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Blinde Liebe

von

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Unerwarteter Besuch

„Na wunderbar“ knurrte ich in das Zimmer hinein, während ich noch einmal an der Kette zog. Als ich heute aufgestanden war… nein Stopp, als ich heute wach wurde, musste ich feststellen, dass mich Carl schon wieder meine rechte Hand an dieser dämlichen Wand festgekettet hatte.

Eigentlich war es ein Fensterbrett, wie mir nach einigem tasten aufgefallen war. Doch nicht aus Holz, sondern aus Stein, wie die Wand. Und in dieser war eine Öse eingelassen, wo sich das Ende der Kette befand. Dabei hatte ich gerade mal so viel Bewegungsfreiheit, dass ich mich ordentlich im Bett aufsetzten konnte, ohne Gefahr zu laufen, mir den Arm auszukugeln. Doch das war auch schon alles, was mir blieb.

Es schien beinahe so, als hätte Carl Angst, dass ich ihm weglaufen würde, wenn er nicht direkt bei mir war. Soviel zum Thema vertrauen. Das war ja bekanntlich die Basis einer Liebesbeziehung. Okay, ich hatte ja keine Beziehung zu ihm, geschweige denn das wir überhaupt ein Paar wären.

Trotzdem, statt hier einfach rumzuliegen, hätte ich lieber die Zeit genutzt, um mich besser mit meiner Umgebung vertraut zu machen. Dann könnte ich mich vielleicht auch endlich mal alleine im Haus bewegen, ohne dass Carl Angst haben müsste, dass ich mir irgendetwas antue oder gar unabsichtlich verletzte.

Dass er versuchte mich zu schützen, war mehr als deutlich zu spüren. Denn seine Gesten und Worte sagten mehr, als ich dafür zur Bestätigung brauchte. Trotzdem waren seine Handlungen ziemlich widersprüchlich. Zum einen, will er mein bestes und beteuert seine Liebe, zum anderen kettet er mich immer dann an, wie ein kleines Haustier, wenn es ihm beliebte. Jedenfalls würde ich das so sehen.

Denn seine ’Spiele’ sind ziemlich gewöhnungsbedürftig. Und dass ich dabei nichts zu sagen hatte, belegt nur wieder die Tatsache, dass ich ein süßes Haustier war, dass man behielt und dass zu gehorchen hatte.

Dass sollte er mal versuchen. Ich würde bestimmt nicht Kleinbeigeben und Wuff sagen, wenn er es verlangt. Egal wie schlimm die Folgen sein würden, aber freiwillig bekommt er meinen Körper nicht. Und solange ich ihn verteidigen kann, würde ich das auch tun. Selbst, wenn er mit mir richtig schlafen würde, als diese Spielchen davor, könnte er meinen Stolz nicht brechen. Denn was hatte ich, außer ihm?

Michael war unerreichbar, ebenso wie jede andere lebende Person. Ich war ja quasi vollkommen abgeschnitten von der Außenwelt. Mein Trotz und Stolz waren die einzigen Sachen, die ich wirklich noch besaß. Und diese würde ich um jeden Preis behalten. Größer als die Qualen, die mein Herz heimsuchten, seit ich Michaels beruhigende Anwesenheit nicht mehr spürte, konnte es schließlich nicht mehr werden.
 

٭
 

Als ich mit meinem Einkauf wiederkam, stellte ich die Tüten auf den Tresen ab. Zur nächsten Zivilisation dauert er zwar einige Stunden um dorthin zurückzukommen, doch um an Lebensmittel zu gelangen, gab es ein abgelegen, kleines Geschäft, welches alles hatte, was ich brauchte. Und notfalls konnte man sich auch Sachen bestellen, wenn man etwas Bestimmtes haben wollte. Es gab nichts was Lou, der Ladenbesitzer, nicht bekommen würde.

Heute Abend würde ich für meinen süßen Liebling etwas wirklich schmackhaftes Kochen. In den letzten beiden Tagen hatten wir mehr oder weniger von den letzten Resten gelebt, die ich hier noch hatte.

Es fiel mir unheimlich schwer, ihn einfach alleine zulassen. Ich weiß, es waren gerade mal vier Stunden her, seit ich gegangen war. Vier Stunden! Und trotzdem kam mir die Zeit wie eine Ewigkeit vor, die nicht zu Ende gehen wollte. Jede einzelne Sekunde, die sich im Schneckentempo vorwärtsbewegt hatte, habe ich verflucht, da ich nicht bei meinem kleinen Schatz sein konnte.

Ha! Ich war oft um die ganze Welt gereist, um meinen Job nachzugehen. Und jetzt! Jetzt kann ich nicht mal für eine Stunde das Haus verlassen, ohne mir Gedanken um Jo zu machen. Ihn bei mir zu wissen und seine beruhigende Nähe zu spüren.

Bei dem Gedanken an Jo, stellte ich die Tüten ersteinmal auf den Tresen und ging dann zum Schlafzimmer rüber.

Er sah so niedlich aus, wenn er friedlich schlief. Das war auch der Fall gewesen, weshalb ich ihn hatte schlafen lassen, als ich losgegangen war, um die paar Besorgungen zu machen. Nur um sicher zu gehen, dass er nicht doch noch auf dumme Ideen käme, hatte ich ihn wieder mit der Kette an dem Fenstersims fixiert. Ob er noch schlief? Tja, das würde sich ja schnell herausstellen. Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus.

Doch mitten im gehen, hielt ich kurz inne, als ich merkte, dass die Tür angelehnt war. Die Frage lautete bloß, warum? Jo konnte sie unmöglich aufgemacht haben, dafür hatte ich schon gesorgt. Aber wenn es mein geliebter Schatz nicht war, dann hieße dass doch…

Ich ging noch mal zurück zur Küche und holte aus einer versteckten Nische von der Arbeitsplatte, einen Revolver hervor und sicherte ihn. All meine Sinne schärften sich und ich ging schnell, aber leise rüber zu meinem Schlafzimmer. Um die Lage besser einschätzen zu können, lugte ich mit einem Auge durch die angelehnte Tür und erfasste die Situation in Sekundenschnelle, als ich mich bereit machte.

Wütend über das Bild, dass jemand auf meinem Bett saß und für meinen Geschmack, viel zu nahe an MEINEM kleinen Liebling war, als es für seine Gesundheit gut wäre. Niemand, ich wiederhole, NIEMAND durfte sich einfach an mein Eigentum ranmachen, ohne dafür zu bezahlen.

Meine aufkeimende Wut und die Eifersucht, die mich überschwemmte, dämmte ich durch meinen Zorn ein, um einen klaren Kopf zu bewahren. Es würde niemanden helfen, wenn ich jetzt blindlings drauflos stürzte und dem Fremden dadurch die Chance gab, die Oberhand zu gewinnen. Schon gar nicht für Jo.

Ich öffnete die Tür und trat lautlos in das dunkle Zimmer, da die Rollläden immer noch unten waren. Durch die vereinzelten Lichtstrahlen, welche durch die Jalousien kamen, konnte ich die Person vor mir, etwas besser erkennen. Was mir den Vorteil verschaffte, ihn besser im Visier zu haben. Sein Pech, wenn er mit den Rücken zu mir saß.

„Aufstehen, du Mistkerl! Sofort!“ knurrte ich ihm gefährlich zu und spannte den Hahn, um meinem Worten nachdruck zu verleihen. Wie leicht es wäre, bei ihm abzudrücken. Ich verspürte wieder den Drang, einfach diese kleine Ratte, welche sich unerlaubt in meinem Haus aufhielt und bei meinem Liebsten war, der immer noch schlief, wie ich mit einem kurzen Seitenblick bemerkte, umzulegen. Was Besseres hätte er wirklich nicht verdient. Doch unterließ ich es, denn ich wollte ihn nicht hier töten. Davon würde der Kleine bloß wach werden.

„Hey, hey. Immer mit der Ruhe, Chibi“ meinte der Fremde beschwichtigend und stand dann langsam mit hochgehobenen Händen auf. Mir viel nicht nur seine raue und tiefe Stimme auf, die mir bekannt vorkam, sondern dass dieser Mann vor mir gar nicht mal so fremd war, wie ich erst dachte. „Sag bloß, du kennst mich nicht mehr?“ kam die spöttische Frage von meinem Gegenüber.

„Wenn du noch länger hier stehen bleibst, dann ja“ meinte ich nur tonlos. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, steckte ich die Waffe wieder ein und fixierte meinen Gegenüber mit einem stechenden Blick. Er sollte ruhig wissen, dass sein Auftreten jetzt mehr als unpassend war. Und dass er nun auch von Jo wusste, gefiel mir noch weniger. Mit einem kurzen Nicken bedeutete ich ihm, dass wir woanders weiterreden würden.

Er kam langsam zu mir herüber und blieb kurz vor mir stehen. „Was ist los, Chibi? Freust du dich nicht, mich wieder zu sehen?“ fragte er mich und hielt meinem tödlichen Blick stand.

„Wir reden in der Küche weiter“ flüsterte ich ihm zu, um meinen kleinen Schatz weiterschlafen zu lassen. Er sah so unglaublich niedlich aus, wenn er schlief. Er war aber auch der einzigste, von dem ich das behaupten konnte. Wie auch nicht, da alles an ihm so unglaublich süß und liebenswert war.

Obwohl es mir nie sonderlich schwer fiel, den Schein zu wahren, um der abgebrühte und gefühlskalte Killer zu sein, der ich ja war, löste sich diese Maske wie im nichts auf wenn es um Jo ging. Er schaffte es, dass ich allein durch sein Anblick, seine beruhigende Atmosphäre, sein süßlicher Geruch, sein wildes Temperament und dieser atemberaubende Körper, welch an Schönheit nicht mehr zu übertreffen war, meine unsittlichen und besorgten Gedanken, die ich mir um ihn machte, schaffte ich einfach nicht wirklich in seiner Nähe grausam zu sein.

Er weckte Gefühle in mir, die ich vorher noch nie gekannt hatte oder gar erst gefühlt hatte. Aber es störte mich nicht, denn mir gefiel diese Wärme, die durch meinen ganzen Körper floss, das sanfte prickeln, welches ich immer bekam, wenn ich seine zarte Haut berührte und dieser heiße Körper der mich immer um den Verstand brachte und dass nicht nur wegen seiner unglaublichen Enge, die für mich wie ein tosender Strudel war, in denen in gerne versinken würde.

Es war, als würde ich anfangen zu leben. Nach dreiunddreißig Jahren begann ich endlich wirklich zu leben. Und Sch****, es war einfach ein verdammt gutes Gefühl, das ich nicht wieder verlieren wollte. Denn die Zeit ohne ihn, hatte ich mich mehr als leer gefühlt. Es war, als würde mein Herz zerspringen und das nur, wegen der kurzen Begegnung die wir hatten.

Doch jetzt war mein kleiner Schatz wieder bei mir und nichts und niemand würde uns je wieder trennen. Auch ’ER’ nicht. Und jeder der es wagen sollte, diesem atemberaubendem Wesen und seinem Körper etwas anzutun oder ihn mir wegzunehmen, würde es bitter bereuen.

Jetzt wurde mir auch wieder bewusst, dass mich mein Gegenüber die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte. Mist. Ich wollte mich bestimmt nicht vor ihm gehen lassen, doch fiel mir das so unglaublich schwer, wenn Jo in der Nähe war. Automatisch wanderten meine Gedanken und Gefühle zu ihm.

Um nicht noch mehr von meiner Würde zu verlieren, verhärtete ich wieder meine Gesichtszüge und ich nahm meine übliche distanzierte Haltung ein, als ich noch zu ihm sagte: „Geh schon mal vor. Ich komm gleich nach.“

Mit einem knappen nicken, ging er an mir vorbei und verließ das Zimmer. Als ich mir sicher war, dass wir beide allein waren, konnte ich mir ein sanftes Lächeln nicht mehr zurückhalten, welches für Jo allein bestimmt war. Irgendwie fand ich es schade, dass ausgerechnet der liebste Mensch für mich, eigentlich nicht wusste, wer ich war.

Der Kleine wusste ja noch nicht einmal, wie ich aussah, bemerkte ich seufzend und setzte mich zu ihm an das Bett. Beruhigend stellte ich fest, dass alles unversehrt war. Seine Hose hatte er noch an und sein Köper wies auch keine verräterischen Male auf.

Sein Glück auch, dachte ich grummelnd, denn ansonsten würde ich jetzt bestimmt nicht mehr so ruhig hier sitzen bleiben. Aber trotzdem würde ER büßen müssen. Denn alles an diesem wunderbaren Wesen gehörte mir und ich würde meinen kleinen Liebling ganz gewiss nicht teilen wollen. Auch wenn Blut dicker war als Wasser, würde ich IHM noch klar machen müssen, dass es besser für sein Leben war, wenn er Jo in Ruhe ließ.

Doch dann verrauchten auch wieder die Rachegedanken, als ich meinen süßen Schatz sah, wie friedlich er schlief. Dabei betrachtete ich ausgiebig seinen Körper, wie sich seine Brust leicht hob und senkte, bei jedem Atemzug. Und sein Mund einen Spaltbreit offen stand und ruhig die Luft ausatmete. Mein lächeln wurde immer sanfter, als ich ihn dabei betrachtete und mich beinahe dabei verlor. Ich bekam wirklich nicht genug von ihm.

Obwohl ich ihn jeden Tag sah, ihn genau betrachtete, egal welche Gefühlsregung er mal wieder hatte, war er einfach nur faszinierend und schön zugleich. Man konnte ihn gleichsetzen mit einer Droge. Sollte man mir diese nehmen, würde ich entweder Entzugserscheinungen haben oder durchdrehen. Da war mir sogar noch das Essen und die Luft zum Atmen egal, solange ich meinen Liebsten um mich hatte. Denn ohne ihn, dass wusste ich, könnte ich nicht mehr leben.

Zu gerne hätte ich ihm alles an mir gezeigt, doch wie sollte das funktionieren? Ich hatte mal was gelesen, dass Blinde ihre Hände statt ihrer Augen benutzten, um sehen zu können. Aber so richtig konnte ich mir das nicht vorstellen, wie das nun wirklich ging.

Und selbst wenn, würde ich mir bestimmt nicht trauen, ihn danach zu fragen. Er war ziemlich empfindsam, wenn es um seine Augen ging. Wenn er eins nicht leiden konnte, dann war es, das man ihn durch seine Blindheit bevorzugte oder bemutterte. Tja, aber genau da lag der Hase begraben. Denn nämlich nicht nur seine Krankheit, sondern auch sein zerbrechlicher Körper, weckten in mir Beschützerinstinkte, die ich nie zuvor wahrgenommen hatte. Wo ich doch derjenige war, der Leben löschte und sie nicht rettete. Was bei Jo natürlich etwas anderes war, da ich wie eine Katzenmutter auf ihre Kleinen, auf meinen geliebten Schatz achtete, dass ihm nichts passierte. Und wenn es bedeutet, dass ich ihn auch vor sich selbst beschützen musste. Denn mein kleiner Liebling überschätzte sich gerne, was seine Eigenständigkeit anging. Jedenfalls aus meiner Sicht.

Verträumt strich ich ihm durch seine Haarpracht, welche sich wie ein wilder Fluss, auf dem Bett verteilt hatte. „Nichts und niemand wird uns je trennen können, Honey“ flüsterte ich ihm zu. Dabei kam wieder mein Blut in Wallung, als ich durch sein seidiges Haar fuhr. Weiter vor wagte ich mich nicht, da ich ihn nicht unbedingt wecken wollte.
 

TBC



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-11-07T20:57:23+00:00 07.11.2007 21:57
Carl und chibi?
Ganz ehrlich passt das nicht so,aber wer weiß wer dieser Kerl ist.
Aber er scheint auch gefallen an dem honey gefunden zu haben.
Ich masg diesen SPitznamen irgenwie....
Von:  Luci-Maus
2007-11-07T15:57:31+00:00 07.11.2007 16:57
*kopfschiefleg*
Was'n das fürn Kerl? Und warum nennt er Carl Chibi(war doch so oder ^^°)?
Irgendwie ist das komisch, bin ja mal gespannt, wie es weiter geht.
Bitte schreib ganz schnell weiter, Kapi war wieder toll! ^^
*flausch*

ganz liebe Grüße
luci-mausi


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