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Gestern, Heute und Morgen

(Wichtelgeschenk für Mistelzweig)
von

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Gestern, Heute und Morgen

Gestern…
 

Sakura weinte immer noch, als sie in das Klassenzimmer stürmte. Es war albern, das wusste sie. Jeder konnte mal etwas vergessen, und sie hatte eben einfach ihre Schultasche stehen lassen. Dass sie das erst bemerkt hatte, als sie schon fast daheim war, und ihre Klassenkameradinnen sich lautstark darüber lustig gemacht hatten, dass hinter ihrer Monsterstirn wohl doch nur Luft sein musste, hatten die Sache schlimmer gemacht. Aber war das ein Grund, schon wieder zu heulen?

Ganz sicher nicht, und trotzdem konnte Sakura nicht verhindern, dass die Tränen über ihr Gesicht strömten. Sie wollte niemanden sehen! Warum mussten alle so gemein sein?

„Sei bitte leise.“, wies eine ruhige Stimme sie an.

Verwundert sah Sakura auf. Sie hatte nicht erwartet, dass noch jemand im Klassenzimmer war.

An seinem gewohnten Platz in der ersten Reihe saß ein blasser Junge mit dichtem, schwarzem Haar. Er hatte kurz zu ihr aufgesehen, sich aber schnell wieder den Büchern vor ihm zugewandt. Sasuke Uchiha, er war der beste Schüler in ihrer Klasse – trotzdem verbrachte er seine gesamte Zeit damit, noch mehr zu lernen.

„Ist das deine Tasche?“, fragte er, weiterhin in eines der Bücher vertieft und zeigte auf die Tasche, die hinter ihm stand.

„J-ja.“, antwortete Sakura, und versuchte dabei verzweifelt, nicht verweint zu klingen – vergeblich, natürlich. Langsam kam sie näher. Es fühlte sich… fast falsch an, sich diesem Jungen zu nähern. Als hätte er eine Aura um sich, die andere fernhielt... trotzdem riskierte sie einen Blick auf die Bücher, die er vor sich liegen hatte. Mathematik…

„Machst du die Hausaufgaben?“, fragte sie vorsichtig.

„Nein, die sind schon fertig.“, antwortete Sasuke. „Aber ich verstehe das mit den Brüchen noch nicht…“

„Brüche?“, wiederholte Sakura verwirrt. „Was ist das?“

„Das ist so ähnlich wie teilen.“, erklärte Sasuke, und wandte sich ihr nun völlig zu. „Nur statt einem Geteilt-Zeichen hat man einen Bruchstrich, und was vorne steht, steht oben, und was hinten steht, steht unten.“

„Oh.“ Mehr fiel Sakura dazu nicht ein. „Ich kann nicht mal normal teilen.“

„Warum nicht? Es ist einfach.“, stellte Sasuke fest.

Sakura seufzte. „Ich… ich kann es einfach nicht. Und dann haben wir auch noch so viele Hausaufgaben dazu…“

„Die sind einfach.“, beharrte Sasuke. „Setz dich, dann zeige ich es dir.“
 

„…das heißt, 27 durch 5 ist… 5 Rest 2?“, fragte Sakura vorsichtig, als sie die Lösung der letzten Aufgabe aufschrieb.

„Richtig. Und den Rest 2 könnte man jetzt auch als zwei Fünftel schreiben – das sind dann Brüche.“, erklärte Sasuke.

„Hey… es ist wirklich einfach!“, rief Sakura überrascht. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das je verstehe.“

„Warum nicht? Du bist klug.“, erwiderte Sasuke und tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Stirn.

„Lass das.“, murmelte sie und senkte den Blick. Da war er einmal nett zu ihr und wollte sich schon wieder über sie lustig machen?

„Wir sollten jetzt gehen, sie werden bald die Schule abschließen.“, unterbrach Sasuke ihre Gedanken. Er hatte schon begonnen, seine Bücher einzupacken.

Sakura hatte nicht gemerkt, dass es schon angefangen hatte zu dämmern. Ihre Mutter würde bestimmt sauer werden, dass sie erst so spät nach Hause kam… aber das war in Ordnung. Sie hatte Division verstanden, sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht – und irgendwie hatte sie das Gefühl, diesem seltsamen Jungen etwas näher gekommen zu sein.

Sie schwiegen lange auf dem Heimweg, bis sie vor Sakuras Haus standen. Er hatte sie tatsächlich nach Hause gebracht… irgendwie gefiel ihr der Gedanke.

„Bleibst du öfters nach der Schule da um zu lernen?“, fragte sie zögernd – sie wollte noch nicht hinein und sich die Standpauke ihrer Mutter anhören.

Sasuke nickte. „Ich muss gut sein.“

„Du bist doch schon Klassenbester.“, bemerkte Sakura.

Sasuke seufzte. „Das reicht nicht. Das bemerkt Vater nicht einmal. Ich muss besser werden als mein Bruder Itachi – der hat jetzt schon zum dritten Mal eine Klasse übersprungen… er ist ein Genie, und ich kann damit nicht mithalten. Deswegen… deswegen muss ich besser werden.“

„Und deswegen spielst du nie mit anderen Kindern, oder? Weil du immer lernst…“ Langsam verstand Sakura, und er tat ihr Leid.

„Ich habe keine Zeit zum Spielen.“, erwiderte Sasuke störrisch. „Und außerdem… mit mir will ja auch keiner spielen…“

„Das stimmt nicht!“, widersprach Sakura. „Ich… Ich würde gerne mit dir spielen.“

Sasuke lächelte leicht. „Naja, vielleicht erklärt Itachi mir ja auch, wie die Brüche funktionieren – dann können wir morgen spielen statt lernen.“

„Ja, gerne!“, rief Sakura und strahlte ihn an.

In diesem Moment ging die Tür auf. „Sakura? Sakura, da bist du ja! Komm endlich rein!“, rief ihre Mutter.

„Also dann, bis morgen.“, verabschiedete sie sich von Sasuke.

„Bis morgen.“, antwortete er, immer noch lächelnd.

„Warte…“ Sie griff in ihre Hosentasche um das letzte der Kirschbonbons herauszuholen, das sie noch von ihrem Geburtstag übrig hatte. „Hier, für dich. Und danke noch mal.“

Sie hätte erwartet, dass er sich freute – aber er starrte nur völlig verwirrt und mit zitternder Unterlippe auf das Bonbon in seiner Hand. „Danke…“, flüsterte er und sah sie an, als hätte sie ihm gerade sein Leben und nicht ein einfaches Bonbon geschenkt.

„Kein Problem…“, antwortete sie unsicher.

„Sakura! Komm jetzt!“

Mit einem letzten Lächeln an Sasuke drehte sie sich um und lief ins Haus.
 

Sasuke war selbst überrascht, wie viel Spaß er gehabt hatte… Er war es gewohnt, nur zu lernen, immer nur besser zu werden – aber die Aussicht morgen mit dem Mädchen mit der breiten Stirn zu spielen gefiel ihm irgendwie. Sein Vater würde ihn vielleicht dafür tadeln… aber nein, sein Vater bemerkte ihn nicht einmal. Aber seine Mutter würde sich freuen – sie sagte ihm sowieso immer, dass er doch alles etwas ruhiger angehen und sich wie die anderen Kinder amüsieren sollte… Ja, er würde es gleich seiner Mutter erzählen. Mit diesem Entschluss öffnete er die Haustür und trat ein.

Sein Abendessen stand auf dem Tisch, aber seine Mutter war nirgends zu sehen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es deutlich später war, als er erwartet hatte… nun gut, das war in Ordnung. Seine Mutter würde ihn bestimmt nicht tadeln, wenn er ihr von seiner neuen Freundin erzählte. Sie war eine Freundin… oder? Sie hatte ihm sogar ein Bonbon geschenkt – Sasuke bekam von seinen Eltern nie Süßigkeiten…

Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als er den Schrei seiner Mutter hörte, gefolgt von einem fast wahnsinnigen Lachen.

Sasuke dachte nicht nach, er rannte nur noch. Er flog fast die Treppen hinauf, zur offenen Schlafzimmertür…

Der Anblick, der sich ihm bot, brannte sich unauslöschlich in seine Erinnerungen ein.

Hilflos auf dem Bett zusammengesackt lagen seine Eltern. Seine Mutter atmete noch – röchelte eher – während sein Vater sich überhaupt nicht mehr rührte. Ihre Augen waren verschwunden, nur Blut war noch in den Höhlen. Und vor ihnen stand sein älterer Bruder Itachi, lachend und mit einem Messer in der Hand, von dem er den wohl letzten Augapfel zog.

„Du bist mein Stolz, mein Licht – mein Augenlicht…“, sagte der Junge in einer seltsamen Singsang-Stimme, die Sasuke mehr Angst machte als alles andere. Dann wandte Itachi sich ganz langsam zu ihm um.

„Hallo, kleiner Bruder… wusstest du schon? Du bist mein Augenlicht…“ Das Grinsen auf dem Gesicht seines Bruders wurde immer breiter, dann öffnete er den Mund…

Sasuke drehte sich um und rannte die Treppen hinunter. Er konnte es nicht mit ansehen… am liebsten hätte er sich übergeben, aber er konnte nicht… er durfte nicht hier bleiben, was wenn Itachi ihn auch…

Als er aus der Haustür stürmte, hörte er wie Itachi immer noch lachend die Treppe herunterkam.

Er durfte nicht langsamer werden… Aber wohin sollte er gehen?!

„Mein Augenlicht…“

Als er sah, in welche Straße er gerannt war, wusste er, wohin er fliehen würde.

Fast da…

Er wagte nicht nach hinten zu blicken, er wusste auch so, dass Itachi nahe war… zu nahe.

Fieberhaft drückte er auf die Klingel, er konnte sie hören – schrill, laut, aber warum öffnete niemand? Sie musste ihm helfen… irgendwer musste ihm helfen!

“Aaaaaaaugenlicht…“

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Sasuke stürzte ins Innere, direkt vor die Füße des Mädchens… Sakuras.

„Hilfe! Bitte, hilfe…“, war alles, was er stammelnd hervorbringen konnte.

Sakuras Mutter sah verwirrt auf den inzwischen weinenden Jungen, den ihre Tochter in die Arme nahm, dann nach draußen. Niemand war zu sehen.
 

Sakura würde die Beerdigung nie vergessen. Als einzige hatte sie das Privileg, neben Sasuke zu stehen und seine Hand zu halten. Aber etwas hatte sich verändert. Seine Hand war kalt, und es fühlte sich an, als ob es mit seinem Herzen nicht anders war.

Er sagte kein Wort, die ganze Zeit über, und Sakura spürte, wie sie fast flehte, dass es endlich vorbei wäre.

Er verabschiedete sich nicht einmal von ihr. Am nächsten Tag war er einfach fort.

„In Amerika.“, sagte ihre Mutter, als sie fragte.

Sakura wünschte, er wäre noch hier… immerhin war Sasuke ihr einziger Freund gewesen, egal wie kurz diese Freundschaft gewesen war.

Vielleicht würde er irgendwann wieder zurückkommen…

Sie wusste nicht, dass weit weg, jenseits des Pazifiks, Sasuke am Fenster seines neuen Zimmers stand und eben diesen Entschluss fasste. Irgendwann würde er zurückkommen.

Fast zufrieden lutschte er an dem Kirschbonbon.
 


 

Heute


 

Mit einem Jubelschrei reißt Sakura ihren Arm in die Luft. Einige der anderen Mädchen sind enttäuscht, die meisten freuen sich für sie, als sie Ayames Brautstrauß an sich drückt.

Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Narutos Strahlen ebenfalls breiter wird, was sie nur dazu veranlasst, die Augen zu verdrehen. Es ist nicht so, dass Naruto kein „Nein!“ versteht – es ist eher so, dass er nicht weiß, wann er besser aufgeben soll.

Die halbe Oberstufe ist gekommen, um die Hochzeit ihres Lieblingslehrers Kakashi zu feiern – oder wie sie ihn im Unterricht nennen, Doktor Hatake.

Sakura bleibt einfach stehen und sieht sich um, wie Kakashi mit seinem frischgebackenen Schwiegervater anstößt, wie ihre Freundinnen sich unterhalten, wie Ino gerade den Faulpelz Shikamaru mit Torte von Choujis Teller füttert…

„So nachdenklich, Sakura?“

Sie muss sich nicht umdrehen, um Ayames Stimme zu erkennen.

„Ich musste nur gerade an jemanden denken.“, antwortet Sakura. An Tagen wie heute denkt sie immer an ihn, wo er wohl ist, oder was er tut.

„Jemand, der dir wichtig ist, nicht wahr?“, fragt Ayame.

„Sein Name ist Sasuke.“, erklärt Sakura und ihr Lächeln wirkt etwas traurig.

„Sasuke Uchiha? Kakashi hat mir von ihm erzählt…“, sagt Ayame. „Der arme Junge…“

„Ich hoffe, es geht ihm jetzt besser. Dass er ein glücklicheres Leben hat…“ Sakura schließt die Augen, vor ihrem inneren Auge sieht sie wieder das schockierte Gesicht eines neunjährigen Sasukes, und sie fühlt sich so hilflos wie damals.

Etwas Leichtes weht ihr ins Gesicht und verwirrt blickt sie auf. Ayame steht jetzt vor ihr und bläst etwas Konfetti von ihrer Hand.

„Meine Mutter sagte immer, das bringt Glück.“, erklärt die Braut etwas nervös. „Hier, nimm etwas.“

Sakura betrachtet neugierig, wie Ayame ihr etwas von dem Konfetti auf die Hand legt – und obwohl es ihr selbst seltsam vorkommt, fühlt sie sich ruhiger, fast glücklich.

Sie will sich bedanken, doch ihr Gegenüber wird von anderen Gästen in Anspruch genommen.

Langsam wandert sie zu dem Buffet, das Konfetti immer noch in ihrer Hand. Neun Jahre hat sie ihn nicht gesehen, und sie vermisst ihn.

Vor ihr ist jetzt der strahlende Bräutigam, und neben ihm sein bester Freund Obito, der extra aus Amerika gekommen ist. Etwas näher am Buffet aber immer noch in Hörweite der beiden Männer steht ein Junge in ihrem Alter, der ihr gleichzeitig vertraut und unbekannt vorkommt. Sie kann sein Gesicht nicht sehen, nur den schwarzen Haarschopf – aber wie in Trance tritt sie näher an ihn heran und bläst ihm sanft das Konfetti zu.

Sakura ist nicht überrascht, als er sich umdreht und ihr nur einen kurzen Blick zuwirft, bevor er spricht.

„Sakura.“

„Sasuke.“

Mehr Worte sind nicht nötig.
 

Natürlich reden sie später etwas mehr, nachdem sie die Umarmung gelöst haben. Nicht viel – sie stellt fest, dass Sasuke sehr still ist, stiller als sie ihn in Erinnerung hat… aber sie ist nicht überrascht. Sie erfährt, dass ihre Mutter Recht hat und er jetzt in Amerika lebt, mit Kakashis Freund Obito, sein Cousin und letzter Verwandter – abgesehen von dem wahnsinnigen Bruder, über den niemand spricht und den seit jener Nacht keiner gesehen hat.

Er hat Schwierigkeiten gehabt, sich an die englische Sprache zu gewöhnen, aber inzwischen hat er keine Probleme mehr. Zu Hause fühlt er sich nicht – auch wenn er das nicht sagt, glaubt Sakura es in seinen Augen lesen zu können. Seltsam, dass er so vertraut erscheint – und doch, irgendwie natürlich.

Es ist dunkel geworden, während sie sich nur auf ihn konzentriert hat. Selbst Ino, die etwas zu viel Sekt getrunken hat, ist inzwischen von Shikamaru und Chouji nach Hause verschleppt worden. Obito ist auch nirgends mehr zu sehen, und so beschließen die beiden endlich den Heimweg anzutreten. Die Laterne, die jeder Gast mitgebracht hat, erweist sich jetzt als ziemlich nützlich.

„Du hast bald deinen Abschluss.“, bemerkt Sasuke.

„Ich möchte danach Medizin studieren.“, beantwortet sie die stumme Frage nach ihren Plänen, und er erwidert die Geste, indem er nur „Jura.“ sagt.

„Hast du dich schon beworben?“, fragt Sakura.

„Ich habe einen Platz.“, kommt seine Antwort. „Du könntest dich dort auch bewerben.“

„Ich weiß nicht …“, sagt sie zögernd.

„Warum nicht? Du bist klug.“

Sie erinnert sich an die Worte und muss lächeln. Er wirft ihr einen verwunderten Blick zu, sagt aber nichts.

Sie schweigen für den Rest des Weges, der im Übrigen auch nicht mehr weit ist. Zu schnell sind sie vor ihrer Haustür, wo sie erst einmal stehen bleiben.

Auf einmal hat Sakura das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Sie hat Angst. Was, wenn sie ihn nicht mehr sehen wird? Wer kann schon sagen, wie lange er hier bleibt?

„Wo… wo wohnst du im Moment?“, fragt sie schließlich.

Sein Gesicht verfinstert sich. „Zuhause.“, antwortet er ruhig. Sie ist sich sicher, dass er das Wort ernst meint. Sein Zuhause ist immer noch jenes Haus, indem seine Eltern gestorben sind.

Er erkennt ihre Bestürzung und schüttelt den Kopf. „Es ist meine Entscheidung – Obito hat ein Hotel vorgeschlagen. Ich musste mich dem stellen.“, erklärt er.

Ihr Blick spricht von Bewunderung und Mitleid, das sie eigentlich unterdrücken will. Er sieht zu Boden.

Sie ist unsicher und etwas ängstlich, aber sie ignoriert es. Vielleicht ist es nicht einmal ihre eigene Idee, aber sie handelt einfach.

Sakura lehnt sich nach vorne und drückt vorsichtig ihre Lippen auf seine. Einen Moment lang ist sie nicht sicher, ob sie das Richtige getan hat, aber dann erwidert er den Kuss, legt seine Arme um sie und zieht sie näher. Ihre Laternen fallen zu Boden, aber es ist ihnen egal. Nach einer Weile treten sie etwas zurück und Sakura glaubt fast, ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. Er streicht eine Hand über ihre Wange und sagt leise „Danke.“

„Gute Nacht.“, antwortet sie. „Bis morgen.“

Zu ihrer Erleichterung nickt er.

Lächelnd hebt sie ihre Laterne auf und geht ins Haus.

Eine Weile wirbelt sie im Flur herum. Sie ist glücklich. Erst nach einigen Minuten ist sie wieder ruhig genug, um ihre Jacke abzulegen und die Laterne abzustellen. Und erst jetzt bemerkt sie, dass es nicht ihre eigene ist.

Sie zögert kurz, und dann wird ihr Lächeln noch breiter.
 

Bereits der erste Atemzug im Inneren des Hauses lässt das Gefühl von Zufriedenheit verschwinden und Sasuke spürt, wie sich seine Nackenhaare sträuben. Er schiebt es auf das Haus und all die Erinnerungen, die er damit verknüpft und versucht, nicht daran zu denken, während er seine Jacke und die Laterne ablegt. Achtlos stellt er seine Schuhe in die Ecke und geht die Treppe hinauf, während er über Sakura nachdenkt – seine Freundin.

So wie damals auch, nur dass das Wort jetzt noch mehr bedeutet.

Er will sich in diese Gedanken vertiefen, als ihn ein Schrei aufrüttelt. Obito!

Ohne nachzudenken springt Sasuke die verbliebenen Stufen nach oben und reißt die Tür auf.

Wie gestern kommt es ihm vor, fast das gleiche Bild bietet sich ihm. Itachi, ein Messer hoch über den Kopf erhoben, aber diesmal sind es nicht seine schon toten Eltern, die auf dem Boden liegen, diesmal ist es Obito. Er lebt, und zumindest sein rechtes Auge ist noch unberührt, während Blut aus dem linken strömt.

Itachi redet und lacht, aber Sasuke will nicht einmal verstehen. Alles, was er noch wahrnimmt, ist die Gestalt seines Bruders vor ihm, und er springt auf ihn zu, versucht ihn zu Boden zu reißen. Blinde Wut übermannt ihn und er schlägt einfach zu, immer wieder, versucht die für einen Verrückten überraschend starke Gegenwehr zu brechen, und fast hat er es geschafft…

…als das Messer seine Seite findet.

Sasuke weiß nicht, ob es sein Schrei ist, der von Obito oder vielleicht sogar Itachis, für einen Moment ist alles nur noch Schmerz. Etwas trifft hart seinen Rücken und er braucht wertvolle Sekunden um zu verstehen, dass er auf den Rücken geworfen wurde, dass Itachi die Oberhand hat.

Seine Sinne erholen sich leicht, und er sieht was geschieht. Er liegt auf dem Boden, und Itachi ist über ihm, manisch lachend und die Tür im Rücken.

„Dein Augenlicht… ich wollte es immer haben…“, murmelt Itachi – zumindest glaubt Sasuke, diese Worte ausgemacht zu haben, während er sich gleichzeitig fragt, wie er in dieser Situation ausgerechnet darauf achten kann. Er sieht ein Blitzen auf der Klinge, als Itachi das Messer hochreißt, und dann…

Ein Klirren.

Er ist verwirrt, was sollte klirren? Gleichzeitig sieht er, wie sich Itachis Augen verdrehen und sein Bruder leblos zusammensackt.

Sakura steht in der Tür, in ihren erhobenen Händen eine Laterne, die er als seine eigene erkennt. Sie sucht seinen Blick, und als er ihn erwidert, bricht sie zusammen und fällt auf ihre Knie. Sie starren sich an.

Wieder sind Worte unnötig.
 

Trotz allem hat Sakura erwartet – vielleicht nur gehofft – dass Sasuke jetzt ein normales Leben führen kann. Aber als sie mit und Obito, der nur noch sein rechtes Auge besitzt, vom Krankenhaus zurückfahren, spürt sie bereits, dass es nicht so sein kann.

Sein Blick ist starr geradeaus gerichtet und die Hände um das Lenkrad wirken verkrampft, die ganze Fahrt über spricht er kein Wort, obwohl Obito versucht, die Stimmung aufzulockern. Das Schweigen seiner beiden Begleiter entmutigt aber selbst ihn nach einer Weile.

Zwei Tage lang sieht und hört sie nichts von Sasuke, bis er vor ihrer Tür steht. Der Motor seines Autos läuft noch und sie erkennt sein schlechtes Gewissen.

Diesmal wird er sich wenigstens verabschieden…

Das ist alles, woran sie denken kann, und obwohl es weh tut, kann sie sich darüber etwas freuen.

„Zurück nach Amerika?“, fragt sie, bevor er etwas sagen kann.

Er nickt, und einen Moment schweigen sie.

„Warum?“, flüstert Sakura und bricht damit schließlich die Stille.

Sie hat erwartet, dass er den Blick senkt, aber er sieht ihr direkt in die Augen. Es erfüllt sie mit Stolz – noch etwas, das sie nicht erklären kann.

„Ich habe es vorgestern erfahren. Sie haben den Grund für Itachis Verhalten gefunden. Es ist eine Geisteskrankheit.“ Er zögert kurz, bevor er fortfährt. „Eine erbliche Geisteskrankheit.“

Sakura erkennt ein fast unmerkliches Zucken in seinem Gesicht, als sie die Augen aufreißt.

„Heißt das, du…?“ Sie wagt nicht, den Gedanken auszusprechen – nicht, dass es nötig wäre.

„Ich weiß es nicht.“, ist seine Antwort. „Vielleicht…“

„Wann wirst du es wissen?“, drängt Sakura.

„Ich werde es nicht wissen.“, sagt Sasuke tonlos. „Ich werde jetzt gehen.“

Sie weiß nicht, warum sie ihn so gut versteht oder wie sie den Satz hinter diesen Worten erkenne kann – „Ich habe Angst davor, es zu wissen.“ Es ist ihr auch egal, wichtig ist jetzt, dass sie ihn nicht schon wieder verlieren will. Wichtig ist, dass er zögert, bevor er sich abwendet. Und wichtig ist, dass sie vorstürzt, um ihn von hinten zu umarmen – eine Position, die sich völlig natürlich anfühlt.

„Ich liebe dich.“

Sakura hat nicht darüber nachgedacht, die Worte kommen einfach – aus ihrem Herzen, wie sie es später bezeichnen wird.

Sasuke drückt ihre linke Hand kurz, bevor er den Kopf senkt und spricht.

„Itachi wollte die Augen der Menschen, die ihm am nächsten standen. Deswegen muss ich dich verlassen.“

Tränen steigen Sakura in die Augen, als er ihre Arme fast sanft wegdrückt.

Er geht, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Und wieder bleibt sie zurück.
 


 

Morgen…
 

Sie wird auf einer Wiese sitzen und auf das Gebäude der Universität blicken, und ein Lächeln wird auf ihren Lippen liegen, während sie einen Kranz aus Butterblumen flechten wird.

Das Lied, das sie singt, wird ein amerikanisches sein, so wie die Universität, auf der sie jetzt Medizin studieren wird.

Und während sie da sitzen wird, wird sie das alte Gefühl wieder spüren. Sie wird sich nicht umdrehen müssen, um Sasuke zu erkennen – aber sie wird es trotzdem tun.

Er wird sich neben sie setzen, und eine Weile lang werden sie schweigen. Aber das ist in Ordnung, denn sie brauchen keine Worte und werden sie auch dann nicht brauchen.

„Kakashi hat geschrieben, dass du hierher kommst.“ Bei diesen Worten wird Sasuke leicht lächeln und sie fast stolz betrachten. Immerhin hat er ihr vorgeschlagen, hier zu studieren.

Wieder werden sie etwas schweigen, und irgendwann wird Sasuke eine ihrer Hände nehmen.

„Ich hatte nicht gedacht, dass ich dich wieder sehen werde.“, wird Sakura schließlich sagen, und er wird sie anlächeln – nicht versteckt, sondern offen – und antworten: „Warum nicht? Du bist klug.“

Mehr Worte werden zwischen ihnen nicht nötig sein. Er wird ihr nicht sagen, dass ihr Entschluss, auf derselben Universität zu studieren, ihm endlich den Mut gegeben hat, die Wahrheit herauszufinden, und auch nicht, dass er gesund ist und bleiben wird. Sie wird es wissen. Und wenn sie sich dieses Mal küssen werden, wird kein Abschied drohen, wird keine Trennung die Verbindung ihrer Herzen überschatten.

Morgen wird ihr Leben nicht mehr dasselbe sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  bells-mannequin
2009-08-17T16:38:29+00:00 17.08.2009 18:38
Gute Umsetzung des Naruto-verses, mit den Augen und so weiter. Die Aufteilung, Gestern, Heute, Morgen ist auch schön, wenn auch nicht besonders neu, und dein Schreibstil gefällt mir.

Ich mag an sich gern Erzählungen in Präsens oder Futur, deswegen gibts auch da einen Pluspunkt^^

Auf jeden Fall ein schöner Oneshot^^

bells (die es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles, was auf ihrer Favoritenliste ist, zu berievewen)
Von:  Aoki_lee
2009-07-29T22:08:03+00:00 30.07.2009 00:08
schön ,einfach schön
och das war mal ne OS <3 hach ich bin ganz verliebt
Von:  BlackRose
2008-09-15T17:16:18+00:00 15.09.2008 19:16
Die Geschichte ist einfach nur wunderschön.... *schnief heul*
Tataler Wahnsinn....
*fettes lob aufdrück*
*sprachlos*
Von:  Io-san
2008-09-15T17:06:38+00:00 15.09.2008 19:06
ich fande die idee mit dieser originellen zeitaufteilungen und die zeitformen die du für die einzelnen abschnitte hast genial und verdammt passend
und ohne dass du näher auf die gefühle und die beziehung der beiden eingehst, ist da doch irgendwas...

und dann noch sasukes entscheidenes zitat "du bist klug"


Von: abgemeldet
2008-04-27T13:06:27+00:00 27.04.2008 15:06
Das ist eine echt schöne Geschichte, wie du das alles ins real life übertragen hast, war glaubwürdig und hätte genauso passieren können. Die Idee mit den Zeitverschiebungen ist echt gut. Echt schön ! :)
Von: abgemeldet
2008-04-03T16:16:40+00:00 03.04.2008 18:16
*poke* Du bist klug!
Ich fand es wirklich schön. Besonders, dass dieser Satz in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auftauchte. Auch solche Dinge, wie das mit dem Kirschbonbon oder mit dem Pusten des Konfetti und sich wünschen...ach, ganz großes Kino!
Ich weiß ja nicht welche Worte du einsetzten musstest, aber es ist eine wunderbare Geschichte und man würde nie darauf kommen, welche es sein könnten.
Das mit Itachi fand ich noch heftiger, als im Manga ehrlich gesagt. Aber so musste es wohl sein. Trotzdem, krass Oo
Lol, und dann ausgerechnet die Augen. Liest du den Manga auf Englisch? Passte ja ziemlich gut.
Was mir auch sehr gut gefiel: sie sprechen zum ersten Mal miteinander und verlieren sich gleich wieder. Sie gesteht ihm ihre Liebe und wieder müssen sie sich trennen. Also, die Wiederholungen + Steigerungen finde ich ganz toll. Wenn du weißt, was ich meine^^
Ich kann nur raten, aber ich wette die Beschenkte hat sich riesig gefreut! Ich hätte mich auf jedenfall gefreut XD Und das das Ende so sweet war, hat natürlich meinem Happy-End-Wesen sehr gut entsprochen.
Also, ich bin ein Fan!^^
Von: abgemeldet
2008-03-29T04:27:25+00:00 29.03.2008 05:27
Ganz ehrlich. Mir stehen Tränen in den Augen! Die Idee ist wunderschön und die Umsetzung ist auch super. Witzig ist nur, ich lese solche FFs eigentlich nicht. Also FFs, die nichts mit der Ninjawelt zu tun haben. Aber dein Titel hat mich einfach neugierig gemacht und da es ja nur eine One-Shot ist, kann man ja nichts falsch machen^^
Ich fand es wirklich sehr niedlich, wie immer wieder, in jeder Zeit dieser Satz kommt. Du bist klug...ach, das trifft mich richtig!
Ich bin aber neugierig. Was für Worte musstest du denn einfügen? Zumindest hast du es gut hinbekommen, denn nichts Ungewöhnliches fällt auf.
Das Ganze ist sehr gut geworden. *applaus*
Von:  Harfe
2008-02-07T18:51:54+00:00 07.02.2008 19:51
Eine schöne und zwischen durch auch traurige FF.
Du hast einen schöner Schreibstil
großes Lob
Harfe
Von:  yodaime
2008-02-07T18:16:23+00:00 07.02.2008 19:16
OMG!!
das is voll romantisch und herzzerreißend!!
das os is echt der hamma!!
dein schreibstil is echt klasse und du kannst die dinge total gut beschrieben!!!
mach einfach weiter so!!

*kleine schleichwerbung zwischendurch*
kannst ja mal in meine reingucken...
*gaaaaaaaaanz lieb anguck*
http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/363615/174858/
wäre voll lieb^^

yodaime
Von: abgemeldet
2008-02-07T15:54:57+00:00 07.02.2008 16:54
Hey^^
wie romatisch^^ich find das am ende total sūss
und sie leben glūcklich und bis ans ende ihres leben zusammen^^haha
passt doch ganz gut dieser satz net wahr??

also ich fands echt gut und echt fantasievoll
so als ob alles bedact oda auch wirklichkeit is
einfach nur: Glūcklich

das einzige was ich in meinem leben wūnsche wār genau so etwas^^
is aber alles imma nur ein Traum^^
Und Zufall gibt es nicht nur Fūgung^^

also bis denne
lg Emo-Girl1815


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