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Das Leben ist zum Sterben da

Eine Biografie... oder auch nicht
von

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Die neuen Mitbewohnerinnen

„Sheena is a Punkrocker... Sheena is a Punkrocker...“ Ach ja, die Ramones heitern mich doch immer wieder auf. Vor allem, wenn sie auf voller Lautstärke bei offenem Fenster die Nachbarn ärgern. Oh, ich glaub´ die Tür hat geklopft. Da steht auch schon meine verwöhnte Schwester Deirdre und versucht mir irgendwas klarzumachen. Unverwandt starre ich mitten auf ihre Stirn, bis sie mit einer genervten Geste abzieht. Das klappt auch immer wieder. Zwei Minuten später steht meine Mutter in der Tür, sieht mich abschätzig an und macht sich auf den Weg durch das Chaos auf dem Boden, um die Stereoanlage auszuschalten. Sie sieht mich immer so an, seit ich vor einem Jahr meine Vorliebe für zerrissene Jeans und Springerstiefel entdeckt habe. Vielleicht liegt es auch an meinen Haaren, die mal wieder unordentlich runterhängen. „Wir haben etwas zu besprechen. Komm mit“, sagt sie unfreundlich und streng. Widerwillig stehe ich auf und folge ihr. Im Flur dreht sie sich zu mir um und sagt: „Warte, geh ins Badezimmer und kämm dich. Wir haben Besuch“ Um ein Drama zu vermeiden gehe ich in das kleine Bad in der oberen Etage und kämme meine halblangen schwarzen Haare. Vor einiger Zeit waren sie noch viel länger, aber ich habe sie abgeschnitten, weil sie mir auf die Nerven gingen. Außerdem habe ich eine Strähne knallgrün und die andere lila gefärbt (Jana hatte noch Haarfarbe übrig). Ich ziehe mein Simpsons-T-Shirt zurecht und gehe in die untere Etage, wo unser Wohnzimmer und die Küche liegen. Gelangweilt betrete ich den Raum. Na toll, meine Stiefoma ist zu Besuch. Die hat ja grade noch gefehlt. Ich setze mich, sie gibt die gewohnten Gemeinheiten über mein Aussehen von sich. „Nun, da die Familie endlich vereint ist können wir ja anfangen“, sagt Jan. Wenn Blicke töten könnten wäre er jetzt vom Stuhl gefallen. Die Familie, ja klar. Da hätten sie mich doch nicht gebraucht. Die Stiefoma sagt in ihrer typischen endgültigen Art: „Nun, da ich so langsam merke, wie ich alt werde habe ich beschlossen meine Wohnung zu verkaufen. Ich werde bei euch einziehen“ Die Welt bleibt stehen. NEIN!! Nicht die auch noch! Meine Mutter verzieht kurz und kaum merklich das Gesicht. Jan setzt ein zufriedenes Lächeln auf und sagt: „Ich hoffe ihr seid alle damit einverstanden. Ich dachte mir, wir haben so viel Platz, da könnten wir Mutter doch aufnehmen. Wir planen das schon seit Monaten“ Er sieht uns alle erwartungsvoll an. „Natürlich sind wir einverstanden, nicht wahr, Kinder“, sagt Mum und blickt streng in unsere Richtung. Deirdre und Aileen stimmen sofort zu. Sie können die Stiefoma wenigstens leiden. „Sheenagh?“, sagt Mum, halb befehlend, halb bittend. Ich will keinen Familienkrieg vom Zaun brechen und zucke bloß die Schultern. „Mir doch egal“, sage ich gleichgültig, stehe auf und gehe wieder in mein Zimmer.
 

Ich sprinte die Treppen hoch, Tränen brennen in meinen Augen. Mit einem lauten Knall werfe ich die Zimmertür zu und drehe den Schlüssel um. Diese Hexe soll bei uns wohnen? No way! Ich werde nie wieder eine ruhige Minute haben, nie wieder einen Tag wo ich mich freue, nach Hause zu kommen. Sie wird dafür sorgen, dass die Band nicht mehr in der Scheune proben darf, dass ich überhaupt keine Musik mehr hören darf. Sie wird mein Leben zerstören! Nachdem ich fünf Minuten heulend im Bett gelegen habe klopft es. Ich öffne die Tür, Mum steht davor. „Mach dir keine Sorgen, ich werde sie schon nicht umbringen, wenn sie hier ist“, sage ich schnippisch. „Nein, das ist es gar nicht. Wir werden für ein halbes Jahr noch eine Mitbewohnerin kriegen. Lily macht einen Schüleraustausch. Sie wird hier wohnen und mit dir in die Schule gehen“, sagt Mum. Das muss mein Gehirn erstmal verarbeiten. Lily kommt zu uns? Meine liebe, süße Cousine Lily? Plötzlich sieht das Leben wieder ganz anders aus. „Hey, Mum!“, rufe ich ihr hinterher und springe zum Treppenabsatz, „Wann?“ Sie dreht sich um und sagt: „Heute. Komm, wir holen sie am Flughafen ab“ Ein riesiges Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Ich gehe nicht in mein Zimmer, ich tanze. Schnell ziehe ich meine Schuhe an und laufe in die untere Etage, wo meine Stiefoma immer noch sitzt und Mum schon auf mich wartet. Ich ignoriere den blöden Kommentar und folge meiner Mutter fröhlich pfeifend in die Garage, wo wir ins Auto steigen und über die Autobahn zum Luxemburger Flughafen fahren. Zu meiner Überraschung spricht Mum nicht viel heute und sagt auch nichts, als ich am Radio drehe (das mag sie gar nicht). „Es gefällt dir auch nicht, dass die Stiefoma bei uns wohnen will, oder?“, sage ich und kenne die Antwort schon. „Nein, nicht wirklich. Und ich wünschte, Jan hätte mich vorher gefragt. Aber da kann man nichts machen, wir müssen halt damit leben“, antwortet sie und starrt verbissen auf die Straße. „Du kannst immer noch sagen, dass du nicht willst. Du weißt, dass die Frau sich überall einmischen wird. In unsere Erziehung, in deinen Haushalt und in deine Ehe“, sage ich und tatsächlich zeigt sich eine Gefühlsregung auf ihrem Gesicht. Ich sehe, dass sie mir eigentlich zustimmt. „Nein, das wird sie nicht tun. Sie ist nicht mehr so schlimm wie früher und wenn sie sich zu viel einmischt fliegt sie eben wieder raus“, sagt Mum und einen Moment lang sehe ich ein Aufblitzen der irischen Sturheit in ihrem Blick und ein Stück von ihrem alten Kampfgeist, den ich so schätze. Mit dieser Antwort gebe ich mich dann zufrieden und wir sprechen kein Wort mehr, bis wir am Flughafen ankommen. Wir betreten die Eingangshalle und der Geräuschpegel haut mich mal wieder fast um. Es ist ein Krach wie bei einem Punk-Konzert. Wir kommen genau pünktlich: Die Anzeige zeigt uns, dass das Flugzeug aus Dublin grade gelandet ist. Wir halten uns am Ausgang auf, in der Hoffnung, dass Lily uns beim Rausgehen findet. Einige Minuten später entdecke ich einen knallroten Haarschopf in der Nähe der Toiletten. Natürlich, sie geht erstmal da hin. Lily hat nämlich Todesangst davor, in einem Flugzeug aufs Klo zu gehen. Ich mache Mum klar, dass sie warten soll und begebe mich mühsam durch die Menschenmenge zur Toilette. Ich warte vor der Tür, aus der meine Cousine nach kurzer Zeit wieder rauskommt. Sie sieht mich an und braucht wohl einen Moment, um mich zu erkennen. Dann fällt sie mir um den Hals und will mich gar nicht mehr loslassen. „Sheenagh, endlich sehen wir uns wieder. Ich hab dich so vermisst“, sagt sie, den Tränen nahe. „Ich hab dich auch vermisst“, antworte ich gerührt. „Gut siehst du aus“, meint sie lächelnd und zupft vergnügt an meiner grünen Haarsträhne. Das Kompliment muss ich doch gleich erwidern. Jedes Mal wenn wir uns sehen ist sie noch hübscher. Und obwohl sie pausenlos isst, bleibt sie total schlank. Außerdem ist sie schon wieder gewachsen, was ich irgendwie unfair finde. Alle meine Cousins und Cousinen sind so groß und ich bin bloß so ein laufender Meter. Dabei haben wir doch fast die selben Gene. Wir gehen gut gelaunt auf den Ausgang zu, wo Mum wartet. Sie begrüßt Lily und wir begeben uns zum Auto, wo wir das ganze Gepäck irgendwie unterbringen müssen. Als das geschafft ist fahren wir wieder nach Hause. Lily redet die ganze Zeit, es ist aber nicht schwer, ihr zuzuhören. Sie zieht einen in den Bann mit ihrer aufgedrehten Art. Nach einer irgendwie ziemlich kurzen Fahrt kommen wir zu Hause an. Die Stiefoma sitzt immer noch in der Küche. Sie mustert Lily skeptisch, sagt aber zu ihrem eigenen Glück nichts. Wenn die meine Cousine blöd anmacht, spring ich ihr ins Gesicht! Lily begrüßt sie freundlich (auf Deutsch), so wie sie jeden begrüßt, aber die Alte murmelt nur irgendwas vor sich hin. Die Küchentür öffnet sich und Deirdre kommt rein. Zu meiner Belustigung macht sie auf dem Absatz wieder kehrt und verschwindet. Lily setzt ein teuflisches Grinsen auf; sie erinnert sich wohl auch an das letzte Zusammentreffen mit meiner Schwester. Das kann ja lustig werden. Von meiner guten Laune gestärkt helfe ich den anderen, Lily´s Gepäck auszuräumen und in die obere Etage zu tragen, wo sie während ihrem Aufenthalt in unserem Gästezimmer wohnen wird. Ich hätte es besser gefunden, wenn sie auf der zweiten Etage gewohnt hätte, aber da wohnt jetzt die Stiefoma, die darf in ihrem Alter ja nicht so viel die Treppen gehen. Sagt sie. Innerhalb weniger Minuten haben wir das Gästezimmer in ein unglaubliches Chaos verwandelt. Meine Cousine hat an alles gedacht. Sogar Poster hat sie dabei und auch eine kleine Stereoanlage findet sich in ihrem riesigen Koffer. Sie zieht ihr Laptop aus der Tasche und schafft es irgendwie sich in unser Netzwerk zu hängen und ihrer Familie, unserer Familie, die Nachricht ihrer Ankunft zu schicken. „Von `nem Telefon hast du auch noch nie was gehört...“, meine ich irritiert über die Umstände, die sie sich macht. „Doch, aber das hier ist viel einfacher. Und ich kann mir die blöde Nummer nicht behalten“, antwortet sie grinsend und wirft ihr Laptop neben sich auf das Bett. Dann fangen wir an, ihre ganzen Klamotten in den Kleiderschrank zu stopfen, der bald voll ist. In der Zwischenzeit höre ich, wie ein Möbellaster vor dem Haus anhält. Anscheinend hat die Stiefoma ihre Möbel mitgebracht. Wo will sie die denn alle hintun? Na ja, soll mir egal sein. Als Lily und ich mit einräumen fertig sind gehen wir wieder runter. Der Möbellaster fährt grade weg. Das Wohnzimmer ist vollgestellt mit Kisten und Möbeln in Einzelteilen. Jan kommt aus der Garage hoch und befiehlt uns, ihm beim Umräumen zu helfen. Den Rest des Tages sind wir damit vollkommen beschäftigt und als die Abenddämmerung hereinbricht hat endlich alles seinen Platz, wir sind todmüde und die Stiefoma ist endlich mal wieder halbwegs zufrieden. Innerhalb eines Tages ist unser Haushalt um zwei Mitbewohnerinnen reicher geworden. Es wird ganz sicher in nächster Zeit noch viel Aufregung geben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Marge91
2008-11-05T11:12:44+00:00 05.11.2008 12:12
das war eine sehr schöne ff
die war sehr interstant
les gleich mal wieter
mfg Marge91


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