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Gedichte enthalten Bilder und Bilder Gedichte.

(fernöstliche Weisheit) Eine Ansammlung von Gedichten und Kurzgeschichten.
von

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Der Sammler

Es war ein Mann. Er schien alt zu sein, unendlich alt. Aber erst vor wenigen Jahren war er aus seinem jahrelangem Schlaf aufgestanden, um wieder seiner Arbeit nachzugehen: Er sammelte Kinderseelen.

In dieser Nacht begann sein Werk schon früh: Ein Fischer hatte seinen achtjährigen Sohn verstoßen, weil der zu schwach für's Arbeiten war. Und der Junge verfluchte seinen Vater, seine Mutter und den ganzen Hof.

Er ging weg. Ohne genaues Ziel wanderte er zu dem Dorf, in dessen Nähe der Familiensitz war. Und dort sah er ihn: Einen Mann, er lehnte an einer Hauswand im Schatten, seine Umrisse schienen seltsam verschwommen zu sein. Seine Augen lagen im Dunkeln, da er seinen Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. Er trug einen knöchellangen Mantel. Der Junge fühlte sich zu ihm hingezogen. Warum, konnte er nicht sagen. Also ging er auf ihn zu und als er näher kam, blickte der Mann auf.

Und seine Augen! Sie faszinierten den Jungen, denn in ihnen schien sich all das zu spiegeln, was ihm je Schreckliches widerfahren war: Das Streiten mit seinem Vater, die verletzenden Rufe der anderen Kinder und seine kleine Schwester, die immer von der Mutter bevorzugt wurde. All das sah er und da war noch mehr: Etwas Schwarzes, dass sich in endlosen Wirbeln durch die Augen des Sammlers wand.

Während er noch darüber nachdachte, ging er immer weiter auf den schweigenden Mann zu.

Dieser öffnete seinen Mantel und darunter war eine gigantische Sanduhr, die inmitten einem schwarz - durchwirbeltem Meer schwebte. In ihr befanden sich die Seelen aller vereinsamten Kinder, die der Sammler je aufgenommen hatte. Sie hielten ihn am Leben.

Der Junge trat vor den Mann und stieg ohne zu Zögern in das schwarze Meer, angetrieben von der Hoffnung auf etwas Besseres.

Über ihm schloss der Sammler seinen Mantel, blickte sich um und ging davon. Ein kleines Mädchen wartete schon auf ihn.



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