Das Feld reitet los
Die Hunde voran
Sie jaulen, kläffen, rennen
Um mich herum setzen sich alle in Bewegung
Auch ich treibe mein Pferd an
Langsam ordnet sich der Haufen
Die besseren nach vorn
Die schlechteren nach hinten
Ich in der Mitte
Jetzt ruft der erste zum Galopp
Weich wechselt mein Rappe in die schnellere Gangart
Gibt es was schöneres?
Das Feld nähert sich dem ersten Sprung
Die vorderen setzen problemlos darüber
Unter ihnen auch ich mit meinem Pferd
Hinter mir höre ich, wie eines verweigert
Die anderen werden unruhig
Die Unruhe kriecht nach vorne
Mein Rappe bleibt ruhig
Die Hunde auch
Sie folgen nur der Fährte
Noch ein Sprung, etwas höher diesmal
Vor mir kein Problem
Hinter mir Wiehern und Schnauben
Es geht aufs freie Stoppelfeld hinaus
Es wird an Tempo zugelegt
Das Pferd, auf dem ich sitze, hält problemlos mit
Ein paar Waghalsige ziehen rechts an mir vorbei
Ich beachte sie kaum
Wir biegen wieder in den Wald ein
Der Galopp wird kontrolliert
Der nächste Sprung
Diesmal verweigert ein Pferd vor mir
Ich spüre wie mein Pferd sich sammelt und abdrückt
Es ist als wär's ein Kinderspiel
Hinter mir stürzt das erste Pferd
Ich drehe mich um
Sehe, dass alle ausweichen können
Blicke wieder nach vorn
Jetzt werden alle unruhig
Reiter zuerst, dann die Pferde
Der schwerste und gefährlichste Sprung steht bevor
Zügel werden kürzer gefasst- etwas zu hastig
Für bessere Kontrolle
Ich lasse meine so wie sie sind
Es geht um die Kurve
Jetzt können wir ihn sehen
Ich zügle mein Pferd ein wenig
Er weiß, was auf ihn zukommt
Er ist ein Hengst von edlem Blut
Vollblut und Araber
5 Jahre alt
Sehr jung, für ein Jagdrennen
Meinen alle
Doch er zeigte was er konnte, viele Male
Hatte schon viele Rennen hinter sich
Noch ein paar Reiter überholen mich
Mit verbissenen Gesichtern
Ich stelle mich in die Bügel
Gebe dem Pferd den Rücken frei
Der erste überspringt das Hindernis
Er schafft es
Das zweite Pferd verweigert
Das dritte stürzt
So das vierte, fünfte und sechste
Die Pferde danach schaffen den Sprung
Manche können dahinter nicht ausweichen
Ich höre lautes Gewieher und Schreie
Metall klirrt, Leder knarzt
Ich nähere mich dem Hindernis
Ich sehe Pferdekörper am Boden
Sie versuchen aufzustehen
Rollen über Reiter, kommen auf die Beine
Weichen den Leibern am Boden aus
Ich sehe, manche davon stehen auf
Manche bleiben liegen
Mein Hengst und ich bleiben ruhig
Die Unruhe um uns herum stört uns nicht
Er setzt elegant über das Hindernis
Geschickt springt er im Zickzack über die Pferde und Menschen am Boden
Er bleibt gelassen
Hat es schon oft getan und weiß wohin er seine Hufe setzen muss
Geschmeidig heben und senken diese sich
Er war ein Phänomen
Ich drehe mich um und sehe dass viele Reiter wieder auf ihren Pferden sitzen
Sie fangen an, sie in Richtung Ziel zu treiben
Nur ein Reiter bleibt liegen
Sein Pferd liegt daneben, schwer atmend
Ein Huf steht in einem komischen Winkel ab
Der Gedanke, los zu reiten und einen Arzt zu holen, kommt in meinen Kopf
Ich pariere mein Pferd zum Trab durch
Ich weiß, ich werde den Arzt nicht holen
Vielleicht tue ich es aus Rache
Als Strafe, dass sich damals niemand umgedreht hat
Viele sagen, hier endet das Rennen
Ich sage, hier fängt es an
Doch was das Ziel von diesem Rennen ist, weiß ich nicht
Ich sehe wie die letzten Reiter das Hindernis nicht überspringen
Auch sie beachten die Person nicht, die am Boden liegt
Ich halte an
Mein Pferd schnaubt
Ich frage mich, warum niemand etwas getan hatte
Damals
Niemand hatte sich um den leblosen Reiter und das schöne schwarze Pferd
gekümmert
Es hatte kläglich gewiehert
Und war verstummt - für immer
Ich hatte es gehört, doch konnte nichts tun
Damals
Ich bin der leblose Reiter gewesen
Damals, vor einem Jahr
MJ 23.06.99