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Das Prinzesschen und das Biest

Zwei Mädchen wie Tag und Nacht - oder?
von

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Missglückte Versuche

Anna war damals groß für ihr Alter, fast ein wenig schlaksig. Der feine, augenbrauenlange Pony fiel ihr in die Stirn, darunter funkelten grüne, durchdringende, katzenhafte Augen, umrahmt von langen Wimpern. Das dunkelbraune Haar fiel ihr in sauberem, glattem Schnitt bis auf die Schultern. An diesem ersten Schultag trug sie ein dunkelgrünes T-Shirt mit irgendeinem Aufdruck, an den sich später keiner mehr erinnern konnte; dazu Jeans mit Schlag und schwarze Turnschuhe mit Klettverschluss.
 

Mischa war auf den ersten Blick sympathisch. Ein freundliches Lachen, gerade, weiße Zähne und ein Hauch von Sommersprossen. Blonde Haare, die sie sicher schon seit Jahren wachsen ließ, die bis zur Taille reichten, und trotz dieser Länge ein erstaunliches Volumen besaßen. Sie hatte ein hellblaues Kleidchen an, das mit kleinen Gänseblümchen gemustert war, und ihre Füße steckten in weißen Rüschensocken zu schwarzen Lackschuhen. In den Händen hielt sie, wie Anna belustigt feststellte, eine kleine Schultüte. Eine Schultüte! Bei der Einschulung ins Gymnasium! Aber Mischa stand nicht etwa peinlich berührt irgendwo am Rande oder hatte die Schultüte beiseite gelegt, sondern unterhielt sich rege mit allen neuen Mitschülerinnen, die daran Interesse hatten, welche von dem redseligen kleinen Mädchen bald so in den Bann gezogen waren, dass sie gar nicht beachteten, dass sie vielleicht ein bisschen zu verhätschelt war.
 

Anna hatte keine dieser kindischen Schultaschen mit Barbie-, Auto- oder Blümchenaufdruck. Sie trug einen grau-schwarzen Schulrucksack, der ihr immer noch gefallen würde, wenn sie älter war. Aber wo ihr das schon kindisch vorkam, begann sie beim Anblick von Mischa – eines Mädchens, das sie damals noch nicht kannte – beinahe, höhnisch zu grinsen.
 

Mischa sprach nacheinander freudig alle Mädchen an, die sie ja früher oder später ohnehin kennen lernen würde, und wusste nach kürzester Zeit nicht nur den Großteil ihrer Namen, sondern auch, wer Geschwister hatte, warum sie sich für diese Schule entschieden hatten und was sie in ihrer Freizeit gerne machten. Nur Anna sah sie so böse an, dass Mischa sich gar nicht traute, etwas zu ihr zu sagen. Sie stand ein wenig abseits, sagte hier und da ein Wort zu jemandem, und wirkte von Weitem gar nicht so unhöflich – aber wenn Mischa ihren Blick suchte und ihr ein Lächeln zuwarf, bei dem die meisten gleich zurückstrahlten, runzelte sie abweisend die Stirn und wandte sich ab. Mischa konnte das nicht verstehen. Sie konnte nichts dafür, sie war nicht arrogant – sie war es einfach nicht gewohnt, dass jemand so ablehnend auf sie reagierte.
 

Anna kam auch mit vielen ins Gespräch. Viele der anderen bewunderten sie ein wenig für ihre selbstsichere Haltung, vielleicht sogar für den leicht kalten Blick, den sie umherschweifen ließ, und gerade ihre scheinbare Unnahbarkeit lockte andere an. Anna hatte nichts dagegen, neue Leute kennenzulernen. Sie war nur nicht der Typ, der auf andere freudig zuging und um jeden Preis versuchte, ihnen zu gefallen. Die mussten schon selbst kommen. Aber diese Schleimerin gefiel ihr nicht. Wie sie jeden anstrahlte – auf den ersten Blick verabscheute sie Mischas Art. Und so ließ sie sie gar nichte erst an sich heran: als sie wohl versuchte, sie mit ihrem zuckersüßen Lächeln zu ihrer nächsten besten Freundin zu machen, zog Anna die Brauen zusammen und drehte sich zur Seite. Auf keinen Fall würde sie ein Gespräch mit diesem Mädchen zulassen.
 

Mischa war die Erfahrung, nicht gemocht zu werden, neu. Darum verstand sie es anfangs gar nicht. Sie war sich sicher, dass sie etwas missverstanden haben musste. Aus reinem Prinzip ging sie in die Richtung dieses kühlen, ruhigen Mädchens. Ihr Kleid wippte, während sie sich Anna näherte. „Hallo, ich bin Mischa.“, sagte sie, mit einem zaghafteren Lächeln als sonst, aber wie immmer auf Höflichkeit und Freundlichkeit bedacht. „Wie heißt du?“
 

Anna gab sich nicht einmal die Mühe, ihren Kopf zu senken, um Mischa, die ein wenig kleiner war als sie, vernünftig in die Augen sehen zu können, wie man es bei Gesprächspartnern ja normalerweise machte. Aus den Augenwinkeln sah sie auf das aufdringliche Mädchen herab. „Anna.“, sagte sie, mit einer Stimme, die Mischas Lächeln aus ihrem Gesicht verschwinden und sie einen Schritt zurücktreten ließ. Jetzt ließ es sich nicht mehr leugnen. Dieses Mädchen konnte sie einfach nicht leiden.



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