Kalte Füße
So, hier ist das letzte Kapitel.
Kennt ihr die sogenannte Erfüllungsmelancholie? Mein Gott, wie trifft dieses Wort doch auf mich zu!
Ja, auch in diesem Fall war der Weg das Ziel .__.
Ich hoffe, euch gefällt das letzte Kapitel =)
Viel Spaß damit!
Als er zu Hause die Tür aufschloss schallten ihm die Stimmen seiner Eltern entgegen. Sie stritten sich also wieder einmal.
Für einen Moment blieb er unschlüssig in der Tür stehen.
Die Beschimpfungen und Beleidigungen, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen ließen Micha seufzen. Es wäre doch besser, wenn sie sich scheiden ließen, denn so war es für sie alle nur eine Tortur und würden sie getrennt leben hätten sie wenigstens alle ihre Ruhe.
Niedergeschlagen schloss er die Tür hinter sich.
Eigentlich hatte er sich darauf gefreut sich jetzt erst einmal etwas Warmes zu Trinken zu machen, doch darauf musste er nun wohl oder übel verzichten.
Während er durch den Schnee stapfte ließ er die Szene bei Gero noch einmal Revue passieren.
Der Rothaarige hatte ihn geküsst.
Weil er das gleiche gefühlt hatte wie Micha; weil es ihm ergangen war wie Micha.
Und dann? Was war dann passiert?
Für einen Moment war es ihm vorgekommen, als wäre alles in Ordnung gewesen, als wäre die Welt ein heiler Ort, doch dann war die Ernüchterung auf dem Fuße gefolgt. Weswegen hatte Gero ihn hinausgeworfen? Warum?
Auf dem Nach Hause Weg hatte er es mehr oder weniger geschafft diese Frage zu verdrängen, doch nun konnte er das nicht länger. Das was er empfand konnte doch nicht auf Einseitigkeit beruhen, Gero musste einfach das Gleiche fühlen, es ging nicht anders!
Mit klammen Händen zog er seinen Schal etwas enger um seinen Hals und fuhr sich mit dem Handrücken über die laufende Nase, dann steckte er sie wieder zurück in die Jackentasche.
Er war noch nie zuvor so verwirrt gewesen.
Wollte Gero ihn nun nie wieder sehen? Wie hatte das passieren können? Er war doch nur zu ihm gekommen, um mit den anderen zu feiern, Spaß zu haben, doch anstatt dessen hatte Gero ihn geküsst.
Hätte er es weiter verhindern sollen? Vielleicht wäre der Rothaarige dann nicht mehr so wütend auf Micha. Aber es lag doch gar nicht an ihm!
Gero war über ihn hergefallen! Er hatte gewusst, dass Micha in ihn verliebt war, wieso hätte der sich dann also anders verhalten sollen?
Es schien doch alles nur ein schlechter Scherz zu sein. Und wie schlecht!
Micha musste ein bitteres Auflachen unterdrücken, als er auch noch bemerkte, wie seine Schuhe langsam durchnässten. Wäre er doch heute erst gar nicht aufgestanden.
Er hatte doch nicht gewollt, dass ihre Freundschaft so in die Brüche ging.
Wollte Gero ihn nun nie wieder sehen? Niemals mehr? Nie?
Was würde er sagen, wenn er Micha auf der Straße begegnete? Was würde er tun? Ihn einfach ignorieren? Micha graute es vor diesem Gedanken.
Erneut seufzte er. Innerhalb so weniger Minuten konnte eine so wunderbare Freundschaft also den Bach runtergehen. Was für eine Ironie.
Er ging einfach weiter, achtete kaum auf den Weg, doch als er sich am Fuße des Burgbergs wieder fand bereute er das. Unschlüssig blieb er stehen. Seine Schritte hätten ihn gewiss vor Geros Haustür gebracht, doch wollte er dorthin? Konnte er es?
Wie würde Gero wohl reagieren? Wahrscheinlich würde er ihn zuerst perplex anstarren, ihn dann anbrüllen und ihm schlussendlich die Tür vor der Nase zuschlagen.
Erneut zog er den Schal enger und verknotete ihn diesmal, damit er sich nicht wieder so leicht löste.
Dann fasste er seinen Entschluss und stapfte den Berg hinauf.
„Was willst du wieder hier?“ Eine nette Begrüßung, wie Micha fand. Zumindest freundlicher als er sie erwartet hatte. Ein nervöses Lächeln zierte seine Lippen und er fragte: „Kann ich reinkommen? Es ist kalt hier draußen.“ Ohne jeglichen Kommentar machte Gero die Tür weiter auf und trat beiseite, um den Kleineren einzulassen.
„Danke.“
„Also?“, fragte Gero als er Micha, im Türrahmen mit verschränkten Armen lehnend, dabei zusah, wie der sich einen Tee machte. Sein Blick wirkte mürrisch und die Worte ohne jegliche Emotionen.
„Was wolltest du grad machen? Störe ich dich?“, versuchte Micha nervös der Frage auszuweichen.
„Lenk nicht ab, was willst du hier? Wieso bist du nicht zu Hause?“ Ebenso monoton wie zuvor.
Mit bebenden Fingern tunkte Micha den Teebeutel in die Tasse. Eigentlich antwortete er Gero nur nicht, weil er selbst keine Antwort auf diese Frage hatte. Er wollte doch nicht hier sein, fühlte sich im Moment so unwohl in der Gegenwart des Älteren.
Und der dachte nicht daran locker zu lassen, sondern befahl: „Sprich!“
Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, bin halt jetzt hier.“ Es wunderte ihn, dass Gero ihm dafür nichts an den Kopf warf, weder verbal, noch nonverbal. Er schwieg nur und Micha spürte weiterhin seinen Blick im Rücken.
„Ich wollte eigentlich grad ins Bett gehen“, antwortete er nun auf die Frage, die Micha ihm eben gestellt hatte.
„Oh“ Es war das Einzige, was Micha dazu einfiel, bis er schließlich fort fuhr: „Tut mir leid, dass ich dich störe. Das wollte ich nicht, ich kann auch gleich wieder gehen.“
„Trink wenigstens deinen Tee noch.“ Damit ging er ins Esszimmer und setzte sich. Einige Sekunden später hatte sich Micha dazu durchgerungen ihm zu folgen und setzte sich ihm gegenüber, den Blick auf die Flüssigkeit in der Tasse gerichtet.
„Brauchst du Zucker oder Milch?“, fragte Gero schließlich; Micha schüttelte den Kopf.
Dann schwiegen sie wieder.
Und als Micha ausgetrunken hatte, erhoben sie sich. Gero stellte die Tasse und den Löffel in die Spülmaschine und begleitete Micha dann zur Tür, wartete, bis der sich angezogen hatte und öffnete diese dann.
Im Türrahmen blieb Micha stehen und drehte sich zu Gero um. War kurz davor etwas zu sagen, doch ließ es.
Vielleicht gab es ja doch eine Chance darauf, dass sie weiterhin Freunde blieben.
Ohne noch ein Wort zu verlieren wandte er sich um und ging aus der Tür.
Langsam schloss sich diese hinter ihm, als er losging.
Und als er das Schließgeräusch vernahm blieb er stehen, sah auf seine Schuhe. Seine durchnässten Schuhe.
Er drehte sich um und stürmte auf Geros Tür zu, hämmerte wie wild dagegen, bis Gero ihm öffnete und ihn erstaunt musterte.
Doch er hatte gar nicht die Gelegenheit etwas zu sagen, denn Micha umarmte ihn stürmisch, sodass er einige Schritte zurück stolperte und an die Tür zum Treppenhaus stieß. Micha hingegen lehnte seine Stirn gegen Geros Brust, die für einen Moment stockte und sich erst dann wieder hob und senkte, wenn auch nicht ganz gleichmäßig und etwas schneller als gewöhnlich.
„Bitte! Gero, ich… meine Eltern, sie haben sich schon wieder gestritten! Ich will nicht nach Hause, wenigstens nicht heute! Bitte, kann ich nicht heute bei dir bleiben? Bitte!“ Seine Stimme zitterte, ebenso wie seine Hände, die sich in das weiße T-Shirt Geros gekrallt hatten, und der Rest seines Körpers. Im ersten Moment blieb Gero steif stehen, doch dann legte auch er vorsichtig seine Arme um Michas Körper, lehnte sein Kinn auf den Kopf des Anderen.
„Ist okay.“ Er verschränkte die Hände in Michas Kreuz. „Ist schon in Ordnung.“
Micha spürte wie Geros Atemzüge langsam gleichmäßiger und ruhiger wurden, doch er selbst konnte sich nur schwer beruhigen, nahm Geros Geruch wahr. Schwach roch er nach Zigaretten und noch nach ihm selbst, dieser Körpereigene Geruch, den jeder Mensch hatte, der individuell war und den Micha an Gero so liebte.
Micha hatte keine Ahnung wie lange sie so dastanden. Er zitterte noch immer, auch wenn er nicht wusste weswegen und verwundert nahm er wahr, wie auch Geros Körper begann leicht zu erbeben. Aber er wollte sich nie wieder aus dieser Umarmung lösen. Fühlte sich so wohl. Dennoch sagte Gero ruhig: „Wir sollten die Tür zumachen, es wird kalt.“
Ach deshalb zitterten sie!
Micha hatte es kaum bemerkt.
Widerwillig ließ er Gero los, damit dieser seinen Vorschlag in die Tat umsetzen konnte, und bemerkte erst jetzt richtig, dass dieser ja nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet war, doch er wollte wieder an Geros Brust lehnen, dessen Herzschlag hören und das Vibrieren der Brust spüren, wenn er redete. Das war ein schönes Gefühl.
„Wir sollten schlafen gehen.“ Micha nickte langsam, den Blick auf die Fliesen auf dem Boden gerichtet. Im nächsten Moment spürte er Geros Hand, die ihm übers Haar streichelte. „Du bist schon so einer…“ Mit diesen Worten ging er die Treppe hinauf und ließ Micha stehen. Der blinzelte im ersten Moment verwirrt und sah Gero zerstreut hinterher, dann machte er sich daran sich der Jacke, der Schuhe und der anderen Winterkleidung zu entledigen, bis er Gero folgte.
In dessen Schlafzimmer war das Licht schon gelöscht und Gero lag im Bett. Micha schaltete das Licht nicht an, sondern zog sich einfach aus, die Kleider achtlos auf den Boden fallen lassend, und schlüpfte dann, ebenfalls in T-Shirt und Boxershorts, zum Rothaarigen unter die Decke.
Doch schlafen konnte er nicht, dazu raste sein Herz viel zu schnell und zu heftig.
Einige Minuten lang starrte er einfach nur in die Dunkelheit, bis er es nicht mehr aushielt und sich umdrehte.
„Gero?“, fragte er leise. „Gero, bist du wach?“ Er stupste den anderen vorsichtig an und dieser brummte etwas unverständliches, bis er sich, auf ein erneutes und nicht mehr so zaghaftes Stupsen, zu Micha umdrehte, ihn verschlafen ansah und fragte: „Was is?“
„Ich kann nicht schlafen“, flüsterte Micha.
„Und was soll ich da jetzt machen? Dir ’n Wiegenlied singen, oder was?“, knurrte Gero und wollte ihm schon wieder den Rücken zudrehen, da sagte Micha hastig: „Nein, aber…“ Gero seufzte und sah ihn auffordernd an, dass er weiter sprach. „Ich weiß nicht. Ich kann nicht schlafen, wenn das zwischen uns ungeklärt ist.“
„Dann schlaf eben nicht“, murrte der Rothaarige.
„Gero, ich hab mich wirklich in dich verliebt, und es tut mir leid, aber… ich kann nichts dagegen tun und…“ Es kostete ihn einiges an Überwindung Gero das zu sagen und dessen Schweigen brachte ihn etwas aus dem Konzept. So presste er die Lippen aufeinander und sagte schließlich: „Tut mir leid.“
„Halt die Klappe.“
„Nein, wirklich, ich will nicht, dass unsere Freundschaft nur deswegen kaputt geht, das tut mir so…“ Gero jedoch kam ihm etwas näher und sagte kühl: „Ich sagte doch, du solltest still sein.“ Und im nächsten Moment spürte Micha die Lippen des Älteren auf seinen. Doch schon Sekunden danach hatte Gero sich wieder von ihm gelöst, grinste schief und meinte: „Offensichtlich bist du allerdings nur so ruhig zu stellen.“
„Kannst du…“ Er brach ab. Die Bitte war schwachsinnig; Gero würde das sowieso nicht tun, also brauchte er sich damit auch gar nicht lächerlich zu machen.
„Was?“ Seine Stimme klang ungewohnt sanft.
Und Micha hatte in dem Moment keine Lust mehr darauf zu achten, ob er sich lächerlich machte oder nicht, was sollte schon geschehen? „Kannst du deine Arme um mich legen?“
„Wenn’s sein muss.“ Schüchtern nickte Micha und rutschte etwas näher an Gero. Der allerdings schubste ihn weg, sodass er wieder auf dem Rücken lag.
Frustriert wollte Micha sich schon damit abfinden und schloss die Augen, da spürte er, wie Gero ihn an sich zog und hörte ihn flüstern: „Willst du etwa nicht mehr?“ Er erwiderte nichts darauf, sondern genoss es in den Armen des Anderen zu liegen; das Gefühl, als Gero ihn noch etwas näher an sich zog, sodass sich ihre Körper berührten.
Er ergriff eine Hand Geros und seufzte wohlig, da spürte er, wie Gero einen seiner klammen Füße zwischen die Beine nahm. Verwirrt fragte er: „Was soll das?“
Und mit müder Stimme antwortete ihm Gero: „Du hast kalte Füße.“
Nun weiß ich nicht recht, was ich sagen soll...
Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Und denkt daran, demnächst gibt es auch noch Einzelkapitel, also müsst ihr euch nicht endgültig von den Beiden verabschieden (ich hab's schließlich auch nicht geschafft xD)
LG, Terrormopf