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Nebel über Hogwarts

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Paranoia

Nebel über Hogwarts – Kapitel 57: Paranoia
 

Severus Snape leerte seinen Kessel mit einem Schnippen seines Zauberstabs und nahm neben Lily an dem alten Schultisch Platz, auf dem sie ihre Unterlagen ausgebreitet hatten. „Ich denke, das war der letzte, den du noch üben wolltest, oder?“

Lily nickte. „Ja. Ich fühle mich wunderbar auf meine UTZ-Prüfungen vorbereitet...“

Die Note von Unsicherheit in ihrer Stimme, die sich so sehr mit ihren zuversichtlichen Worten biss, ließ Severus für einen Moment auflachen, doch dann schlug er stattdessen sein Verteidigung gegen die Dunklen Künste-Buch auf. „Dann auf zum nächsten Fach, oder was denkst du?“

Anstatt sofort zu Feder und Pergament zu greifen, sah sie ihn an. „Wo wir von Verteidigung gegen die Dunklen Künste sprechen... du erinnerst dich noch daran, dass Gryffindor Ende März so viele Punkte verloren hatte, oder?“

Severus nickte, und auch wenn er sich ihr gegenüber redlich bemühte, er konnte einen Hauch von Zufriedenheit nicht aus seiner Stimme verbannen. „Natürlich. Wieso fragst du?“

Sie spielte mit dem Band, das sie als Lesezeichen in ihr Verteidigungsbuch gelegt hatte. „Ist dir aufgefallen, dass die Rumtreiber in der Nacht des Vollmonds erwischt worden sind?“

Severus hielt für einen Moment inne. Was Lily ihm sagte, war ihm nicht neu – durch seine Erfahrung vor einem Jahr vorsichtig geworden, beobachtete er den Mondkalender aus Prinzip, und ihr Gedanke war der erste gewesen, der ihm durch den Kopf geschossen war, als er von Gryffindors hohem Punkteverlust erfahren hatte. Aber was wollte sie damit sagen? „Ja“, entgegnete er schließlich vorsichtig, und sie runzelte die Stirn, weil sie wahrscheinlich eine entschiedenere Antwort von ihm erwartet hätte.

„Ich... meinst du, dass die Sache etwas mit Remus zu tun hat?“

Severus nickte langsam. „Ich bin mir sogar sehr sicher, dass sie das hat – aber wie, das kann ich mir nicht erklären, genauso wenig wie ich weiß, was sie glauben, für ihn tun zu können, indem sie sich an Vollmond auf die Ländereien schleichen. Ich meine... es ist nicht so, als würde Lupin sie verwandelt erkennen, oder weniger gefährlich für sie sein.“

Lily runzelte die Stirn. „Ja... du hast Recht. War nur so ein Gedanke.“

Für einen Moment fragte Severus sich, ob sie damit vielleicht auf einer Spur war, die ihm entgangen war, schüttelte dann aber den Kopf. Eigentlich... eigentlich konnte er seine Aufmerksamkeit nun wichtigeren Dingen zuwenden als seinen Streitereien mit den Rumtreibern, der permanenten Frage, was sie als nächstes sagen oder tun würden oder ob sie eine Möglichkeit hatten, seine Bewegungen zu überwachen. In den letzten Wochen, seit er über Lily von ihrem Waffenstillstand erfahren hatte, war nichts passiert außer der gelegentliche hämische Kommentar, allerdings nicht direkt an ihn gerichtet, sondern leise zwischen den Freunden geteilt – und damit konnte er leben. Zumindest theoretisch.

Ihm war egal, was dieser räudige Haufen Gryffindors von ihm dachte, und ihre Meinung über ihn kümmerte er ihn grundsätzlich nicht mehr als die Rumtreiber seine über sie, aber ein Aspekt der Situation bereitete ihm Sorgen. In den letzten Wochen, seit Potters Eltern gestorben waren, hatte er bemerkt, dass Lily sich... anders verhielt. Sie schien weniger bereit, über den verdammten Gryffindor zu schimpfen, und gelegentlich sah er sogar, wie sie ein paar Worte mit ihm wechselte – ob im Unterricht oder bei den Mahlzeiten – ohne auszusehen, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte oder gerade von Professor Binns gelangweilt würde.

Obwohl sein Verstand sagte, dass er sich dumm und irrational verhielt – dass Jahre der Freundschaft nicht von ein paar belanglosen Worten Smalltalk aufgewogen werden konnten – spürte er, wie die Eifersucht sich in ihm regte. Ja, James Potter bedrohte und erniedrigte ihn nicht mehr bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, doch der letzte Vorfall war gerade ein paar Monate her, und er konnte nicht so schnell vergessen, was er und seine Freunde ihm angetan hatten. Dass Lily dazu offensichtlich in der Lage war, manchmal sogar über eine seiner Geschichten ein wenig grinsen konnte, sorgte jedes Mal, wenn er sie dabei beobachtete, dafür, dass er die Zähne zusammenbiss und seine Finger sich wie durch einen eigenen Willen zur Faust ballten.

Hatte sie tatsächlich so schnell vergessen, was passiert war, und begann, Potter seiner Gesellschaft vorzuziehen? Der Gedanke tat weh, und so sehr er sich auch einzureden versuchte, dass er absurd war und dass Lily mit ihm befreundet war, nicht mit diesem Gryffindor'schen Schleimbeutel, die letzten Zweifel blieben, versteckten sich in den Ritzen seines Geistes, nur um bei jeder Gelegenheit hervorzukriechen. Und irgendwie... irgendwie musste er herausfinden, was sie dachte – oder es würde ihn verrückt machen.

„Wo wir gerade von Potter und seinen Freunden sprechen...“, begann er langsam, und Lily, die den Kopf bereits wieder über ihre Unterlagen gesenkt hatte, blickte überrascht auf.

„Ja? Was ist mit ihm?“

Die unschuldige Überraschung in ihren grünen Augen trug dazu bei, seine Bedenken zu mildern, und so klang er nicht ganz so anklagend, nicht ganz so verletzt, als er schließlich fortfuhr – doch ganz gelang es ihm nicht, die beiden Gefühle aus seinen Worten zu verbannen. „Du hast in letzter Zeit ziemlich viel mit ihm geredet.“

Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Habe ich? Ist mir nicht wirklich aufgefallen...“

Der Beweis ihrer Gedankenlosigkeit brachte die Wut zurück, die er so verzweifelt unterdrückt hatte. „Nicht?“

Die Schärfe in seiner Stimme überraschte sie ganz offensichtlich, und ihre Miene verfinsterte sich noch mehr, als sie schließlich ihre Feder weglegte und ihr Buch zur Seite schob. „Nein. Und selbst wenn... er hat seine Eltern verloren, und ich war durch Zufall die erste, die deswegen mit ihm gesprochen hat. Warum sollte ich nicht mit ihm reden? Nachsehen, ob es ihm gut geht?“

Severus schnaubte. „Du scheinst dich ja seit Neuestem sehr für seine Angelegenheiten zu interessieren.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Warum sollte ich nicht? Er ist mein Klassen- und mein Hauskollege, und jetzt, wo er sich nicht mehr benimmt wie der größte Idiot auf Erden, muss ich auch keine zehn Meter Sicherheitsabstand mehr einhalten, damit er mir nicht auf die Nerven geht. Und wenn man den ganzen Abend im selben Gemeinschaftsraum sitzt, dann ist es manchmal nicht zu vermeiden, miteinander zu reden.“

Trotz ihres Versuchs, unbeteiligt und beiläufig zu klingen, spürte er, dass mehr hinter ihren Worten steckte, als sie sagen wollte – und er schluckte. Ein Teil von ihm wollte nach vorne stürmen, wollte ihr sagen, was er von ihrem Verhalten hielt, dass er sich verraten und verkauft fühlte, wenn es ihr so einfach gelang, zu vergessen, was James Potter ihm in den letzten Jahren angetan und wie er sich auch ihr gegenüber verhalten hatte. Aber ihre Diskussion klang schon wieder viel zu sehr nach einem Streit, als dass er wirklich riskieren wollte, dass sie wieder einmal nicht mit ihm redete – vor allem jetzt, so kurz vor dem Ende des Schuljahres, wo sie nur noch so wenig Zeit miteinander hatten, bevor... er schüttelte leicht den Kopf.

„Severus?“ Ihre großen, grünen Augen blickten hinauf zu ihm, dann stand sie auf und trat um den Tisch herum auf ihn zu. „Mir ist jetzt klar, wie kindisch ich – und wir alle – uns verhalten haben.“ Severus spürte, wie seine Zähne knirschten, als er hörte, wie sie Jahre des Leidens und des Mobbings als kindisch bezeichnete. „Wir haben nur noch ein paar Monate hier, und die will ich nicht mit Streiten verbringen. Lass uns einfach versuchen, erwachsen an die Sache heranzugehen und miteinander klarzukommen, ja?“

Im Moment hatte Severus kein großes Verlangen, sich vernünftig zu benehmen – eher wollte er irgendetwas an die nächstbeste Wand werfen, vor allem, weil er das Gefühl hatte, dass Lily hinter ihrer zumindest vordergründig logischen Begründung etwas versteckte. Er kannte sie gut – sehr gut – und hatte in Slytherin gelernt, Menschen zu lesen... irgendetwas war da, das sie ihm nicht sagte. Ob sie das nicht tat, weil er es nicht erfahren sollte, oder nicht doch, weil sie es sich selbst noch nicht ganz klar gemacht hatte, wusste er hingegen nicht... Er würde wachsam bleiben müssen, und sie vielleicht später darauf ansprechen – aber nicht heute. Heute war ein Tag, an dem er seine Frustration und seine Wut auf sie erst einmal schlucken würde, um nicht genau das kaputt zu machen, das seine Eifersucht zu verteidigen versuchte.

Ihr Abend gemeinsam endete bald darauf, noch immer angespannt, aber trotzdem mit einem Lächeln und dem Versprechen, sich bald zu treffen, um wieder gemeinsam zu lernen, und Severus machte sich auf den Weg zurück in den Slytherin-Gemeinschaftsraum. Jetzt, wo die Prüfungen immer näher rückten, waren die hohen Lehnstühle voll besetzt und die Tische überladen mit Büchern, Aufsätzen und Pergamentrollen, und Severus sah sich für einen Moment um. Die Versuchung, sich in seinen eigenen Schlafsaal zurückzuziehen und dort vielleicht ein bisschen Ruhe zu finden, bevor seine Kollegen ins Bett gingen, war verführerisch, aber schließlich schüttelte er den Kopf.

Alleine würde er nicht lernen, sondern nur wieder und wieder und wieder sein Gespräch mit Lily in seinem Kopf abspielen, jedes einzelne Wort tausend mal analysieren und auf seine Bedeutung prüfen, bis er sich schließlich auf nichts mehr konzentrieren konnte, und schon gar nicht auf seinen Aufsatz für Professor Lovejoy. Nein, es wäre besser, wenn er sich hier einen Platz suchte – in der Gesellschaft seiner Kollegen konnte er sich keine Geistesabwesenheit erlauben, musste klar und fokussiert bleiben, und der Druck von außen würde ihm helfen, nicht zu Gedanken an Lily abzudriften.

Er packte seine Tasche fester und schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch, bis Nathan Devers ihn entdeckte und auf den freien Platz neben ihm deutete – der Vertrauensschüler war nach den Ereignissen zu Beginn des Schuljahres noch immer so etwas wie ein Paria unter seinen Kollegen, auch wenn er nicht offen angefeindet wurde. Severus nahm die Einladung an – nicht einmal Regulus Black wagte es im Moment, sich ihm zu widersetzen, und viele andere Optionen hatte er nicht, wenn er im Gemeinschaftsraum bleiben wollte - und nickte dem anderen Jungen kurz zu, dann packte er schweigend seine Sachen aus.

Das Gemurmel des Gemeinschaftsraum um ihn herum half ihm, seine Gedanken wieder auf den richtigen Pfad – der mit seinen Hausaufgaben zu tun hatte! – zurückzurufen, wenn sie abzudriften drohten, indem sie ihn daran erinnerten, wo er war und was er hier tun wollte, und seine Arbeit ging gut voran. Was auch immer er über Devers dachte, er konnte nicht leugnen, dass er ein weniger ablenkender Gefährte war, um mit ihm zu lernen, als Lily, zu der sein Blick doch wieder und wieder hinwanderte, und manchmal auch an ihr hängen blieb... na gut, vielleicht ein wenig öfter als manchmal.

Gerade, als er sich bewusst wurde, dass sie es wieder geschafft hatte, sich in seinen Kopf zu schleichen, auch wenn er das gar nicht wollte, und er sich zur Ordnung rief, hörte er eine Stimme über jener der anderen Slytherins, die ihn erstarren ließ und seine Sinne schärfte. „Und was soll ich dagegen tun, Lestrange?“

Regulus Black musste mit seinen Freunden ganz in der Nähe sitzen, damit seine Worte so deutlich und klar zu Severus dringen konnten – und das wahrscheinlich, ohne ihn zu bemerken! Auch Devers hatte ihn ganz offensichtlich gehört, doch im Gegensatz zu Severus' fast erschrockener Aufmerksamkeit wirkte der Vertrauensschüler eher gelangweilt und zuckte nur kurz mit den Schultern, bevor er sich wieder seinem Aufsatz zuwandte.

Leider schien das Grüppchen um Regulus auch bemerkt zu haben, dass sie nicht alleine waren, und Severus verstand nicht mehr als leises Gemurmel – aber seine Neugier war geweckt, gemeinsam mit seinem Wunsch, sich von seinem schrecklichen Gespräch mit Lily abzulenken, und er zog im Schutze seiner Rückenlehne seinen Zauberstab. Eine kurze Bewegung, und das Gespräch hinter ihm war wieder mit bedrückender Klarheit zu hören, während die anderen Geräusche des Gemeinschaftsraums fast zur Stille verblasst waren.

„Denkst du etwa, dass ich paranoid bin, verdammt?“ Die Spur von Verzweiflung in Blacks Stimme ließ Severus aufhorchen.

„Das nicht – ich höre doch auch ab und zu Schritte hinter uns. Aber das Schloss ist groß, und dass irgendjemand hinter uns unterwegs ist, könnte auch Zufall sein.“ Rabastan Lestrange klang so, als ob er seinen Freund beruhigen wollte, ohne ihn zu beleidigen, und ohne das diplomatische Geschick, um es so recht zu schaffen.

„Aber seit einem halben Jahr, immer wieder? Das wäre zu viel Zufall auf einmal!“

Severus runzelte die Stirn – Black klang ernsthaft besorgt und frustriert, und Severus konnte es ihm nachfühlen. Dass es den Rumtreibern so oft gelang, ihn aufzuspüren, hatte in den letzten Jahren auch an seinen Nerven genagt, weil er ständig Angst haben und sich niemals sicher fühlen konnte... aber wenn Regulus nur Schritte hörte?

Ein Umhang raschelte hinter ihm. „Kann schon sein. Aber wer würde sich die Mühe machen, dir ein halbes Jahr zu folgen, ohne irgendetwas zu tun? Das wird doch auch irgendwann langweilig.“

Regulus gab einen Laut von sich, der nach einem Widerspruch klang, für den er keine Worte finden konnte. „Was auch immer es ist – ich muss es finden. Wenn es meinen Chancen beim Dunklen Lord schadet...“



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