Das Leben geht weiter
„Du tust WAS?“
Drei Monate waren seit dem Überfalls Akatsukis auf Konoha vergangen. Akatsuki gab es nun nicht mehr, da sämtliche Mitglieder beseitigt worden waren. Der Alltag war wieder zurückgekehrt und Sakura saß mit Naruto an der Ramenbar, um ihm etwas Wichtiges zu erzählen. Das heißt, sie hatte es gerade getan und dieser Vollidiot musste natürlich anfangen, so laut herumzuschreien, dass ganz Konoha es noch mitbekam. Sakura holte tief Luft, um nicht zu explodieren.
„Weil Suna nun Unterstützung anfordert gehe ich für einen unbestimmten Zeitraum dorthin, um Medic-Nins auszubilden. Dort haben sie nämlich kaum welche und fordern deswegen welche von hier. Und stell dir vor, Tsunade lässt mich sogar gehen, obwohl sie mir ansonsten verbietet, das Haus ohne dich oder Uchiha zu verlassen.“, erklärte sie säuerlich.
„Kannst du ihn nicht beim Vornamen nennen, oder was ist los?“, fragte Naruto, der sich wieder gefangen hatte und sie nun über seine zweite Portion Ramen hinweg angrinste.
„Diesen Idioten? Wieso sollte ich.“, antwortete Sakura nun ernsthaft gereizt.
„Und wieso bist du noch mal sauer auf ihn?“, hakte Naruto nach. Konnte der sich denn gar nichts merken?
„Weil er ein Idiot ist. Weil er meint, es nicht nötig zu haben sich dafür zu bedanken, dass ich ihm das Leben gerettet habe.“, antwortete Sakura und drückte dabei so fest auf ihre Stäbchen, dass diese zerbrachen.
Nachdem Sasuke wieder aus seiner Ohnmacht erwacht war, Tsunade hatte ihn wirklich rechtzeitig gefunden und geheilt, woran Sakura ja wohl auch nicht ganz unbeteiligt gewesen war, war as Einzige, was er zu Sakura gesagt hat: „Du hättest dich verdammt noch mal nicht in meinen Kampf einmischen sollen, verstanden?“ gewesen. Seitdem hatte Sakura kein einziges Wort mehr mit ihm gewechselt, und das obwohl sie täglich Training hatten. Naruto trieb das noch in den Wahnsinn; wenn die beiden sich ignorierten war das noch schlimmer, als wenn sie sich angifteten.
„Sakura-chan, du musst das schon verstehen… Er ist halt sauer, weil du ihn ja quasi um seine Rache betrogen hast…“, versuchte Naruto halbherzig zu erklären.
„ACH JA? Also hätte ich einfach zusehen sollen, wie Itachi ihn erwürgt?“, fuhr Sakura ihn dafür an.
„Nein, natürlich nicht, aber ich versuche doch nur dir zu erklären, wie Sasuke sich fühlt, also…“
„Lass das lieber. Die einfühlsame Tour liegt dir nicht. Wenn u mich jetzt entschuldigen würdest; ich muss packen. Morgen muss ich nämlich weg.“ Sakura erhob sich.
„Hey, Sakura-chan… Auf unbestimmten Zeitraum, was genau heißt das?“, fragte Naruto und hielt sie am Arm fest.
„Dass ich nicht weiß, wie lange ich weg bin?“, antwortete Sakura.
„Hast du nicht mal ne ungefähre Ahnung?“, fragte er weiter.
„Na ja… So zwischen zwei Wochen und zwei Monaten, denke ich mal…“, vermutete sie. „Wäre übrigens nett, wenn du dich in dieser Zeit um meine Mutter kümmern könntest.“, fügte sie noch hinzu.
„Geht klar.“, meinte Naruto und grinste sie an. „Sag mal, weiß Sasuke, dass du gehst?“, fragte er noch hinterher.
„Nein.“
Ein weiteres Wort und Sakura würde explodieren. Doch leider war Naruto noch nie allzu gut im Erkennen solcher Situationen gewesen…
„Wirst du’s ihm noch erzählen?“
„Nein.“ Zehn, neun, acht, sieben…
„Aber solltest du dich nicht wenigstens von ihm verabschieden?“
Drei, zwei, eins…
„NEIN, NARUTO, LASS MICH VERDAMMT NOCH MAL MIT DIESEM UNDAKBAREN VOLLIDIOTEN IN RUHE!“, fauchte Sakura. „Und jetzt muss ich aber wirklich nach Hause und packen. Ich breche morgen zusammen mit ein paar anderen Chuunin um vier Uhr auf, also werden wir uns nicht mehr sehen. Mach’s gut!“, sagte sie danach und lächelte.
„Ja, du auch…“, murmelte Naruto, wenig beeindruckt von ihrem Schreikrampf, und schloss sie kurz in die Arme. Sakura erwiderte die freundschaftliche Umarmung und ging dann nach Hause.
Am nächsten Morgen in aller Frühe machte sie sich auf den Weg zum Südtor. Dabei ging sie arglos durch die große Straße, die vom Nordtor aus durch ganz Konoha reichte, bis zum Südtor hin. Ihr zu Hause lag im nordwestlichen Teil Konohas, dicht an der Stadtmauer. Doch Die Otonins, die nicht zu vergessen auch alle tot waren, waren ihrer Zeit von Osten gekommen, sodass auch dieses Viertel nicht zu arg in Mitleidenschaft gezogen worden war. Jedenfalls ging sie gerade an einer Stelle vorbei, die sie nur zu gut kannte. Die Erinnerungen an genau diesen Ort waren allerdings beide dermaßen schlecht, dass ihre Laune augenblicklich auf den Tiefpunkt sank. Sie hasste diese Stelle. Abgrundtief. Sie strich sich kurz über ihr Stirnband, oder eher Lees Stirnband. Niemand hatte dazu Fragen gestellt, aber das war auch besser so. Sie wollte dieses Stirnband tragen, als Andenken an ihn. Das hatte sie in dem Moment beschlossen, indem sie es ihm abgenommen hatte, und so lange niemand ihr einen Vorwurf deswegen machte, würde sie es auch nicht ablegen.
Über diese Gedanken hinweg war sie stehen geblieben. Nun war ihre Wut verpufft und tiefe Trauer trat an ihre Stelle. Sie seufzte einmal auf und ging dann weiter. Sie kam drei Schritte weit, da wurde ihr ein Stein vor die Füße geworfen.
„Wer da?“, rief sie und wandte sich den Bäumen rechts von ihr zu und zückte ein Kunai.
„Paranoid wie eh und je.“, antwortete eine schnarrende Stimme von einem der höheren Bäume. Und sofort war die Trauer wieder verschwunden und die Wut zurückgekehrt.
„Was willst du hier?“, fauchte sie Sasuke an.
„Keine Ahnung.“
„Wieso bist du dann hier?“
„Naruto hat gesagt, ich soll um diese Uhrzeit hierher kommen, hier würde etwas Interessantes passieren. Und ich hatte eh nichts Besseres zu tun.“
Sakura verfluchte Naruto innerlich für sein neues Hobby; sie mit Sasuke zu verkuppeln.
„Hier passiert nichts besonderes, du kannst wieder verschwinden.“, belehrte sie Sasuke und ging weiter.
„Und wo willst du hin?“
„Was geht dich das an?“
Sasuke stöhnte genervt auf.
„Hör zu…“
„Wieso sollte ich?“
„Es tut mir Leid, dass ich mich nicht für deine Hilfe bedankt habe, okay? Es ist nur…“
„Du hättest es lieber alleine geschafft, schon klar. Oder du wärst lieber drauf gegangen.“
Sasuke antwortete nicht. Er starrte einfach nur weiter grimmig vor sich hin.
„Sag Mal, warum hast du eigentlich schlechte Laune?“, keifte Sakura drauf los. „Eigentlich müsstest du doch unheimlich glücklich sein, oder? Ich meine, jetzt wo du dein Lebensziel erreicht hast. Dein Bruder ist tot, du hast deinen Clan gerächt, das Leben ist schön. Also, was ist mit dir?“
Sasuke schwieg weiterhin.
„Lass mich raten: Jetzt wo Itachi tot ist fällt dir auf einmal ein, dass es gar nicht so toll war ihn zu töten, oder? Hab ich das nicht gesagt? Hab ich das nicht von Anfang an gesagt? Genau hier hab ich dir das gesagt! Genau hier vor…“ Sie stutzte.
„Genau hier, vor genau einem Jahr, sechs Monaten und drei Stunden, ich weiß.“, knurrte Sasuke.
„Nein, welch ein Wunder. Du kannst dich also tatsächlich an solche Nebensächlichkeiten erinnern.“
Sasuke sprang vom Baum und landete neben ihr.
„Sag mal, warum bist du eigentlich so aggressiv?“, fragte er.
„Warum? Das fragst du noch? Also, wo fange ich denn mal an?“
„Am besten bei Dingen, die nicht länger als ein halbes Jahr zurückliegen.“
„Zuerst bin ich so unheimlich großzügig, dir bei deiner Rache zu helfen, dann rette ich dir sogar das Leben, nur um mir am Ende von dir anhören lassen zu müssen, dass ich mich nicht hätte einmischen sollen!“, fuhr sie ihn an. „Und dann hör ich auf einmal von Naruto, dass du dich ‚um deine Rache betrogen’ fühlst. Ja, ganz toll. Und wenn das so ist, dann denk vielleicht mal darüber nach, dass ich Orochimaru auch gerne den Kopf abgeschlagen hätte! Immerhin hat er demnächst meine Mutter auf dem Gewissen! Schon mal daran gedacht? Na? Na? Nein, hast du nicht, stimmt’s?“
Sasuke starrte sie an. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
„So, und da wir das jetzt geklärt haben kann ich gehen, oder?“ Sie wandte sich ab und ging. Doch weit kam sie nicht; Sasuke hielt sie am Oberarm fest.
„Lass mich los.“, zischte sie.
„Nein.“
„Lass mich los!“
„Nein.“
„LASS MICH VERDAMMT NOCH MAL LOS!“
„Nein, nicht bevor du mir zuhörst.“
Sakura drehte sich um und funkelte ihn an.
„Dann rede.“
Sasuke holte tief Luft.
„Also, als erstes einmal danke ich dir dafür, dass du mir geholfen und mir das Leben gerettet hast.“
Er holte noch einmal tief Luft.
„Und dann tut es mir Leid, dass ich so ein Idiot gewesen bin. Es tut mir Leid, das mit Orochimaru, du weißt schon.“
Sakura deutete ein Nicken an. Damit war all ihre Wut wie weggeblasen. Beinahe ärgerte sie sich darüber. Jetzt war aber doch eigentlich alles gesagt, oder? Wieso hielt Sasuke sie dann immer noch am Arm fest?
„Aber ich werde dich nicht loslassen, bevor du mir nicht gesagt hast, wo du hingehst.“
„Auf eine Mission nach Suna mit anderen Medic-Nins um dort welche auszubilden. Könnte theoretisch zwei Wochen, allerdings auch zwei Monate oder länger dauern. Würdest du mich jetzt bitte loslassen?“, erklärte sie ihm. Er ließ die Hand sinken.
„Na dann, tschüss.“, sagte sie. Sasuke nickte. Sie wirbelte herum und eilte nun die Straße entlang. Irgendwie war ihre Laune wieder besser, viel besser.
„Sakura!“
Sie drehte sich um.
„Hm?“
„Bleib bloß nicht zu lange weg, okay?“
…
„Okay!“
~ Ende ~