Nachtisch
Leise Schritte ließen ihn aus dem Dösen erwachen. Am Kopf kratzend starrte er auf die Tür, und wartete, bis an ihr geklopft wurde – was aber nicht geschah. Stattdessen wurde die Tür einfach aufgemacht. Der Mann am Schreibtisch, der sich erstmal die Augen rieb, erkannte sofort, wer da am Türrahmen stand.
„Mal wieder gepennt?“ Diese verärgerte Stimme kannte er nur zu gut. Ein Schmunzeln trat auf sein Gesicht. Er streckte sich ausgiebig und sah die Frau an der Tür grinsend an.
„Sorry, Mama“, meinte er dann, wofür er sich einen bösen Blick einfing. Dann sah er, was sie in ihren Armen hielt, und seine Augen strahlten wie die eines Kindes vor Weihnachten.
„Ach, da freut sich Klein-Dante, hm?“, meinte die Frau grinsend, kam auf den Schreibtisch zu und legte die Schachtel darauf. Wie ein hungriges Raubtier stürzte sich ihr Dämonenfreund auf den Inhalt der Schachtel – Pizza.
„Aber das Geld krieg ich zurück.“ Natürlich verlangte Lady dies nicht. Sie sagte es nur, um ihn ein wenig zu necken.
Kopfschüttelnd beobachtete sie, wie er die Pizza verschlang. Da der Raum nun von Schweigen erfüllt war, beschloss sie, wieder zu gehen. Sie war schon an der Tür angekommen, als sie Dantes Stimme vernahm.
„Hey – und was ist mit Nachtisch?“
Als sie sich umdrehte, sah sie ihn fragend an. Das Grinsen, was auf seinem Gesicht lag, konnte sie nicht deuten. Erst als er mit den Brauen wackelte, wurde sie rot.
„Nachtisch?! Hol ihn dir doch bei Trish!“, fauchte sie ihn an, woraufhin sein Grinsen breiter wurde.
„Och nee, du hast leckere Melonen!“
Am liebsten hätte sie ihm ihren Schuh ins Gesicht geworfen. Oder irgendwas anderes. Am besten einen spitzen Gegenstand, der ihm die Augen ausstach…
„Melonen?! Du Spinner!“, sagte sie jetzt etwas lauter. Der Typ schaffte es echt immer wieder, sie auf die Palme zu bringen.
„Wieso denn? Ich mag nun mal von Menschen gezüchtete Melonen.“ Dante musste sich wirklich zurückhalten, nicht laut loszulachen. Er liebte es, wenn sie sich so aufregte…
„Wa-?! Von Menschen… Argh! Du Vollidiot! Das ist wieder ein Moment, in dem ich dir am liebsten den Hals umdrehen würde!“ Wütens stampfte sie mit dem Bein auf.
„Nur meine Nettigkeit (bei diesem Wort musste Dante sich schwer zurückhalten, vor Lachen umzufallen.) hält mich davon ab, nicht gleich loszuschießen! Ich könnte dich umbringen, du verdammter Dämon! Ständig nervst du mich, ärgerst mich, bringst mich auf die Palme! Was willst du eigentlich von mir?! Oder eher… was will ich von dir?! Du verdammter Dä-…“
Das letzte Wort blieb ihr im Halse stecken. Als sie sich in ihren Ausraster reingesteigert hatte, war Dante aufgestanden und zu ihr an die Wand gekommen. Jetzt hatte er den rechten Arm direkt neben sie gestemmt, und Lady erlebte ein Déjà-vu… Bibliothek… Kampf… er war ihr so nah… und ihr Herz schlug ihr komischerweise bis zum Hals. Kein Wort mehr kriegte sie raus.
Das wurde alles nur noch schlimmer, als er ihr wie damals noch näher kam. Lady starrte nur in seine Augen. Sie dachte, jetzt würde er seine Lippen auf ihre legen… nur noch ein paar Zentimeter…
Aber dann kam es anders.
Sein Gesicht lag plötzlich in ihrer Halsbeuge, und sie spürte seinen heißen Atem. Ein angenehmer Schauer lief ihr über den Rücken. Seine Armen hatten sich derweil um den zierlich wirkenden Körper gewickelt, und sie spürte eine angenehme Wärme.
Eine ganze Weile standen sie da. Dann sah er auf und sah ihr in die bifarbenden Augen.
„Darling… du hast ein neues Parfüm.“
Sprachlos starrte sie den grinsenden Dämon an. Sie wurde noch fassungsloser, als er ihr einen Kuss auf das Ohr gab, sich an der Wand abstieß und pfeifend zurück zu seinem Schreibtisch ging.
„Süße, kannst du nicht noch ’ne Cola aus dem Supermarkt holen?“
Und zum ersten Mal in ihrem Leben hörte sie auf den Dämon, und verließ seine Wohnung. Zum ersten Mal, ließ sie es sogar zu, das er ihr Kosenamen gab.
Und das alles nur, weil er ihr ein Kompliment gemacht hatte, wenn auch indirekt.
Er wusste wirklich, wie man sie auf die Palme brachte – im negativen Sinne, sowie auch im positiven Sinne…