Gebäuden und hohen Säulen, wie sie sie einmal gesehen hatte, als sie in der Hauptstadt für den Kaiser getanzt hatte.

Vielleicht würde sie aus ihm herausbekommen, wo genau er herkam, und dann würde sie seine Heimat besuchen nur um es selbst zu sehen. Vielleicht würde sie ihn mitnehmen, damit er ihr seine Lieblingsplätze zeigen konnte.

„Meine Familie liebt ihre Traditionen und Regeln.“, fügte er schließlich hinzu und nahm den Faden wieder auf, den er hatte fallen lassen vor ihren Überlegungen. Wie lange war es her? Eine Stunde? Länger? Weniger?

„Sie lebt in einem Käfig aus Gold, den sie sich selbst geschaffen hat, ehe sie den Schlüssel im tiefsten Meer versenkte und vergaß welches Meer es war.“

TenTen blickte ihn an. Was ihn wohl dazu gebracht hatte, diesen verlorenen Schlüssel zurückzuholen um den Käfig zu verlassen? „Und jetzt? Lebst du jetzt in einem Käfig gebaut aus billigem Eisen?“ So wie sie selbst? Einem Käfig, der sie schützen sollte und doch nur einsperrte, wie ihre Eltern es nie gewollt hatten, aber es doch nicht sahen?

Diesmal war das Lächeln nicht spöttisch oder dünn, sondern einfach und ehrlich. „Nein. Jetzt gibt es keinen Käfig mehr für mich.“

Sie wusste nicht, was sie von ihm erwartet hatte – eine positive Antwort? Diese, die er ihr gab? Oder überhaupt keine? Hatte sie überhaupt etwas erwartet? Sie wusste es nicht, denn das einzige, was sie auf diese Antwort fühlte, war Neid.

Vielleicht sollte sie auch gehen, einfach so.

Es gab nichts, was sie hier hielt, außer ihren Eltern. Eine andere Gauklergruppe würde sie mit Freuden aufnehmen, denn sie war jung und hübsch und begabt. Sie scheute sich nicht vor schwerer Arbeit und sie kannte ihre Aufgaben. Dies wäre der erste Schritt und danach würden weitere folgen, denn sie würden einfacher sein, leichter, nach diesem ersten, schwersten.

Bis jetzt hatte sie gezögert, denn wenn sie ging, würde sie ihre Eltern verletzen. Weil sie nicht ging, verletzte sie sich selber. Und was war denn nun besser? Gab es überhaupt eine bessere Möglichkeit unter diesen beiden? Waren sie nicht beide gleich schlimm und gleich gut? Musste sie nicht einfach wählen zwischen zwei gleichen Möglichkeiten?

Neji hatte es auch getan – er hatte es verlassen, sein goldenes Nest, seinen goldenen Käfig, hatte die Schwingen ausgebreitet und war einfach davongeflogen, mit Waffen und Pferd und nur seinem Wissen und wenig Besitz für die Zukunft.

Er hatte wahrscheinlich den härtesten Weg eingeschlagen, den er einschlagen konnte. Oder war er einfach nur daraufgeraten, auf jenen Pfad von Krieg und Blut und Waffen? Der Pfad des Söldners und Glücksritters? Wie auch immer es gewesen war, es interessierte nicht und spielte auch keine Rolle. Denn er war jetzt glücklich damit – mit seinem Vagabundenleben des Söldners, das er führte.

Für einen Moment konnte sie sie sehen, jene mächtigen Schwingen, die Neji hierher gebracht hatten und sie nahmen ihr dem Atem.
 

bahn frei, es ist nie zu spät

ich bin viel zu jung

he du, geh' aus dem weg

bin nicht mehr allzu jung
 

Aber auch TenTen war kein kleines Kind, keine behütete Prinzessin, eingesperrt in einen Elfenbeinturm und abgeschnitten vom Rest der Welt, selbst wenn ihre Eltern sich das wünschten.

Sie war die Tochter von zwei Gauklern, selbst eine Gauklerin, eine Tänzerin zwischen Licht und Schatten, zwischen Gefahr und Sicherheit, zwischen Gesetz und Verbrechen.

Natürlich war sie keine naive Prinzessin, die nichts vom wahren Leben außerhalb der elfenbeinernen Mauern kannte, die sie umschlossen. Denn da waren keine Mauern und da war nur das wahre Leben um sie herum.

Sie war nicht naiv. Sie wusste es. Manchmal war sie leichtgläubig und manchmal glaubte sie Dinge, von denen sie wusste, dass sie gelogen waren oder einfach nur übertrieben. Aber sie war nicht naiv. Man konnte nicht naiv sein mit einem Leben, wie sie es führte.

Ihre Eltern glaubten, dass sie es war. Sie glaubten aber auch, dass sie ein kleines Mädchen war, das Schutz bedurfte, dass sie schwach und unfähig war, auf eigenen Beinen zu stehen und dies war alles unwahr.

Das wusste sie auch.

„Und du, lebst du in einem Käfig aus billigem Eisen?“, wollte Neji wissen und sah sie offen an, ohne Spott im Blick oder Mitleid, sondern einfach nur mit der Frage und dem Wunsch, die Wahrheit zu hören. Und TenTen lächelte ihn strahlend an.

„Ja.“, antwortete sie und es war die volle, schmerzende Wahrheit.

Denn TenTen war ein Drache.

Und Drachen waren nicht dazu geschaffen, angebunden und behütet zu werden. Sie waren für den Himmel geboren. Für den Himmel und die Weite und die Unendlichkeit. Für die vollkommene Freiheit, die es nur dort oben zu finden gab. Für das vollkommene Glück, das für jeden da lag, offen und unkontrolliert und nach dem man nur zu greifen brauchte.

Und in TenTens Erinnerung reihten sich die Bilder des Himmels aneinander, der offen vor ihr selbst da lag. Blau und rot und violett und schwarz, gefleckt mit weißen Wolken, mit schwarzen und grauen und goldenen, die von der Sonne gefärbt waren, und gespickt mit glitzernden Sternen und dann war da noch der Mond.

Aber immer waren da die Hände ihrer Eltern auf ihren Schultern, nicht schwer, aber auch nicht leicht, mit einem Druck, der schützend war und sie doch auch festhielt auf dem Boden und sie nicht fliegen ließ.

Der Himmel war das Glück. Und TenTen war für den Himmel geboren.

Für das reinste Glück.
 

lass mich endlich fliegen

kapp die nabelschnur

denn drachen sollen fliegen

ohne feste spur
 

„Hey.“, sagte er und sprach sie damit zum ersten Mal von sich aus an. „Komm mit mir.“ Er streckte die Hand nach ihr aus und TenTen zögerte nur einen Moment, ehe sie sie ergriff und sich hinter ihm auf das Pferd ziehen ließ.

Dann scherte das Tier aus der sauberen Reihe der Karawane aus, als Neji es zur Seite lenkte, und sie ritten davon, weg von den Wagen, vorbei an Nejis Söldnerfreunden. Der Blonde grinste ihnen zu und winkte, über das Gesicht der Frau huschte ein kurzes Lächeln und ihr Gefährte tat nichts, aber sein Blick war stark und fest und TenTen erwiderte ihn ebenso, für jenen kurzen Moment, während dem sich ihre Augen trafen.

Dann waren sie vorbei und Nejis Pferd fiel in einen gestreckten Galopp. Es war, als würden die trommelnden Hufe die Erde zum Beben bringen und den Wind zum Singen und die Wolken zu tanzen.

Es war, als würde der Himmel näherkommen, greifbar nah und sie brauchte nur ihre Hände auszustrecken, um ihn sich zu nehmen.

Oder zu warten, denn sie würden sowieso dort hineinreiten, inmitten in jenes ewige Blau und dann brauchte sie nicht einmal Neji loszulassen um es zu fassen. Sie schlang die Arme fester um seine Hüften und presste sich eng an ihn, legte den Kopf an seine kräftige Schulter.

Unter seiner rauen Tunika konnte sie die Glieder des Kettenhemdes an ihrer Wange spüren und sie sog tief den Duft von Metall, Leder, Pferd, Rauch von Holzfeuern und ihm selbst in sich auf und er erschien ihr betörend wie das Aroma feiner Gewürze oder der reine Geruch eines frischen Windes in der Nacht.

Sein Körper war warm und hart und kräftig und sie fühlte sich so sicher wie sonst noch nie, während unter ihnen die Erde vor floh, so schnell, dass sie nur verschwommene Schatten sehen konnte. Der Wind riss an ihren Haaren und bauschte ihre Röcke über den Hintern des schnaubenden Pferdes und es war, als würde er ihr tatsächlich unter die Schwingen greifen um sie in den Himmel zu tragen, wo sie Drachen hingehörten.

Heute Abend würde sie ihren Eltern sagen, dass sie gehen würde. Weil sie es musste. Weil sie es wollte. Weil sie es konnte. Um endlich ihre eigenen Schwingen auszustrecken und zu fliegen in jenen blauen, unendlichen Himmel, der sich weit und ewig über ihnen erstreckte.

Um ihn sich zu nehmen, den Himmel, denn er gehörte ihr und Neji und allen anderen, die den Mut hatten, nach ihm zu greifen.

Weil sie für ihn geboren worden waren.
 

lass mich fliegen

lass mich bitte los

drachen sollen fliegen

lass mich bitte los!
 

drachen sollen fliegen

lass mich bitte los!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich frag mich, ob ich ein paar Absätze reinklatschen soll, aber ich lass es erstmal so... Beschwerden an mich, vielleicht änder ich es dann. ^^"

Jedenfalls ... Joa, fertig und ich bin froh darum. Hoffe, Lied und Thema kamen auch in der Story rüber. Und jetzt kann ich mich endlich an andere Dinge machen. Wenn das auch nicht lange anhält, wenn ich mir so ansehe, was ich noch bis Weihnachten erledigen muss. XD"

Bis dann
Sorca~

[Edit]
Neji und Co sind hier wohl eher Abenteurer als Söldner. ^^" Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (15)
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Von:  kimje
2015-05-24T18:56:47+00:00 24.05.2015 20:56
Hallo,

ich mag diese geschichte und hab sie schon ein paar mal
gelesen. wirklich klasse.
machst du vielleicht eine fortsetzung?
Von:  fahnm
2015-05-10T22:17:44+00:00 11.05.2015 00:17
Spitzen Kapitel
Von:  Dreaming_Lissy
2010-12-20T21:31:10+00:00 20.12.2010 22:31
wow.
Ich mag es wie die Welten in deinen Geschichten zum Leben erwachen.
Dein Schreibstil wirkt professionel und Rechtschreibfehler sind mir keine groß aufgefallen.^^
Selbst wenn nur Neji und Tenten eine wirklich wichtige Rolle spielen find ich es toll dass du trotzdem noch einige andere Charakter miteingebracht hast.
Aber das trägt ja unter anderem auch zu dem Charm deiner Geschichten bei. xD
Von: abgemeldet
2010-01-12T16:22:18+00:00 12.01.2010 17:22
Erstmal wollte ich mich entschuldigen, dass der Kommentar so verspätet kommt. Ich habe den OneShot zwar sofort gelesen, kam aber nicht dazu etwas zu schreiben, habe es einfach vergessen oder verdrängt, da ich eigentlich nicht so der geübte Kommentarschreiber bin.

Vielen Danke für diesen wunderbaren OneShot. Ich fande es wirklich eine ausgezeichnete Idee das Lied aus Tentens Sicht zu interpretieren. (Ich persönlich hätte es aus Nejis Sicht gemacht, da es einfacher wäre. xD)
Wirklich sehr schön beschrieben, dass man trotz Freiheiten eingesperrt sein kann.
Ich mag den Konflikt den Tenten innerlich hat, wirklich toll rübergebracht.

Nochmals vielen Dank und liebe Grüße
Hime
Von: abgemeldet
2009-01-27T21:01:12+00:00 27.01.2009 22:01
Schöne Geschichte ^^
ich ind ihre Sehnsucht nach Freiheit kam sehr gut rüber ö.ö...
und seine Erfüllung davon...was ich aber nicht verstanden hab ist ob die bieden jetzt für immer zusammen weggelaufen sind...oder nur fürn paar stdunen und dann zur Gruppe zurück kehren....weil dann wäre Tenten ja immernoch eingesperrt.......
Von:  moonlight_005
2008-12-28T12:24:52+00:00 28.12.2008 13:24
irgendwie bin ich gerade dabei sämtliche ausstehende werke von dir zu lesen sorca und dieses hier treibt mir fast die tränen in die augen. keine ahnung warum ... *schnief* aber es war so schön und es hat mich richtig berührt, weil ich mich damit auch irgendwie identifizieren konnte. der schluss erst ... ganz toll *___* die charaktere sind absolut ic und das lied hat auch gut gepasst (ich mag pur ^^)

einfach nur gelungen ^^

hdl
moony
Von: abgemeldet
2008-12-22T22:53:21+00:00 22.12.2008 23:53
Absätze sind was für Leute ohne Konzentration, ich finde es gut so.
Also, echt gut gemacht, alleine das Thema verdient annerkennung und dann deine schreibweise...
Man könnte dafür eine Werbung im Jacobs-stiel machen, so gut ist die.
Ich danke dir für die Gedanken und die Umsetzung und hoffe ich werde noch mehr der Art in meinem Leben lesen können.
Von:  vulkan_chan
2008-12-19T20:54:31+00:00 19.12.2008 21:54
uh, bin mal wieder spät dran. -__-

ok, von dem lied hab ich noch nie vorher gehört und eigentlich bin ich kein großer fan von Songfics, weil die meisten es nicht annähernd so gut wie du verstehen, inhalt und liedzeile so zu verknüpfen, dass es nicht nervt.

tatsächlich würde mir außer dir niemand einfallen, der das wirklich kann. (aber ich lese dieses Genre eigentlih auch nicht sonderlich oft)

die storry ist wirklich schön, gefällt mir sehr. TenTen ist auch in meiner vorstellung ein freigeist, den man nicht anketten kann. und neji ist da sicher ähnlich, auch wenn er im mange lange gebraucht hat, um sih von den ganzen traditionen und pflichten zu befreien.

Es wäre sicher interessant zu lesen, wie er seine familie hinter sich gelassen hat, um söldner zu werden. *lach* fast alle deine tollen OS könnte man fortsetzen. vielleicht igt das daran, dass du ganze welten erschaffst und sie so wundervoll zwischen die seiten steckst, dass man unweigerlich gefangen ist und mehr davon will.

aber man soll ja aufhören, slange das publikum noch mehr will. xD

die idee TenTen als gauklerin finde ich ganz besnders verlockend. und neji als söldner ist auch cool. ^^stoff für mehrere 100 seiten bücher, die nie geschreiben werden, aber alles geistert durch den kopf beim lesen. man kann irgendwie schon erahnen, was alles schon passiert ist und hat deshalb trotz der kürze der FF das gefühl eine riesen storry gelesen zu haben.

das ende war toll! ich konnte förmlich sehen, wie sie in den himmel eintaucht. du schreibst einfach wundervoll, aber das weißt du sicherlich längst xD

wirklich wirklich gut.
Von:  blubbie
2008-12-18T18:42:36+00:00 18.12.2008 19:42
Eine wunderschöne Geschichte! Tenten als Drache passt und das Gefühl einfach mal die Schwingen ausbreiten zu wollen und loszufliegen kenne ich. Du hast das wunderbar beschrieben!
Ich wünsche dir schöne Weihnachten!
Von:  Caro-kun
2008-12-18T15:34:57+00:00 18.12.2008 16:34
Dein Schreibstil ist irre gut und die Geschichte auch.


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