Zum Inhalt der Seite

Dearishee - Nocturne

(Sidestory)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Prolog
 

Wie jeden Morgen des Sommermonats ergoss sich auch an diesem das strahlende Licht des Sonnengottes über dem Xochiwald und tauchte die einsame Lichtung in einen matten Glanz aus Gold. Der warme Duft von feuchtem Gras, Blumen und würzigen Kräutern erfüllte die erdrückend schwüle Luft, die wie ein unsichtbarer Schleier die Sinne des Wandernden einhüllte und davon trug. Schwärme bunter Vögel flatterten aus dem hohen Gras empor und stoben am Himmel wie ein Fächer auseinander.

Mannshohes Schilf wiegte sich sanft in einer lauen Brise und die wenigen Bäume, die es hier und da durchsetzten, überschatteten mit ihren ausgedehnten Zweigen den schmalen Flusslauf, der sich träge am Rande des Waldeingangs vorbei schlängelte.

Der Purinin säumte die Westseite jener Lichtung, die sich wie eine Schneise für wenige Meilen durch den dichten, verwachsenen Xochiwald zog. Zu dieser Jahreszeit war der Fluss ruhig und stetig. In den kommenden Wochen, wenn die schweren Regenfälle ihn zu einer reißenden Flut anschwellen ließen, würden seine Strömungen alles erbarmungslos verschlingen, was nicht weit genug entfernt oder fest im Boden verwurzelt war.

Auch die Spuren des Trampelpfads, der dicht an der Uferböschung des Purinin entlang führte und ihn bis zu einer kleinen Holzbrücke begleitete, würde er hinfort spülen.

Doch noch wurde der unscheinbare, kleine Pfad von denen benutzt, die auf unsichtbaren Wegen in das dunkle Herz des Waldes gelangen wollten.
 

Mirobell musste all sein Geschick aufbringen um das Gleichgewicht auf dem aufgeweichten, schlammigen Boden nicht zu verlieren. Völlig außer Atem erreichte der Junge die Brücke zum anderen Ufer, während er mit den Fingern ununterbrochen versuchte das Band um seinen Gürtel zu lösen, doch der Knoten war einfach zu fest zugeschnürt. Erschöpft blieb er stehen, stemmte die Hände gegen die Knie und lauschte. Zuerst glaubte er nur den rasselnden Atem in seiner Kehle zu hören.

Doch da war noch etwas anderes…

Hufgeklapper.

Das Scheppern und Rascheln von Schwertern. Knirschendes Leder.

Seine feinen Sinne verrieten dem jungen Elfen, dass die Reiter die Lichtung beinahe erreicht hatten.

Bereits in der Morgendämmerung hatte er sie entdeckt und lange Zeit heimlich aus sicherer Entfernung beobachtet. Als sie aufbrachen hatte Miro gehofft, sie würden ihre Route noch einmal ändern, aber nun hielten die Reiter direkt auf das Lager zu.

Eine Weile verharrte der Junge beinahe regungslos, angespannt flogen seine Blicke über die einsame Lichtung. Nur seine Finger haspelten unaufhörlich an dem Knoten an seinem Gürtel herum. Endlich löste sich das Band und die kleine Pfeife die daran befestigt war, glitt zwischen seine Finger. Mit einem Satz schlitterte Mirobell die flache Böschung hinab und watete durch das seichte, gluckernde Wasser. So weit wie möglich entfernte er sich von der Brücke, ohne sie jedoch aus den Augen zu verliere, und versteckte sich im dichten Schilf. Dann schloss er die Augen, konzentrierte seine Gedanken einzig und allein auf die Geräusche seiner Umgebung.

Mücken schwirrten über die Wasseroberfläche nahe dem Ufer, irgendwo sang ein Krötenchor im Einklang mit der Melodie des Flusses. Obwohl es fast windstill war, konnte er hören wie eine Brise die Blätter und Halme der Lichtung streifte.

Vorsichtig legte Miro das Pfeifchen an seine Lippen. Es war eine bunte, verbeulte Pfeife aus Blech, die nur einen einzigen schrillen Ton von sich geben konnte. Dieser würde seinen Zweck jedoch erfüllen.
 

„Was war das?“ fauchte der Befehlshaber der Wachpatrouille und riss an den Zügeln seines Braunen. Sofort kamen auch die anderen acht Pferde zum Stehen, deren Reiter sich unsicher umschauten. Die Augen des Hauptmanns funkelten alarmiert auf. Er war ein muskulöser, narbengesichtiger Mann mittleren Alters, mit starken Armen und breiten Schultern. Auf den ersten Blick machte er den Eindruck wie einer, der im Nahkampf einen furchterregenden Gegner abgeben konnte. Trotz allem brachte ihn dieses nahezu unbedeutende Geräusch dermaßen aus der Fassung, dass er seine untergeordneten Soldaten unwillkürlich mit seiner Unruhe ansteckte.

Seitdem man ihn und seine Männer in die Wälder versetzt hatte um die großen Handelswege abzusichern, war ihm um sein Leben banger denn je zuvor. Das lag keineswegs an den wilden Tieren, die in den durchwachsenen Waldgebieten umherstreiften. Auch nicht an diesen hinterlistigen Elfenbiestern, die dort lebten und jeden von hinten mit einer giftgetränkten Nadel beschossen, der auch nur in die Nähe ihrer Dörfer kam. Nein, bei diesem Feind handelte es sich um einen Haufen verruchter Gestalten, zusammengewürfelt aus dem größten Abschaum, den die Insel Miithaga zu bieten hatte. Räubernomaden.
 

Nachdem sich die Regierung Miithagas dazu entschlossen hatte, die wichtigen Handelswege durch die Wälder mithilfe bewaffneter Patrouillen abzusichern, konnte man von Glück reden, wenn man nicht zu den bedauernswerten Wesen gehörte, die man erst hinterrücks niederschlug und dann auch noch zu Tode folterte.

Sicher, dem Hauptmann selbst war dies noch nie widerfahren. Aber ein Gegner dem er Auge in Auge gegenüberstand war ihm allemal lieber als die Vorstellung daran, dass er eines Tages die Augen aufschlug und ihm jemand zur Begrüßung das Messer an die Kehle drückte.

Obwohl das grelle Geräusch auch von einem Vogel hätte stammen können, war sich der Hauptmann des Wachtrupps absolut sicher, was seine Herkunft betraf. Schließlich antwortete ein anderes Pfeifen.

Beunruhigt rutschte er im Sattel vor.

„Was nun, Hauptmann?“ fragte einer der Soldaten, die langsam ungeduldig wurden. Sie teilten zwar dasselbe Unbehagen wie ihr Befehlshaber, dennoch war es den meisten lieber weiter zu reiten, als offen auf der Lichtung als Zielscheibe zu dienen bis Elfen oder Räuber sie entdeckten.

Der Anführer dachte nach.

Keinesfalls würde er diesem Gesindel in die Falle gehen!
 

Der Elfenjunge hörte die näher kommenden, dumpfen Schritte. Zwei der Soldaten hatten sich aus der Gruppe gelöst und liefen langsam und prüfend in Richtung der kleinen Brücke.

Ein triumphierendes Lächeln breitete sich auf Miros Sommersprossen besprenkeltem Gesicht aus. Sollten sie doch in ihr Verderben laufen.

Zufrieden wandte er sich ab und suchte nach etwas an dem er sich die Böschung hinaufziehen konnte, um sich die Gelegenheit zu Flucht nicht entgehen zu lassen. Doch in dem Moment als er sich umdrehte und nach oben schautem, blickte er geradewegs in das wutverzerrte Gesicht eines weiteren Soldaten, den er in seiner Siegesgewissheit nicht mehr wahrgenommen hatte.

Noch ehe er vor Schreck aufschreien konnte, packte der Soldat ihn an seinem ausgefransten Schal und zerrte ihn die Böschung hinauf. Für einen Moment schnürte er ihm dabei die Luft ab, stieß ihn dann unsanft zu Boden. Seine Kameraden traten aus dem hohen Gras hervor und umkreisten ihn. Hustend zog der Junge den Schal auf und schnappte nach Luft.

„Doch nur eine dieser Elfenratten!“ stieß der Befehlshaber verächtlich aus und rümpfte die Nase. Nervös biss sich der Elfenjunge auf die Unterlippe, suchte mit den Augen nach einer Fluchtmöglichkeit.

„Sieht seltsam aus, für einen Xochielfen,“ erwähnte einer aus den Reihen der Soldaten.

„Was machen wir mit ihm, Hauptmann? Es ist nur ein Kind.“

„Einer dieser Wilden weniger schadet nicht!“ warf ein anderer dazwischen und zückte bereits seinen Dolch, wurde aber vom Hauptmann grob am Arm zurückgehalten.

„Dazu habe ich dir keinen Befehl erteilt, …,“ knurrte er gereizt.

Warum musste ihm ausgerechnet ein Bengel in die Hände fallen? Wäre es einer dieser

Räubernomaden gewesen, hätte er kurzen Prozess mit ihm gemacht, ihm den Kopf abgetrennt und als Symbol für jeden anderen dieses widerwärtigen Gesindels an einem Ast angebracht.

Aber stattdessen…

„Tsk…. Wir vergeuden unsere Zeit. Lasst uns aufbrechen,“ murrte er mit einem letzten Blick auf den ungewöhnlichen Elfen. Seltsam sieht er schon aus, dachte er. Diese ungewöhnliche Aufmachung für einen Xochielfen. Bunt zusammengewürfelte Kleidung und nicht eines der Stücke passte zusammen. Das Hemd, das er trug, bestand vielmehr aus Flicken, als aus dem Stoff aus dem es ursprünglich gewebt worden war. Die Ärmel waren längst abgerissen, oder vielleicht aufgrund der Hitze abgetrennt worden. An seiner knielangen, erdbefleckten Hose baumelten Hosenträger zu beiden Seiten herunter, die er wohl eher der Vollständigkeit halber dieser Sammlung hinzugefügt hatte, als dass er sie tatsächlich brauchte. Darunter trug er rot, weiß und schwarz geringelte Socken die ein Stückchen aus den kurzen, braunen Lederstiefeln herauslugten. Am auffälligsten waren jedoch die schwarzen Wollhandschuhe, die an den Fingerkuppen abgeschnitten waren und der gelb-orange gestreifte Fransenschal, die er trotz der erdrückenden Hitze am Körper trug.

Möglicherweise hatte er all diese Dinge gefunden.

Oder gestohlen…
 

Der Hauptmann konnte seinen Gedanken kaum zu Ende bringen, als er es hinter sich rascheln hörte. Seine Kameraden zogen ihre Schwerter.

Durch einen Vorhang aus hohem Schilfgras drang dumpfes Lachen und Geflüster. Noch ehe der gesamte Wachtrupp realisierte was hier vor sich ging hatte sie eine Gruppe von Männern und Frauen umzingelt, jeder einzelne von ihnen bis auf die Zähne bewaffnet und drohend ihre Dolche und Schwerter auf die Soldaten richtend.

„Sieh an, sieh an. Habt ihr nach uns gesucht?“ trällerte die süße, spöttische Stimme einer jungen Frau, die furchtlos das Kinn reckte und dabei herausfordernd lächelte. Pechschwarze, volle Locken, die unter einem bunten Kopftuch hervorquollen, umrahmten ihr sonnengebräuntes Gesicht. Ein dunkles Lachen ging durch die Runde, ein Beifall für ihren Hohn.

Schweiß rann über die Stirn des Hauptmanns. Erst jetzt wurde ihm bewusst, was hier vor sich ging.

Nach und nach sah er seine Kameraden zu Boden sinken. Plötzlich spürte auch er nur noch den ziehenden Schmerz eines Stiches. Ein Gefühl des Schwindels überkam ihm, binnen weniger Sekunden wurde er von einer unsäglichen Müdigkeit überrumpelt. Mit letzter Kraft warf er einen Blick über seine Schulter, doch das letzte was er sah bevor ihm schwarz vor Augen wurde, war das kecke Grinsen des Elfenjungen, der in seiner Hand ein Blasröhrchen hielt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Khyre
2015-11-21T14:30:37+00:00 21.11.2015 15:30
Die Geschichte ist unglaublich schön geschrieben! Besonders gefallen mir die Naturschilderungen!
Von: abgemeldet
2008-10-07T11:44:58+00:00 07.10.2008 13:44
Hi! Der Anfang hat mir sehr gut gefallen, alles ist lebendig, man kann sich den Wald vorstellen, und man ist gleich mitten im Geschehen. Also klasse, um in die Geschichte reinzukommen.
Schade, dass es noch nicht weitergeht, ich würde mich freuen, wenn du mir eine ENS schreibst, wenn du das nächste Kapitel on hast.^^
lg,
b_k
Von:  Ryuno-Ki
2008-09-13T22:18:59+00:00 14.09.2008 00:18
Hmn, ich hab nun nicht sooo sehr auf Rechtschreibung geachtet, wie mein Vorkommentator.
Dafür eher auf Rechtschreibung.
Hab hier und da ein paar fehlende Kommata entdeckt *gg*
an anderer Stelle war eines zu viel.

Aber nun etwas zum Inhalt:
Also, die Geschichte spricht mich auf jeden Fall an.
Wenn du weiter machst, schreib mir eine ENS, bitte =)
Ich interessiere mich dafür, in welche Richtung du die Charas sich entwickeln lässt.
Wird der Elf ein Held am Ende?
Gibt es eine Prophezeiung oder Ähnliches?
Wobei ... nee, das würde hier nicht passen.
Zu konventionell ;)

Ma schaun, was du draus machst.
Auf jeden Fall fortsetzen, wenn es die Zeit zulässt.

Grüßele

Ryu
Von: abgemeldet
2008-05-22T16:13:54+00:00 22.05.2008 18:13
insgesamt, ein sehr schöner Anfang, der Lust auf mehr macht. Vor allem dieser Miro ist mir jetzt sympathisch ^^, was macht er wohl hier, warum sieht er anders aus? Der Hauptmann hingegen ist irgendwie eine flache Figur, so oberflächlich klischeehaft ... Die Elfen wirken ja hochinteressant! Vor allem da sie nicht das typische Klischee vom perfekten, übermenschlichen Wesen erfüllen sondern offenbar fies und gemein sind.
Dein Stil hingegen liest sich teilweise etwas schwer ... besonders am Anfang sind mir die langen Sätze aufgefallen. Zwischendurch einmal ein einfacher, kurzer Satz oder nicht ganz so lange Verzweigungen wären vielleicht besser zu lesen.
Mich interessiert, wie es weitergeht ...
Lg


Zurück