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Sportfreak 1/2

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Regen

Die Tür schlug laut hinter Reika zu, was verwunderte Blicke auf sie lenkte. Schließlich gab es einen Butler, der einer jeden Person, die Ein- oder Ausgang begehrte, diesen auch gewährte.

Draußen hatte mittlerweile die Dämmerung den Tag besiegt und verhüllte die dicken grauen Regenwolken mit ihrem dunkelblauen Umhang. Sanfter Nieselregen, bestehend aus winzigen Wassertröpfchen, benetzte die Stadt. Die asphaltierten Straßen glänzten durch das auf die nasse Fahrbahn fallende fahle Licht der Straßenlaternen, die in regelmäßigen Abständen rechts und links der Dunkelheit trotzten.

Es war still in der Stadt, wenn man die eintönigen, rasch vollführten Gehgeräusche Reikas außer acht ließ. Das junge Mädchen hastete durch die Straßen ohne dabei ein bestimmtes Ziel zu verfolgen.
 

Salzige Tränen verschleierten ihren Blick wie nebliger Dunst, der von der sonnengewärmten Straße empor stieg um alles unwirklich erscheinen zu lassen. Als die Tränen verebbten und das Schluchzen erstarb, fand Reika sich im nächtlichen Jubaan-Park wieder. Das leise Plätschern, welches der Springbrunnen auch des Nachts verursachte, drang an ihr Ohr ebenso wie das leise Rascheln, das der sanfte Wind verursachte, als er mit seinem Atemhauch durch das Blätterdach der Bäume säuselte.

Reika fror.

Ihre Kleidung besaß kaum mehr die Fähigkeit die Körperwärme, welche das Mädchen abgab, zu halten. Der zarte Nieselregen hatte sie ebenso wie ihre Kleidung nach und nach vollkommen durchnässt.

Das junge Mädchen seufzte. Ihr war nicht danach in ihre Wohnung zurück zu kehren. Ebenso wie ihr die Motivation fehlte sich zu Wärmen.

Was spielte es auch für eine Rolle?

Missmutig steuerte sie die nasse Parkbank an und setzte sich.
 

Die Wolken am Firmament lichteten sich und zum Vorschein trat ein zunehmender Halbmond. Milchiges Licht spiegelte sich in den unzähligen Wassertropfen sowie im Brunnen. Bizarre Schatten huschten durch das sich stets in Bewegung befindende Wasser über die wellenschlagende Oberfläche.

Reika seufzte abermals.

Ihr Herz schmerzte.

Auch wenn es im Ausstellungsraum sehr dunkel gewesen war, hatte das schemenhafte Licht, welches die Ausstellungsstücke beleuchtete, ausgereicht um den Blick zu zeigen, den Haruka dieser Künstlerin entgegen gebracht hatte. Einen solchen Blick hatte ihre Freundin noch nie besessen. Das neugierige Aufflackern in den sanft blauen Augen war ihr vollkommen fremd. Nie zuvor hatte sie Haruka gegenüber jemand anderem verlegen erlebt.

Reika seufzte ein drittes Mal.

Ihr schwindelte bei dem Resultat ihrer Gedankengänge. Vor allem aber schmerzte ihr Herz um so mehr. Krampfartig zog es sich zusammen, während ihre Seele kläglich zu weinen begann.

Salzige Tränen rannen über ihre geröteten Wangen. Das verschwundene Schluchzen erklang von Neuem, ungehört.

„Oh.“, sagte jemand.

Das braunhaarige Mädchen schrak auf, während der blasse Mond wieder verdunkelt wurde. Scheinbar war sie in dieser wolkenverhangenen Nacht doch nicht allein gewesen.

„Das klingt nach Liebeskummer.“

Langsam erhob Reika sich. Die schweren Tränen, die ihre geröteten Augen verließen, trübten ihren Blick jedoch derart, dass sie den Urheber des Satzes nicht ausfindig machen konnte, bis sie jemanden ganz in der Nähe husten hörte.

„Es ist erstaunlich.“

Ein unangenehmes Schmatzen folgte.

„Es zieht euch jungen Dinger immer wieder bei Liebeskummer in den Park.“

Reika antwortete nicht.

Die große breitschultrige Gestalt, die sie mittlerweile in ihrer unmittelbaren Nähe ausfindig gemacht hatte, erweckte nicht unbedingt Vertrauen.

„Hat er dich verlassen?“

„Nein.“, antwortete Reika automatisch. „Es ist kompliziert.“

„Ah. Kompliziert. Ja, das ist es immer.“

Die Gestalt, die eine sehr tiefe Stimme besaß, ließ den letzten sicheren Abstand zwischen Reika und ihr schmelzen.
 

Der Halbmond lieferte sich am Firmament ein ständiges Wechselspiel mit den Wolken. Jetzt, da die Gestalt direkt vor Reika stand, offenbarte er ihr das Antlitz ihres Gegenüber.

Vor ihr stand ein ruppig aussehender älterer Mann. Ganz offensichtlich gehörte er zu den Landstreichern, welche in den wärmeren Jahreszeiten den Park des Nachts als Schlafgelegenheit nutzten.

Seine Kleidung, ein zerrissener dunkelgrüner Parker, triefte ebenso wie Reikas Kleidung vor Nässe. Die Jeans, die der Mann trug war verschmutzt und zerlöchert, ebenso wie die großen, offenen Schuhe an seinen Füßen.

Sein Gesicht war kantig. Große, hässliche Bartstoppeln von graubrauner Farbe spickten es wie Nadeln einen Kaktus.

Seine Augen aber verrieten Reika, dass er zumindest im Grunde seines Herzens ein netter Mensch sein musste.

„Er ist gar nicht mein Freund.“, sagte sie in die Stille des Parks hinein. Irgendwie glaubte sie dem Alten eine Antwort schuldig zu sein.

„Verstehe.“, brummte er. „Es wirkt nun so, als ob er sich für eine andere interessiert.“

„Eine angesehene Künstlerin.“

„Eine Künstlerin? Der Junge scheint ja was daher zu machen.“, stellte er erstaunt fest.

Reika zuckte bei dieser Bemerkung zusammen. Da war er wieder, der Aufschrei ihrer Seele.

„Mhm“, lenkte der Landstreicher ein, „aber das tun sie ja alle. Sonst würde man sich kaum für jemand anderen interessieren und umgekehrt ist es genau so.“

Er lachte und es klang furchtbar kratzig.

Dem Mädchen kam ein unangenehm nach Alkohol und Zigaretten riechender Atemhauch entgegen, der ihr Übelkeit brachte.

Kurz nachdem ihre Nase ihr die beiden Laster ihres Gegenüber offenbart hatte, kramte dieser ungeduldig in seiner Jackentasche. Einen Augenblick später zog er eine zusammengedrückte Schachtel Zigaretten hervor. Er schüttelte sie sanft. „Zwei sind noch drin. Nimm, wenn du magst.“

Er hielt ihr die offene Seite der Schachtel hin.

Verlegen lächelnd lehnte Reika ab.

„Ist auch besser so. Wenn man nicht anfängt, wird man auch nicht süchtig, nicht wahr?“

Wieder lachte er und wieder kramte er in seiner Jackentasche. Diesmal jedoch nach einem Feuerzeug oder den Streichhölzern. Nach einer schier unendlichen Suche fand er schließlich das Gesuchte und zündete sich zufrieden eine der Zigaretten an. Er nahm einen gigantischen Zug und bließ den unangenehm riechenden Dampf durch die Nase aus, während er die zerdrückte Schachtel wieder in seiner Jacke verschwinden ließ.

„Die Liebe geht seltsame Wege, lass dir das gesagt sein. Und wenn die Künstlerin die richtige für ihn ist und es sich umgekehrt ebenso verhält, gib dich damit zufrieden, dass du in der Lage warst die Liebe zu empfinden.“

Reika schwieg.

Vor wenigen Minuten, eben in jenem Moment, da sich der Landstreicher die Zigarette angezündet hatte, hatte Reika einen Entschluss gefasst. Sie würde ihr Verhalten ändern und sich Haruka nicht mehr wie ein kleines Schulmädchen an den Hals werfen.

Elegant würde sie auftreten und um ihren Prinzen kämpfen. Koste es was es wolle! Schließlich hatte der alte Landstreicher ja gut reden! Jemand seiner Herkunft hatte wohl nie Chancen auf das Glücklich-sein besessen. Und durch einen weisen Spruch, der mit Sicherheit den einen oder anderen anteiligen Wahrheitsgrad besaß, ließ sie sich nicht abfertigen.

Immerhin war und blieb Haruka ihr Traumprinz. Eine Freundschaft zwischen Haruka und ihr war auf Grund der Liebe, die Reika empfand, unmöglich geworden.

„Ich werde nun nach Hause gehen.“, sagte sie an den Landstreicher gewandt.

„Tu das. Und nimm es nicht so schwer. Es wird sich jemand anderes für dich finden.“, entgegnete der Angesprochene ruhig, während er den letzten Zug seiner Zigarette nahm.

Lange Zeit blickte er Reika hinter her, wie sie ruhigen Schrittes den Park verließ. Schließlich warf er den Stummel auf den aufgeweichten Lehmboden und trat ihn aus.

„Intrigen sind ein Fluch dieser Gesellschaft. Dein Herz ist durch zwei innige Wünsche zerrissen, von denen aber keiner so innig ist, dass er überwiegen könnte, Reika. Bald ist wieder Jahrmarkt, vergiss das nicht.“



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