Wie es damals war
Ich hab ne schlechte Zensur bekommen
Du schimpftest mich gnadenlos aus
Ich hab heimlich geraucht
Du hättest mir am liebsten eine gescheuert
Ich bin hingefallen und mit der linken Wange ander Wand langgeschreddert
Du hast mir ne Ohrfeige geben
Ich war eingeschnappt wegen dir
Du hast dich nicht entschuldigt
Ich bin bei dir auf Arbeit zu Besuch gewesen
Du hast mich freundlich rumgeführt
Der schicksalsträchtige Tag
Es ist der 14.9.2003, ein Sonntag
Du sitzt nicht wie immer vor der
Glotze mit nem Bier in der Hand.
Nein, diesmal liegst du auf dem Sofa,
hast Kopfschmerzen und ne Lungenembolie
und du guckst in die Glotze.
Ich mach grad Strickliesel im Sessel
sitzend.
Oma sitzt wie immer verwarlost
auf ihrem Stammstuhl.
Beim Essen sitz ich immer neben ihr.
Ich kann sie nicht leiden.
Mama kommt rein.
Du schlägst die Decke auf.
Du hast Übergewicht- schon ne ganze Weile
doch hält sich das in Grenzen.
Du stehst auf und folgst Mama die Treppe hinauf.
Währenddessen läuft der Wasserhahn in Bad
Die Bade wanne wird voll...
Oma muss mal für kleine Mädchen
und geht die Treppe hoch.
Weni8ge Momente kommt sie wider rein ins Wohnzimmer.
"Was ist los Omi?", frage ich sie reichlich irretiert.
Ihr Gesicht ist knallrot.
Sie zittert wie verrückt.
"Der Papa kriegt keine Luft mehr", stammelt sie herum.
Ich mach das Strickliesel weiter.
Und ich hab ein schlechtes Gewissen.
Mein Bruder telefoniert drei Minuten mit dem Notdienst, ehe er auflegt.
Er ist der eizig ruhige im Haus.
Mama ist verzweifelt.
Der Notdienst ist da.
Ich sitzte inzwischen auf meinem Essstuhl
und halte Mama's Hand.
Notärztin kommt rein.
"Es tut mir Leid, wir konnten nichts mehr für ihn tun."
Alles weinen.
Außer meinem Bruder.
Er hämmert wutentbrannt gegen das Fenster,
wogegen er sich lehnte.
"Ist Papa tot?" frage ich.
Mama nickt.
Mama ruft die Verwandtschaft an.
Während sie das tut, versucht sie ruhig zu bleiben.
Es geht nicht.
Ich versuche sie zu trösten.
Sie ruft meine Schwester an.
Schwesterchen wohnt in Zwickau...
22 Uhr nochwas steht sie vor der Tür.
Später kommt n Futzi vom Bestattungsamt.
Wir wollen keinen Tee oder so, nur
die Formalitäten hinter uns bringen.
Trotzdem macht er da nicht.
Er fragt mich, ob ich Papa noch Mal sehen möchte.
Ich nicke und hoffe, dass er doch lebt.
Wir gehen ins Schlafzimmer.
Bruder und Oma sind mit dabei.
Da liegt er- regunglos.
Er liegt auf dem Rücken.
Seine Hände- auf seinem Bauch liegend- sind
zusammengefaltet.
Es ist der schlimmste Tag in meinem Leben.
Seit diesem Tag...
Es ist bereits 4 Jahre her.
Dieses Mädchen, was dies alles erzählt,
bin ich.
Ich war damals 13 Jahre alt.
Und habe immernoch Schuldgefühle,
obwohl mir jeder sagt: "Es liegt
nicht an dir, dass Papa nicht mehr
da ist." Doch denke ich anders.
Natürlich, hatte ihn lieb, doch schien
es mir, als hätte ich ihn nie wirklich
gekannt...
Ich habe ihn nicht gemocht, glaube ich.
Nein, ich glaube sogar,ich hatte
immer ein wenig Angst vor ihm, weil er
sich recht schnell aufregte, schon
wegen einer Kleinigkeit.
Aber jetzt, wo er für immer weg ist,
wünsche ich mir so viel...
(An Papa...)
Ich möchte dir lächelnd zusehen, wie du so
akorat und sorgfältig die Fußball-Zeitungs-
ausschnitte in dein Album klebst.
... dass du mir bei den Hausaufgaben hilfst.
Ich will noch einmal genervt sein, weil du
ständig während des Fussballspiels kommen-
tierst und dich aufregst.
Ich möcht mir wieder sorgen machen, wenn du
nicht pünktlich zu Hause bist und ich will
dir dann in die Arme fallen, weil du endlich
zu Hause bist...
Es gibt noch so vieles... aber dafür ist es nun zu spät....