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Der ganz normale Wahnsinn 1: Bittersweet Symphony

Teil 1/3
von

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Alle Klarheiten beseitigt?

Rico konnte mal wieder nicht schlafen. Irgendwann hatte er keine Lust mehr die ganze Zeit tatenlos rumzuliegen und beschloss einen Spaziergang zu machen. Das Krankenhaus hatte im Innenhof einen kleinen Garten und dorthin begab er sich. Als er gerade durch den Flur auf den Ausgang zusteuerte hörte er aus einem Nebenzimmer jemand nach ihm rufen und kurz darauf kam Antonio aus der Tür. „So spät noch unterwegs?“, fragte er und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Ja, ich... kann nicht schlafen und ich wollte kurz in den Garten gehen. Das ist doch nicht verboten, oder?“, meinte Rico und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Da lief er hier schon extra mitten in der Nacht durch und dann begegnete er dem. „Macht´s was, wenn ich mitkomme? Hab eh keine Lust mehr auf diese ganzen Akten da drinnen“, sagte der Therapeut und deutete in das Zimmer hinter sich. Das war ja so klar. „Passt schon“, murmelte Rico bloß und setzte seinen Weg fort. Sie gingen in den Garten, der eher einem Urwald im Mini-Format glich und setzten sich auf eine Bank. Es war immer noch ziemlich warm aber nicht mehr so drückend-heiß wie tagsüber. Rico fühlte sich irgendwie unwohl, wenn dieser Kerl in der Nähe war. Er fragte sich warum. Nein, eigentlich wusste er genau warum. Es war dieser durchdringende Blick, der ihn schon wieder so interessiert musterte. Und es war dieses unverschämte Grinsen, als Rico nach einem ziemlich ernst gemeinten Kompliment sehr rot anlief. Und es war vor Allem die Angst, von ihm durchschaut zu werden. Er hatte so was an sich, als würde er einen im nächsten Moment komplett bloßstellen und interessiert beobachten auf welche Art man zerbrach, wenn alle Geheimnisse ans Licht kamen, natürlich die ganze Zeit mit diesem Grinsen im Gesicht. Und dann würde er die Schwächen seines Gegners eiskalt ausnutzen. Ja, genauso kam er rüber... Und trotzdem war Rico auf eine seltsame Art und Weise fasziniert von ihm. Er wusste nicht, ob er ihn jetzt mögen sollte oder Angst vor ihm haben. Sie saßen eine Weile einfach nur da und starrten in den Himmel.
 

„Die Nacht ist wunderschön“, meinte Antonio irgendwann. Rico überlegte, was er jetzt antworten sollte. Die Situation war kurz davor romantisch zu werden und das wollte er nicht unbedingt. „Dann sind Sie also ein Nachtmensch?“, fragte er. „Kann man so sagen. Ich kann mich nachts einfach besser konzentrieren. Die Meisten finden das ziemlich abnormal“, antwortete der Andere. „Das ist doch nicht abnormal. Ich kenne haufenweise Leute, die am liebsten nachts arbeiten. Da stört einen wenigstens keiner“, entgegnete Rico. Er selbst setzte sich auch viel lieber nachts mit seiner Gitarre hin und schrieb Songs. Tatsächlich waren seine besten Lieder und auch seine besten Kunstwerke alle irgendwann nach Mitternacht entstanden. Myriam war da das genaue Gegenteil. Sie war absolut kein Nachtmensch und hörte spätestens in der Abenddämmerung auf zu arbeiten. Rico musste grinsen, als er über diesen einen großen Unterschied zwischen ihnen nachdachte. „Wodran denken Sie grade?“, fragte Antonio neugierig. Ihm war dieses Grinsen nicht entgangen. „An meine Frau. Sie sagt immer, die Nacht ist nur für zwei Sachen gut: zum Schlafen und für diese gewissen körperlichen Aktivitäten“, antwortete Rico wahrheitsgemäß. „Mit dem zweiten Punkt hat sie wohl Recht“, meinte der Andere lachend. Wieder schwiegen sie eine Weile nur und beobachteten sich unauffällig aus den Augenwinkeln. Rico versuchte sich einen Fluchtplan zurecht zu legen, um endlich aus dieser Situation zu entkommen. Natürlich konnte er einfach aufstehen und gehen, aber das war ja zu offensichtlich und außerdem würde Antonio ihn vielleicht aufhalten. Er brauchte einen plausiblen Grund und eine wirklich gute Strategie. Gerade als er kurz vor dem Durchbruch stand fing der Andere wieder an zu sprechen. „Werden Sie eigentlich noch lange hier bleiben?“, fragte er. „Ich denke nicht... Ich mag keine Krankenhäuser also werde ich bei der ersten Gelegenheit verschwinden“, antwortete Rico. Er hoffte wirklich, dass er bald hier weg konnte und die Chancen standen anscheinend auch nicht so schlecht. „Dann bleibt mir ja nicht mehr viel Zeit...“, sagte Antonio nachdenklich. „Zeit wofür?“, fragte Rico verwirrt. Er hatte das dumme Gefühl, dass sein Gehirn grade mal wieder nicht schnell genug schaltete. Bevor er es mitbekommen hatte, war sein Gegenüber näher gerückt und ein Paar warme Lippen drückte sich auf seine. „Dafür“, flüsterte Antonio. Rico saß da wie versteinert und verpasste sich selbst einen mentalen Arschtritt, weil er es hatte soweit kommen lassen. Offensichtlich deutete der Andere seine Erstarrung als Zustimmung, grinste unverschämt und beugte sich wieder nach vorne, um ihn erneut zu küssen. Er machte das einfach so, als ob nichts dabei wäre und ahnte wohl nichtmal ansatzweise, welches Gefühlschaos er damit auslöste. Endlich schaffte Rico es, ihn ein bisschen wegzuschieben. Immer noch dieses Grinsen, nur jetzt war da noch etwas Anderes in seinem Gesichtsausdruck. Er sah aus als wäre er besoffen. „Was soll das werden?“, fragte Rico, gleichzeitig verlegen und voller Befürchtungen. Wer wusste, wozu dieser Kerl fähig war, mitten in der Nacht und in diesem Urwald, wo keiner sie sehen konnte. „Tut mir leid, ich musste einfach wissen, was ich... fühle“, meinte Antonio, plötzlich auch verlegen und errötend. „Und?“, fragte der Andere weiter. Er wollte ihm doch jetzt nicht etwa eine Liebeserklärung machen; sie kannten sich doch praktisch gar nicht. „Ich fühle auf jeden Fall etwas Besonderes... und du bist etwas Besonderes... Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe. Wir sehen uns wieder. Gute Nacht“, sagte Antonio und verschwand eilig aus dem Garten. Als Rico ihm einige Minuten später folgte war sein Büro schon dunkel und verlassen.
 

Das hatte er ja toll hingekriegt, dachte Rico, als er wieder schlaflos in seinem Bett lag und darüber nachdachte, was gerade geschehen war. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er jetzt fühlen sollte. Sie hatten sich geküsst. Gut. Nein, eigentlich nicht... Und außerdem hatte Antonio ihn geküsst. Also sollte er jetzt wohl am ehesten wütend auf ihn sein. Aber das war er nicht. Er war verwirrt, das war alles. Es war Zeit für eine Bestandsaufnahme. Also, er hatte keine Gefühle für Antonio; er mochte ihn noch nichtmal wirklich. Der Mann war ihm suspekt. Folglich sollte es ihm eigentlich egal sein, was passiert war. Und trotzdem konnte er nicht aufhören darüber nachzudenken. Vielleicht war es die Tatsache, dass der Andere Gefühle für ihn hatte und ihn als etwas Besonderes ansah. Ja, das musste es sein. Aber was sollte er nun tun? Das Beste wäre wohl von hier zu verschwinden und mit Myriam nach Hause zu fahren, bevor noch etwas Dummes passierte und er sich von dem Kerl verführen ließ. Das klang doch fast nach einem Plan, dachte er und schlief schließlich doch ein.
 

Am nächsten Morgen musste Rico eine Untersuchung über sich ergehen lassen, die darüber entscheiden sollte, ob er heimgehen durfte. Während er in seinem Zimmer auf das Ergebnis wartete versuchte er sich von den Ereignissen der letzten Nacht abzulenken, indem er sich um Lucifer kümmerte. Der Junge war echt arm dran. Sie wollten ihn heimschicken, obwohl er mit seinen zwei Gipsbeinen nichtmal in seine Wohnung im zweiten Stock gelangte. Und daheim war nur seine kleine Schwester Luna, die ihm in diesem Fall auch keine große Hilfe wäre. Er hatte noch eine jüngere Schwester namens Maria. Sie wohnte allein am anderen Ende der Stadt, war 20 Jahre alt und hatte drei Jobs, damit sie und ihr Sohn überhaupt irgendwie über die Runden kamen. „Und was ist mit deinen Eltern? Oder vielleicht andere Verwandte?“, fragte Rico vorsichtig. Er vermutete eine Tragödie hinter Lucas´ Familienverhältnissen und er sollte Recht behalten. „Ich habe sonst keine Familie, außer irgendeine entfernte Cousine in Argentinien... Mein Vater und meine Großeltern starben bei einem schweren Zugunglück als ich dreizehn war... Der einzige Überlebende war mein großer Bruder José. Unser Vater starb in seinen Armen. Er war danach so traumatisiert, dass er... dass er sich erhängt hat, auf dem Speicher. Ich wollte ihn noch aufhalten aber... na ja, es war halt zu spät“ Lucifer kämpfte mit den Tränen, während er das erzählte. „Du meinst er hat sich vor deinen Augen... Das ist ja furchtbar... Es tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen“, sagte Rico betroffen. „Schon gut. Konntest du ja nicht wissen... Außerdem ist das ja noch nicht alles. Eine Mutter habe ich auch nicht mehr. Sie verschwand vor vier Jahren in Peru und keiner weiß, was mit ihr passiert ist... Man vermutet eine Entführung aber es gibt keine sicheren Hinweise... Wenigstens meine Schwestern haben sie mir gelassen... Ich war schließlich damals schon 18, als wir zu Waisen wurden und so durfte ich mich um sie kümmern... Ich hab keine Ahnung, wie wir es hingekriegt haben aber es ging irgendwie“ Rico war sprachlos angesichts dieser Geschichte. Dass dieser kleine, so schwach wirkende Junge das alles durchgestanden hatte und seinen Schwestern so ganz nebenbei noch Vater und Mutter ersetzte war praktisch unglaublich. Und die Tatsache, dass Lucas schon 22 war, war mindestens genauso unglaublich. Er sah viel jünger aus und er wirkte auch viel jünger. Aber manchmal konnte der erste Eindruck eben auch täuschen.
 

Am Nachmittag erfuhr Rico, dass er in zwei Tagen entlassen werden konnte. Seine Verletzungen waren so weit verheilt, dass er nicht mehr unter ärztlicher Aufsicht bleiben musste und er hatte auch keine langfristigen Folgeschäden davongetragen. Natürlich taten die gebrochenen Rippen noch weh und würden das auch noch eine Zeitlang tun aber das war ja normal. Wenn er wieder zu Hause war, musste er sich noch mindestens zwei Wochen erholen und durfte dann möglicherweise schon wieder arbeiten. Als Myriam das hörte, freute sie sich doppelt. Zum einen darüber, dass es ihm schon wieder gut ging und zum anderen, dass sie ihn die nächsten zwei Wochen lang für sich haben würde. Es störte sie, dass er so selten zu Hause war aber wie sie nunmal war, fand sie auch daran eine positive Seite. „Wenn wir so oft getrennt sind vergessen wir wenigstens nicht, was wir aneinander haben“, sagte sie immer. Außerdem würden sie sich wahrscheinlich viel öfter streiten, wenn er immer da war. So stritten sie sich zwar auch ab und zu aber es war nie so tragisch. Nicht so wie bei Ricos Eltern früher. Apropos, Eltern. Er wunderte sich, dass seine Mutter noch nicht angerufen hatte. Normalerweise machte sie sich immer furchtbare Sorgen, wenn es ihm nicht gut ging und es kam auch schonmal vor, dass sie plötzlich bei ihm auftauchte, weil sie so ein Gefühl gehabt hatte, dass er sie ganz dringend brauchte. Bis jetzt hatte sie damit eigentlich immer richtig gelegen aber es war passiert, dass er sich gerade in Amerika oder sonstwo herumtrieb und sie dann umsonst wie eine Irre von Spanien nach Monaco gerast war. Eigentlich war sie früher gar nicht so über-fürsorglich gewesen. Natürlich hatte sie sich Sorgen gemacht, wenn ihre Kinder die ganze Zeit von ihr getrennt waren aber es war ihr immerhin klar gewesen, dass sie praktisch nichts für sie tun konnte außer am Telefon gute Ratschläge erteilen und hoffen, dass nichts passierte. Sie war immer für sie da gewesen, auch wenn sie die meiste Zeit weit weg war. Erst nach Lucias Tod war sie so extrem geworden, was ja auch halbwegs verständlich war. Sie versuchte immer für alle da zu sein, wohl auch teilweise, um das wieder gutzumachen, was sie in ihrer Kindheit unfreiwillig versäumt hatte. Das führte dazu, dass sie sich selbst unter kaum auszuhaltenden Stress setzte, wenn sie zum Beispiel Blanca hinterher reiste, die mit ihrer noch relativ unbekannten Rockband durch Europa zog und die es immer wieder schaffte in Schwierigkeiten zu geraten.
 

Rico selbst hatte seine Schwester im letzten Jahr fünfmal auf diversen Polizeiwachen abgeholt, wenn sie mal wieder im besoffenen Kopf irgendein Hotelzimmer oder eine Bar zerlegt hatte. Einmal hatte sie eine Massenschlägerei ausgelöst, war aber selbst ohne einen Kratzer aus der Sache rausgekommen. Der Gitarrist ihrer Band hatte einige Tage in Untersuchungshaft gesessen, bis Rico ihn per Kaution freikaufte. Aber meistens kümmerte sich eben die Mutter um solche Sachen und er erfuhr erst davon, wenn alles schon gelaufen war. Schon mindestens tausend Mal hatte er Blanca praktisch angefleht sich doch endlich zusammenzureißen, wenigstens ihrer Mutter zuliebe, aber es nützte nichts. Sie blieb weiter ein rebellischer Vorzeige-Rockstar und pflegte ihr Image durch ihre Eskapaden. Eigentlich war sie immer noch das freche, aber nette kleine Mädchen von früher aber anscheinend wollte sie nicht so sein. Oder sie durfte nicht. Es lag alles an diesem Kerl, ihrem so genannten Manager, mit dem sie seit zwei Jahren verheiratet war. Er redete ihr immer wieder ein, dass dieses aggressive Auftreten zum Erfolg führen würde. Und sie ließ es sich einreden, weil sie ihn offensichtlich liebte. Rico beschloss sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, wenn er wieder zu Hause war. Es musste doch irgendwie gehen...
 

Am nächsten Tag wurde endlich die Ursache für den Flugzeugabsturz bekannt gegeben. Einer der Bordcomputer hatte gesponnen und einfach so einen Sinkflug eingeleitet und das Flugzeug in Richtung des Meers gelenkt. Ohne Lucas´ mutige Notlandung wären mehr als drei Menschen dabei ums Leben gekommen. „Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen“, meinte Rico niedergeschlagen, als er auf dem Bett des Jüngeren saß. „Wieso das denn?“, fragte Lucifer verwirrt. „Weil ich dich für das alles verantwortlich gemacht habe, ohne nachzudenken. Und ich hab dich angeschrien... und meine schlechte Laune an dir ausgelassen. Es tut mir leid“, sagte der Andere. „Ach, so´n Quatsch. Jeder hätte so reagiert. Ich an deiner Stelle hätte mich wahrscheinlich umgenietet“, erwiderte Lucas lächelnd. „Aber Alex hat nicht so reagiert. Er hat offensichtlich nachgedacht, bevor er den Mund aufgemacht hat...“ antwortete Rico. „Du kannst nicht immer zu 100% gerecht sein und immer nachdenken, bevor du redest. Das ist dir doch schon klar, oder?“ Lucifer sah ihn besorgt an. Er konnte seine Gedanken nachvollziehen. „Man kann es aber versuchen“, erwiderte der Ältere schwach. „Himmel nochmal, Rico! Jetzt mach dich doch wegen einer Kleinigkeit nicht so fertig. Vergiss es einfach und gut is'... Ehrlich gesagt hatte ich es schon vergessen, bis du mich wieder dran erinnert hast“, sagte Lucifer. „Wahrscheinlich hast du Recht. Ich denke zu viel... nur halt in den falschen Momenten“, meinte sein Gegenüber bloß. Ihr Gespräch wurde durch Luna unterbrochen, die mal wieder ihren Bruder besuchte.
 

Rico machte sich indessen* auf den Weg zu Antonio. Seit dieser Nacht hatte der Physiotherapeut immer wieder versucht ihn allein zu erwischen, war zwischendurch ab und zu in seinem Zimmer aufgetaucht und hatte ihm Nachrichten zukommen lassen, in denen er um ein Treffen bat. Am Morgen hatte Rico beschlossen die Sache zu beenden, bevor sie richtig angefangen hatte und überlegte seitdem fieberhaft, was er am Besten zu ihm sagte, wenn sie sich gegenüberstanden. Er musste ihm einfach klarmachen, dass sie sich nicht mehr sehen konnten. Wenn er das nicht tat fand der Kerl womöglich seine Telefonnummer oder seine Adresse heraus und er hatte dann seinen persönlichen Stalker. Man wusste ja nie. Oder er hatte sich wirklich ernsthaft in ihn verliebt und er würde ihn mit einem gebrochenen Herzen zurücklassen. Beides waren Sachen, die er nicht wirklich wollte. Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte klopfte er an der Tür zu Antonios Büro. Eine weibliche Stimme rief: „Herein“ und zögernd betrat er den Raum. Hatte er sich vielleicht in der Tür geirrt? Die Frau stellte sich als Putzfrau heraus, die gerade mit dem Fenster beschäftigt war.„Guten Tag. Ich suche Antonio“, sagte er und versuchte seine Verwirrung zu verstecken. „Der arbeitet nicht mehr hier. Er wurde gefeuert“, antwortete sie knapp. Jetzt erst fiel Rico auf, dass alles leergeräumt worden war und Antonios persönliche Sachen fehlten. „Warum das denn?“, fragte der Mann. „Offiziell wegen seinen ständigen Verspätungen aber inoffiziell... Sie wissen schon, es kursiert da so eine Geschichte“, sagte die Putzfrau und machte eine vage Handbewegung. „Welche Geschichte?“, fragte Rico gespannt. Sie winkte ihn näher zu sich heran und senkte verschwörerisch den Blick. „Es heißt er hätte mit Patienten Sex gehabt... mit Männern. Und das schon seit Jahren immer wieder. Letzte Nacht hat die Oberschwester ihn mit einem Jungen erwischt, der gerade mal 16 war und ihn achtkantig rausgeschmissen und jetzt hat er Hausverbot. Stellen Sie sich das vor! Und man munkelt er hätte auch noch Drogen genommen... Und dabei wirkte er immer so nett“ Rico starrte sie an; unfähig seine Gedanken zu sortieren. „Vielen Dank für die Auskunft“, murmelte er und flüchtete. Er war so ein Idiot! Nichtmal eine Sekunde lang hatte er daran gedacht, dass Antonio ihn nur rumkriegen wollte, so wie hunderte Patienten vor ihm. Er hatte seinem Ego die Oberhand gelassen und insgeheim die Aufmerksamkeit genossen, die ihm durch diesen Kerl zuteil wurde. Aber als er ihn dann in dieser Nacht nicht sofort ranließ war er einfach zum Nächsten gegangen. Von wegen „Du bist etwas Besonderes“. Zu wie Vielen hatte er das wohl noch gesagt? Und wie Viele waren darauf hereingefallen? Das hätte er sich doch denken können, dass der Typ so ein sexsüchtiger Männerheld war, der nicht lange wartete und jeden gleich flachlegte. Aber er hatte es sich nicht gedacht und ein Teil von ihm hatte sogar mit dem Gedanken gespielt etwas mit Antonio anzufangen. Was für ein Glück, dass er es nicht getan hatte. Aber trotzdem... es schmerzte, dass er so belogen worden war.
 

Rico verließ am nächsten Tag zusammen mit Myriam das Krankenhaus. Er war um eine Erfahrung reicher geworden aber sein angekratztes Selbstwertgefühl hatte dabei weiteren Schaden genommen.

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* Gibt es dieses Wort? (Ich mein´s ernst)



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