Das Leben danach von KenIchijoji ================================================================================ Kapitel 90: Dunkelheit und Verzweiflung, Teil 1 ----------------------------------------------- Unbekannte Zeit Unbekannter Ort   Kari hatte die ganze Zeit über ihrem Körper gehangen, während Masao versucht hatte sie wieder ins Leben zu holen und als sie am Monitor sah, dass ihr Herz wieder schlug, blieb sie jedoch in dieser geistähnlichen Form und sah noch, wie ihr Körper weggetragen wurde, bevor um sie herum plötzlich erst alles dunkel und dann sehr, sehr hell wurde. Sie fand sich auf einer Lichtung wieder, auf der eine Art Tempel stand und aus irgendeinem Grund erinnerte sie dieser Ort an etwas Bekanntes. Sie zuckte zusammen, als sie eine Stimme hörte, erst fern, dann immer näher, ehe sie den Sprecher vor sich sah. „Auserwählte des Lichtes, ich hätte nicht erwartet, dass ich dich in so jungen Jahren bereits hier begrüßen müsste.“ Vor ihr schwebte Azulongmon, der göttliche, blaue Drache der östlichen Digiwelt und Kari sah ihn verwirrt an. „Kommen alle Digiritter hierher, wenn sie tot sind?“ Das Digimon sah sie an und negierte dies. „Du bist nicht tot, zumindest noch nicht…, dein Körper wird in der realen Welt von technischen Gerätschaften am Leben gehalten, doch er ist leer, denn das, was dich ausmacht, deine Seele, die ist hier bei mir. Noch hast du die Wahl wieder zurückzukehren und…“, doch weiter kam er nicht, denn Kari sagte ziemlich laut und bestimmt: „NEIN! Nein, ich gehe nicht zurück. Ich bringe nur Unglück über alle Menschen, die mit mir zu tun haben. Mein Licht ist erloschen, klar tut es jetzt weh, aber sie werden mich vergessen und können dann endlich wieder frei sein!“ Azulongmon war betrübt über Karis Worte, liebte sie sich selbst denn wirklich so wenig? War ihr das eigene Leben wirklich nicht kostbar genug darum zu kämpfen? Er sah sie an. „Hikari Yagami, Auserwählte des Lichts, sieben Tage wurden dir von den Göttern dieser Welt geschenkt, für all das Licht, das du in unsere Welt gebracht hast, um deine Entscheidung zu überdenken. Sieben Tage ist dein Körper in der Lage, ohne deine Seele zu existieren, doch solltest du auch danach nicht zurückwollen, so wirst du deine sterbliche Hülle für immer hinter dir lassen und in die nächste Welt übergehen. Doch nun lass mich dir etwas zeigen.“ Azulongmon ließ eine seiner Kugeln herabschweben, die, sobald Kari sie berührt hatte, immer klarer wurde, wie eine Kristallkugel, und er zeigte ihr nacheinander, was Mimi, Masao, T.K., Tai und Aiko an diesem Dienstag besprochen und erlebt hatten. Danach sah Azulongmon sie wieder an. „Das ist der Stand, wie er jetzt ist… und dein Tod hätte Auswirkungen auf das Leben all dieser Menschen, insbesondere aber auf das des Auserwählten der Hoffnung, denn wie die Prophezeiung es bereits vorhergesagt hat, wird, wenn sich Licht in Dunkelheit wandelt, auch Hoffnung in Verzweiflung enden. Und nun schau, wie diese Zukunft ohne dich aussehen könnte.“ Und damit versank Kari in einem hellen Licht und bekam nach und nach Szenen aus der Zeit gezeigt, wie sie nach ihrem Ableben aussehen würde, quasi eine alternative Zukunft.   ~ Start der alternativen Zukunft ~   Der siebte Tag nach dem Suizid, Kari stirbt   Eine Woche nach der Tragödie kam morgens der Anruf von Masao, dass Kari es nicht geschafft hatte, dass man ihre Gehirnströme gemessen hatte und sie den Hirntod feststellen mussten. Er hatte allen die Möglichkeit eingeräumt sich noch von Kari zu verabschieden, bevor sie die Maschinen endgültig abstellen würden. Unter Tränen warf sich Mimi ihrem Ehemann in die Arme und schluchzte, Kari hatte ihr zwar nicht so nah gestanden wie den anderen, aber sie wusste auch, dass das für T.K. und auch Aiko ein absolutes Desaster sein würde. „Das war Masao… Kari hat es nicht geschafft…, ihr Gehirn arbeitet nicht mehr, sie lebt nur noch durch die Maschinen…, wir können uns noch von ihr verabschieden, wenn wir wollen. Heute Nachmittag werden die Maschinen abgeschaltet…, wie soll man das denn bitte Aiko beibringen… und ich mache mir solche Sorgen um T.K…“   Bis zuletzt hatte Tai jeden Tag gehofft, dass sie den Anruf bekommen würden, dass Kari endlich wieder aufgewacht wäre, doch als an diesem Morgen ein Anruf kam, war der alles andere als positiv. Als Mimi sich heulend in seine Arme warf und ihm offenbarte, dass seine Schwester nun wirklich tot war, liefen auch ihm die Tränen, zwar stumm, aber sie liefen und er zog Mimi eng an sich. Er hätte niemals gedacht so früh seine Schwester zu verlieren, bis zuletzt hatte er gehofft, dass sie es doch noch schaffen würde..., aber das jetzt brach ihm das Herz. Also hielt er Mimi einfach im Arm und versuchte ihr, so gut es eben ging, Trost zu spenden, auch wenn das gerade fast ans Unmögliche grenzte.   T.K. hatte seit der Tragödie jeden Tag an ihrem Bett gesessen und war nur heimgefahren, um zu duschen und sich umzuziehen, ansonsten verbrachte er die ganze Zeit an ihrem Bett. Als ihm an diesem Morgen nun offenbart wurde, dass Kari es nicht geschafft hatte und nur noch von den Maschinen am Leben gehalten wurde, da konnte er nicht beschreiben wie er sich fühlte, es war, als wäre in ihm plötzlich alles tot. Jegliche Hoffnung, die er in sich getragen hatte..., sie war fort, weg, für immer. Wie sollte er denn ohne sie weiterleben? Wie sollte er seiner Tochter erklären, dass ihre Mama nicht mehr wiederkommen würde? Und das Schlimmste war, dass er nicht bei ihr war, als ihr Gehirn aufgehört hatte zu arbeiten, denn er war daheim gewesen und hatte gedacht, dass alles gut wäre, nicht ahnend, dass seine Familie so auseinanderbrechen würde. Immer noch saß er hier und hielt ihre Hand, auch wenn er wusste, dass sie eigentlich gar nicht mehr da war.  „Wieso nur…, ich verstehe es einfach nicht…, wie du einfach gehen konntest und mich hier alleine lässt…, es tut mir leid..., auch wenn du das hier nie hören wirst…, es tut mir leid, dass ich versagt habe…. Dass ich nicht in der Lage war der Mann zu sein, den du gebraucht hättest..., der Mann zu sein, der dir die Liebe geben konnte, die du gebraucht hättest…, lieber wünschte ich, ich wäre an deiner Stelle gestorben… Ich habe dir jeden Fehler verziehen, den du je gemacht hast..., ich würde alles dafür geben, noch einmal deine Stimme hören zu können..., noch einmal zu hören, dass du mir sagst, dass du mich liebst…“, zitternd hielt er ihre Hand umklammert und die Tränen liefen unaufhörlich über seine Wangen. Die Realität hatte ihn bitter getroffen, denn die Frau, die er schon sein ganzes Leben lang liebte, sie war einfach nicht mehr da und der Schmerz schnürte ihm fast die Luft ab, sodass er anfing sich in einer heftigen Panikattacke zu verlieren.   Masao hatte diese Nachricht nur schwer überbringen können und auch selbst hatte nur schwer akzeptieren können, dass sie jetzt wirklich tot war und nachmittags die Geräte abgeschaltet werden würden. Er saß in seinem Büro auf dem Sofa und die Tränen liefen ihm nur so über die Wangen, niemals war ihm etwas wie das hier so nah gegangen. So lange hatte er gekämpft für Kari, alles daran gesetzt das mit ihr zu schaffen… und nun war sie tot, weil er sie nicht hatte retten können. Er weinte bitterlich und schluchzte immer mal wieder auf, er war so davon überzeugt gewesen, das mit ihr zu schaffen und sie waren doch auf so einem guten Weg gewesen, doch das alles war jetzt zerstört. Mit tränenerstickter Stimme sah er auf ein Foto von Kari und ihrer Familie, was er für sie aufbewahrt hatte, bis sie es wieder in ihr Zimmer hätte nehmen können. „Es tut mir so leid, dass ich es nicht geschafft habe dich zu retten..., dass ich so viele Dinge nicht gesehen habe, die ich hätte sehen müssen…, ich habe dich mit den harten Worten niemals in den Selbstmord treiben wollen...“ Auf dem Tisch lag seine Kündigung, die er nur noch unterschreiben musste, hiernach konnte er nicht weiter als Arzt oder Therapeut arbeiten, denn er sollte Menschen retten, doch stattdessen hatte er zugelassen, dass Kari gestorben war und das konnte er sich nicht verzeihen, nie und nimmer.   Tai so weinen zu sehen brach Mimi wirklich das Herz, bis zum Schluss hatten sie noch gedacht, dass alles gut werden würde, Karis Werte hatten sich sogar leicht verbessert, das hatte Masao ihnen doch noch gesagt gehabt am Abend zuvor und jetzt das…, es war nicht mit Worten zu beschreiben, wie sehr sie das traf. Klar war sie sauer auf Kari gewesen, aber sie hatte doch nie und nimmer gewollt, dass sie wirklich starb. Eine Weile hielten sich Tai und Mimi nur in den Armen, bis sie sich irgendwann beruhigt hatte und sich von ihm löste. Unter Tränen sagte sie: „Liebling, wir müssen meine Eltern anrufen, damit sie wegen der Kinder herkommen und dann ins Krankenhaus fahren. T.K. braucht uns… und Masao sicher auch.“ Auch wenn sie selbst trauerte, sie wusste, dass es da einen Menschen gab, der sie jetzt brauchte. Sie verfluchte sich innerlich genauso dafür, dass sie Kari nicht hatten retten können, wie es vermutlich Masao tat. Als eine halbe Stunde später Mimis Eltern da waren, setzte sie sich mit Tai ins Taxi zum Krankenhaus, sie traute keinem von ihnen beiden zu, jetzt unfallfrei in der Klinik anzukommen. Was sie dort erwartete, das war einfach nur ein Anblick der Trauer. Sie war zuerst zu Masao gegangen und ihn so zu sehen, weinend und verzweifelt, das zerriss Mimi das Herz. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, schloss sie die Tür hinter sich und ging zu ihm, um ihn fest in den Arm zu nehmen. „Ich weiß genau, was du denkst“, sagte sie selbst unter Tränen, nachdem sie ihm eine Weile versucht hatte, Trost zu spenden. „Du denkst, dass es deine Schuld ist, aber das ist es nicht, nicht alleine. Ich habe das auch nicht kommen sehen… Wenn ich irgendwas tun kann für dich, dann sag es mir bitte, ja?“ Sie wusste, dass Masao irgendwann wieder im Leben ankommen würde, aber jetzt saß vor ihr ein gebrochener Mann… Masao, der sonst immer so stark und voller Energie gewesen war, ein Wrack. „Ich gehe schon mal zu Kari, wir sehen uns gleich, ja?“, sagte sie schließlich, nachdem sie das Gefühl hatte, dass er sich einigermaßen gefasst hatte, doch dass er seinen Job an den Nagel hängen würde, ahnte Mimi zu diesem Zeitpunkt noch nicht.   Der Anblick von T.K. war für sie fast nicht zu ertragen, es war, als wäre T.K. mit Kari zusammen gestorben und Mimi wusste, dass er so nicht für Aiko sorgen können würde, aber das traute sie sich jetzt noch nicht auszusprechen. Sanft legte sie T.K. eine Hand auf die Schulter und drückte diese kurz. „Mein Beileid, T.K., wir alle hatten gehofft, dass es nicht so enden würde…, es tut mir so leid, dass wir nicht mehr tun konnten. Ich bin für dich da, okay? Ich weiß, es gibt im Moment keine Worte des Trostes, die nur ansatzweise angemessen wären, aber ich höre dir zu, wenn du deine Gedanken teilen möchtest.“ Mehr konnte sie nicht tun, also ließ sie seine Schulter los. Sie ging mit Tai auf die andere Seite des Bettes und drückte noch einmal Karis Hand. Sie sah aus, als würde sie schlafen, aber das Leben hatte sie längst verlassen und noch immer erinnerten die dicken, wütend roten Narben auf ihrem Arm daran, was sich hier vor einer Woche ereignet hatte. Mimi war nicht gehässig, aber sie hoffte, dass die Schwester zum Schutz aller Patienten vom Dienst suspendiert wurde und ein Beschäftigungsverbot erhielt. Am Nachmittag kam Masao und schaltete schweren Herzens die Maschinen ab. Als die Nulllinie über den Monitor flimmerte, begann Mimi wieder zu schluchzen und mit ihr auch Tai, T.K. und Masao, es war einfach zu viel für alle und da war noch die kleine Aiko, die immer noch darauf wartete, dass ihre Mama wieder nach Hause kommen würde.   Eine Woche später, Karis Beerdigung   Bis zur Beerdigung war vieles vorzubereiten und daher hatten Mimi und Tai ihrem Schwager in spe angeboten, Aiko weiterhin bei sich zu lassen, auch, damit sie nicht mitbekam, dass ihr Papa so traurig war, denn noch hatte niemand die passenden Worte gefunden, um der Kleinen das irgendwie klar zu machen. Mimi war geschockt gewesen, als Masao sie zwei Tage nach Karis Tod angerufen hatte um ihr mitzuteilen, dass er gekündigt hatte, das kam absolut unerwartet für sie, aber sie konnte es ihm nicht verdenken, vermutlich hätte sie an seiner Stelle genauso gehandelt. Die Beerdigung wurde im allerkleinsten Familienkreis abgehalten und passenderweise regnete es den ganzen Tag in Strömen, wie Mimi makaber feststellen musste. Anschließend nahmen sie T.K. noch mit zu sich nach Hause, wo er seine kleine Tochter in die Arme schließen konnte, doch irgendwie hatte Mimi ein ungutes Gefühl, als sie ihn mit ihr aus der Tür gehen sah. Sie schaute zu Tai und sagte ohne Vorwarnung: „Ich habe gerade das Gefühl, als hätte ich den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen.“   Letztlich war das Schlimmste eingetreten, was hätte eintreten können und keiner der Beteiligten konnte es mehr leugnen, Kari war weg, endgültig, für immer und niemand konnte sie wieder zurückholen. Als nachmittags die Geräte abgeschaltet wurden, flossen bei allen Beteiligten die Tränen, denn nun gab es definitiv kein Zurück mehr. Sie hatten mit T.K. ausgemacht, Aiko bis zur Beerdigung bei sich zu halten, denn er würde genug zu tun haben. Und irgendwie schafften sie es auch die Woche über für die Kinder die Normalität beizubehalten und am Tag der Beerdigung hatten sich Mimis Eltern bereit erklärt auf die Kinder aufzupassen. Während der Beerdigung sagte auch niemand ein Wort, denn es gab auch keine Worte für das, was passiert war, es war einfach nur schrecklich. Nach der Beisetzung geriet nun auch Tai in eine Auseinandersetzung mit seinen Eltern, die ihm die Schuld dafür gaben, dass Kari jetzt nicht mehr am Leben war, was mit einer Schlägerei zwischen ihm und seinen Vater geendet wäre, hätte Mimi sich nicht eingemischt.   Für T.K. waren die Tage unerträglich gewesen, diese Beerdigung zu planen kostete ihn jede Kraft, die er noch hatte und jeden Abend hatte er seinen Kummer in Alkohol ertränkt, weil er anders nicht damit fertigwurde. Das Gute, was in ihm war fing an immer weniger zu werden. Schließlich war der Tag der Beerdigung gekommen und T.K.s Herz war einfach nur noch dunkel und leer, jegliche Lebensfreude war aus ihm gewichen, er funktionierte nur noch, vor allem, weil er das auch für Aiko musste, sobald sie wieder zu Hause bei ihm war. So ertrug er diese Beerdigung also irgendwie so gut er konnte und kam anschließend noch mit zu Tai und Mimi, um Aiko abzuholen, die ihm auch in die Arme sprang. T.K. bedankte sich nur noch schnell bei Mimi und Tai und verschwand dann Richtung nach Hause mit der Kleinen auf dem Arm. Tai hatte einen Arm um Mimi gelegt und sah T.K. ebenfalls nach. „Wir sollten ihn im Auge behalten..., ich habe kein gutes Gefühl bei dem Ganzen, hast du seine glasigen Augen gesehen? Wir müssen achtsam sein und vielleicht Masao mit ins Boot holen.“   Eine Woche nach der Beerdigung   Tai und Mimi hatten es geschafft, für ihre Kinder alles so normal wie möglich zu gestalten und ihnen gesagt, dass ihre Tante jetzt oben im Himmel arbeiten würde, um auf alle aufzupassen und das hatten die Kinder Gott sei Dank auch so angenommen, sodass schon mal eine Last von ihren Schultern genommen wurde. Tai dachte oft an seine kleine Schwester und er vermisste sie auch unheimlich, er war nicht in der Lage, gemeinsame Bilder oder sonstige Erinnerungsstücke anzusehen. Leise seufzte er und murmelte: „Du fehlst mir, Kleines...“Aber er durfte sich da nicht zu sehr reinsteigern, schließlich hatte er seiner Familie gegenüber auch eine Verantwortung und der musste er auch nachkommen. Inzwischen war also Sonntag, sie hatten die erste Woche seit der Beerdigung überstanden und heute Masao zu sich geholt, um ihn von den Sorgen bezüglich T.K. und der Kleinen zu erzählen. Dieser sah das wohl ähnlich, denn er willigte ein mitzuhelfen, als es darum ging, T.K. im Auge zu behalten, zumindest so gut das eben möglich war.   T.K. versuchte die Tage irgendwie zu überleben, doch dass Aiko ihrer Mama äußerlich so ähnelte, machte es für ihn nicht besser. Das abendliche Besäufnis, wenn Aiko im Bett war, war für ihn schon ein fester Bestandteil geworden und so bemerkte er gar nicht, dass er anfing Trauer in Wut umzuwandeln. Er versuchte vor Aiko immer die Fassung zu wahren, aber das funktionierte nicht immer, von den anderen hatte er sich abgeschottet, er wollte niemanden hören oder sehen. Dieses Mal hatte er bereits morgens angefangen zu trinken und als Aiko kam und ihren Papa etwas fragen wollte, schnauzte er sie nur an, dass sie ihm aus den Augen gehen solle und so rannte das kleine Mädchen weinend in ihr Zimmer und heulte sich die Augen aus, doch ihrem Papa, dem war das egal, er wollte sie nicht sehen. Ihr Anblick erinnerte ihn zu sehr an die Frau, die ihn einfach alleine gelassen hatte und der Wunsch in ihm, endlich wieder bei ihr sein zu können wuchs immer mehr. Immer wieder hatte er Mimi abwimmeln können und entzog sich auch sonst jeglichen Kontakts zu anderen Menschen, sie sollten ihn einfach alle in Ruhe lassen, er würde das schon alleine hinbekommen.   Während alle im Krankenhaus waren und sich von Kari verabschiedeten, wusste Yamato noch gar nicht Bescheid. T.K. hatte gar keinen Kopf gehabt an seinen Bruder zu denken, wie auch schon am Tag des Suizids, dort hatte letztlich Masao ihn abends in T.K.s Auftrag darüber informiert, was Kari getan hatte. Die ganze Woche versuchte Matt seinem Partner so gut es ging den Rücken zu stärken, aber als er dann an diesem Abend nach Hause kam, musste auch Matt schlucken, denn so hatte er Masao noch nie gesehen. Zu hören, dass sie Kari verloren hatten, das traf ihn irgendwo auch, denn immerhin war sie quasi Teil der Familie gewesen, noch mehr aber erschütterte ihn Masaos Anblick und Matt versuchte alles, um ihn auf andere Gedanken zu bringen und ihm zuzuhören, wenn ihm nach Reden zumute war. Die Kündigung überraschte ihn wenig, er wusste, dass dieser Mann in seinem Beruf voll aufgegangen war und er sich niemals würde verzeihen können, dass es so ein unsägliches Ende mit Kari genommen hatte. An der Beerdigung nahm er auch Teil und bemerkte dort bereits, dass sein Bruder anders war und ein wenig Wut auf Kari keimte in ihm auf, aber er hielt sich zurück und half lieber Mimi dabei, Tai davon abzuhalten seinen Vater auch noch ins Grab zu befördern. Immerhin konnte er Masao so weit aufbauen, dass der nicht mehr den ganzen Tag wie ein Häufchen Elend durch die Gegend lief, was noch wichtig werden sollte, aber das ahnte Matt da noch nicht.   Nachdem Mimi und Tai die Kleine an T.K. übergeben hatten und Tai sie auf seine Augen ansprach, nickte Mimi leicht und schluckte. „Ja…, das habe ich auch bemerkt und das gefällt mir nicht. Hoffen wir, dass er sich wieder fängt, aber wir sollten Masao noch ein paar Tage geben, Matt hat ihn zwar aufgefangen, aber so leicht steckt er das glaube ich auch nicht weg.“ Sie war dankbar gewesen, dass Tai die richtigen Worte fand, um den Zwillingen zu erklären, dass ihre Tante nicht mehr da war und jetzt im Himmel auf die Leute aufpasste. Sie hoffte, dass T.K. für seine Tochter ähnlich schonende Worte gefunden hatte, doch sicher sein konnte sie sich da nicht, denn T.K. ignorierte seit Tagen sämtliche Nachrichten, Anrufe oder sonstige Bemühungen, mit ihm in Kontakt zu treten und schweren Herzens hatten sie sich entschieden, doch Masao anzurufen, der auch eingewilligt hatte, sich mit ihnen zu treffen. Sie war froh, dass es Tai mit einer gesunden Fassung trug, er trauerte zwar, aber auf eine vollkommen übliche Art und Weise und sie wusste auch, dass er sich nie so gehen lassen würde wie es T.K. scheinbar tat. Sie saßen auf dem Sofa, Masao ihnen gegenüber im Sessel, jeder mit einer Tasse Kaffee und Mimi begann zusammenzufassen, was ihnen bisher aufgefallen war. „T.K. geht uns komplett aus dem Weg, jede Frage zu Aiko blockt er ab und er hatte nach der Beerdigung richtig glasige Augen…, erinnere dich daran, was passiert ist, nachdem Kari ihn zum dritten Mal hatte sitzen lassen, der Unfall ist passiert, weil sich T.K. dazu entschieden hatte, seinen Kummer in Alkohol zu ertränken. Was, wenn er jetzt dauerhaft zu diesem Mittel greift? Wir beide wissen genau, dass T.K. durch die ganze Beziehung mit Kari ziemlich kaputt ist und ich will Aiko ersparen, dass sie auch noch mitansehen muss, wie ihr Vater zugrunde geht. Schlimm genug, dass sie ihre Mutter verloren hat… Was würdest du vorschlagen? Ich glaube zwar eigentlich nicht, dass T.K. seine Wut an der Kleinen auslässt…, aber andererseits ist sie Kari wie aus dem Gesicht geschnitten, zumindest wie Kari als Kind aussah. Ich habe einfach so ein ungutes Gefühl, wir müssen irgendetwas tun…“ Zu dem Zeitpunkt ahnte Mimi noch nicht, dass T.K. bereits dabei war seinen Frust an Aiko auszulassen, aktuell noch verbal, aber wer wusste schon, wann ihm dann doch mal die Hand ausrutschte in seinem Suff?   Zwei Wochen nach der Beerdigung   T.K. rutschte immer mehr in eine Richtung ab, die ihn weiter auf den Abgrund zutrieb, er wurde immer frustrierter, griff mittlerweile auch schon zu härterem Alkohol und das bereits schon morgens. Dass er seine Tochter dabei immer mehr durch die Hölle gehen ließ, das bemerkte er gar nicht, zwar hatte er auch klare Momente, in denen er Aiko Liebe geben konnte und ihr ein guter Vater war, aber die wurden immer weniger. Er schrie sie oft für Kleinigkeiten an und ignorierte es, wenn sie schrie oder weinte, er kümmerte sich schlichtweg nicht darum, sollte sie doch alleine damit fertig werden. In seinen Augen war sie genauso wie ihre Mutter, immer nur dabei nach Aufmerksamkeit zu suchen, ohne etwas als Gegenleistung zu geben und darauf hatte er keine Lust. Inzwischen war es wieder Wochenende und abends, als Aiko versehentlich ein Pipiunfall passiert war und das brachte T.K. so in Rage, dass er das erste Mal die Hand gegen seine Tochter erhob und dabei alles andere als zimperlich war. Er ließ sie letztlich heulend und schreiend im Bad einfach liegen, während er sich wieder dem Alkohol widmete.   Eine Woche nach der Beerdigung saß Tai mit Mimi und Masao zusammen und besprach sich darüber, wie es weitergehen könnte und auch was ihre Sorge bezüglich T.K. betraf. Masao hörte sich an, was Mimi schilderte und seufzte tief. „Ich habe ehrlich gesagt schon bei der Beerdigung auch ein ungutes Gefühl gehabt. Das Problem ist, Aiko sieht ihrer Mama immer ähnlicher und das könnte ihr zum Verhängnis werden, wenn T.K. sich nicht im Griff hat. Ich denke, dass er schon auf der Beerdigung unter Alkoholeinfluss stand, er ignoriert auch seinen Bruder, nicht nur euch, er hat sich komplett von der Umwelt abgekapselt und ich denke, dass wir jetzt an einem Punkt sind, wo wir uns an das Jugendamt wenden müssen, um irgendwie Zugang zu bekomme, denn sein Verhalten ist für mich alarmierend. Glauben will ich auch nicht, dass er die Kontrolle verlieren könnte, aber wir dürfen uns darauf nicht verlassen…, wir haben auch nie geglaubt, dass Kari sich wirklich umbringt…, vielleicht können wir wenigstens dieses Mal schlimmeres verhindern.“ Als sie besprochen hatten, was sie tun würden, hatte Masao sich verabschiedet und am nächsten Morgen direkt an das Jugendamt gewandt. Dort schilderte er die Sachlage und die Tage danach hatten Matt und er immer wieder versucht, irgendwie einen Kontakt zu T.K. herzustellen, was aber scheiterte. Masao seufzte am Ende der Woche einfach nur noch resigniert. „Matt, das ist gar nicht gut…, ich mache mir schreckliche Sorgen um Aiko..., ich glaube, dass dein Bruder wieder zum Alkohol gegriffen hat und deswegen jeglichen Kontakt abblockt…, das heißt absolut nichts Gutes. Wir konnten Kari nicht retten…, aber wir haben die Chance, Aiko zu retten..., auch wenn das bedeutet, dass wir gegen deinen Bruder arbeiten müssen…, aber oberste Priorität hat jetzt Aikos Sicherheit und Wohlbefinden.“   Tai und Mimi hatten in der Zwischenzeit alle Hände voll damit zu tun, das Familienleben so normal wie möglich weiterzuführen und ihren Kindern zu vermitteln, dass alles wie immer war. Auf Masaos Vorschlag am vergangenen Sonntag waren sie eingegangen, es ging hier um Aiko und da mussten sie alles in ihrer Macht Stehende tun. Abends lag er jetzt nun Ende der zweiten Woche seit der Beerdigung mit Mimi im Bett und hielt sie im Arm. „Ich hoffe wir bekommen das irgendwie hin..., auch wenn es heißt, dass wir ihm Aiko wegnehmen müssen, aber ihre Sicherheit ist für mich das oberste Gebot..., ich hoffe einfach, dass er sich gefangen hat und im Sinne von Aiko handelt.“ Er seufzte. „Aber ich mache mir furchtbare Sorgen um die Kleine, zumal wir T.K. ums Verrecken nicht erreichen können. Ich hoffe Masao kann beim Jugendamt endlich irgendwas bewirken.“ Tai sorgte sich fürchterlich um Aiko, doch dass ihre Sorgen ganz und gar nicht unberechtigt blieben, das ahnten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)