Schnee. Gefahr.
Schnee. Gefahr.
geschrieben für
- Elsteryn -
Es zieht mich hinaus in die weiße Kälte.
Ruft er mich? Braucht er mich? Verlangt es ihn nach meiner Gegenwart?
Ich… weiß es nicht. Werde nur getrieben, ihn zu suchen.
Hinaus, in den nahezu lautlosen Forst.
Die Bäume haben sich Unmengen von Weiß aufgetan. Haben ihre Form verändert.
Sind nicht mehr zu unterscheiden von den Felsen, den Büschen… oder anderen namenlosen Wesen.
Gefahr ist allgegenwärtig. Rund um mich lauert es im Verborgenen.
Ist bereit, jede Unaufmerksamkeit gnadenlos zu ahnden.
Wie der Silberwolf, dessen Fell nun meine Schultern wärmt.
Wäre mein Schwertarm damals nicht schnell genug gewesen, hätte mein Blut den Schnee befleckt.
In einer Sekunde der Erinnerung verhaftet, löse ich die Waffe in ihrer Scheide.
Bereit bin ich. Wer will sich heute messen?
Keine Bewegung jenseits des Pfades. Nicht einmal die wenigen Vögel zeigen sich.
Still folge ich dem schmalen Weg.
Kaum zu erkennen, glitzert er silbern an den wenigen niedergetretenen Stellen.
Seine Stiefel haben Eiskristalle geschaffen. Dabei ist sein Gang so leicht wie der einer Tänzerin.
Warum nur sind wir mitten im Winter in den Dunkelforst zurückgekehrt? Er liebt die Wärme doch ebenso wie ich. Wir sind wie Katzen. Liegen gern träge in der Sonne.
Und betrachten amüsiert andere Wesen beim fiebrig werden vor Hitze.
Zerrissene, fedrige Wolken legen sich wieder und wieder vor den vollen Mond.
Sie ändern das Licht, dunkeln es ab, schwärzen das Weiß zu Grau.
Die Stille ist unbarmherzig. Wie die letzte Minute vor einer gigantischen Schlacht.
Doch wo sind die Krieger?
Kein Angreifer zeigt sich… und doch ist die Atmosphäre geladen mit Gewalt.
Die eisige Luft scheint zu flirren. Und wirklich… ganz ohne jeden Windhauch wehen kleine Eiskristalle zwischen den Bäumen umeinander.
Winzige Flocken tänzeln auf der Stelle. Künden ungeduldig von ihrer unbändigen Lust loszuschlagen, hervorzubrechen, ein Schneeinferno zu entfachen.
Unheimlich ist es nun... und wäre ich nicht so kalt, so bar aller Gefühle, so könnte ich der Menschen Angst nachempfinden.
Nur seltsam ist es, den Forst in Aufruhr zu sehen. Sein dunkles Herz pochen zu spüren. In einem pulsierenden Rhythmus, Kriegstrommeln gleich.
Der Herrscher wird wissen warum.
So eile ich weiter den Pfad entlang, meine Sinne doppelt geschärft.
Und noch vor der nächsten Biegung erreicht mich die Gewissheit.
Gleich. Gleich werde ich sehen, was mit dieser ungeheuerlichen Bosheit den Wald durchstreift.
Meine Schritte stocken für einen kleinen Augenblick.
Die Wolken sind verweht. Der Mond ist unverhangen. Silbriges Blau erhellt die Lichtung vor mir.
Mitten in dem Rund steht der Herrscher.
Prachtvoll in weißem Pelz. Doch warum mit gezückter Klinge?
Kein Feind bietet sich meinem Blick dar.
Umgeben ist mein Gebieter nur von Felsen, übermannshoch und breit.
Mit Schnee bedeckt und reglos.
Zu seinen Füßen sind dunkle Schatten im niedergetretenen Weiß.
Und schon will ich zu ihm eilen… da spricht er.
Gut gelaunt klingt seine Stimme. Gelassen und kraftvoller denn je.
„Schönste, da bist du ja. Dein Anblick freut mich. Aber sei gewarnt. Betritt nicht das Innere des Kreises, oder du wirst einen grausamen Kampf führen müssen.
Für mich oder gegen mich. Vernichtend wird die Schlacht gewiss.“
Was meint er nur? Hilflos schaue ich in seine Augen, versuche zu lesen.
Da höre ich eine weitere Stimme. Dumpf dröhnt es aus den Felsen.
„Der Waffenmeister des Herrschers ist da. Sei uns willkommen.
Tritt ein in unseren Kreis und triff deine Wahl. Hilf uns, den Despoten zu stürzen und sei frei für immerdar. Oder stirb an seiner Seite und genieße deine wohlverdiente Ruhe, Schönste.
Oft sahen wir dich, seine Aufträge versehen. Sahen dich Blut vergießen, in seinem Namen. Und doch hegen wir keinen Groll gegen dich. Nur er muss vernichtet werden.
Er muss sich dem Kampf stellen. Alle fünfzig Menschenjahre. Das ist die ewig gültige Regel.
Wir werden das dunkle Herz des Forstes am Schlagen halten, ohne seine Tücke, ohne seinen Drang, Grausamkeit ins Unermessliche zu steigern. Wir töten, was sterben muss… und dann ist es gut.“
So sprach es… und nun konnten meine Augen erkennen.
Die Flecken im Schnee waren Blut, bereits reichlich vergossen. Die Klinge des Herrschers war dunkel. Viele der lebenden Felsen tief gefurcht.
Und doch waren es so viele, waren sie so riesig… und er so allein.
Ich schaue ihm ruhig ins schöne Gesicht, während ich meine Wahl treffe.
Sein schmaler Mund bewegt sich nur eine Winzigkeit. Sein sardonisches Lächeln freut mich. Er hat verstanden.
So ziehe ich meine Klinge, hebe sie zu einem stummen Gruß.
Und mit wenigen Sätzen bin ich im Kreis und führe den ersten, gewaltigen Schlag.