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World of Faerûn - 5. Staffel

Ghosts Of Apocalypse
von

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Folge 73: Shanes Herausforderung

Ein trockener, staubiger Wind zog über die metallverkleideten Füße zweier Paladine hinweg. Fassungslos staunten sie auf das allgegenwärtige Chaos, das sie umgab. Das Dorf vor ihnen wirkte wie ein Kriegsschauplatz. Ihre Hände waren nur schwach um die Zügel ihrer Pferde gelegt, die sie hinter sich führten, denn das was ihre Augen erblickten raubte ihnen die Kraft. Überall lagen Leichen herum, manches Mal auch nur ein abgetrennter Arm oder ein Bein. Der Gestank des Todes lag in der Luft und drang bis unter die Helme der beiden Männer hindurch. Das Blut, das zu ihren Füßen floss, war noch recht frisch, auch wenn es kaum vorstellbar das dieses Massaker nur Minuten her war. „Was ist hier passiert?“, fragte einer von ihnen, während er eine grausam zugerichtete Kinderleiche betrachtete. Als er merkte dass sein Gefährte nicht antwortete stellte er fest dass dieser eine seltsame Gestalt am Ende des Dorfes entdeckt hatte.

Das Sonnenlicht blendete zwar etwas, aber dort war ein Mann in einem schwarzen Mantel zu erkennen. Sein Gesicht war zum Teil vom hohen Kragen seines Gewands verdeckt, jedoch nicht sein kurzes, pechschwarzes Haar, das wie ein kleines Flammenmeer aus seiner Kopfhaut ragte.

Als er die beiden bemerkte fürchteten sie schon dass ihnen ähnliches wie den Dorfbewohnern drohte, doch der Fremde wendete sich einfach ab und ging. Den beiden fiel auf das eine Schneise von untoten Kreaturen zu ihm führte und langsam dämmerte es ihnen das es nicht der Mann gewesen war, der die Dorfbewohner so zugerichtet hatte, sondern eine Horde Ghuls, deren Körper durch Schwerthiebe zerstückelt wurden waren.
 

Kyrens Augen glänzten als sie die Schriftrolle für das Portal zum Sundabarberg in ihren Händen hielt. Mittlerweile hatte sie ihre Kleidung abenteuertauglich gemacht. Mit einen hellen, kurzärmligen Kapuzenoberteil und einer knielangen Hose mit herunterhängender Hosenträgern, sollte es in Richtung Avarielland gehen.

Atrix, der ihr das Schriftstück soeben übergeben hatte, grinste stolz vor sich hin, fast so als hätte er gerade die Welt im Alleingang gerettet. „Ich habe mein Versprechen gehalten und nun wird es Zeit deines einzulösen.“, geiferte er händereibend, doch sie zog es vor dem nicht nachzukommen. Stattdessen machte sie sich daran die Magie der Schriftrolle zu entfesseln.

„Hey, was tust du denn da? Was ist mit meiner Belohnung?“, fragte er sichtlich überrascht vom Verhalten des Mädchens. „Ich habe dir zwar einen Kuss auf die Wange versprochen, aber ich habe nicht gesagt wann du ihn bekommst.“, meinte sie lieblich zwinkernd, während sich das Portal vor ihr aufbaute. Atrixs Kinnladen suchte die Bodennähe, so fassungslos war er und dennoch konnte er ihr nicht einmal widersprechen.

„Ja ... aber-aber-aber ... aber Kyren!“, stotterte er aufgeregt, als diese bereits in Richtung Portal ging. „Gib meinen Eltern bescheid, ja? Ich verlass’ mich auf dich.“, sagte sie mit leicht wehmütigen Blick, bevor sie schließlich in Richtung Sundabarberg aufbrach und mit ihr auch das Licht des Portals verschwand.

Atrix brauchte einen Moment um zu realisieren was gerade geschehen war, doch schließlich brachte er es auf den Punkt. „Sie ... sie hat mich ausgetrickst.“

Gerne wäre er ihr gefolgt, aber wer ihn kannte wusste dass er nicht so einfach aufgeben würde. Ihm war klar was er nun zu tun hatte.
 

Für Kyren war der Anblick des Avariellandes immer wieder ein atemberaubend. Die gesamte Landschaft schien aus dem Wolken zu wachsen, obwohl auch welche in weit höherer Höhe über sie hinweg zogen. Die Plateaus auf dem die Avariel-Elfen lebten waren oft durch schmale Pfade miteinander verknüpft, andere erreichte man nur aus der Luft. Die Luft in diesen Höhen war zwar etwas dünner als sie es gewohnt war, aber dafür auch umso frischer. Sie erinnerte sich noch gut an ihren letzten Besuch und auch daran wie sie Shane auf seinem Rücken durch die Lüfte getragen hatte. Dieses Mal musste sie alleine zu Shanes Zuhause finden, was ihr Mittels eines Schwebezaubers jedoch recht einfach fallen sollte.

Ein aufgeregtes Kribbeln durchfuhr ihren Bauch als sie wenige Minuten später ihr Ziel erreichte. Sanft landete sie mit beiden Füßen wieder auf dem Boden als sie den Zauber aufhob. Shanes Familie lebte auf einen der größten Plateaus in dieser Gegend, groß genug das es sogar einen eigenen Wald und andere naturgebundene Dinge hatte. Das Haus seiner Familie hatte sich im Laufe der Jahre gar nicht verändert und fügte sich nahtlos in die idyllische Landschaft ein.

Kyren wurde mulmig zu Mute als sie der Haustür immer näher kam. Ihre gesamten Gedanken verflüchtigten sich jedoch schlagartig als sie zaghaft daran klopfte. Von einen Moment auf den anderen wusste sie nicht mehr was sie sagen sollte und so reichte es gerade ein mal zu einen einfachen ’hallo’ als ihr Shanes Mutter, die Avariel-Elfe Aerie, kurz darauf öffnete. Obwohl sie nur einfache Damentracht trug war sie selbst für ein Mädchen ein wunderschöner Anblick. Aeries Augen weiteten sich überrascht als sie das junge Mädchen vor sich stehen sah. „Kyren? ... bist du das?“, fragte sie verwundert, obwohl sie sich eigentlich sicher war, wen sie da vor sich hatte. „Ehm ... tja, sieht ganz so aus.“, antwortete sie verschwitzt und rieb sich verlegen den Hinterkopf. Shanes Familie waren die Umstände um Kyren bekannt und das sie eigentlich in Suldanessalar hätte sein müssen. So war es nicht weiter verwunderlich das Aerie ihren Augen nicht traute. „Dann ... komm doch rein.“, meinte sie mit warmherziger Stimme und bat sie mit passender Geste einzutreten.

Ein vertrauter Geruch stieg Kyren in die Nase als sie das Haus betrat. Es erinnerte sie an vergangene Zeiten als sie zum ersten Mal da war. Nichts hatte sich verändert und so war der Wohnstubenbereich hinter der Eingangstür, mit dem Kamin an der Ostwand, noch immer der erste Raum der sie erwartete. Links von ihr, so erinnerte sie sich, war die Küche, durch Wand und Tür vom Wohnbereich getrennt und nur wenige Meter vor ihr lag die Treppe, die in den zweiten Stock zu den Schlafzimmern führte. Während ihre Blicke durch die ganze Behausung zu schweifen schienen, stellte sie fest das außer Aerie offenbar sonst niemand da war.

„Mein Mann ist gerade nicht zu Hause und wenn du Shane suchst ... er ist ...“, meinte Aerie freundlich bevor ihre Stimme abrupt verstummte als sie an ihren Sohn dachte. Kyren ahnte nichts Gutes als sie sah welch trübseliger Gesichtsausdruck die schöne Avariel zierte. „W-was ist mit Shane?“, fragte sie besorgt nach.

Aerie begann zu schmunzeln, jedoch nicht vor Freude, sondern um eine Art von Trauer zu verbergen. Ohne zu antworten ging sie in Richtung Kamin, wo ein paar eingerahmte Bilder der Familie standen. Gedankenversunken nahm sie eines davon in ihre Hand und senkte ihren Kopf. „Weißt du ... Alexandra ist vor einigen Wochen gestorben. Sie wurde von Tag zu Tag schwächer ... niemand konnte ihr helfen – selbst der beste Heiler nicht. Kurz vor ihrem Tod hat sie uns erzählt dass ihre Lebensenergien begrenzt wären und sich dem Ende neigten. Sie ... hat ganz genau gewusst was mit ihr passieren würde, aber sie hat es uns nicht gesagt damit Shane und wir noch ein paar sorglose Jahre mit ihr verbringen konnten. Wir sollten jeden Tag mit ihr genießen ...“, erzählte sie und stellte das Bild mit ihr, ihrem Mann und ihren Kindern wieder auf seinen Platz zurück.

„Ist Shane etwa ...“, setzte Kyren an, doch sie konnte ihren Gedanken nicht vollenden. „Shane ist draußen am Grab seiner Schwester. Seit ihrem Tod sitzt er jeden Tag dort bis zum Einbruch der Dunkelheit, manchmal auch länger. Er hat seit Wochen nicht mehr geredet.“, antwortete sie und wendete sich der Elfin zu. Obwohl sie nicht mit zur Familie gehörte, fiel es ihr mit jeder Sekunde die verstrich, schwerer ihre Tränen zurück zu halten. Zu sehr ging ihr das Schicksal von Shane und seiner Schwester ans Herz. Es schmerzte zu wissen was passiert war, auch weil ihr Alexandra, die Tochter der Avariel-Elfin, einst anvertraut hatte, welches Schicksal sie eines Tages erwarten würde. Sie fragte sich ob sie etwas hätte tun können, hätte sie Shanes Familie oder einen Heilkundigen davon erzählt. Selbstvorwürfe quälten ihre Gedanken, auch wenn es Alexandras Wille gewesen war ihr Geheimnis für sich zu behalten. Kyren war gar nicht bewusst gewesen wie schnell die 4 Jahre vergangen waren, die sich Shanes Schwester damals noch gegeben hatte.

Aerie schien noch sehr vom Ableben ihrer Tochter getroffen und sah mit sanften, wenn gleich erzwungenen Lächeln, zum Fenster hinaus. „Weißt du ... vielleicht ist es ganz gut das du gekommen bist. Ihr habt euch immer sehr gut verstanden und wenn es jemand schafft ihn aufzumuntern, dann vielleicht du, Kyren.“, meinte sie mit verträumten Blick. Sie wusste nicht recht was sie antworten sollte, denn einerseits fühlte sie sich geschmeichelt, andererseits war dies keine Zeit für Eitelkeiten. Sie öffnete ihren Mund, aber ihre Stimme ruhte.

„Es mag vielleicht etwas seltsam klingen, aber ich glaube dass meine Tochter schon vor 5 Jahren gestorben ist nachdem sie dieser Dämon getötet hat. Die Götter wollten uns nur noch einmal die Gelegenheit geben uns gebührend von ihr zu verabschieden.“, meinte Shanes Mutter etwas gefasster als zuvor, ohne sich ihrem Gast zuzuwenden. Für Kyren grenzte es zwar an Blasphemie den Nekromanten Diron, der Alexandra damals ins Leben zurückgerufen hatte, mit Göttern zu vergleichen, aber sie verstand was Aerie meinte. Gerade als sie fragen wollte wo das Grab ihrer Tochter lag, nahm ihr die schöne Avariel-Elfe jedoch schon das Wort. „Wir haben die Stelle für ihr Grab gewählt, an der der Dämon einst ihre blutverschmierten Sachen zu Boden geworfen hat.“, sagte sie recht nüchtern, fast so als konnte sie ihre Gedanken lesen.

Für Kyren hatte diese Stelle auch eine andere Bedeutung, denn es war die Stelle an der sie Shane einst für verloren glaubte als der Dämon ihn von der Klippe ins verbotene Tal der Avariel hinab gestoßen hatte. Sie war sich nicht sicher ob es nun ein Wunder oder Zufall war, das Shane diesen Sturz damals überlebte, aber sie war Dankbar das ihn das Jenseits nicht zu sich genommen hatte. Vielleicht hatte er es auch seinem göttlichen Bhaalblut zu verdanken gehabt. Die Bedrohung die davon ausging war jedoch gebannt, denn sein böses Ego, das durch dieses Blut geschaffen wurde, war seit der Schlacht gegen Adrian vor vier Jahren besiegt.
 

Der Anblick Shanes, der in trauernder Haltung vor dem Grabstein seiner Schwester saß, ließ ihre Gedanken über die Vergangenheit schnell zur Nebensache werden. Auch er war mit den Jahren gewachsen und nun ein junger Mann. Er war ganz blass, trug schwarze Kleidung und seine Mimik wirkte schlimmer als sieben Tage Regenwetter. Anders als bei Geschwistern, die sich gerne stritten und sich den Tod an den Hals wünschten, hatte Shane immer eine sehr innige Beziehung zu seiner Schwester gehabt. Es musste schwer sein jemanden zu verlieren, den man von klein auf als einzig echten Freund bezeichnen konnte. Sie war die Einzige, die ihn nicht wegen seines Blutes verachtet oder gar gefürchtet hatte. Kyren selbst konnte nur im Ansatz fühlen wie es wohl sein musste eine Schwester zu verlieren, da sie selbst ein Einzelkind war.

Unbemerkt blieb sie etliche Meter hinter ihm stehen, denn nun fürchtete sie sich davor ihn anzusprechen. Sie fragte sich wie er wohl reagieren würde, nach all der Zeit die man sich nicht mehr gesehen hatte. Gerne wären die beiden damals keine getrennten Wege gegangen, aber Shane hatte seine Familie und seine Schwester, Kyren hingegen eine königliche Abstammung, die sie in einen goldenen Käfig schloss.

Eine angenehme Priese wehte durch ihr rot-blondes Haar, während sie auf ihren einstigen Gefährten blickte, mit dem sie schon so viel erlebt hatte. Sie waren durch dick und dünn gegangen, hatten so viel gemeinsam durchgemacht und überlebt. Er hatte sie immer beschützt und sie ihn geheilt, wenn es brenzlig wurde. Je mehr sie über ihn nachdachte, desto mehr begann auch ihr Bauch zu kribbeln, denn die Gefühle für ihn hatten in den vier Jahren nicht nachgelassen. Jedoch war sie nicht so naiv zu glauben, dass diese Gefühle in dieser schweren Zeit angebracht waren.

„Shane ...“, begann sie vorsichtig zu sprechen, fast so als würde ihn jedes weitere Wort verärgern, und trat ein paar Schritt näher an den Halbelfen heran. Seine Ohren begannen aufzuhorchen als er seinen Namen hörte und auch wenn er glaubte einem Hirngespenst erlegen zu sein, so drehte er sich um, um zu sehen woher die vertraute Stimme gekommen war. Kyrens Herz erbebte bei dem Gedanken wie er wohl auf sie reagieren würde, denn schon die erste Reaktion konnte entscheidend sein. Sein Blick war von erstaunen geprägt, gerade so als ob er glaubte einen Geist zu sehen. „Kyren ...“, gab er mit entsprechender Stimmlage zurück, ohne das sie ahnte das dies sein erstes Wort seit Wochen war. „Deine Mutter hat gesagt das ich dich hier finden könnte.“, meinte sie leicht verschreckt über seine Reaktion. Es wirkte als lagen ihm tausend Gedanken auf der Zunge, die er auszusprechen, versuchte, aber keine empfand er als Antwort passend.

„Eigentlich hätte ich nicht gewollt das du mich so siehst.“, erwiderte er nach einiger Zeit, während er seinen Blick zum Boden abwendete. „Es ... es tut mir Leid was mit Alexandra passiert ist.“, sagte sie nach kurzer Pause und trat näher an ihn heran, nichts ahnend das sie ihn damit wieder die Trauer in die Augen trieb. „Und, was führt dich in diese Gegend? Ich dachte du darfst Suldanessalar nicht verlassen.“, entgegnete er ihr plötzlich mit übertrieben freundlichen Lächeln, doch Kyren verstand sehr wohl das er damit nur versuchte seine wahre Stimmungslage zu verbergen. „Shane ... ich ... ich brauche deine Hilfe.“, gab sie nervös, mit flehenden Blick zurück.
 

Bei Shane zu Hause geriet es für Aerie beinah ins Hintertreffen das ihr Sohn wieder sprach, denn die Brosche die Kyren ihnen zeigte und die dazugehörige Geschichte bereiteten ihr weit mehr Sorgen.

„Was sagst du da? Jemand ist hinter dir und der Brosche her?“, staunte Shane aufgeregt, wogegen seine Mutter eher bedächtig wirkte. „Dann ist es also wahr was ich gehört habe. Die sieben Elementargeister sind wirklich wieder auferstanden.“, meinte sie und erntete sogleich zwei fragende Blicke für ihre Bemerkung. „Soll das heißen du weißt was das ist, Mutter?“, fragte er verblüfft auf die Brosche deutend. „Ja, ich habe schon davon gehört, dachte aber dass es nur so eine Legende ist. Dennoch … seit einiger Zeit gibt es in Süden Faerûns verdächtige Ereignisse.“, antwortete sie und stützte ihre Ellenbogen auf den Stubentisch um ihren Kopf mit ihren zur Faust geformten Händen abzustützen.

„Ereignisse?“, hakte Kyren mit neugierigem Blick nach. „Ja, vor einer Weile begann dort eine Welle von ungewöhnlichen Bränden, Unwettern und anderen Naturkatastrophen. Zwar haben die Aktivitäten mittlerweile abgenommen, aber es scheint ja doch etwas dran zu sein.“, erwiderte sie. „Das heißt Ihr wisst etwas über die Brosche und diese Elementargeister?“, hinterfragte die junge Elfin und beugte sich etwas vor. „Na ja, ich habe gelesen das die Elementargeister gottähnliche Kreaturen sind. Sie sind halb Mensch, halb Avatar. Den Zweck ihres Daseins kennst du ja bereits, aber das Ganze war vor mehreren tausend Jahren. Als man erkannte das sie die Welt mehr gefährdeten als beschützen, beschlossen die Elfen die Herren der Elemente in Seelensteinen zu verbannen wo sie auf ewig ruhen sollten bis sie die Welt eines Tages wieder brauchen würde.“, erzählte sie. „Seelensteine? In so was schließt man doch normalerweise Dämonen. Sind sie denn so gefährlich?“, erwiderte Kyren leicht nervös. „Nun ja, so genau kann ich das auch nicht sagen, aber du solltest dir vor Augen führen das ein jeder über ein bestimmtes Element gebietet. Das heißt er herrscht allein über diese Macht und kann sie so formen wie er will. Der Herr des Feuers beispielsweise, kann bestimmen ob du dich an einer Flamme verbrennst oder ob sie nicht wärmer als deine Hand ist. Der Herr des Wassers bestimmt ob du auf dem Wasser laufen kannst oder ob du darin ertrinkst.“, antwortete sie mit mahnenden Unterton, was Shane zu einem ersten Schluss kommen ließ. „Das heißt also das irgendjemand wahrscheinlich ein paar der Elementargeister aus ihren Seelensteinen befreit hat, die nun frei durch Faerûn laufen und tun und lassen können was sie wollen?“, fragte er sichtlich beunruhigt. „Na ja, eigentlich ist es noch viel schlimmer. Wir können wohl davon ausgehen das alle sieben Elementargeister wieder auf Erden wandeln. Die Seelensteine wurden in einer Katakombe tief unter der Erde im Süden Faerûns vergraben. Laut der Legende sind alle sieben Seelensteine in einen magischen Sockel hinein gesteckt worden, damit sich ihre Kräfte gegenseitig neutralisieren und sie nicht aus ihren Gefängnissen fliehen können. Wenn einer dieser Geister frei kam, dann … sind es wahrscheinlich die anderen nun auch.“, erklärte seine Mutter und ließ von ihrer Haltung ab. „Na großartig ...“, seufzte Shane und schlug die Hände über den Kopf zusammen.

„Aber mit der Brosche können wir sie doch wieder einfangen, oder?“, warf Kyren hoffnungsvoll ein und deutete auf ihr Artefakt. „Ja, schon möglich. Der Legende nach soll es damals mit dieser Brosche gelungen sein die Geister in die Seelensteine einzuschließen, aber wie genau das geht kann ich leider nicht sagen.“, antwortete sie sich am Kinn kratzend. Für den jungen Halbelfen blieb die Sache nach wie vor nicht ganz durchschaubar, auch wenn man nun etwas mehr Klarheit über die Lage hatte. „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Als ob die Elementargeister nun nicht schon schlimm genug wären, erzählt uns Kyren auch noch das sie von jemanden angegriffen wurde, der unter dem Einfluss eines Dämonen stand.“, dachte er laut vor sich hin und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen.

„Für heute Abend bist du bei uns erst einmal sicher, Kyren. Du kannst ruhig hier übernachten. Jetzt loszuziehen würde ohnehin nichts mehr bringen. Es ist bereits dunkel und ich spüre dass heute Abend ein Unwetter kommen wird.“, meinte dessen Mutter mit Blick aus dem Fenster auf die aufziehenden Wolken am Abendhimmel. Auch wenn Faerûn eine große Gefahr zu bedrohen schien, so war sie dennoch erleichtert dass die junge Elfenprinzessin die Lebensgeister in ihren Sohn wiedererweckt hatte.
 

Kyren war eigentlich nicht Wohl dabei als man ihr anbot Alexandras altes Zimmer zu nehmen, aber nachdem die beiden Richardsons darauf bestanden, blieb ihr wohl kaum eine andere Wahl. Ihr Zimmer war recht ordentlich eingerichtet und beherbergte all das was man als Mädchen so brauchte. Das Mondlicht schien noch eine Zeitlang auf den Nachttisch neben ihrem Bett, auf dem die meisten ihrer Sachen für die Nacht abgelegt hatte. Es war nicht die Bequemlichkeit ihres Bettes oder der Decke, die sie an diesen Abend wach hielt, sondern die aufziehenden Winde die gegen das Dach schlugen. Die Nacht wurde immer stürmischer und schließlich verschwand der Mond hinter einer pechschwarzen Wolkenschicht. Regen prasselte gegen ihr Fenster und Donner durchzog den Himmel. Nicht nur das sie noch immer ein wenig Angst vor Donner und Blitz hatte, sie war es vor allem nicht gewohnt so nah unter ihnen zu sein, denn die Wolken waren in diesen Höhen viel niedriger als in Tethyr.

Bald half es nichts mehr sich die Bettdecke über den Kopf zu ziehen um sich vor der vermeintlichen Bedrohung zu schützen.

Nachdem ein Blitz ganz in der Nähe der Behausung niederging, hielt sie jedoch nichts mehr im Bett, so groß war die Angst. Sie wusste nicht wohin oder was sie tun konnte um sich zu beruhigen, sie wusste nur eines - das sie diese Nacht nicht allein überstehen würde.

Vorsichtig tapste sie mit ihren nackten Füßen aus dem Zimmer in der Hoffnung niemand wach zu machen. Sie blieb so leise wie eine Maus als sie ihrer Zimmertür öffnete und schloss, aber nicht die Angst jemanden aufzuwecken ließ ihr Herz höher schlagen.

Es war ihr schon etwas peinlich sich in ihrem Schlafanzug in Shanes Zimmer zu wagen, aber sein Doppelstockbett, das er noch aus alten Kindertagen mit Alexandra hatte, bot ihr die Nähe einer Gesellschaft die sie in einer solchen Nacht brauchte. Trotz des Gewitters schien er einigermaßen tief zu schlafen, wenn gleich sein Gesicht verriet das er nicht gerade die besten Träume hatte. Für einen Moment war Kyren gewillt auf das obere Bett zu klettern, aber als sie ihn so liegen sah, entschloss sie sich noch einem Moment an seinem Bett zu wachen.
 

Als Kyren am nächsten Morgen erwachte, wusste sie schon gar nicht mehr was am vorherigen Abend geschehen war. Von draußen schien die Morgensonne ins Zimmer und ein paar Vögel zwitscherten eine süße Melodie. Ihre Augen öffneten sich nur zaghaft und für einen Moment war sie sich unsicher ob sie noch träumte, wachte sie doch nicht in gewohnter Umgebung auf. Erst nach und nach realisierte sie das sie bei Shane zu Hause war und nicht mehr im Elfenpalast von Suldanessalar. Ein seltsam wärmendes Gefühl lag auf ihren Bauch, aber sie fühlte sich so entspannt dass es sie nicht weiter störte. Trotz des Unwetters hatte sie schließlich doch gut einschlafen können, aber bei den Gedankengängen an letzte Nacht kam ihr plötzlich ein leicht beängstigender Verdacht auf. Egal wie sehr sie sich auch anstrengte sich zu erinnern, sie wusste nicht mehr was geschehen war, nachdem sie sich zu Shane ans Bett gesetzt hatte. Als sie realisierte das sie im unteren Bett lag, wurde ihr immer mulmiger zu Mute, so dass sie tief schluckte. Ungläubig schweiften ihre Augen an ihren Körper herab, während sie die Decke von sich entfernte. Ihre Augenlieder sprangen weit auf als sie sah, dass das wärmende Gefühl auf ihren Bauch von einer Hand kam, die auf ihren freien Bauchteil lag, bedingt dadurch das ihr Oberteil über die Nacht etwas nach oben gerutscht war. Verunsichert blickten ihre Augen nach rechts neben sich und bestätigten ihre bangen Vermutungen. Sie konnte kaum glauben dass sie in Shanes Bett eingeschlafen und nun in wahrlich prekärer Lage war. Der junge Halbelf schlief noch immer tief und fest als wäre nichts geschehen, aber allein die Unsicherheit ob er über Nacht gemerkt hatte dass sie sich in sein Bett gelegt hatte, ließ ihr Herz rasen. Sie hoffte das seine Hand nur unbewusst auf ihren Bauch lag, aber so sehr sie sie auch von dort entfernen wollte, so angenehm war das Gefühl das er ihr dadurch gab. Kyren errötete immer mehr und blickte aufgeregt zwischen Shane und seiner Hand hin und her. „(Oh bitte lieber Gott, lass ihn es nicht gemerkt haben)“, betete sie in Gedanken und setzte an sein von seinem Arm zu trennen.

Sie erstarrte zu Eis als sich Shane auf einmal rekelte und seine Hand von ganz alleine von ihr glitt, gerade in dem Moment als sie zugreifen wollte. Es kitzelte so sehr, das sie sich einem Moment lang auf die Lippen beißen musste um nicht zu lachen. Verängstigt biss sie sich auf die Lippen, denn jeder Mucks konnte ihn wecken und beide in eine überaus peinliche Lage bringen. Vorsichtig, ganz vorsichtig, entstieg sie seinem Bett und schlich sich aus seinem Zimmer heraus. Kaum war seine Zimmertür hinter ihr geschlossen, war ihre Gedankenwelt völlig durcheinander. Blanke Scham stand ihr ins Gesicht geschrieben, auch wenn sie es nicht gerade abstoßend fand, dass sie bei ihm geschlafen hatte. Es war ihre erste Nacht mit einem Jungen in einen Bett und auch wenn sie nur nebeneinander geschlafen hatten, so spielte ihr verliebtes Herz verrückt. So nah war sie Shane noch nie gewesen.
 

Bald darauf war sie umgezogen und ging nach einer kleinen Morgenpflege nach unten zum Essbereich hinab, wo Aerie gerade das Frühstück vorbereitete. „Guten Morgen, Frau Richardson.“, begrüßte sie die schöne Avariel. „Ah, guten Morgen, Kyren. Ausgeschlafen? Setzt dich ruhig. Das Frühstück ist gleich fertig.“, sagte mit freundlichen Ton und stellte ein paar Brotaufstriche auf den Tisch.

Nachdem der Tisch vollends gedeckt war und der Duft von aufgebackenen Brötchen durchs ganze Haus schwebte, setzte sich die Avariel schließlich zu Kyren an den Tisch. „Das Unwetter gestern war wirklich schlimm.“, meinte Aerie, während sie ein Brötchen aufschnitt. „Ehm ... ja ...“, stotterte Kyren nervös und tat es ihr gleich. „In solchen Nächten ist Shane als er klein war immer zu mir ins Bett gekrabbelt. Er hatte wohl etwas Angst. Alexandra hingegen schlief immer fest wie ein Stein.“, erzählte sie erheitert, bei einigen Gedankengängen an die Vergangenheit. „Hmp, wie putzig.“, kicherte die junge Elfin amüsiert, doch das Gespräch endete abrupt als Shane die Treppe hinab kam. Zwar war sein hellbraunes Haar noch etwas verwuschelt, aber ansonsten war er bereits fertig angezogen. Er trug eine dunkelblaue Tracht, die an den Ärmeln entlang mit elfischen Runensymbolen verziert war. Aerie staunte als ihr Sohn sich zu ihnen setzte und sie morgendlich begrüßte. „Nanu Shane? Normalerweise stehst du doch erst mittags auf. Was ist passiert? Du musst gut geschlafen haben.“, sagte sie sichtlich verblüfft ihren Sohn schon so früh am Frühstückstisch zu sehen. „Hm ... ja ... ich weiß auch nicht warum. Das war die erste Nacht seit Wochen die ich durchgeschlafen habe. Ich kann mich nicht einmal erinnern dass ich Alpträume hatte. Seltsam ...“, erwiderte er, ebenso verblüfft über die Situation. Kyren hingegen lief so knallrot an das ihr glatt eine kleine imaginäre Dampfwolke aus dem Kopf entstieg, denn es schien so als ob sie ganz unbewusst der Auslöser für Shanes angenehme Nacht gewesen war. „Was ist, Kyren? Ist dir nicht gut?“, fragte Shane verwundert, der tatsächlich nichts gemerkt zu haben schien.
 

Währenddessen öffnete sich ein weiteres Portal im heiligen Avarielland aus dem eine seltsam verkleidete Gestalt herausgesprungen kam. Euphorisch streckte der fremde Elfenjunge seinen Finger gen Himmel und wartete dass seine Ankunft gebührend gewürdigt werden würde. „Ha, ha! Seht wer gekommen ist um die Welt vor dem Bösen zu beschützen! Fürchtet euch, denn Dido Fortune ist da!“, rief er mit ausdrucksstarker Stimme, doch es war niemand da der ihn hätte erhören können. Vergeblich wartete er auf einen Windstoß der sein Cape flattern lassen würde, so dass der maskierte Elfenjunge schließlich enttäuscht seinen Kopf senkte.

Für Atrix, der unter dieser Verkleidung steckte, sollte es fortan nur ein Ziel geben, das darin bestand Kyren zu finden und zurückzubringen. Schließlich war sie eine Elfenprinzessin und schließlich schuldete sie ihm noch einen Kuss. Mit stolz geschwellter Brust schritt er voran, obwohl er nicht einmal wusste wo er mit seiner Suche beginnen sollte.
 

Kyrens Augen glänzten derweil als Shane ihr nach dem Frühstück seine Entscheidung bekannt gab. „Das heißt du willst mir wirklich helfen? Super! Ich danke dir vielmals!“, rief sie überglücklich und nur der Frühstückstisch zwischen ihnen hielt sie von einer Umarmung ab. „Ja, ich werde dir auf jeden Fall zur Seite stehen, das ist doch Ehrensache. Ich habe noch nie einen Freund im Stich gelassen. Zwar sind meine Fähigkeiten als Schwertkämpfer etwas eingerostet, aber ich werde tun was ich kann.“, erwiderte er lächelnd, sehr zur Besorgnis seiner Mutter. „Aber Shane. Du hast seit vier Jahren kein Schwert mehr in den Händen gehalten. Du wolltest nie wieder kämpfen, weißt du nicht mehr?“, warf sie ein. „Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Ich bin untrainiert und habe viel verlernt, aber ... ich kann sie doch nicht allein weiter ziehen lassen.“, erwiderte er mit leicht verbitterter Stimme. Aerie wirkte überzeugt, denn auch wenn Shane nicht mehr der fähigste Schwertkämpfer war, so hatte er einen starken Willen und das Herz am rechten Fleck um ein solches Abenteuer zu überstehen.

„Ich danke dir, Shane ... aber wie soll es nun weitergehen?“, fragte Kyren. „Ich denke wir sollten in Süd-Tethyr beginnen. Wenn die Gerüchte stimmen, dann treibt sich dort vielleicht der erste dieser Elementargeister herum. Wir werden alle sieben aufspüren und sie in die Brosche einschließen. Wenn irgendein Dämon ebenfalls daran interessiert ist, wird er uns mit Sicherheit früher oder später über den Weg laufen. Dann erfahren wir vielleicht noch etwas mehr.“, sagte er mit entschlossenen Blick. „Aber wie kommen wir dahin?“, fragte sie leicht betrübt. Ihre Stimmung erhellte sich jedoch sofort wieder als Aerie ihnen ihre Hilfe anbot. „Ich glaube ich habe aus meinen Abenteuern mit deinem Vater noch eine Schriftrolle die euch nach Memnon bringen kann. Das ist eine Stadt ganz in der Nähe von Calimshafen, die letzte Stadt vor der Calimwüste, soweit ich weiß.“, warf sie mit Blick auf ihren Sohn ein. „Ausgezeichnet. Wo hast du sie?“, gab er begeistert zurück und stand auf. „Sie ist wahrscheinlich in einer alten Rumpelkiste auf dem Dachboden.“, antwortete sie mit Fingerzeig zur Decke. „Gut, ich werde sie holen und ihr könnt ja schon mal mit den Reisevorbereitungen beginnen.“, meinte er und lief nach oben um die Schriftrolle zu suchen. Kyren wirkte glücklich, nicht nur weil sie wieder ins Abenteuerleben hinaus durfte, sondern auch weil sie von Shane begleitet werden würde.

„Ich danke dir, Kyren.“, sagte seine Mutter auf einmal zu ihr, nachdem ihr Sohn im Obergeschoss verschwunden war. „Wofür denn?“, gab sie verwundert zurück. „Dank dir ist Shane wieder so wie früher ... als Alexandra noch da war. Es scheint so als habe deine Anwesenheit seine Lebensgeister wiedererweckt. Du bist wirklich etwas Besonderes. Egal wo euch eure Reise auch hinführen wird, ich bin mir sicher er wird glücklich sein, solange du bei ihm bist.“, erwiderte sie mit strahlenden Lächeln. Ihre Worte schmeichelten der jungen Elfin so sehr das sie es kaum vermeiden konnte ein wenig rot um die Wangen zu werden. Es schien fast so als konnte sie in ihr Herz sehen.
 

Bald darauf waren ihre nimmervollen Beutel mit all der nötigen Ausrüstung gefüllt, die sie für das Abenteuer, das ihnen bevorstand, gebrauchen würden. Man hatte sich draußen vor dem Haus versammelt und prüfte noch einmal ob man auch nichts vergessen hatte. Noch während Kyren das Portal öffnete, drehte sich Shane ein letztes Mal zu seiner Mutter um. „Macht euch keine Sorgen um uns. Wir werden bestimmt klar kommen.“, meinte er und deutete kurz auf das Schwert welches er auf seinen Rücken trug. Obwohl es nicht das legendäre Carsomyr war, war ihm das einzigartige Schwert, was ihm sein Vater einst ihn in Starmantle geschenkt hatte, mindestens ebenso bedeutsam. Nach kurzer Verabschiedung brachen die beiden in ein neues Abenteuer auf, ein Abenteuer das sie nie vergessen würden...



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