Stadtrunde
Hey^^
Willkommen zu einem neuen Kapitel.
Und erstmal ein Dankeschön für die lieben Kommentare ;^; Ihr seid echt klasse:D
Ich wurde hierzu fast ausschließlich von den Ärzten beschallt (das neue Album ist echt klasse x3)
Zum Kapitel sage ich von vorneherein: Die von Micha erwähnte "Dönerstraße" ist eigentlich die Hafenstraße und wird nur so genannt, weil da ein Döner nach dem anderen steht...
Ansonten, viel Spaß!
Der Bass vibrierte in Michas Körper.
Gero hatte sein Fenster heruntergelassen und rauchte, den Rhythmus auf dem Lenkrad mit den Fingern der anderen Hand mittrommelnd.
Sie hörten irgendein Technolied; Micha kannte sich damit nicht aus.
Ob Gero so etwas wohl öfter tat? Einfach die Musik aufdrehen und dann durch die Stadt fahren? Micha hatte oft den Autos mit der Lauten Musik nachgeschaut, wenn sie durch die Dönerstraße fuhren, doch selbst darin zu sitzen war anders, als er es sich vorgestellt hatte. Es war ihm nicht peinlich, sondern er fühlte sich in einer merkwürdigen Art und Weise erhaben.
Während sie aus der Stadt waren, fuhr Gero Micha nicht etwa nach Hause, sondern steuerte irgendeine Straße an.
„Wohin fahren wir?“, rief Micha, sich bemühend die laute Musik zu übertönen. Gero zuckte daraufhin nur mit den Schultern und entgegnete: „Keine Ahnung, ist doch auch egal, Hauptsache Auto fahren!“ Er schien keine Probleme damit zu haben die Musik zu übertönen, doch kramte er jetzt im Handschuhfach nach einer CD-Mappe. Er zog sie hinaus. Micha starrte währenddessen mit vor Angst weit aufgerissenen Augen auf die Straße; wie konnte Gero nur so verantwortungslos beim Fahren sein?
Aber er sagte nichts, sondern schielte wieder zu dem Rothaarigen rüber, der die Mappe in seinem Schoß liegen hatte und mit einer Hand darin rumblätterte.
„Verdammt, wo is’n das scheiß Album?“, brummte er und sah immer wieder kurz auf die Straße. „Endlich!“ Er schien die CD, die er gesucht hatte, gefunden zu haben, denn er zog eine hinaus und legte sie, statt der Vorherigen, in das Laufwerk ein. Anschließend warf er Micha die lose CD und die Mappe auf den Schoß und meinte: „Räum das mal weg, Kleiner!“ Perplex tat der Blonde wie ihm geheißen und wartete gespannt darauf, was als nächstes für Musik laufen würde.
Er vernahm Schlagzeug, Bass und Gitarre.
Doch Gero zappte solange, bis er zu einem Lied gelangte, das er mochte.
Der Sänger hatte eine sehr raue Stimme und sang deutsch, dennoch achtete Micha erst wirklich auf den Text, als Gero lauthals mitgrölte: „Sei Du selbst, steh zu Dir, die Wahrheit wird gelebt und nicht doziert!“
„Wer ist das?“, rief Micha und sah fragend zu Gero.
„Kevin!“, entgegnete Gero knapp und fuhr fort mitzusingen.
„Ich meinte: Welche Band?“, korrigierte sich Micha und wartete auf die Antwort.
„Sag mal hast du denn gar keine Ahnung von Musik?“, fragte Gero und warf Micha einen vielsagenden Seitenblick zu. „Mann, das sind die Onkelz!“ Etwas verunsichert erkundigte sich der Blonde: „Die Böhsen Onkelz? Ist das nicht eine nationalsozialistische Band?“
„Noch einmal so ein Kommentar in meinem Auto und ich werf dich bei hundert Stundenkilometern ausm Fenster!“, brüllte da Gero.
„Etwa nicht?“, erkundigte Micha sich unsicher und bemerkte, dass schon wieder ein anderes Lied lief.
„So’n Schwachsinn! Informier dich lieber, bevor du irgendwas daherlaberst von dem du überhaupt keine Ahnung hast!“, meinte Gero, nun wieder etwas gelassener. Daraufhin fuhr er fort die Texte mitzusingen und Micha sah schweigend aus dem Fenster.
Plötzlich vernahm er wieder Geros Stimme die Musik durchschneiden: „Du bist doch auch aufm Gymi, ne?“
„Ja.“ Micha nickte. „Wieso?“
„Wen hast’n so?“, erkundigte Gero sich beiläufig und drehte währenddessen die Lautstärke leiser.
„In Mathe Herrn Bäcker.“
„Oh Gott! Is der immer noch da? Der müsste doch bald sein hundert und erstes Dienstjubiläum haben!“, unterbrach ihn der Rothaarige und lachte. „Lispelt er immer noch? Und trägt er noch das dämliche Toupet?“
„Genau das!“, stimmte Micha in das Lachen mit ein.
„Und kennst du den Felshaus-Klein? Der, der immer behauptet er würde nur in die Hefte schauen wollen und den Mädchen dann in den Ausschnitt spannt? Das war ja mal so ein Arschloch!“
„Der ist geflogen“, erklärte Micha.
„Ach was!“, rief Gero erstaunt aus und fuhr eine scharfe Linkskurve. „Der is ernsthaft geflogen?“
„Ja, inoffiziell. Offiziell hat er seinen Lehrsitz gewechselt.“, meinte Micha grinsend. Und Gero konnte sich daraufhin kaum noch vor lachen halten: „Den Lehrsitz gewechselt! Ich glaub’s ja nich! Ach und hast du in Musik den Hellinger?“
„Jap, genau den.“, bestätigte Micha gut gelaunt.
„Geht der immer noch mitten in der Stunde raus um einen Kaffee zu trinken und sich ein Brötchen zu kaufen?“, fragte der Ältere feixend und fuhr auf einen Parkplatz.
„Nein“, erwiderte Micha verblüfft. „Hat der das bei euch gemacht?“
„Ja, jede zweite Stunde, außerdem ist er immer mindestens zehn Minuten zu spät gekommen und hat nichts gemacht außer mit uns zu musizieren.“
„Na toll!“, grummelte Micha, „Mit uns schreibt er die ganze Stunde nur und ist immer pünktlich. Dafür haben wir aber ’ne tolle Englisch-Lehrerin: Frau Lammertz.“
„Die kenn ich nich; is die neu?“ Er hatte angehalten und stieg aus. Micha tat es ihm gleich und antwortete: „Ja, aber sie ist echt total klasse! Is ja auch noch jung.“
„Na dann.“ Gero zündete sich eine neue Zigarette an und lehnte sich ans Auto.
„Wieso haben wir eigentlich gehalten?“, fragte Micha und setzte sich neben den Älteren auf die Motorhaube, ihn musternd. Prompt blaffte Gero ihn allerdings an: „He, pass bloß auf, dass du mir den Lack nicht zerkratzt!“
„Oh, tut mir leid.“, meinte Micha und wollte gerade wieder aufstehen, als Gero meinte: „Kannst ruhig sitzen bleiben, du sollst halt nur aufpassen.“
„Ist gut.“ Sie schwiegen wieder eine Weile, bis Gero auf Michas Frage antwortete: „Ich hatt’ Bock auf ’n bisschen frische Luft, außerdem kann ich au nich die ganze Zeit fahren.“
„Achso.“ Micha sah in den Himmel. Er war Wolkenverhangen und versteckte den kleinsten Stern hinter der dicken Wolkendecke. Dennoch wurde Micha mit der Zeit kalt und er wärmte sich die Finger so gut es ging an der noch warmen Motorhaube.
Die Zähne klapperten ihm trotzdem und erstaunt fragte Gero: „Dir is doch wohl nich etwa kalt, oder?“ Die Zähne fest aufeinander pressend schüttelte der Blonde den Schopf und unterdrückte das Zittern.
Noch einmal zog Gero genüsslich an seiner Zigarette, schnippste sie dann weg, griff ins Auto und zog seine Jacke heraus. Die warf er Micha über den Kopf und meinte: „Im Lügen biste lausig, echt.“ Dankbar mummte der Kleinere sich in die viel zu große Jacke ein und erwiderte nichts darauf.
Gero zog aus seiner Hosentasche seine Packung roter Gauloises, öffnete sie und sah hinein.
„Verflucht!“, brummte er, zerknüllte das Päckchen und warf es weg. „Jetzt muss ich mir neue kaufen. Steig ein, Kleiner, wir fahren an die Tanke.“ Sofort sprang Micha auf und beeilte sich, sich neben Gero ins Auto zu setzen. Kaum hatte er die Tür zugeschlagen, fuhr Gero mit quietschenden Reifen los.
Er war an dem Abend erst spät nach Hause gekommen, seine Eltern hatten schon im Bett gelegen und geschlafen. Gero hatte ihn zurückgefahren und mit Handschlag verabschiedet.
Ob er den Rothaarigen nun als eine Art Freund bezeichnen konnte? Wahrscheinlich noch nicht. Wahrscheinlich hatte Ella ihm aufgetragen nett zu Micha zu sein. Dieser seufzte vernehmlich und starrte aus dem Fenster auf den Schulhof, als Herr Bäcker vor ihm stand und ihn tadelte: „Hätten Sie die Güte auch heute meinem Unterricht zu folgen, Micha? Langsam bin ich es leid mit Ihnen, ständig starren Sie aus dem Fenster! Und wenn ich Sie noch einmal seufzen höre, dann verbringen Sie den Rest der Stunde vor der Tür!“
„Ja, Entschuldigung“, murmelte Micha, darauf bedacht das urkomische Lispeln seines Lehrers zu überhören und nicht auf das Toupet zu sehen. Er nahm sich seinen Bleistift zur Hand und zeichnete abwesend die Funktion ab, die der Lehrer an die Tafel gemalt hatte.
Gero hatte diesen Lehrer auch gehabt und ihn für genauso lächerlich befunden wie Micha. Gut, eigentlich tat das Jeder, der diesen alten Mann je im Unterricht gehabt hatte, doch irgendwie fand Micha die Vorstellung faszinierend, dass er und Gero die gleiche Meinung über Herrn Bäcker hatten.
„Sie passen schon wieder nicht auf, Micha!“ Der Angesprochene schrak auf und schrieb eilig die Gleichungen ab, die unter der Funktion standen. „Was wir hier machen ist extrem wichtig für Ihr Abitur!“
„Tut mir leid, Herr Bäcker.“, bat der Blonde um Entschuldigung und wurde endlich durch das befreiende Klingeln in die Pause entlassen.
„Hey, Micha!“, hörte er eine Mädchenstimme und drehte sich um die eigene Achse, um die Person ausfindig zu machen, die ihn rief, da stand plötzlich Bess vor ihm, hinter sich ein paar tratschende Mädchen. Sie begrüßte ihn mit einem Wangenkuss - es war wohl ein eingefleischtes Bergüßungsritual in der Clique - und fragte: „Na, wie ist dein erster Schultag nach den Ferien bisher?“
„Nicht so toll.“, erwiderte Micha. „Herr Bäcker hätte mich fast rausgeworfen…“
„Du hast den Bäcker?“, rief sie verblüfft aus. „Mein Beileid, wirklich, du hast mein vollstes Mitgefühl.“ Bei diesen Worten klopfte sie ihm mit verständnisvoller Mimik auf die Schulter. Daraufhin musste der Blonde lachen und sagte: „Ich wusste gar nicht, dass du auch hier auf die Schule gehst… in welcher Klasse bist du denn?“
„Zwölfte.“, erläuterte sie. Und wurde dann von den anderen Mädchen, die offensichtlich vorausgingen, gerufen. „Komme gleich!“, rief sie ihnen nach und fuhr an Micha gewandt fort: „Was hast du denn noch so? Und wann hast du aus?“
„Ich habe nichts Interessantes mehr, nur noch Nebenfächer und ich hab heute Sechste aus.“
„Hey, cool, ich hab auch nach der Sechsten frei! Bärli holt mich nach der Schule ab, wir wollen heute ’ne Runde bei ihm Pokern, komm doch auch mit, kannst du pokern?“ Leicht verlegen schüttelte Micha den Kopf und Bess klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken, ihn mit sich ziehend: „Auch kein Problem, wir bringen es dir bei. Dann treffen wir uns also um eins vor dem Obiz; bis dann.“ Wieder ein Wangenkuss, dann verschwand sie im eben erwähnten Oberstufenzimmer. Leicht durcheinander stand Micha vor der von innen blau gestrichenen Glastür und starrte dem Mädchen noch einen Moment hinterher, dann schüttelte er den Kopf und fragte sich, wann er ihr zugestimmt hatte.
In der letzten Stunde hatten sie Geschichte. Micha hatte sich für so etwas noch nie interessiert, aber er mochte die Lehrerin und strengte sich deshalb an, auch wenn sie gerade bestimmt zum fünften Mal die Reformation durchkauten.
Er mochte dieses Schulgebäude ganz und gar nicht. Es war lediglich ein milka-violetter Kasten, der in die Landschaft gestellt worden war. Mit dem Erdgeschoss, wo sich Aula, Oberstufenzimmer, Lehrerzimmer und sonst alles was mit Verwaltung zu tun hatte, befand, hatte es vier Stockwerke. Alle sahen exakt gleich aus, mit Ausnahme der Zimmertüren. Im ersten Stock, wo meistens die Unterstufe Unterricht hatte, hier befanden sich auch die Biosäle, waren sie rot, im zweiten, hier befanden sich die Physikräume, grün und im dritten Stockwerk, in dem die Chemieräume untergebracht waren, blau. Das Bauwerk hatte einen quadratischen Innengarten, den man von den Fluren aus im Inneren sehen konnte.
Der Neubau, der über dem Musentrakt, hier waren die künstlerischen Fachräume untergebracht und es war ebenso quadratisch wie das Haupthaus, nur in tristem Grau, gebaut worden war, war auch nicht schöner. Die Außenwände bestanden aus Glas und die Tische und Stühle waren in Grundschülerformat, obwohl dort meistens die höheren Klassen unterrichtet wurden.
Auch die beiden Turnhallen rissen einen nicht gerade vom Hocker; die eine war klein mit Holzboden, die Mädchen benutzten sie immer zum Turnen, die andere war auch nicht viel größer, aber immerhin noch groß genug, dass man darin Handball spielen konnte.
Einen Sportplatz hatten sie zwar auch im Freien, doch gingen die Lehrer lieber mit ihnen zum fünfzig Meter entfernten Ob-Den-Mühlen, da konnte man auch Runden laufen, die 333m lang waren und man hatte eine richtige Rasenfläche zum Fußball spielen.
In Gedanken ermahnte er sich selbst zum Mitarbeiten und sah schnell bei seinem Banknachbarn ins Buch, um die richtige Seite herauszufinden. Schließlich meldete er sich, um die nächste Passage vorzulesen.
Was würde Gero wohl sagen, wenn er einfach zum Pokern mitkam? Ob es ihm missfallen würde? Ihm drehte sich der Magen um, wenn er daran dachte, wie geringschätzig der Rothaarige ihn dann mustern würde und ihm mit harten, unbedachten Worten klarmachen würde, dass er nichts bei so einer Pokerrunde verloren hätte.
„Hey, da bist du ja, Micha!“ Bess winkte, als sie ihn erkannte, kam strahlend auf ihn zu und zog ihn mit sich. „Wir müssen uns beeilen, Bärli wartet nicht gerne.“ Micha schluckte nur schwer und versuchte nicht an jene Nacht auf dem Spielplatz zu denken. Warum ihm diese Erinnerung jetzt wieder kam, wusste er nicht, doch er glaubte fest daran, dass Gero nur einen triftigen Grund brauchte, um das zu wiederholen.
Auf dem Parkplatz vor der Turnhalle stand Gero schon und wartete. Lässig an sein schwarzes Auto gelehnt, mit einer Kippe in der Hand, an der er immer wieder zog.
„Juuhu!“, rief Bess und winkte auch Gero. „Ich hab noch jemanden mitgebracht, ist das Okay?“
„Brüll nich so!“, meinte Gero missgelaunt und trat die Zigarette aus, sich ins Auto setzend. „Is gut, jetzt steigt ein, Ella hat was zum Essen gemacht und die anderen warten schon.“ Damit machte er den Motor an, drehte die Musik auf und brauste mit den Beiden davon.
Noch einige Wörtchen im Nachhinein: Die Namen der Lehrer sind fiktiv (auch wenn ihre Eigenschaften meistens der Realität entsprechen *seufz*)
und wer ein Bild von der hässlichen Schule sehen will, der möge auf diese Webseite gehen: http://www.gymueb.fn.bw.schule.de/ (aber ich glaube, Schuken sind im Allgemeinen hässliche Gebäude uû)
Ansonten hab ich euch alle lieb und grüße euch
Terrormopf^^