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Drachenherz

Ein kleiner Zujin Roman
von

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Zucht und Ordnung

An diesem Morgen war Fon erfüllt von beschwingter Heiterkeit.

Endlich kehrte wieder etwas Ordnung in den königlichen Haushalt ein.

Dieser Verdienst galt dem ehrenwerten Minister Wong Shu, der für heute einen zweiten Termin mit Zuko vereinbart hatte.

Zum Glück! Das Chaos und die Schluderei der letzten Tage war eines Herrschers ganz und gar unwürdig gewesen.

Doch nun schienen sich die Dinge wieder zu normalisieren. Wie schon gestern sass der Feuerlord dort, wo er um diese Zeit hingehörte: Vor seinem Diener.

Ganz in seinem Element, weil er das Haarbinderitual durchführen durfte, wand Fon die tropfnassen Haare seines Herrn zu einer Kordel, um das Wasser auszuwringen. Sieben mal nach Rechts, sieben mal nach Links.

Ja, alles war wieder wie es sein sollte.

Es gehörte sich für Zuko II einfach nicht, sich fortwährend in die Stadt zu schleichen. Noch dazu gekleidet wie ein Bauer!
 

„Fon?“

Der Angesprochene wurde jäh aus seiner Seligkeit gerissen.

Wenn alles so wäre wie sonst, würde Zuko jetzt nicht sprechen, sondern meditieren.

„Ja, Herr?“, fragte der Kämmerer argwöhnisch.

„Ich bedarf eines Deiner eher ... besonderen Talente.“

„Meiner ... besonderen Talente, Herr?“ Fon versuchte krampfhaft, unwissend zu klingen.

Diese verflixten, wachsamen, alles durchschauenden Augen! Wusste der Junge ALLES über ihn?

„Ich benötige die Ausweispapiere eines gewissen Lee Song.“

„Lee Song?“, echote Fon hohl. Was zum Teufel hatte der Bursche denn jetzt wieder angestellt? „Mit doppeltem „e“ oder „i“?“

„Doppeltes „e“. Beheimate ihn irgendwo in der Feuernation.“

„Ich nehme an er soll Hoheit in Alter, Größe und Farben entsprechen?“

„Exakt! Und vergiss bitte die Narbe unter `besondere Merkmale´ nicht.“

„Selbstverständlich nicht, Mylord.“

„Gut! Ich benötige die Papiere bis morgen Früh.“

„Gewiss, Herr!“

Fon seufzte resigniert. Da konnte er sich die Rückkehr zu Zucht und Ordnung wohl gleich wieder abschminken.
 

Als Jin erwachte hielt sie ihr Kissen in leidenschaftlicher Umarmung an sich gedrückt. Leider fehlte dem Stoff der herbe Duft nach Sandelholz und die Illusion verschwand.

Sie ließ sich rücklings auf die Matratze fallen, Arme und Beine von sich gestreckt. 

Sie war so ... glücklich!

Was für ein unzureichendes Wort, diesen Zustand zu beschreiben. Am liebsten wäre sie schreiend durch die Gegend gerannt und hätte Löcher in den Erdboden gehüpft.

Sie musste nur an den gestrigen Abschied denken und alles kribbelte, wurde warm und nachgiebig.

Nur gut, dass sie bisher nicht gewusst hatte, zu welchen Gefühlen ein Mann sie hinreissen konnten, sonst wäre sie am Ende noch ein loses Stück geworden.

Allerdings war die Vorstellung, sie könnte auf einen anderen ebenso reagieren, absolut absurd. Und solange sie nur bei Lee Gefahr lief, sich schamlos aufzuführen war es ja wohl nicht so schlimm.

Jin Song ... Ah, das klang ganz wundervoll!

„Jin Song!“, flüsterte sie probehalber in die Morgenröte.

Ja, es kam ganz leicht über die Lippen. Mit einem lachhaft seligen Lächeln schloss sie die Augen.

Dann fiel der zukünftigen Mrs. Jin Song siedend heiss ein, dass Miss Jin We zur Arbeit musste.
 

Auch die Arbeit machte Jin heute glücklich.

Sie liebte einfach alles! Das Klappern des Webstuhls, das Muster des Stoffs, das Schimmern der Farben.

Die finsteren, vorwurfsvollen Blicke ihrer Freundin Sela machten die einzige, aber dennoch schmerzhafte Ausnahme. In der Mittagspause fand Jin es sei an der Zeit diesen Zustand zu ändern.

„Ist neben Dir noch frei?“

„Sieht leider fast so aus...“

„Sela! Jetzt sei doch bitte nicht so!“

„Wie bin ich denn? Vielleicht vorsichtiger als meine dämliche Freundin, die sich auf einen Kerl einlässt, der sie schon mal todunglücklich gemacht hat?“

„Er ... er hatte seine Gründe.“

„Ach? Und die wären?“

„Weiss ich noch nicht“, gab Jin kleinlaut zu.

Sela stieß ein schnaubendes Lachen aus.

„Klar! Wir kennen sie zwar nicht, seine Gründe, aber gut werden sie schon sein, hm? Ist ja auch nicht so, dass er eine Verbrechervisage hätte!“

„Das hat er nicht!“ Jin sprang auf. „Du kannst nichts anderes sehen, als seine Narbe, oder?“ Jetzt kam sie richtig in Fahrt. „Warum sollte man denn auch nicht von einer Narbe auf den Charakter eines Menschen schließen können? War bestimmt seine Schuld, dass ihm das angetan wurde, nicht wahr? Wahrscheinlich hat er gedacht, hey toll, da stell ich mich doch gleich mal mit meinem Gesicht in den Weg dieses kleinen Feuerchens; wird bestimmt lustig! Und die Schmerzen? Die hat er unter Garantie auch genossen, was?“

Sela blinzelte ihre Freundin an.

Jin hatte sie noch nie in einem solchen Tonfall mit ihr gesprochen. Noch nie!

„Ich ... Jin! Ich will doch nur nicht, dass Du wieder unglücklich wirst.“

„Es macht mich unglücklich, wenn Du nicht sehen kannst, was ich sehe.“ Jin sprach nun leise. „Er ist ganz anders, als Du denkst. Du... Du müsstest ihn eigentlich mögen, denn er ist ein fürchterlicher Pedant. Genau wie Du. Sein Humor ist so trocken ... man könnte damit einen ganzen See brachlegen. Und er macht mich ganz.“

„Beruht das denn auf Gegenseitigkeit?“, murmelte Sela.

Das war ein Punkt, in dem sich ihre liebestolle Freundin sicher war.

„Ja, das tut es!“

Sela seufzte und blies sich die Haare aus der Stirn.

„In dem Fall, werd ich mich wohl an Deinen Traumprinzen gewöhnen müssen, oder?“

„Sela! Du bist die Beste!“ Stürmisch umarmte Jin ihre Freundin.

„Weiss ich ja.“
 

So gingen an diesem Tag die unterschiedlichsten Leute den unterschiedlichsten Beschäftigungen nach. Einige waren von internationaler Bedeutung, wie zum Beispiel Fons enorme Kunstfertigkeit im Fälschen fingierter Personalien, mit deren Hilfe ein Skandal unüberschaubaren Ausmaßes verhindert wurde.

Andere waren vergebene Liebesmüh, wie die Bemühungen Seiner Durchlaucht Feuerlord Zuko, der wieder einmal erfolglos um eine Audienz bei Seiner Majestät dem Erdkönig ersuchte.

Und wieder andere waren zwar banal, aber von Erfolg gekrönt, wie die Arbeit einer kleinen Weberin namens Jin We aus Ba Sing Se.

Dementsprechend unterschiedlich waren folglich auch die Pläne, die besagte Personen für den Abend hatten.
 

Fon beschloss, sich bei seinem alten Kriegskameraden Rückendeckung zu holen.

Vielleicht könnte der Drache des Westens dem seltsamen Treiben seines Neffen ja Einhalt gebieten. Aber als er Iroh erzählte, wie der Gebieter der Flammen falsche Papiere in Auftrag gegeben hatte, konnte der General volle fünf Minuten nicht damit aufhören sich vor Lachen den Bauch zu halten.

Als eine Viertelstunde später immer noch vereinzeltes, heisseres Kichern zu hören war, sah Fon sich genötigt eine Frage zu stellen.

„Sag mal Hoheit, machst Du Dir keine Gedanken darüber, was der Junge noch alles weiss? Es stand schließlich nicht in meinem Lebenslauf, dass ich außer einem Spitzel auch noch begnadeter Fälscher war!“

Heiterkeit machte einem ziemlich panischen Gesichtsausdruck Platz.
 

Jin, ihrerseits, beschloss, sich bei ihrer besten Freundin Rückendeckung zu holen.

Ihre eigenen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht beschränkten sich auf einige stürmische Begegnungen mit einem eher undurchschaubaren jungen Mann.

So verbrachten sie und Sela einen dieser wundervollen Abende, an denen der Untergang eines freien, unbeschwerten Männerlebens beschlossen wird.
 

Zuko beschloss, sich bei seiner wertgeschätztesten Freundin Toph Rückendeckung zu holen.

Er hatte sich eine neue Verhandlungstaktik zurechtgelegt, und vielleicht würde ihre Unterstützung das Blatt zu seinen Gunsten wenden.

Wenn die Erdbuddler mit härteren Bandagen kämpfen wollten, wäre ER bestimmt der Letzte, der einen Rückzieher machen würde. Es musste deutlich gemacht werden, dass Zuko Tatzu keine Marionette war, die sich von ihnen manipulieren ließ.

Als erfreuliches Ergebnis dieser kleinen, privaten Verschwörung würde er von nun an wieder freier über die eigene Zeit verfügen können.
 


 

Am nächsten Morgen bewaffnete Zuko sich mit den Papieren eines gewissen Lee Song und verließ den Palast seines Kollegen gewohnt früh und gewohnt ungewöhnlich, nämlich über das Seil.

Der Wächter eines kleinen Seitentors gähnte nach einer langen Nacht ausgiebig.

„Guten Morgen, Lao!“

Lao klappte den Mund so schnell zu, dass er beinahe seine Zunge amputiert hätte.

„Guten Morgen, äh ... Euer Hoheit!“

„Lao, darf ich davon ausgehen, dass Dein Geschmack ebenso unbestechlich ist wie Du selbst?“

„Ähm ... denke schon, Herr.“

„Wohin würdest Du sagen wir mal eine junge Dame zum Essen einladen?“

Lao war geplättet. Soviel royales Vertrauen war ihm noch nie entgegengebracht worden.

„Zum Essen? Na ja ... Quins `Willste Fisch, iss ihn frisch´ ist sehr zu empfehlen, würd ich sagen.“

Willste Fisch, iss ihn frisch?

Zuko kamen leise Zweifel, ob Lao sich wirklich zum Gastronomiekritiker eignete. Aber er war nun mal der Einzige, den er fragen konnte. Und verzweifelte Situationen bedurften verzweifelter Massnahmen.

„Ah, gut! Danke, Lao!“

„Nichts zu danken, Hoheit!“

Für den Rest seiner Tage sollte ein Wächter namens Lao sich fragen, ob es im Palast seines Königs nichts anständiges zu Essen gab.
 

Zwanzig Minuten später betrat Jin erwartungsvoll die Strasse.

Lee hatte zwar nicht gesagt, wann er heute da sein würde, aber hoffen durfte man ja schließlich.

Als ihr Blick den Laternenpfosten streifte, an dem er sonst immer lehnte, wurden ihre Erwartungen nicht enttäuscht.

Die große Silhouette stand genau dort wo sie hingehörte.

Jin nahm die letzte Stufe ihrer Eingangstreppe mit Bravour und trat ihren Arbeitsweg an.

„Guten Morgen, Jin!“

Wie machte er das nur? Je sanfter die tiefe Stimme war, umso rauer wurde sie.

Sie ging lächelnd zwei Schritte und sah dabei auf die Strasse. Schöne Strasse!

„Guten Morgen, Lee!“

Jetzt, da endlich seine Grüsse erwidert wurden, musste Zuko mit einem mal feststellen, dass er nicht mehr in der Lage schien, ein simples Gespräch zu beginnen. Das Wetter war wie immer; darüber zu sprechen würde ihn wie einen Idioten aussehen lassen.

Einige Häuserecken weiter war ihm noch immer kein adäquates Thema in den Sinn gekommen.

Ein leises, schnaubendes Geräusch ließ ihn stutzen. Jin biss sich auf die zitternde Unterlippe.

Lachte sie ihn etwa aus?
 

„Was?“, verlangte er zu wissen.

„Nichts!“ Ihre Stimme bebte bedenklich.

„Dann lachst Du also wegen nichts?“

Auf die Unterlippe zu beissen half nichts mehr, Jin entfuhr ein Glucksen.

„Es freut mich wirklich ungemein, zu Deiner Unterhaltung beizutragen“, grollte Zuko.

Jetzt lachte diese Göre ihn doch tatsächlich aus!

Stocksteif ging er neben ihr, bis ihre kleine Hand ihn am Ärmel schnappte und in eine schmale Gasse zerrte.

Noch bevor er die Situation hier nach Gefahrenquellen untersuchten konnte, wurde sein Mund in Beschlag genommen.

Hier würde schon nichts lauern ... bestimmt nicht, er ...

Nach zwei, drei Minuten hirnloser Berauschtheit löste Jin ihre Lippen von seinen. Ihre Finger fuhren sacht sein Kinn entlang.

„Einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich“, wisperte sie.

Eines musste er seinem Kobold lassen, ihre Begrüssungen waren um ein Vielfaches aussagekräftiger, als seine.

„Er wird schon ...“

„Er wird schon? Hm ... wenn Du SO anspruchsvoll bist ...“

Jin wiederholte die Behandlung, die sie ihm hatte zukommen lassen.

Allerdings drehte er den Spieß bald um, übernahm die Herrschaft über diesen Kuss und konnte prompt nicht genug bekommen.

„Lee! Ich muss ... zur Arbeit. In diesem Zustand ... kann ich schlecht ...“

„Du hast mit der Knutscherei doch angefangen!“ Er klang selbst ein wenig atemlos.

„Ja. Mein Fehler.“

„Ach, findest Du?“

Dass sie es als Fehler betrachtete ihn zu küssen, konnte Zuko so natürlich keinesfalls stehen lassen. Er belehrte sie eines Besseren. Sie schlingerten immer tiefer in die verlockend abgeschiedene und verlockend dunkle Gasse. Je nachgiebiger sie wurde, umso fordernder war er.

Vielleicht wäre Jin überhaupt nicht mehr zur Arbeit erschienen, wenn nicht eine laute Stimme sie zu Zucht und Ordnung gerufen hätte.

„Sagt mal, ist das hier die Gasse der Freuden, oder was? Sucht euch gefälligst ein Zimmer!“

Da! Jetzt hatte Sie es. Sie war wirklich ein loses Stück geworden!

Rot wie eine Tomate machte Jin sich los und floh aus der Gefahrenzone.
 

„Warte!“

Oh nein. Sie würde sich bestimmt nicht noch mal in diese Gasse bugsieren lassen!

„Jin, Dein Zopf!“

Jin blieb stehen und fasste versuchsweise nach ihrem Haar. Ihr Zopf hatte sich fast komplett aufgelöst. Also ... IHRE Schuld war das nicht!

Vorwurfsvoll funkelte sie den Zopfzerstörer an.

Nun war es an Zuko, ein Lachen zu unterdrücken.

„Ich hab nicht angefangen“, murmelte er.

Was für eine lahme Entschuldigung!

„Jetzt halt still.“

Seine geschickten Hände lösten den Zopf, sortierten die Strähnen und flochten ein akkurates, straffes Meisterstück. Jedes Haar landete dort, wo es hingehörte.

Zuko betrachtete sein Werk und seufzte bedauernd.

„Vorher hast Du mir besser gefallen.“

„Vorher hattest Du Deine Hände auch an Stellen, wo sie nichts zu suchen hatten!“

„Das ist Ansichtssache ...“

„Lee!“

„Schön. Bringen wir Dich eben zur Arbeit.“

Als Jins Gesichtsfarbe wieder einigermassen normal war, fiel ihr etwas ein.

„Ich hab morgen meinen freien Tag.“

„Wirklich? Vielleicht kann ich es einrichten, ebenfalls einen einigermassen freien Tag zu bekommen.“

„Das wäre ... nett!“

Sie waren fast da; Zuko konnte die Frauen vor dem Eingang der Weberei schon plaudern und lachen hören.

„Heute Abend ... Ich würde gern ...“

„Ja?“ Sie klang erwartungsfroh.

„Essen. Ich würde gern etwas Essen gehen. Und einiges ... erklären.“

„Ja.“

„Gut!“ Zuko ging ein paar Schritte rückwärts. „Bis dann!“

„Bis dann!“

Die Jade ihrer Augen strahlte beinahe die Sonne weg.
 

Nach diesem durchaus erfreulichen Start in seinen Tag begab Zuko sich auf direktem Weg zur Polizeiwache und legte dort die falschen Dokumente und die auf zweitausend Yu reduzierte Strafe vor.

Dass ein gewisser Herr Lee Song nun aktenkundig war, scherte Herrn Zuko Tatzu herzlich wenig!
 


 

Die letzten Tage hatte Minister Wong Shu sein ganzes Geschick auf dem politischen Parkett unter Beweis gestellt, indem er den ach so unberechenbaren und gefürchteten Feuerlord mühelos in Schach gehalten hatte.

Irgendjemand hatte ihm gesagt, der junge Herrscher wäre wenig lenkbar und verstünde sich auf raffinierte Winkelzüge ebenso gut wie er, Wong.

Bloßes Geschwätz von Dilettanten!

Er war spielend mit Seiner Feurigkeit zurechtgekommen. Lachhaft, etwas anderes anzunehmen. Schließlich war der Mann im Vergleich zu ihm ein grüner Anfänger.

Ein Sekretär kündigte den hohen Besucher an. Wong hätte beinahe gelächelt. Vorhang auf für Runde drei.

Als Zuko den Raum betrat musste der Minister zugeben, dass dieser Feuerfuzzi es wirklich verstand Eindruck zu schinden.

Prächtige Robe, einschüchterndes Gesicht, überlegene Haltung.

Alles an ihm strahlte Macht und Autorität aus, gar keine Frage.

Wong begrüsste den Staatsgast mit dem ihm gebührenden Respekt, wodurch er sein Rückgrat schmerzhaft verbiegen musste.

„Hoheit!“, näselte er.

„Minister!“ Der stolze Kopf wurde um wenige Millimeter geneigt.

„Was darf ein bescheidener Mann wie ich heute für Euch tun?“

„Nun, die letzten Tage haben bedauerlicherweise gezeigt, dass Ihr bei weitem weniger tun dürft, als ich es bei einem Mann Eures Ranges angenommen hatte, Minister Wong.“

„Durchlaucht ... Ich erkenne Eure missliche Lage durchaus, aber glaubt mir, mir sind die Hände gebunden. So gern ich die Sache beschleunigen würde, doch Seine Majestät hat ein nahezu überwältigendes Arbeitspensum zu erledigen. Ihn mit Kleinigkeiten aufzuhalten wäre sträflich.“

Kleinigkeiten ...

Zukos Augen wurden schmaler.

Es war nicht das erste mal, dass er diese, oder ähnliche Spitzen erdulden musste. Die Beamten des Erdkönigreichs hatten bisher alles in ihrer Macht stehende getan, ihm bewusst zu machen, wie wenig das Wohl der Feuernation ihnen bedeutete.

„Gewiss!“, schnarrte er. „Ich habe ein recht gutes Gedächtnis, Wong, und kann mich all Eurer Argumente entsinnen. Ohne Ausnahme. So habe ich auch beschlossen, Eure Zeit nicht länger in Anspruch nehmen zu müssen.“

„Hoheit?“ Wong hob milde fragend die Augenbrauen.

Er hatte mit einer Trotzreaktion gerechnet, alles lief wie geplant. Der Feuerlord würde gleich verlangen, mit einem höher gestellten Beamten sprechen zu dürfen.

„Ich werde mich an anderer Stelle um Unterstützung bemühen, Minister.“

Ja, alles wie geplant!

„An anderer Stelle, Durchlaucht? Ich kann Euch selbstverständlich an einen Kollegen weiterleiten.“ Wieder verbeugte er sich ehrerbietig.

„Das wird nicht nötig sein!“ Die dunkle Stimme klang gelassen.

Wie bitte? Der Minister stutzte ein wenig und sah auf. Plötzlich entdeckte er in den seltsamen Augen seines Gegenübers etwas, das er bisher übersehen hatte.

Wong hatte sich stets gerühmt, einen geradezu eisernen Willen zu besitzen. In den goldenen, undurchdringlichen Augen seines Gegenübers aber lag feuergehärteter Stahl.

„Euer König, Wong, ist bei weitem zu beschäftigt. Wir werden unsere überaus geschätzte Freundin Toph Bei Fong um Unterstützung ersuchen. Dann muss Seine Majestät nicht belästigt werden.“

„Aber ...“ Wong schluckte.

Erbarmungslos seinen Vorteil weiter ausbauend fuhr Zuko fort.

„Die Feuernation steht ohnehin tief in der Schuld der Bei Fongs. Ihre abermalige Hilfe würde ihnen unsere absolute Loyalität und Unterstützung auf lange Zeit sichern.“

Mit Befriedigung sah Zuko, wie diese Information langsam in das Gehirn des Ministers für innere Angelegenheiten minderer Priorität sickerte.

Es gab im Erdkönigreich viele mächtige und einflussreiche Familien, ja sogar einige kleinere Königshäuser, die parallel zu seiner Majestät, dem Erdkönig regierten. Manche, wie die Bei Fongs, waren sogar noch um einiges reicher als er.

Diese unterschwellige Rivalität gedachte Zuko nun auszunutzen.

Der Erdkönig konnte es sich nicht leisten, wenn eine ohnehin schon viel zu einflussreiche Familie sich eine ganze Nation als Verbündete sicherte.

Denn die Dankbarkeit der Feuernation schadete nur demjenigen, der sie nicht genoss.
 

„Aber Hoheit! Die Bei Fongs verfügen nicht über unsere Ressourcen!“

„Oh, ich versichere Euch, sie verfügen! Sie verfügen sogar ausserordentlich. Über Ressourcen und Zeit, Minister. Ich wäre gerne den offiziellsten aller Wege gegangen, Wong. Doch da seine Majestät für Kleinigkeiten, wie das Leben meiner Bauern, keine Zeit hat, sehe ich mich gezwungen, einen anderen zu gehen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Ich habe keine Zeit mehr für Eure Spielchen!“

„Nun, vielleicht haben wir Eure Notsituation bisher ... unterschätz. Ein bedauerlicher Fehler! Ich werde Seine Hoheit über die Dringlichkeit Eurer Lage umgehend informieren. Ich bin sicher ...“

„Tut dies, Wong! Und jetzt entschuldigt mich bitte. Ich habe Briefe zu schreiben.“ Mit dem Rauschen kostbarer Stoffe entschwand Mylord.

Wong tastete nach dem nächstbesten Stuhl und ließ sich darauf nieder. Das war eine Katastrophe!

Er musste sofort eine Krisensitzung mit seinen Kollegen einberufen.

Die Ordnung des Königreichs drohte durch ein Ungleichgewicht zu wanken.
 

In den Gästezimmern seines Neffen wartete Iroh Tatzu ungeduldig auf den Ausgang der heutigen Unterredung.

Wong Shu schien verstockter, als sie zunächst angenommen hatten. Bestimmt ließ er den armen Jungen wieder gegen Mauern anrennen. Aber sehr viel früher als gedacht betrat ein schwungvoller Feuerlord den Raum.

„Zuko! Wie war ...  Ihr seht so zufrieden aus.“

„Tue ich das, Onkel?“

„Ja, Wie eine Katze, der ein Mäuseschwanz aus dem Maul hängt.“

„Wirklich? Wie unappetitlich! Bisher ist es aber wohl nur ein Spatz, doch ich rechne von nun an mit wesentlich mehr Kooperationsbereitschaft seitens der Minister Seiner Majestät.“

„Das ist ja ... Wie habt Ihr das angestellt?“

Während Zuko sich umzog, berichtete er seinem Onkel bis ins Kleinste den Verlauf der heutigen Besprechung. Am Ende leuchteten die Augen des Generals beinahe so hell, wie die seines Neffen.

Wie hatte sein Bruder Ozai auf diesen Jungen nicht stolz sein können?

Er jedenfalls platzte fast vor Stolz auf seinen Zögling.

„Ah, was für ein überaus kluger Spielzug!“

„Danke, Onkel! Ich habe beim Besten gelernt“, erwiderte Zuko mit einem liebevollen Blick in Richtung des Mannes, der immer wie ein Vater für ihn gewesen war.
 

Sela stupste Jin an.

„Da ist er ja“, flüsterte sie und sprang von der Mauer, auf der sie hockten. „Ich wünsch Dir viel Spass! Aber nicht ZU viel.“ Ein letztes Augenzwinkern und weg war sie.

„Bin ich zu spät?“

Ob sie sich je an seiner Stimme satt hören würde?

„Nein! Wir waren nur schon früher mit der Arbeit fertig.“

Jin hüpfte nun ebenfalls von der Mauer, was erstaunlich gut klappte, bis auf die Tatsache, dass sie dabei so elegant wirkte wie ein Albatros im Landeanflug.

Nie in ihrem Leben hatte sie sich mehr gewünscht, zur Abwechslung einmal anmutig zu sein.

„Ich ... äh. Macht es was aus, wenn ich vor dem Essen schnell nach Hause gehe? Ich sollte mich umziehen.“

Sie deutete vage auf einen Fleck auf ihrem Ärmel. Wenn sie doch nur nicht so eine Schussel wäre.

„Nein, warum sollte es etwas ausmachen?“ Er schien den Fleck gar nicht zu bemerken.

Langsam schlenderten sie los.

„Aber diesmal werden auf dem Weg keine Seitengassen angesteuert!“, mahnte Jin nach einer Weile.

„Nicht? Schade ... ich fing grade an, mich an sie zu gewöhnen.“ Zuko konnte sich einen Blick in Richtung `Frieden´ nicht verkneifen.

Jin holte erschrocken Luft. Das hatte sie ja ganz vergessen!

„Oh nein! Deine Strafe ... hast Du ... ich meine wie viel ...“

„Es ist alles erledigt, Jin! Ich habe die Papiere vorgelegt und damit war alles wieder in bester Ordnung.“

„Und die Strafe?“

„Ich musste keine zahlen, da es Notwehr war“, log Zuko. Am Ende hätte sie noch darauf bestanden die Hälfte zu zahlen.

„Wirklich?“

„Ja, wirklich.“

„Dann ... bist Du deswegen nicht mehr böse auf mich?“, erkundigte sie sich, nur um ganz sicher zu gehen.

„Jin, ich war eher böse auf mich als auf Dich.“

„Aber ich war es, die uns in diese Gegend gebracht hatte ...“ Sie klang sehr nach schlechtem Gewissen.

„Du warst eben wütend auf mich. Man tut die seltsamsten Dinge aus Wut.“

Jin sah auf. Er hörte sich an, als spräche er aus schmerzhafter Erfahrung.

Das erinnerte sie an all den Zorn, den sie damals, im Teehaus, in seinen Augen gesehen hatte. Sie hätte gerne nach seiner Hand gegriffen, also tat sie es.

Er umschloss sie warm mit der seinen.

Inzwischen waren sie bei Haus Nummer Dreiunddreissig angekommen, und da es sich für ein alleinstehendes Mädchen nicht schickte, einen Mann in die Wohnung zu lassen, wurde `Lee´ kurzerhand draußen abgestellt.

„Ich bin gleich wieder da!“ Sie drückte ihm den kürzesten aller Küsse auf die Wange.
 

„Willste Fisch, iss ihn frisch“ stellte sich als gar nicht so schlecht heraus. Ambiente und Service hatten mehr zu bieten, als der Name des Lokals vermuten ließ und das Essen war ausgesprochen schmackhaft!

Als Jin kurz der Gedanke kam, in einem gewissen Teehaus schon WESENTLICH unfreundlicher bedient worden zu sein, verkniff sie sich sowohl das Lachen, als auch einen Kommentar.

Welten lagen zwischen ihrer ersten Verabredung vor fast sechs Jahren (fünfeinhalb!) und jetzt.

Zwar wurde von Lees Seite aus immer noch sehr gerne und viel geschwiegen, aber dieses Schweigen war kein Ausdruck von Unbehagen mehr. Ganz im Gegenteil.

Die Hälfte der Zeit teilten sie stillschweigendes Verstehen.

Dann wieder überschüttete Jin ihn mit belanglosen Fragen oder brachte ihn mit haarsträubenden Anekdoten zum Lachen.

Mal schien es unmöglich einander anzusehen, mal schafften sie es nicht, die Augen voneinander zu lassen. Es herrschte jedoch die erstaunlichste Einigkeit darüber, wann das Eine oder das Andre angemessen schien.

Das Einzige, das Jin zu bemängeln fand, war die völlig verrückt spielende Raumtemperatur. Ihr war abwechselnd heiss und kalt.
 

Eineinhalb kurze Stunden später fanden sie sich auf dem Platz der hundert Kerzen wieder.

Als sie ihn betraten, atmete Zuko tief durch. Die Zeit für Erklärungen war gekommen. Zumindest für einige.

Stumm entzündete er ein paar der schwimmenden Kerzen, während Jin sich auf die niedrige Brunnenmauer setzte.

„Ist Dir kalt?“

Jin schüttelte den Kopf.

„Gut ...“ Zuko setzte sich mit einem halben Meter Abstand, ein wenig von ihr abgewandt.

„Ich ... nehme an, am brennendsten interessiert Dich, warum Du mich damals auf dem Marktplatz mit diesem Mädchen gesehen hast.“

„Ja“, gab Jin zu.

Sie sah, wie er die Augen schloss, bevor er fortfuhr.

Hatte diese Frau ihm viel bedeutet? Sie fühlte ihren heftigen, bangen Pulsschlag.
 

„Ihr Name war Mai. Mai Quan.“ Seine leise Stimme verriet keinerlei Gefühl. „Ich kannte sie, seit ich sechs war. Seit damals waren sie und ich ... Wir waren einander versprochen.“

Jin holte erschrocken Luft. Er war verlobt gewesen? Oh Gott!

„Es ist in der Feuernation nicht unüblich, arrangierte Ehen einzugehen. Allerdings ist es eher selten, Kinder bereits so früh in eine solche Verpflichtung zu drängen. Aber Mais Vater und meiner waren Gleichgesinnte. Kriegstreiber! Jedenfalls wuchs sie von diesem Zeitpunkt an bei uns auf und wurde die beste Freundin meiner Schwester.“

Zuko starrte auf seine Hände hinunter, ohne sie zu sehen.

„Meine Schwester!“ Ein hartes Lachen entfuhr ihm. „Für sie war ich der Dorn in ihrem Fleisch. Ein ständiges Ärgernis. Ich befürchte, wir versuchten alles Erdenkliche, um einander das Leben zur Hölle zu machen.“

Jin konnte den Kummer selbst in seinem halb abgewandten Profil erkennen.

„Mit der Zeit entwickelte Mai ein gewisses Faible für mich und sie wurde eine Art stille Verbündete. Meine einzige, nachdem meine Mutter nicht mehr da war. Damals war ich zehn.“

Jins Lippen begannen zu zucken.

Mai hatte ihm also etwas bedeutet!

Viel Schlimmer war jedoch, dass er seine Mutter als Kind verloren hatte.

Sie rückte ein wenig näher an ihm.

„Allerdings lernte ich schnell, dass Mais Loyalität wechselhafter als der Mond war. Ihre Verbundenheit meiner Schwester gegenüber war meist stärker, als das, was sie für mich zu fühlen glaubte.“

Hatte er je wirklich geglaubt, ihre Avancen hätten IHM gegolten?

Heute wusste er, dass es vor allem seine Stellung gewesen war, die Mai angezogen hatte. Doch sie hatte es geschafft, sich selbst vorzumachen sie liebe ihn. Dabei hatte sie ihn niemals wirklich gekannt.

„Ich wurde immer vorsichtiger in Bezug auf Mai, da ich nicht wusste, wie weit ich ihr vertrauen konnte. Das wusste ich nie. Und dann ... war es plötzlich nicht mehr wichtig.“
 

Zuko ballte die Hände zu Fäusten, als der schlimmste Teil seiner Erinnerung in Gestalt eines Feuerballs auf ihn zu raste.

„Mit dreizehn ließ ich mir einen schrecklichen Fehler zu Schulden kommen. Endlich bekam mein Vater die Bestätigung all dessen, was er schon immer von mir geglaubt hatte. Ich verhielt mich ehrlos und feige. Feigheit ist in der Feuernation das schlimmste aller Vergehen. Unentschuldbar; und endlich Grund genug für meinen Vater, mich zu verbannen!“

„Lee!“

Eine kleine Hand umfasste seine geballte Faust, dann sass sie plötzlich neben ihm. Ganz dicht. Wärmend, tröstend. Dabei hatte er ihr eben von seiner Schande erzählt.

Jin war einfach nur entsetzt!

In was für einer Familie war er nur aufgewachsen? Sie selbst hatte zwar nur Tante Ria, aber trotzt allem wusste sie, dass Väter ihre Kinder nicht verbannten.

Und feige?

Sie hatte nie einen Menschen kennen gelernt, der weniger feige war, als Lee.
 

„Ich musste meine Heimat also verlassen“, fuhr Zuko stockend fort. „Aber allein war ich nicht. Mein Onkel kam mit mir. Was ich ohne ihn gemacht hätte ... Ich weiss es nicht!“

Agni! Hatte er je einen festeren Knoten im Hals gehabt als jetzt?

„Er reiste mit mir Kreuz und Quer durch die Lande und zeigte mir eine Welt, die so anders war, als man mir erzählt hatte. Ich sah den Krieg, die Zerstörung, die Menschen, ihr Leid. Doch ich wollte nichts davon an mich heran lassen, denn ich selbst war Teil dieser Zerstörung und mein Land war es, das diesen Krieg verschuldet hatte. Statt weniger aufmüpfig zu werden, wie mein Vater es wohl erhofft hatte, wurde ich rebellischer.“ Er atmete tief durch. „Ich hatte von ihm eine Aufgabe bekommen. Eine Aufgabe, die ich erledigen musste, um heimkehren zu können. Hätte ich Erfolg gehabt, hätte es der Feuernation einen enormen Vorteil im Krieg verschafft. Ich versuchte um jeden Preis, meine Pflicht zu erfüllen. Alles was ich wollte, war wieder nach Hause zu kommen und meine Ehre zurück zu erlangen. Doch mein Onkel begann, mir neue Sichtweisen aufzuzeigen. Er lehrte mich, selbst zu denken, selbst zu handeln und dies nicht andere für mich tun zu lassen. Nach und Nach wuchs in mir das Wissen, dass die Ziele meines Vaters falsch waren; dass das Streben der Feuernation nach absoluter Macht falsch war; dass dieser ganze, verdammte Krieg falsch war. So wurden die Versuche, meine Pflicht zu erfüllen, immer halbherziger.“
 

Zuko merkte, wie er wieder ruhiger wurde.

War es die Tatsache, dass der schlimmste Teil der Geschichte vorüber war, oder war es ihre Nähe?

„In Folge meines Verhaltens wurden mein Onkel und ich Gesuchte der Feuernation. So kamen wir nach Ba Sing Se, dem einzigen Ort, an dem sie uns noch nicht belangen konnten.“

Zum ersten mal, seit er mit seinem Bericht begonnen hatte, blickte er Jin an.

„Dem einzigen Ort, mit grünäugigen Kobolden, die übellaunige Teekellner ertragen!“

Der besorgt aussehende, grünäugige Kobold blinzelte unsicher.

„Aber Du wolltest das mit Mai hören... diese lange Vorgeschichte war leider notwendig, damit Du verstehen kannst, weshalb ich so handelte.“

Er sah wieder auf seine Hände hinab.

„In meinem Kopf waren so viele, verworrene Dinge, ich konnte kaum unterscheiden was richtig war und was nicht. Da war meine Aufgabe, meine Zweifel daran, der Krieg und ... Du! Ich beschloss, dass Du mich nicht von meinen Zielen ablenken durftest. Ich dachte ohnehin, Du würdest mich hassen, sobald Du wüsstest, dass ich ... Feuerbändiger bin. Und ich hatte kein Recht, Dich in mein wirres Leben hineinzuziehen. Denn das Letzte was ich wollte, war Dir weh zu tun!“

Verstohlen wischte Jin eine Träne fort.

„Zwei Wochen nach unserem Rendezvous traf ich dann meine Schwester. Hier, in Ba Sing Se! Ich war wie vor den Kopf gestossen! Unser Vater hatte meine Aufgabe inzwischen an sie übertragen, da ich nicht fähig oder willens war, sie zu erfüllen. Und so stellte sie mich vor die Wahl. Ich konnte ihr helfen, oder weiter als ehrloser Verbannter leben. Ehrlos...!“ Er schnaubte verächtlich. „Darum ging es überhaupt nicht mehr! Die ganzen Tage zuvor hatte ich mit mir gerungen. Ich wollte endlich meinen Weg finden! Und plötzlich sah ich ihn. In den Augen meiner Schwester. Sie war so fanatisch! Sie hielt diesen schändlichen Krieg für glorreich! Wie mein Vater, sah sie es als das naturgegebene Recht der Feuernation an, alles und jeden zu beherrschen.“

Geistesabwesend begann Zuko seine Finger mit ihren zu verknoten.

„Auf einmal wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich musste gegen den Krieg ankämpfen. Gegen sie! Mit aller Macht! Und zwar von Innen. Damals versuchten viele Kräfte, die Feuernation von ausserhalb zu schwächen. Aber auch im Land selbst gab es mehr und mehr Menschen, die dem Feuerlord Widerstand leisteten. Heimlich, im Verborgenen. Ihnen wollte ich mich anschließen. Doch zuerst musste ich zurück. Musste meine Familie glauben lassen, ich stünde nun voll uns ganz hinter ihnen und dem Unrecht. Der einzige Weg war, meiner Schwester zu helfen. Und so tat ich es. Selbst mein Onkel glaubte an meinen `Sinneswandel´, glaubte, ich hätte ihn und seine Ideale verraten.“

Ob er diesen Blick in Irohs Augen irgendwann würde vergessen können? Wahrscheinlich nicht.

„Mai hatte meine Schwester nach Be Sing Se begleitet, und wenn ich meine Rolle als reuiger Sünder überzeugend spielen wollte, bedeutete dies leider auch, meine ach so vertrauenswürdige Braut wieder in die Arme zu schließen.“

„Und dann hab´ ich euch auf dem Markt gesehen...“

Hatte sie etwa geweint?

„Ja. Und es hat mich fast zerrissen, Deine Traurigkeit zu sehen.“
 

JETZT weinte sie eindeutig.

„Jin?“

Jin hatte ihr Gesicht gegen seinen Ärmel gedrückt, umschlang ihn mit beiden Armen und weinte.

„Ich wollte nichts falsches sagen!“ Zuko war verwirrt. Womit hatte er sie nur verletzt? „Jin?“

Sie hörte nicht auf.

Zögernd legte Zuko einen Arm um sie. Er wusste nicht, wie er mit einer weinenden Jin verfahren sollte. Aber die Idee mit dem Arm schien ein guter Anfang zu sein, denn sie krabbelte auf seinen Schoss, ohne das Gesicht von seiner Schulter zu nehmen, und umklammerte ihn fest.

Er beschloss, es ihr gleich zu tun, hielt sie im Arm und fand Trost im Trösten. Leise murmelte er Worte in ihr Haar, küsste ihre Schläfe und wiegte sie sacht, ohne zu wissen warum er diese Dinge tat.

Jin beruhigte sich allmählich. Sie schalt sich selbst.

Was hatte sie davon, wenn er sie für eine Heulsuse hielt?

Sie sollte schleunigst aufhören!
 

„Jin ... warum hast geweint?“

Er WUSSTE es nicht?

„Jin?“ Zärtliche Hände strichen ein paar lose Haarsträhnen aus ihren Gesicht.

„Ich ... HICK“ Schluckauf! Auch das noch! „Du hast HICK soviel m ... mitgemacht HICK u ... und ich war so ge HICK mein zu Dir!“

„Du ... Was? Gemein? Wann?“

„Die gan HICK ze Zeit! Nach dem K ... kuss. Ich hab mir die HICK Lippen nicht geschru ... ubbt! Und ich wollte nicht, HICK dass sie Dich festnehmen! Und ... und ich werd nie mehr nicht grü HICK ssen, wenn Du mich grüsst!“

Zuko raffte Verstand und Gehör zusammen, um sie zu verstehen.

Diese Dinge waren doch längst Vergangenheit. Und wenn SIE sich für gemein hielt, sollte ER sich wohl schleunigst ein paar Hörner wachsen lassen.

„Du warst niemals gemein zu mir, mein Herz! Du wüsstest gar nicht, wie das geht.“

„Weiss ich wohl! HICK Ich..."
 

„Wie hast Du mich genannt?“ Der Schluckauf war weg.

„Jin?“

„Nein, das andere!“ Ihre Stimme bebte schon wieder.

„Äh ... Mein Herz?“

Sie starrte ihn an. Lange. Und dann ...

„Fängst Du schon wieder mit dem heulen an?“, fragte er misstrauisch.

Jin schüttelte den Kopf.

Immerhin waren es nur zwei klitzekleine Tränen. Sie wischte sie schnell weg.

„Doch, tust Du!“ Er klang so anklagend, dass Jin ein wackliges Lachen entwich.

„Nein! Das ist nur die Rührung, Du Idiot!“

„Ah ... Rührung.“ Das Konzept schien ihm nicht vertraut zu sein. „Wegen?“

„Weil ... weil Du mich `mein Herz´ genannt hast. Oder war das gar nicht so gemeint?“ Sie stellte diese Frage sehr, sehr leise.

Und er dachte sehr, sehr genau darüber nach.

„Doch. Denn das ist es, was Du bist.“

Sie starrte ihn schon wieder so an. Dann presste sie die Augen zu.

„Ichliebedich!“

`Na toll Missy. Das hast Du ja wundervoll hinbekommen!´
 

Nun war es an Zuko, sie anzustarren.

JA!

...

JA!

Natürlich tat sie das!

Es war zwar ein wahnwitziges Wunder, dass sie so für ihn fühlte, aber sie MUSSTE ihn lieben. Alles andere wäre sein Untergang gewesen.

Schließlich liebte er sie auch!

Wie ein Bekloppter liebte er diesen Kobold!

Wie ein irrer Bekloppter.

Nur ... darüber zu sprechen ...  

Er konnte das nicht!

Doch Zuko Tatzu war noch nie vor einer Herausforderung zurück geschreckt.

„Gleichfalls!“, würgte er an dem Frosch in seiner Kehle vorbei.
 

Na ja ... Natürlich ging das Geheule jetzt wieder an.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Vigeta_Lord_d_T
2020-09-17T17:00:27+00:00 17.09.2020 19:00
Party Party na endlich die 3 magischen Worte 😁😁😁😁.

Der Anfang ist gemacht. Bin gespannt wie es bei denn zwei weitergeht.

ABER was mich wundert ist die wache Lao , Zuko sofort erkännt und die RICHTERIN
( höhergeselt)
In nicht kennt ????

Auf alle Fälle ich bin begeistert von deinen Kapiteln. 😈😈😈😈


Von:  Bernsteinseele
2008-02-05T04:21:32+00:00 05.02.2008 05:21
MUAHAHAHA ... keiner legt sich mit dem Big Boss der Feuernation an XD

Find ich klasse, dass sie nun von seiner (teilweisen) Vergangenheit erfährt und er sieht, dass sie ihn trotzdem liebt *smile*
Von:  JD1990
2007-10-27T08:57:56+00:00 27.10.2007 10:57
Endlich haben sie sich die Liebe gestanden!! hat ja auch lange genug gedauert^______^

*1+ geb*
Von: abgemeldet
2007-09-07T13:17:44+00:00 07.09.2007 15:17
Mann, ich bin geplättet! Tolle Story, toll erzählt! Super fantasievoll!
Ich LIEBE Deinen Zuko!! Sex on legs, sag ich da nur ;D
Ich konnte so richtig schön sabbern und richtig schön lachen!
Als er zum Krummsäbel des Benditen nur sagt:
"Kenn ich schon!" LOL!!!

Bin schon supergespannt auf die Fortsetzung.


Von: abgemeldet
2007-09-05T18:34:24+00:00 05.09.2007 20:34
Hi!!!

WOW, echt super.....gibt von mir eine 1+

aber wann sagt Zuko Jin denn endlich die Wahrheit....bin so gespannt
^^
mach ja weiter so

lg


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