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FFVII: Blue Wanderer - In the lines

von

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Kapitel 11: Erste Begegnung

Azrael wandte sich zum wiederholten Mal um und warf dem Piloten einen entschuldigenden Blick zu, den dieser jedoch gelassen erwiderte. Die berühmte Coolness der ShinRa Piloten, deren Nerven sich im Laufe der Zeit in extrem belastbare Drahtseile verwandelten. Ab einem gewissen Erfahrungsgrad brachte diese Menschen nichts auf der Welt mehr aus der Ruhe. Dennoch hätte der Black Hawk Helikopter längst unterwegs sein können. Was fehlte, war...
 

Cutter kam wie von allen Monstern Gaias gejagt um die Ecke geschossen und hielt schwer atmend bei der gewaltigen Maschine und neben Azrael an.
 

„Entschuldigung“, keuchte sie, „ich ... Weckerbatterien in den MusicPlayer getan... vergessen wieder umzutauschen... völlig verschlafen...“
 

„Schussel“, knurrte Azrael. „Rein mit dir!“ Er folgte dem Mädchen und schloss die seitlich liegende Schiebetür. Der Rotorenlärm steigerte sich, die Räder lösten sich vom Boden. Cutter ließ sich immer noch nach Luft schnappend auf einen freien Platz am Fenster fallen.
 

„Schön, dass du´s auch noch geschafft hast!“ zischte Neesha. Cutter wandte betont desinteressiert den Kopf ab und sah aus dem Fenster, beobachtete begeistert die vorbeigleitende Landschaft. Als Kind hatte sie sich immer Flügel gewünscht... und eigentlich tat sie das immer noch. Es war einer der seltsamen Träume, von denen sie sich einfach nicht lösen konnte.
 

Irgendwann verteilte Azrael dunkle Augenbinden, achtete auf ein ordnungsgemäßes anlegen und erklärte endlich die Aufgabe des heutigen Tages.
 

„Die Kartographieabteilung hat uns um Hilfe gebeten, da einige Karten nicht mehr ganz auf dem neusten Stand sind. Wir werden also die entsprechenden Umgebungen scannen und unsere Angaben genauestens dokumentieren. Die Person mit den besten Angaben wird namentlich unter der jeweiligen Karte erwähnt...“
 

„Also ich!“ verkündete Neesha arrogant.
 

„... ihr könnt“, fuhr Azrael kopfschüttelnd fort, „euch also eine Art Denkmal schaffen.“
 

„Alternativ könnt ihr auch alle gleich im Helikopter bleiben und euch die Blamage ersparen.“
 

„Pass nur auf, dass dich keiner rausstößt“, zischte irgendjemand mit unverhohlener Wut.
 

„Azrael“, empörte sich Neesha unverzüglich, „muss ich mir als Klassenbeste solch eine Behandlung von diesen Nieten gefallen lassen?!“
 

„Machen wir wieder einen Abstecher in den Kindergarten, ja?“ Azraels ärgerliche Betonung nahm seinen Schülerinnen augenblicklich die Lust am streiten. Der Helikopter begann zu sinken, setzte am Boden auf, und die Blue Wanderer sprangen hinaus und begaben sich zügig aus dem höchst windigen Einflussbereich der Rotorblätter. Azrael verteilte Arbeitsmaterialien.
 

„10 Kilometer Umkreis. Schreibt leserlich! Und prüft genau, was ihr aufschreibt! Ich möchte Details sehen. Ihr könnt auch zeichnen.“
 

Vor wenigen Wochen wäre Cutter mit dieser Aufgabe völlig überfordert gewesen und hätte höchstens ihren Namen auf einem weißen Blatt Papier abgeben können. Jetzt aber... In der Zeit mit Sephiroth und Zack war sie schwierigerem gegenübergetreten. Erfolgreich!
 

Binnen weniger Minuten erfasste sie alles erwähnenswerte innerhalb der 10 Kilometermarke bis ins letzte Detail. Ob es noch mehr gab? Cutter zögerte, dann tauchte sie tiefer in die Lines, erfasste noch mehr Kleinigkeiten, glitt tiefer und tiefer... und... zuckte erschrocken und überrascht zusammen.
 

Was, im Namen aller Farben, war das?
 

Vor ihr erstreckte sich eine Line von sehr intensiver, dunkler Farbe. Cutter näherte sich behutsam. Weshalb war ihr diese gigantische Line nicht schon früher aufgefallen? Irgendetwas hier war... sehr seltsam. Die Line wirkte schwarz, aber es gab keine schwarzen Lines! Absolut unmöglich! Aber... sie war da... Oder... war es eine Täuschung?
 

Denk nach! Sei nicht schusselig!
 

Aber es wurde noch kurioser. Alle anderen Lines besaßen einen klaren Puls. Diese hier nicht. Oder? Cutter lauschte und fühlte tief konzentriert. Nein... Die Line hatte einen Puls. Er war nur sehr träge und langsam, kaum wahrnehmbar... Dumpf wie die Glockenschläge einer Beerdigung.
 

„Noch 5 Minuten, meine Damen! Beeilung!“
 

Die Zeit drängte. Cutter schüttelte das klamme Gefühl ab. Es gab keine schwarzen Lines. Intensives, schwarz wirkendes grau war hingegen problemlos möglich. Vermutlich befand sich ein gigantisches Gebirge in der Nähe. Sie versuchte, der Line Informationen zu entnehmen – und schlug fehl. Was zum...? Eine Line ohne Angaben?? Jeder Anlauf brachte dasselbe Ergebnis. Die Line war... bar jeglicher Information. Azrael klopfte dem Teenager sachte auf die Schultern, und diese schrieb „Großes Gebirge“ auf ihren Zettel und gab ihn ab.
 

„Augenbinden auflassen, bitte“, wies Azrael an. „Und zurück in den Helikopter.“ Während des Fluges lauschte Cutter intensiv den Gesprächen ihrer Mitschülerinnen, und so erfreut sie über die vielen Übereinstimmungen war – die dunkle Line oder das Gebirge erwähnte niemand. Was wohl hieß, dass die Informationsbeschaffung zu einfach gewesen war, um darüber zu sprechen.

Cutters Unzufriedenheit über die eigenen Leistungen verdichtete sich zu einem einzigen, aus tiefsten Herzen kommenden und lediglich gedachten „Verdammt!“.
 

Die Abenddämmerung schickte sich eben an, in die dunkleren Farbtöne überzugehen, als die Räder des großen Black Hawk Helikopters wieder Bodenkontakt herstellten. Die Transporttüren öffneten sich, und Azrael scheuchte seine kleine Klasse nach draußen. Es war ein langer Tag gewesen. Eigentlich hätten die Mädchen müde sein müssen, aber sie lachten und schwatzten wild durcheinander. Azrael konnte es verstehen. Sie hatten sich so lange nicht mehr gesehen, und die Zeit war keinesfalls stehen geblieben...
 

Sein Blick fiel auf Cutter, die ein wenig abseits ging. Ihrem Blick war anzusehen, dass sie nur zu gerne Teil der lebhaften kleinen Clique gewesen wäre, aber genau wusste, dass man sie einmal mehr nicht dabeihaben wollte. Azrael nahm sich vor, dem einsamen Teenager in den künftigen Unterrichtsstunden gezielt die Möglichkeit zu geben, den anderen ihre Weiterentwicklung in allen Facetten zu beweisen. Aber insgeheim wusste er, dass es sinnlos war. Zuneigung ließ sich nicht erzwingen. Und Cutter, dessen war er sich sicher, wusste es ebenfalls.
 

Dem war so. Aber nach dem Abendessen in der großen Caféteria lag Cutter in ihrem Bett, kämpfte mit den Tränen und wünschte sich, es gäbe doch eine entsprechende Möglichkeit. Denn ihre restlichen Klassenkameradinnen saßen jetzt zusammen, heimlich, in irgendeinem der anderen Quartiere, und feierten eine „Reunion-Pyjama-Party“. Sie lachten, hatten Spaß, erzählten sich Geschichten.
 

Und was ist mit meinen Geschichten, dachte Cutter fast verzweifelt. Vielleicht sind sie anders als eure, aber deswegen müssen sie nicht schlechter sein...
 

Dann übermannten sie Wut und Trotz.
 

Was habe ich euch eigentlich getan? Ihr wollt nicht mir zusammen sein? Gut, ich mit euch auch nicht! Ich brauche euch nicht! Ich komme alleine klar, ganz alleine! Problemlos! Schon immer! Ich...
 

Ihr Blick fiel auf das kleine Schränkchen neben dem Bett. Dessen unterste Schublade beinhaltete, versteckt unter Belanglosem, Cutters wertvollsten Besitz: das Armband, welches sie von Zack geschenkt bekommen hatte, und die Feuermateria.
 

Zack.... Sephiroth...
 

Cutter öffnete die Schublade und nahm das Armband und die Materia behutsam heraus, legte beides neben sich aufs Kopfkissen und streichelte vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. Erinnerungen. An eine Zeit, die niemals zurückkehren würde. Es war... so schön gewesen. So warm. Niemals zuvor war die Existenz des Teenagers so intensiv bemerkt worden. Niemals zuvor hatte sich Cutter so... lebendig gefühlt. Akzeptiert zu werden. Vertrauen zu entwickeln. Die Wärme anderer Menschen so nah zu spüren und dabei zu entdecken, dass das eigene, mit aller Kraft unter widrigsten Bedingungen am Leben erhaltene Feuer nützlich sein konnte...
 

Ich habe gelogen, dachte Cutter. Tränen liefen über ihre Wangen.

Ich komme nicht alleine klar. Ich brauche die Nähe und Wärme anderer Menschen um mich herum. Ich will nicht mehr so allein sein! Und ich... ich...
 

„Ich will zurück!“ schluchzte sie verzweifelt auf. Die sie umgebende Kälte war durch die zeitlich begrenzte Wärme jetzt noch eisiger geworden. Das Wissen, wie es sein könnte, und die Gewissheit, dass es niemals dauerhaft so werden würde... Cutter gab sich nicht die Mühe, leise zu weinen. Niemand würde sie hören und herkommen um sie zu trösten. Ja nicht einmal, um sich zu beschweren. Irgendwann schlief sie ein, die Hand um das Armband geschlossen, erschöpft von dem Gefühl, wieder allein und völlig überflüssig zu sein.
 

Azrael tat sein Möglichstes, aber die Klassenrangordnung änderte sich nicht. Die Mädchen ignorierten Cutters Fortschritte obwohl diese wirklich beachtlich waren ebenso wie die erneuten, schüchternen Annäherungsversuche. Der Teenager blieb alleine. In den Pausen saß sie irgendwo, still in sich gekehrt, den MusicPlayer auf den Ohren, auf den erneuten Beginn des Unterrichts wartend. Und trotz aller Bemühungen, Azrael wusste, er konnte Cutter nicht das sein, was sie brauchte, wonach sie sich am meisten sehnte. Ein Freund.
 

Glücklicherweise sah eine bestimmte Person das genauso.
 

„Seph – unserer Cuttie geht’s nicht gut.“
 

„Nimm deine Stiefel von meinem Schreibtisch, Zackary!“
 

„Ich meine“, fuhr Zack ungerührt und ohne der Aufforderung Folge zu leisten, fort, „wirklich nicht gut.“
 

Sephiroth fixierte die so respektlos auf dem Schreibtisch geparkten Stiefel, und dass diese nicht augenblicklich in Flammen aufgingen, war ausschließlich ihrer extremen Belastbarkeit zu verdanken. Der General wusste - Zack liebte dieses Spiel. In seinem unerschöpflichen Repertoire mit dem Titel „100 Methoden um meinen direkten Vorgesetzten zu ärgern“ war das hier Nr. 44.
 

„Ich bin sicher“, antwortete Sephiroth kühl und mit perfekter Selbstbeherrschung, fest entschlossen, sich nicht sichtlich ärgern zu lassen, „ein Besuch auf der Krankenstation wird Abhilfe schaffen. Abgesehen davon ist Tzimmek nicht dein oder mein Eigentum.“
 

„Oh Seph, das meine ich nicht.“ Er schnappte sich einen Kugelschreiber und begann, wild damit zu klicken. Nr. 18. „Seelisch. Es geht ihr seelisch nicht gut. Ich habe sie genau beobachtet, seit wir wieder hier sind.“
 

Eine silberne Augenbraue hob sich langsam hinsichtlich dieses Geständnisses.
 

„Du gibst deinem direkten Vorgesetzten gegenüber Stalker-Tätigkeiten zu? Ungeschickt, Zackary. Ich könnte dich für den Rest deiner SOLDIER Zeit in den Cosmo Canyon abkommandieren.“
 

„Es ist nicht ihre Schuld“, fuhr Zack unbeeindruckt der Drohung, an den langweiligsten Ort ganz Gaias geschickt zu werden, fort. „Sie verhält sich völlig normal.“ Das klicken des Kugelschreibers steigerte sich. „Sie ist einsam. Und ein Teenager. Gefährliche Kombination. Sie sollte... Freunde haben mit denen sie rumhängt, Abenteuer erlebt, und gegenseitig die Fußnägel rosa lackiert.“
 

„Verstehe. Und natürlich möchtest du diesen Part übernehmen. Inklusive der rosa Fußnägel.“
 

„Findest du, rosa würde mir stehen?“
 

Es entstand eine sehr, sehr lange Pause. Zack nutzte die Zeit, um ernsthaft über rosa Fußnägel nachzudenken. Sephiroth versuchte, sich genau dieses Bild nicht detailliert vorzustellen.
 

„Wenn ich sie schon nicht adoptieren darf...“ Ein leises krachen verriet das Ableben des gequälten Kugelschreibers. Zack ließ ihn in den Papierkorb fallen, griff nach einem neuen – und wurde augenblicklich von Sephiroth entwaffnet. Einen kurzen Moment lang starrte Zack nachdenklich auf den statt eines ursprünglich angestrebten Kugelschreibers in seiner Hand liegenden Bleistift. Dann klemmte er ihn zwischen Zeige- und Mittelfinger und begann, einen schnellen Rhythmus auf der Tischplatte zu klopfen. Nr. 59.
 

„Sie ist unerschrocken, mutig, hat das Herz am rechten Fleck und das mit der Schusseligkeit kriegt sie bestimmt auch noch hin.“ Er strahlte. „Ich mag sie.“
 

„Das überrascht mich.“ Seine Stimme troff von Sarkasmus. „Es gibt kaum jemanden, den du nicht magst.“ Eine zutreffende Aussage. Zacks fröhliche, stets unkomplizierte Art ließ ihn zu jedermanns Freund werden – außerhalb des Schlachtfeldes. Innerhalb dessen war er mit Leib und Seele ein 1st, und somit nicht zu unterschätzen.
 

„Wieso?“ Zack gab sich alle Mühe, ernst zu klingen. „Dich mag ich zum Beispiel überhaupt nicht.“
 

„Dann entferne dich bitte aus meinem Büro, ich habe zu arbeiten.“
 

„Darf ich den Bleistift mitnehmen?“
 

Sephiroth warf ihm einen Blick zu, der die Notwendigkeit von chirurgischem Besteck versicherte um den Bleistift zu entfernen, sollte der 1st nicht sofort verschwinden - und es funktionierte. Wieder alleine schüttelte der General den Kopf. Er glaubte nicht, dass Zack diesmal Erfolg haben würde. SOLDIER Kadetten leckten sich aus den unterschiedlichsten Gründen alle Finger danach ab, mit einem 1st befreundet zu sein. Aber Cutter war eine Blue Wanderer Kadettin. Eine Freundschaft mit Zack bedeutete keinerlei Vorteile, und dürfte somit völlig uninteressant sein.
 

Überhaupt... Freundschaft... Es war kein Thema, mit dem Sephiroth sonderlich vertraut war. Eine Erinnerung erwachte tief in ihm, ließ ihn zurückkehren in seine seltsame Kindheit. Ein kleiner Junge in einem Krankenhauskittel tappte mit nackten Füßen über den kalten Boden des Labors, hinüber zu dem über ein Mikroskop gebeugten Mann mit der ewig rutschenden Brille und den Augen aus Eis.
 

„Professor Hojo?“
 

„Was willst du?! Siehst du nicht, dass du mich beim arbeiten störst?!“
 

Ein kaum merkliches zögern, dann ... : „Ich... ich habe eine Frage.“
 

Hojo brummelte etwas unverständliches, zog das immer bei sich geführte Aufnahmegerät aus der Tasche, drückte den Aufnahmeknopf, nannte Datum und Uhrzeit ehe er den kleinen Jungen vor sich aufforderte, die Frage zu stellen.
 

„Was ist Freundschaft?“
 

„Wer setzt dir diese unnötigen Vokabeln in den Kopf?! Na, ich weiß schon Bescheid! Freundschaft, also, ja? Etwas völlig überbewertetes und störendes. Nur Schwächlinge und Versager brauchen Freunde! Willst du das eine oder andere sein?“
 

Heftiges Kopfschütteln.
 

„Du brauchst keine Freunde! Dein Wort wird einst ganze Armeen führen! Du wirst Macht über andere besitzen, Befehle erteilen und eine Stärke besitzen, die dich von allem unabhängig macht – Freundschaft ist somit mehr als überflüssig. Hast du das verstanden? Dann stör mich nicht länger, und belästige mich nie wieder mit solch hirnrissigen Fragen!“
 

Hojo hatte recht behalten. Und heute sah Sephiroth selbst keinen Sinn mehr in diesem Begriff. Selbst wenn sich diese Ansicht eines Tages geändert hätte – er wäre nicht in der Lage gewesen, es der betreffenden Person gegenüber zuzugeben, ohne dabei das Gefühl einer absoluten Niederlage zu empfinden.
 

Zack hingegen hätte sich problemlos selbst mit einem Felsen anfreunden können. Andere benötigten etliche Anläufe und Monate, nicht selten sogar Jahre um einer anderen Person klar zu machen, dass man keine bösen Absichten hegte und jemand war, dem man vertrauen konnte. Zack erledigte das alles im Zeitraffer - mit einem einzigen, aus tiefstem Herzen kommenden lächeln, das alle „wenn“ und „aber“ augenblicklich dahinschmelzen ließ.
 

Ein paar Tage später beobachtete Sephiroth ihn dabei, wie er die wie immer abseits von ihren Klassenkameradinnen stehende Cutter überfiel, und sie ungeachtet der irritierten Blick ihrer Mitschülerinnen begeistert durchknuddelte. Der General konnte nicht verstehen, worüber der Teenager und Zack sprachen, aber er sah die Verblüffung in Cutters Augen zu nachvollziehbarem Misstrauen werden. Das Training war vorbei, es gab für den 1st keinen Grund mehr, mit ihr zu sprechen, sie überhaupt nur zu beachten oder... zu tun, was er gerade tat.
 

Dann kam dieses mehr als tausend Worte sagende lächeln. Und der Zweifel in den Augen des Teenagers verblasste und wurde durch Freude ersetzt, die in ihren Augen begann und sich auf das ganze Gesicht ausweitete. Schließlich lachte das Mädchen vergnügt, wie befreit, und grinste noch, während sie und Zack sich schon zum Abschied winkten.
 

„Sie hat sich so gefreut!“ beendete der 1st seine Zusammenfassung einer Sache, von der er annahm, Sephiroth habe sie nicht mitbekommen, und lehnte sich zufrieden in dem Sessel vor dem Schreibtisch zurück. Diesmal befanden sich seine Stiefel auf dem Erdboden. Die Füße allerdings...
 

Wenigstens trägt er frische Socken, dachte der General nach einem kurzen Blick und einem verhaltenen seufzen. Nr. 65. Keine frischen Socken wäre Nr. 34 gewesen.
 

„Ab jetzt“, fuhr Zack fort und unterstrich seine Worte mit einer passenden Handbewegung, „wird sie fröhlicher sein, wirst sehen. He, hörst du mir überhaupt zu? Erde an Sephiroth. Komm schon, ich weiß, dass du mich hörst.“
 

Einmal mehr war der Schreibtisch übervoll mit Papieren, aber der 1st war entschlossen, das Duell zu gewinnen. Er holte tief Luft... beschloss, sein Vorhaben zu verschieben, und griff stattdessen nach den Dokumenten, die Sephiroth ihm ohne Blickkontakt, dafür aber aggressiv schweigend (nur der General brachte das fertig) entgegenstreckte.
 

Der Stapel entpuppte sich als ein identischer, fünffach eingereichter Antrag zur Genehmigung einer haarsträubenden Absurdität von ein und derselben Person, gekrönt von dazuerfundenen Dringlichkeitsstufen.
 

Zack rollte mit den Augen. Dass Sephiroth seine Zeit mit solchem Blödsinn verbringen musste, war, gelinde gesagt, eine Frechheit. Aber der Antragsteller war bekannt für derartige Aktionen.
 

Wiederwillig gab der 1st den Stapel Sinnlosigkeit zurück. Sich mit so einem Blödsinn aufhalten lassen zu müssen... Ein grandioser Kämpfer wie Sephiroth gehörte auf ein Schlachtfeld, und nicht hinter einen Schreibtisch! ShinRa schien tatsächlich zu glauben, den General auf diese Art und Weise kontrollieren zu können. Eines Tages, das wusste Zack, würde Sephiroth diese Illusion zerbrechen, und eine neue, sehr viel andere Gegenwart schaffen.
 

Momentan allerdings galten die Gedanken und Pläne des Generals der aktuellen Gegenwart, und seine Aufmerksamkeit den wenig Grund zur Freude gebenden Berichten vor sich. Die Rebellenaktivitäten in Midgar nahmen langsam aber kontinuierlich zu. Erst gestern war ein Anschlag auf eine kleine Gruppe SOLDIER verübt worden.
 

Zack, immer noch mit den Gedanken bei Cutter und ihren sturen Mitmenschen, schüttelte den Kopf. „Sie haben sie einfach nicht richtig behandelt“, maulte er.
 

„Auch Respekt kann man erzwingen“, antwortete der General, vertieft in den Bericht. Die Männer hatten zwar keine lebensbedrohlichen Verletzungen davongetragen, aber Sephiroth war weit davon entfernt, den Vorfall auf die leichte Schulter zu nehmen. Abgesehen davon... der Angriff war nicht mit den üblichen selbstgebastelten Waffen verübt worden, sondern mit ShinRa Material.
 

„Ich meine... warum tun sie das? Was versprechen sie sich davon?“
 

„Das übliche, nehme ich an. Eine strahlende Zukunft ohne Sorgen jeglicher Natur.“
 

Vermisst wurde, laut den entsprechenden Listen, allerdings nichts. Der General plante für den Nachmittag ein Gespräch mit dem für diese Listen zuständigen Offizier, außerdem würde für ein höheres Aufgebot an Schutzpersonal in den Straßen von Midgar gesorgt werden müssen, was wiederum...
 

„Dabei hat sie sich solche Mühe gegeben, ich hab´s doch gesehen.“
 

Sephiroth seufzte lautlos. Er hatte schon angefangen, sich über Zacks sinnvolle Antworten zu wundern.
 

„Ich finde“, meinte der 1st gerade, „wir sollten sie im Auge behalten für später Missionen.“
 

Dem hatte der General nichts entgegenzusetzen. Einen guten BW konnte man immer brauchen, und wie es aussah, lief Cutters Entwicklung – endlich – darauf hinaus. Abgesehen davon erstarrte sie, ganz im Gegensatz zu manch anderen, in Sephiroths Anwesenheit nicht zur verschreckten Salzsäule. Dennoch war sie noch zu kindlich. Wenn sie im erbarmungslosen ShinRa Universum überleben wollte, musste sie dringend erwachsen werden. Was sich mit Zack als einzigstem Freund mehr als problematisch gestalten würde. Er hoffte, der Teenager besaß genug Intelligenz, sich nicht zu jedem Blödsinn hinreißen zu lassen.
 

Zacks ehrliche, ungekünstelte und glaubhafte Freundlichkeit hatte tief in Cutter eine Barriere brechen lassen. Die Gewissheit, doch nicht allein zu sein, verlieh ihr förmlich Flügel. Sie lachte wieder, außerdem zeigten sich ihre Fortschritte bezüglich der Lines in aller Deutlichkeit. Selbst die sture Klassenrangordnung ließ sich nun leichter ertragen. Cutter war zum ersten Mal in der Lage, dem Unterricht wirklich zu folgen, und das sich langsam einstellende Gefühl, ihren Klassenkameradinnen ebenbürtig zu sein, war großartig.
 

Hin und wieder allerdings.... Die Ergebnisse der Kartographieaufgaben lagen vor, und Azrael besprach die Ergebnisse. Einige Schülerinnen hatten sehr gute Arbeit geleistet. Andere hingegen...
 

„Eine Person hat sogar ein ganzes, nicht existentes Gebirge gefunden“, kommentierte er gerade.
 

„Da war aber eine sehr dunkle Line!“ protestierte Cutter augenblicklich, und Azrael schloss die Augen und seufzte resigniert. Er hatte Cutter mit Absicht nicht bloßstellen wollen... jetzt erledigte sie das selbst. Und bemerkte es nicht einmal, während die restliche Klasse zu kichern anfing. Aus diesem Schussel würde niemals ein echter BW werden!
 

„Was?!“ fauchte der Teenager zutiefst entrüstet in die höchst erheiterte Runde. Sie erinnerte sich genau. „Sie war da! Wenn nicht sogar ganz schwarz!“
 

Alarmglocken, die lange geschlafen hatten, erwachten schrillend tief in Azrael, gefolgt von einem alles betäubenden Schmerz, der sämtliche Gedanken in freien Fall übergehen ließ.
 

Eine schwarze... d i e schwarze Line. Heftiger Schwindel erfasste all seine Sinne. Nur halbwegs vermochte er der Diskussion weiter zu folgen.
 

Irgendjemand prustete. „Es gibt keine schwarzen Lines!“
 

Cutter versuchte zu erklären, wurde aber schon nach wenigen Worten energisch und ohne jedes Feingefühl von Neesha, einmal mehr Klassenbeste, unterbrochen. Azrael nutzte die Gelegenheit, fing seinen mentalen Sturz wieder auf, landete hart aber sicher und mit rasenden Gedanken. Die gefürchtetste aller möglichen Situationen war eingetreten. Er musste die Sache entschärfen, augenblicklich!
 

Vergib mir...
 

„Cutter, deinetwegen werden eines Tages Tischkanten mit Geschmack erfunden!“ Amüsierte Laute huschten durch die Klasse, während Azrael fortfuhr, eiserne Schärfe in der Stimme. „Wenn du eine Line nicht zuordnen kannst, vermerke es, und wir werden es analysieren und gemeinsam rausfinden. Aber verschwende nicht unsere Zeit mit diesen... Märchen!“
 

„Aber...“ Sie erinnerte sich! Ganz genau... Oder?
 

„Du hast dich wieder nicht konzentriert!“ Er wandte sich an die Klasse. „Zum 5ooosten Mal für Cutter. Was passiert mit Lines, die sehr eng beieinander liegen?“
 

„Farben und Puls können sich verändern“, antwortete die Klasse im Chor. Cutter schluckte. Richtig. Das konnte passieren. Selten, aber möglich. Oft genug hatte Azrael darauf hingewiesen.

Und sie... hatte es völlig vergessen.
 

„Im übrigen, meinst du nicht auch, dass jeder diese ungewöhnliche Line irgendwo vermerkt hätte? Oder denkst du, sie wäre nur für dich erschienen?“
 

Auch das ergab Sinn. Aber Cutter war voll konzentriert gewesen! Warum jedoch sollte Azrael lügen?
 

„Wenn du deine Konzentrationsprobleme nicht bald in den Griff bekommst, sehe ich für die Prüfungen tiefschwarz.“ Er musste lügen. Leugnen. Verletzen. Es gab keinen anderen Weg.
 

„Diskussion beendet! Und jetzt passt bitte alle...“, er warf dem sichtlich verwirrten Teenager einen scharfen Blick zu, „gut auf!“ Er begann, eine neue Aufgabe zu erklären, aber seine Gedanken schäumten unruhig auf und ab.
 

Es gab keine schwarze Line. Es durfte keine geben. Jedenfalls nicht im Universum seiner Schülerinnen. Die Welt der Lines beherbergte Rätsel von solch gefährlicher Unergründlichkeit, dass sie ungelöst, unentdeckt bleiben mussten, um keine... nicht noch mehr... Leben zu zerstören.
 

„Das ist absurd! Ich weiß, was ich gesehen habe, und da war eine schwarze, informationslose Line mit einem sehr trägen Puls!“
 

Zack war dem deprimiert-frustrierten Teenager in einem der zahlreichen Flure des ShinRa HQ über den Weg gelaufen, hatte aufmerksam zugehört, und sah sich jetzt in der Pflicht, einen ehrlichen Kommentar abzugeben.
 

„Weißt du, Cutter-chan“, sagte er zu den großen, hoffnungsvollen Augen, aus denen der Teenager momentan ausschließlich zu bestehen schien, „ich würde dir nur zu gerne zustimmen. Aber du weißt selbst, dass du... zu... Unaufmerksamkeiten neigst. Ich befürchte, deine Sinne haben dir einen Streich gespielt.“
 

Für einen Moment sah Cutter aus, als wolle sie scharf protestieren. Dann aber nickte sie langsam und mit deutlich wachsender Niedergeschlagenheit. So sehr sie Zacks ehrliche Art schätzte – eine andere Antwort wäre ihr jetzt lieber gewesen. Aber er hatte recht, und es gab so viele Punkte, die gegen den so sicher geglaubten Anblick einer schwarzen Line sprachen.
 

„Vergiss es einfach, hey? Nächstes Mal haust du sie alle um!“ Er wuschelte Cutter tröstend durch die Haare. „Ich weiß, dass du es kannst!“
 

Ein lächeln huschte über das Gesicht des Mädchens. Zacks Optimismus zerschlug sogar die tiefste Depression. Sie nickte. Nächstes Mal würde sie sich einfach noch besser konzentrieren.
 

Keiner konnte ahnen, unter welch schwierigen Bedingungen sie ihren neuen Versuch würde starten müssen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Aruna
2008-08-19T22:00:18+00:00 20.08.2008 00:00
Arme Cutter. Muss sich wieder mit dieser ollen Neesha rumärgern. Und dann lachen alle über sie, weil sie diese schwarze Line gesehen hat, die es angeblich gar nicht geben soll. Ich hab aber irgendwie das Gefühl, dass diese Line noch ne Bedeutung hat.
Bei Zacks "100 Methoden, um seinen Vorgesetzten zu ärgern" hab ich mich kaputt gelacht. Wenigstens hatte er dieses Mal frische Socken an :)
Den Rückblick auf Sephiroths Kindheit fand ich gemein. Der Arme. Ich seh den kleinen Jungen richtig vor mir, als er zu Hojo geht, um ihn was zu fragen. Und dann kriegt er so ne bescheuerte Antwort. Kein Wunder, dass Sephiroth so ist, wie er ist.
Nicht falsch verstehen. Ich mag Sephiroth :)
Schreib bitte ganz schnell weiter, ich bin nämlich mal wieder richtig gespannt.

lg Aruna
Von:  Rahir
2008-08-18T19:32:01+00:00 18.08.2008 21:32
So, da wäre ich wieder mal.
Schon wieder dieser Blackhawk-Hubschrauber! Ist aber in Ordnung, es ist als Autor wichtig, zu seinen Entscheidungen zu stehen und sich seine künstlerische Vision von Besserwissern wie mir XD nicht trüben zu lassen. Er kann also drin bleiben :-)
Die Streitereien zwischen Cutter und ihren ‚netten‘ Mitschülerinnen wirken zwar, so wie alles andere, lebensecht, aber gleichzeitig auch etwas sehr unreif. Für die Kadetten einer Militärakademie finde ich es in dieser Übertreibung unpassend. Subtilere Sticheleien fände ich passender, aber nachdem es sich um eine ‚Fantasie‘-Militärakademie handelt, kann man darüber streiten.
Herzlich gelacht habe ich bei den ‚100 Methoden zum Seph-ärgern‘ Köstlich! Aaaber nun kommt ein Dämpfer ;-) Lies hier noch einmal eine deiner Zeilen:

„Sie ist unerschrocken, mutig, hat das Herz am rechten Fleck und das mit der Schusseligkeit kriegt sie bestimmt auch noch hin. Ich mag sie.“

„Das überrascht mich.“

„Wieso?. Dich mag ich zum Beispiel überhaupt nicht.“

Fällt es dir auf, wenn die Gedanken dazwischen fehlen? Zumindest ich verstehe nun die Pointe nicht. Vielleicht bin ich schwer von Begriff, du kannst es mir gern erklären. Ich glaube aber eher, du hast hier übersehen, zwischen dem, was GESAGT und dem, was GEMEINT wurde, zu unterscheiden. Du hast Bezug genommen auf folgenden, unausgesprochenen Gedanken, so vermute ich:

Es gab kaum jemanden, den Zack nicht mochte oder von dem Zack nicht gemocht wurde.

Wenn du dir diese Aussage aber wegdenkst, dann siehst du das, was oben steht. Wenn Sephiroth hinzugefügt hätte, „es gibt schließlich kaum jemanden, denn du nicht magst“, dann würde es passen.
Das war wiedermal eine Kleinigkeit, die mir aufgefallen ist, Aber gerade weil deine Kapitel wie aus einem Guss sind, machen sich dann in meinem Verständnis so kleine ‚Unebenheiten‘ umso mehr bemerkbar.
Ansonsten nur ein Wort: großartig. Die Vorgänge in Sephiroths verkrüppeltem Gemüt sind ebenso lebendig geschildert wie der Schmerz in Cutters Seele. Alle Charaktere handeln innerhalb ihrer definierten Grenzen, der Handlungsfluss kommt nicht ins Stocken, und schön langsam steigt die Spannung, und du baust echten ‚Suspense‘ auf, um diesen Fachausdruck für das leise Hintergrundgeräusch, das den Leser dazu verleitet, gebannt weiterzulesen, zu verwenden.

Bis dann,
Rahir



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