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In Schnee und Eis

One-Shot zu Werewolf I + II
von

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In Schnee und Eis

In Schnee und Eis
 

Kamin für Kamin rauschte an Remus vorbei. Rauch und Asche rauschten an ihm vorbei, sowie tausende Bilder von Hallen, Wohnungen, die ihm Leben für Leben zeigten. Es drehte sich alles um ihn, seine Augen begannen zu tränen. Seine Sicht verschwamm, dann war alles vorbei.
 

Hustend und keuchend stolperte er aus dem Kamin, die grünlich lodernde, rasch verblassende Flamme verlassend. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Seine Hand war rußverschmiert. Er musste schrecklich aussehen.

Herausgekommen war er in einem alles andere als wohnlich aussehenden Raum. Keine Menschenseele war zu sehen, doch es standen ein Stuhl sowie ein Tisch mitten im Raum herum, grob zusammengewürfelt, als wären sie hier genau so fehl am Platze wie er selbst.
 

Er setzte sich darauf – auf den Stuhl – und wartete. Wartete auf Sirius, der jeden Moment durch dieselbe Öffnung gerauscht kommen musste. Wartete, Minute um Minute. Nichts geschah.
 

„Wo bleibst du nur?“, wisperte Remus besorgt in die Stille. Natürlich erhielt er keine Antwort. Der Kamin blieb kalt.
 

Remus senkte seine Augenlider, sie schmerzten ihn, als hätte er sie zu lange aufgehalten. Wieso war Sirius ihm nicht gefolgt? Hatte er es nicht mehr geschafft, hatten sie ihn gefangen genommen?
 

Und wenn ja, hatte Sirius gewusst, dass das geschehen würde? Hatte er es geplant?

Remus presste knirschend die Zähne aufeinander. Er musste zurück und ihn finden. Doch ein Blick auf den Kamin, ein weiterer, den er im Raum umherschweifen ließ, zeigte ihm, dass sich nirgendswo Flohpulver befand; ein Griff in seine Tasche bestätigte ihm, was er bereits vermutet hatte: Sein Zauberstab war verschwunden. Sirius musste ihn ihm gestohlen haben, als er ihn umarmt hatte.
 

„Sirius, du verdammter Hund“, stieß er hervor. Er konnte nicht mehr zurück.
 

Und es gab keine Verbindung mehr zwischen ihm und Sirius.
 

~~~~~*~~~~~
 

Als er sich endlich nach draußen wagte, empfing ihn Dunkelheit und Kälte. Er besaß keine Uhr, wusste nicht, ob es morgens, abends oder auch tiefe Nacht war. Doch er hoffte, dass er die schmale Hütte, als die sich sein Ankunftsort beim Umdrehen entpuppte, im Fall des Falles wiederfinden würde.
 

Rasch ließ er sie hinter sich und stapfte durch den Schnee. Zitternd schlang er sich den viel zu dünnen Umhang um den Körper.
 

Nachdem er eine halbe Stunde gelaufen war, spürte er seine Füße kaum noch. Ebenso waren seine Finger taub, auch seine Wangen und seine Nasenspitze hatten sich gerötet. Die Kälte biss ihn in seinen Augen. Finnland. War Sirius verrückt? Vielleicht sollte er doch umkehren.
 

Doch genau in diesem Moment erblickte er, sicher noch einige Minuten entfernt, ein schwaches Leuchten. Wie eine Motte kam er dem Licht näher; seine Füße liefen immer eiliger, während er versuchte, seinen flatternden Umhang vom Wegwehen abzuhalten.
 

Das Leuchten gehörte zu einem Haus, das einsam und verlassen mitten in der Schneelandschaft stand, als sei es gerade vom Himmel hinunter gefallen und dort liegen geblieben, leicht schief vom ständigen Wind. Zögerlich trat er näher. Das Blut rauschte ihm um die Ohren, auch wenn er es nicht hören konnte.
 

Er klopfte einmal, zweimal an die Tür. Seine Knöchel schmerzten vom Aufprall auf dem harten, gefrorenen Holz. Er konnte hören, wie im Inneren ein Stuhl über den Boden geschoben wurde, Stimmengemurmel erhob sich, dann wurde ihm die Tür von einer jungen Frau geöffnet.
 

Sie sah ihn fragend an und ließ schließlich ihren Blick auf seine durchgefrorene Erscheinung gleiten. Ganz so, als ständen sie vor einem beliebigen Reihenhaus einer belebten Straße und nicht in so einer einsamen Gegend wie dieser hier.
 

„Hallo“, sagte er heiser auf Englisch, in Ermangelung einer passenderen Begrüßung. Die Frau verzog keine Miene.
 

„Was wollen Sie?“, fragte sie. Hinter ihr konnte Remus zwei kleine Kinder ausmachen, die ihn neugierig anstarrten. Er räusperte sich.
 

„Ich … ähm … ich habe mich verlaufen, und es ist schon spät und da wollte ich fragen, ob-“
 

Ihre Augen weiteten sich und sie öffnete die Tür ganz; mit einem Tritt zu Seite machte sie ihm Platz und er trat ein – jedoch erst nachdem sie ihm mit einem weiteren Kopfnicken bestätigt hatte, dass er die Erlaubnis dazu hatte.
 

„Wollen Sie etwas Warmes trinken?“, fragte sie schließlich, als er sich auf den ihm angebotenen Platz gesetzt hatte.
 

„Ich – äh, ja“, antwortete er verlegen, sich über den Gemütsumschwung der Frau wundernd. Eine große Tasse mit dampfendem Inhalt wurde vor ihm abgestellt. „Danke“
 

Sie setzte sich neben ihn. Eine Weile lang schlürfte er in kleinen Schlucken den Tee, während sie ihn beobachtete. Auch die Kinder – er schätzte sie auf vier und acht Jahre – ließen ihn nicht aus den Augen.
 

„Ich hoffe-“
 

„Erzählen Sie-“
 

Sie fielen sich zugleich ins Wort. Remus schluckte und zeigte ihr, dass sie fortfahren möge.
 

„Erzählen Sie doch mal, wie Sie hierher gekommen sind“, sagte sie bedacht. Remus starrte in seine Tasse. Natürlich musste diese Frage aufkommen. In dieser Gegend war Besuch sicher selten.
 

„Nun …“, sagte er langsam, „ich-“ Er stockte. Wie sollte er es ihr erzählen? Er konnte sich noch nicht einmal sicher sein, ob sie ein Muggel oder eine Hexe war. Doch als er sich die Einrichtung des kleines Hauses ansah, und sich an die Art und Weise erinnerte, mit der sie ihm den Tee zubereitet hatte – auf gänzlich unmagische Weise – so musste er daraus schlussfolgern, dass sie nicht dazu fähig war, Magie anzuwenden. „Ich bin auf der Suche nach Jemandem“, fasste er sich schließlich kurz.
 

In den Augen der drei Muggel flammte kurz Neugier auf, doch zumindest die Frau wandte sich daraufhin von ihm ab und senkte den Blick. Das Jüngere der beiden Kinder aber zog es vor ihn auszufragen:
 

„Wen suchst du denn?“, fragte es mit piepsiger Stimme. Innerlich seufzend suchte er nach einer altersgerechten Antwort. Dass er auf der Suche nach seinem Geliebten war, konnte er dem Kleinen schlecht sagen. Und einen Rausschmiss seitens der Frau wollte er keinesfalls riskieren.
 

„Einen guten Freund, der mir sehr am Herzen liegt“
 

~~~~~*~~~~~
 

Es war kein Wunder, dass er bei der jungen Familie übernachten durfte. Draußen tobte ein Schneesturm und rüttelte heulend an den mühsam geschlossenen Fensterläden. Remus kam sich vor, als wäre er in einer längst vergangenen Zeit gelandet. Tatsächlich aber war die Familie, so hatte er abends erfahren, nicht mit Reichtum gesegnet und war so gezwungen, in diesen Verhältnissen zu leben.
 

Es machte ihm nichts aus. Schließlich war er mehr als froh, überhaupt einen Unterschlupf gefunden zu haben – die andere Hütte hätte er bei diesem Wetter sicherlich nicht gefunden und so lobte er sich für seinen Instinkt, dass er nicht umgekehrt war, bevor er dieses Haus gefunden hatte – und außerdem war er ärmere Verhältnisse gewohnt. Als Werwolf war es schwer, eine feste Stelle zu finden.
 

Er dachte an Sirius. Hatte sich überhaupt nur schwerlich von Gedanken an ihn abbringen können, selbst mit den zwei lebhaften Kindern, die ihn über alles Mögliche ausgefragt hatten, an seinen Kleidern gezupft und ihn gebeten hatten, ihnen eine Geschichte zu erzählen.
 

Er hatte es getan. Er hatte sich eine Geschichte über Kobolde und Elfen ausgedacht, die sich nicht leiden mochten und am Ende doch zueinander gefunden hatten, als eine der Elfen einem Kobold das Leben rettete. Er war nie ein guter Erzähler gewesen.
 

Wo auf dieser Welt mochte sich Sirius wohl gerade befinden? Ob er noch in England war, gefangen, oder ob er doch noch durch den Kamin gefloht war und ihn gesucht aber nicht gefunden hatte? Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob er nicht noch ein paar Minuten hätte warten sollen. Vielleicht hatten sie sich verpasst.
 

Schuldgefühle nagten in Remus; er wickelte sich enger in die kratzige Decke und zog seine Beine an den Körper, nach ein bisschen mehr Wärme haschend. Wo sollte das bloß alles hinführen? Oder war es schon vorbei; war er am Ende seines Weges angekommen?
 

~~~~~*~~~~~
 

Remus wachte mit schrecklichen Kopfschmerzen auf. Hinter seiner Stirn schien irgendjemand besonders Gemeines zu hämmern und zu bohren, ohne Rücksicht auf ihn zu nehmen. Stöhnend fasste er sich an den Kopf und kniff sich oberhalb des Nasenrückens in die Haut, doch nichts half. Er hatte schlecht geschlafen. Er hatte von Sirius geträumt; Sirius, wie er verzweifelt nach ihm suchte. Und in dem Traum wusste Remus, dass er selbst daran schuld war, dass sie sich nicht wiederfanden, dass sie getrennt waren.
 

Was, wenn es wirklich so war? Anders als bei dem handelsüblichen Flohpulver, das in jedem Zaubererhaushalt benutzt wurde, hatte er nicht erst sagen müssen, wohin die Reise gehen sollte. Doch was, wenn Sirius genau dies von ihm erwartet hatte, wenn er nicht wusste, wohin Remus gefloht war, wenn er ihn deshalb nicht finden konnte?
 

Gerade, als er noch mehr in Schuldgefühlen versinken wollte, klopfte es an der Tür und einer der Kinder steckte den Kopf durch den entstandenen Spalt.
 

„Was ist?“ fragte er und bemühte sich, seine Stimme möglichst soweit in Zaum zu halten, dass er das Kind nicht anfauchte. Es starrte ihn an.
 

„Mama hat gesagt, sie fährt in die Stadt, mit uns.“ drückte es sich holprig aus. Remus war schon am Tag zuvor erstaunt gewesen, dass es ein paar Brocken Englisch verstand. „Kommst du mit?“
 

Remus bezweifelte, dass das Kind ihn hatte fragen wollen; vielmehr nahm er an, dass seine Mutter es zu ihm geschickt hatte, damit er seine sieben Sachen packte. Ihm war klar, dass er nirgendwo willkommen war. Auch wenn er für sie nichts weiter als irgendein Streuner war, nicht noch dazu der Werwolf, der in ihm steckte.
 

Als er den kleine, behaglichen Wohnraum betrat, stand seine Gastgeberin samt ihren Kindern bereits in voller Montur – dicker Wollmantel, Winterstiefel, Schal und Wollmütze – vor ihm und fixierte ihn mit einem auffordernden Blick.
 

„Ich versteh schon …“ nuschelte er und zog sich an.
 

~~~~~*~~~~~
 

Als Remus in dem für ihn unbekannten Land angekommen war, hatte alles, aber auch alles den Eindruck auf ihn gemacht, als sei er nicht nur ein paar Kilometer durch das Flohnetzwerk gerauscht, sondern wäre auch durch die Zeit gereist. Doch zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass dem nicht so war: Das Erste, was er tat, als sie in der nächstgelegenen Stadt, die man wohl eher als eine kleine Siedlung bezeichnen konnte, angekommen waren – er völlig durchgefroren – war eine Zeitung. Oben auf dem Titelblatt stand dasselbe Jahr wie sonst auch. Gleichzeitig kam er sich furchtbar albern vor, wie er dort irgendwo in Finnland stand, die Knie schlotternd, und auf die Zeitung starrte. Als ob Zeitreisen möglich wären. Abgesehen von Zeitumkehrern.
 

Er hatte es gewusst; seine Gastgeberin hatte ihn ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren einfach in der Stadt abgesetzt und ihn verlassen. Wenigstens war sie noch so nett gewesen, ihn überhaupt hierher zu führen, dachte er trostlos.
 

Und trostlos war auch die Stadt. Leben herrschte hier zwar genug – auch wenn er sich das vielleicht aufgrund der einsamen Tage nur einbildete – doch er fühlte sich hier ganz und gar nicht wohl.
 

Wie auch? Sirius war nicht an seiner Seite, niemand war bei ihm. Er hatte Angst. Jetzt, wo er Sirius nach so vielen Jahren wiedergesehen hatte, wollte er ihn nie wieder verlieren. Doch bisher sah es ganz so aus, als würde genau das passieren. Als sei dies schon passiert.
 

War ein Leben mit ihm wirklich nur ein Traum gewesen? Hatte er sich in etwas rein gesteigert; hatten sie nie eine Chance gehabt? Remus blickte teilnahmslos auf den Schnee unter seinen Füßen, ohne ihn tatsächlich wahrzunehmen.
 

Vielleicht würde Sirius ihm folgen, versuchte er sich einzureden. Er sollte in dieser Stadt bleiben, hier, wo er war, und auf ihn warten. Eine Flocke weißen Schnees fiel ihm auf die Nasenspitze und zerschmolz langsam, lief ihm in den Mundwinkel.
 

Nicht weinen, sagte er sich, nicht weinen; er wollte es nicht, er musste durchhalten, er musste ihn finden. Er musste alles dafür tun. Doch an Ort und Stelle bleiben war alles, was er in Wahrheit tun konnte. Und das wusste er.
 

~~~~~*~~~~~
 

Aus Winter wurde Frühling, und der nachfolgende Sommer glitt schließlich kaum merklich in den Herbst um. Die Bäume hatten ihre bunten Blätter abgeworfen, ohne dass er es bemerkt hatte und als er schließlich Notiz davon nahm, wurde Remus erst bewusst, dass beinahe ein Jahr verstrichen war. Ein Jahr ohne Sirius. Ein Jahr ohne Leben.
 

Er hatte einen kleinen Job im Blumenladen gefunden, mit dessen Entgelt er sich gerade so die Miete für seine winzige Ein-Zimmer-Wohnung, Essen und Kleidung, sowie die Tageszeitung leisten konnte. Er führte ein erbärmliches Leben.
 

Inzwischen hatte er jede Hoffnung aufgegeben, Sirius je wiederzusehen. Jeden Tag wälzte er die Zeitung von vorne bis hinten und noch einmal rückwärts durch, nur um das kleinste Detail, den kleinsten Hinweis zu finden, der ihn zu Sirius finden würde. Doch es war ihm verwehrt. Er versuchte sich publik zu machen, auch wenn sich dies als schwer erwies; doch nach einiger Zeit kannte man ihn zumindest als den netten Blumenverkäufer von nebenan.
 

Es reichte nicht. Sirius kam nicht.
 

Selten gab es Tage, wo Remus nicht an ihn dachte. Jedenfalls versuchte er es. Und tatsächlich, ab und zu huschte ihm kurz sein Gesicht durch den Kopf, doch die meiste Zeit über schaffte er es, an etwas anderes zu denken. An die Arbeit im Blumenladen. An seine stetigen Geldsorgen.
 

Oder er zählte die Stunden bis zu seiner nächsten Verwandlung, für die er sich bei seinem Nachbarn einen Wagen lieh und so weit wie möglich aus der Stadt herausfuhr. Um abzuschalten, wie er ihm vorlog, und so war es auch. Denn jeden Vollmond verlor er den Verstand. Und tat es auch so, jeden Tag, den er ohne Sirius verbrachte, Woche um Woche, Monat um Monat. Stunden, in denen er nachts allein in seinem Bett lag.
 

Es war einer genau dieser Tage, als es geschah.
 

Die Tür gab ein klingelndes Geräusch ab, als Remus den kleinen Lebensmittelladen betrat. Er war von oben bis unten mit vollgestopften Waren zugestellt, hinter denen er schon so manches Mal kleine Kinder hatte Verstecken und Fangen spielen sehen. Der Besitzer des Ladens war ein alter, herzensguter Mann, mit dem er jedoch noch nie wirklich ein Wort gewechselt hatte.
 

Mit gesenktem Kopf ging er die Regale entlang und suchte sie unteren Reihen ab, in denen die Preise billiger waren. Er hatte nicht viel Geld dabei. Genauer gesagt hatte er in den letzten zwei Tagen kaum etwas gegessen, weil sein monatliches Geld knapp geworden war. Er würde erst in vier Tagen sein neues Gehalt bekommen.
 

In der einen Hand eine schmale Packung Brot und zwei Tütensuppen tragend lugte er in sein Portemonnaie. Er konnte es gerade so bezahlen.
 

Der Besitzer des Ladens schien sich mit jemand anderem zu unterhalten; jedenfalls hörte er Stimmen, die um das Regal, hinter dem er stand, herum getragen wurden. Die Stimme des Anderen war tief und rein, und als sie auflachte, völlig harmonisch, ließ er die Suppe fallen.
 

Es war Einbildung. Es musste Einbildung sein. Außerdem würde er doch nicht lachen. Und auch nicht so.
 

Doch er hatte ihn schon lange nicht mehr lachen hören. Es konnte nicht sein!
 

Remus zitterte. Nein, er hatte sich doch schon damit abgefunden. Er würde ihn nie wieder sehen.
 

„Was war das eben?“ Der Besitzer war anscheinend auf ihn aufmerksam geworden. „Ich hoffe, es sind nicht schon wieder diese Diebe, die hier vor einer Woche etwas mitgehen gelassen haben!“
 

Er hörte die Klappe des Kassenpults hin und her schwingen.
 

„Warten Sie.“ Die dunkle Stimme unterbrach die Spannung. „Ich geh schon.“
 

Remus erstarrte. Gehen? Hieß das, er würde hierher kommen? Das würde Wahrheit bedeuten. Nein, er wollte diesen fremden Mann nicht sehen. Es würde nicht Sirius sein.
 

Panisch klaubte er die zwei Packungen wieder vom Boden auf und hastete um das Regal herum. Der Besitzer sah ihn mit seltsamem Blick an.
 

„Entschuldigung, mir ist nur was runtergefallen!“ sagte er lächelnd und kam auf die Kasse zu. Der andere Mann schien gerade hinter dem Regal verschwunden zu sein. Gerade rechtzeitig. Jetzt hieß es so schnell wie möglich bezahlen und verschwinden.
 

Die Unmöglichkeit dieses Vorgangs war ihm bewusst.
 

Er spürte, dass der Unbekannte nur wenige Meter hinter ihm stand. Der Besitzer lugte Remus über die Schulter, doch Remus selbst wagte es nicht sich umzudrehen. Es würde nicht Sirius sein.
 

„Ist alles in Ordnung?“ Der alte Mann sprach mit dem Fremden, doch es kam keine Antwort. Remus liefen Schauer über den Rücken.
 

„Moony …“
 

Remus‘ Augen weiteten sich schlagartig. Er wagte es kaum sich umzudrehen, doch – mit mehr Mut, als er sich zugetraut hätte – er tat es schließlich doch.
 

Seine Augen zeigten ihm einen erwachsenen Mann Ende dreißig, die Haare schwarz, die dunklen Augen auf ihn gerichtet. Fassungslosigkeit in beiden Gesichtern. Er ließ die Tütensuppen abermals fallen; seine zittrigen Hände konnten sie nicht länger halten.
 

„Bist du’s wirklich?“ In der hintersten Ecke seines Verstandes wusste er, dass er ihn nicht beim Namen nennen konnte. Und er wusste auch, dass er wirklich vor ihm stand. Sirius, den er so lange gesucht und schon verloren geglaubt hatte.
 

Sirius trat einen vorsichtigen, zaghaften Schritt auf ihn zu, öffnete leicht den Mund, als wollte er etwas sagen, tat es dennoch nicht. Remus zog die Nase hoch.
 

„Oh Scheiße!“ rief er aus, ehe er auch noch das Brot fallen ließ und den kurzen Abstand zwischen ihnen überbrückte. Er warf sich um seinen Hals, umschlang seinen Körper mit seinen Armen und drückte sich an ihn.
 

Es war ihm egal, was der Verkäufer von ihm dachte. Die Hauptsache war, dass Sirius wieder da war. Sirius war wieder da. Er hatte Sirius wieder.
 

Sirius‘ Jacke hatte inzwischen nasse Flecken bekommen, doch keiner der beiden schien sich daran zu stören. Remus spürte, wie sich eine große, vertraute Hand in seine Haare vergrub und ihn noch dichter an sich drückte; kühler, unregelmäßiger Atem fuhr ihm über die bleiche Haut und ließ ihn erschauern.
 

„Verdammt, wo warst du?“ Sie sprachen es gleichzeitig aus und stockten in derselben Sekunde. Remus‘ Hände auf Sirius‘ Rücken krallten sich in dessen Jacke.
 

„Hab ich’s doch gewusst …“ flüsterte er. „Ich hätte da bleiben sollen, in dieser Hütte damals, oder?“ Es dauerte eine Weile, bis Sirius antwortete.
 

„Es tut mir Leid, dass ich dich so lange warten gelassen habe.“ sagte er nur. Remus nickte. „Aber jetzt ist es vorbei.“ Er nickte ein weiteres Mal. „Wir werden nie mehr getrennt.“ Sirius drückte ihn leicht von sich, um ihn ins Gesicht sehen zu können. „Verdammt, hab ich dich vermisst …“ meinte er leise. „Es tut mir Leid, wir hätten das besser planen sollen.“
 

„Ist schon gut.“ Remus war selbst überrascht, als er seine eigenen Worte vernahm. Doch er hatte Sirius verziehen. Sie waren schließlich beide Idioten, wie es sie nur einmal gab.
 

Sirius sog zischend den Atem ein.
 

„Moony … als du damals nicht in der Hütte warst, dachte ich schon, du wärest irgendwo anders rausgekommen – ich dachte, ich müsste sterben!“ Sein Gesichtsausdruck verzog sich schlagartig bei dieser Erinnerung.
 

Doch Remus sah ihn nur ruhig an. So ruhig, fiel ihm auf, wie er immer war, wenn er in Sirius‘ Nähe war. Eine Ruhe, die er beinahe vergessen hatte.
 

Mit einem Schlag war ihm sein Leben zurückgeben worden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Raviel
2008-03-02T10:23:40+00:00 02.03.2008 11:23
hei, super, dass das mit dem one-shot doch so (relativ) schnell ging, ich hab fast damit gerechnet, dass ich länger warten müsse. ihc weiß, dass ich mal weider meine meinung nciht so gut ausdrücken kann, aber ich bin ehct RESTLOS BEGEISTERT hiervon! hast du super geschrieben, man kann richtig mit remus mitfühlen udn das ungläubige gefühl, wenn er am schluss sirius doch wiedertrifft, kommt klasse rüber. sehr gut gemacht! würd mich ja freuen, wenns noch ein paar one-shots mehr gäbe, aber das ist wohl zuviel verlangt...meiner meinung nach solltest du sowieso nohc nen dritten teil schreiben!!
grüße
ravi
Von:  ChichiU
2008-03-01T22:52:26+00:00 01.03.2008 23:52
toll, dass du den one shot tatsächlich geschrieben hast.

so und nun zur Kritik:

--Jetzt, wo er Sirius nach so vielen Jahren wiedergesehen hatte, wollte er ihn wieder verlieren.

Ich glaub, da fehlt ein "nie"

---Selten gab es Tage, wo Remus nicht an ihn dachte. Jedenfalls versuchte er es. Und tatsächlich, ab und zu huschte ihm kurz sein Gesicht durch den Kopf, doch die meiste Zeit über schaffte er es, an etwas anderes zu denken. An die Arbeit im Blumenladen. An seine stetigen Geldsorgen.

eh? was nun? Erst denkt er fast nur an ihn und dann denkt er doch die meiste Zeit an was anderes? Ja, was denn nun?

hm...also...ich weiß ja nicht. Sirius war die ganze Zeit in der Hütte gewesen? Warum ist Remus nie zurück gegangen? Und wieso hat das so lange gedauert bis Sirius durch den Kamin wohl gekommen ist?
jaa sie hätten das besser planen müssen. Definitiv.

Trotzdem wunderschöne Fanfic. Du hast es wieder geschafft ihre Gefühle wunderschön zu beschreiben.
Wenn auch das ganze zu kurz war. *g* Damit hast du bestimmt gerechnet, dass das jetzt kommt, ne?

lg
chi


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