Das Leben danach von KenIchijoji ================================================================================ Kapitel 30: Takerus Verzweiflung -------------------------------- Kurz nach der Geburt hatte Mimi ihre schriftliche Abschlussarbeit eingereicht und musste jetzt noch als letzte Prüfung erneut eine Therapie durchführen und dokumentieren. Sie hatte ihre Stelle beim Sportbund gekündigt und arbeitete jetzt in einem Therapiezentrum, würde natürlich aber nach diesem einen Patienten erst einmal weiterhin in Elternzeit bleiben und höchstens mal von zu Hause aus arbeiten. Heute passte Taichi auf die Kinder auf und Mimi hatte sich mit ihrer Kollegin getroffen, die für sie eine Vorauswahl der Fälle getroffen hatte. So saß Mimi nun am Schreibtisch und blätterte die Akten durch, aber irgendwie sprach sie kein Fall so richtig für ihre Dokumentation an, bis sie die vorletzte Mappe in die Hand nahm und öffnete. Es war gut, dass sie alleine war, denn die Akte hatte fast wieder den Boden geküsst. Vom Deckblatt blickte ihr das Profil von Takeru entgegen und sie stutzte, wurde neugierig und blätterte durch. Was beschrieben wurde bereitete Mimi Sorgen. Die Vortests ließen auf Burn-Out, beginnende Depressionen, generelle Überlastung, emotionale Instabilität und einen beginnenden psychischen Breakdown schließen. Mimi hatte irgendwie das komische Gefühl, dass Takerus Verfassung auch mit seiner Verlobten und deren Verhalten zusammenhing und das galt es nun herauszufinden. Sie teilte ihrer Kollegin mit, dass sie gerne den Fall von Takeru Takaishi übernehmen würde und las sich ein wenig in die Akte ein. Zwei Tage später hatte sie Tai noch einmal mit den Kindern allein gelassen, um zur Arbeit zu fahren. Heute würde Takeru das erste Mal bei ihr in die Sitzung kommen und sie war gespannt, ob er mit ihr reden würde, immerhin wollte Mimi nur ihren Job machen und mit dem Blonden hatte sie ja eigentlich auch nie Probleme gehabt. Sie öffnete also um 15 Uhr die Türe und sah Takeru entgegen.   Nach Hikas letztem Breakdown war alles ein einziges Auf und Ab, sie hatte zwischendurch regelrechte Wutanfälle, die er mehr als nur zu spüren bekam, er hatte das Gefühl, er redete nur noch gegen eine Wand. Zwar entschuldigte sie sich am Ende immer wieder unter Tränen, aber trotzdem belastete ihn das alles immer mehr, er fühlte sich nicht bereit für diese Aufgaben, er musste Aiko ein Vater sein und dafür sorgen, dass es ihr gut ging, gleichzeitig aber auch darauf achten, dass es Hika gut ging oder er sie aus ihrem Emotionsanfall heraus holte und da blieb keine Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Er hielt sich mit Kaffee und Energydrinks über Wasser, denn er wollte auch Hika nicht zu viel zumuten, also hatte er die Klappe gehalten und geschluckt, was sie ihm an den Kopf geschmissen hatte, zudem kam noch ihr fast unbändiger Hass gegen Tai und Mimi und sie rückte nicht mit der Sprache raus, was sie denn zu ihm gesagt hatte sondern nur, was er zu ihr gesagt hatte. Er hatte gemerkt, dass er Hilfe brauchte, sonst würde er daran zugrunde gehen, er hatte Aiko zu seiner Mum gebracht und saß nun hier in einem Therapiezimmer, er wusste nicht, wen er als Psychologen bekommen würde. Als die Tür geöffnet wurde und Mimi hereinkam, schluckte er..., wenn Hika das rauskriegen würde, dann wäre er ein toter Mann.   Freundlich begrüßte Mimi ihn und bat ihn, Platz zu nehmen, ehe sie sich ihm gegenübersetzte. „Du siehst nicht sonderlich erfreut aus, dass ich deine Therapeutin bin, aber ich versichere dir, dass ich meine Arbeit immer professionell und gewissenhaft durchführe. Das, was mit Hikari und Tai passiert ist, betrifft mich zwar indirekt, aber es wird meine Objektivität nicht beeinflussen. Sollte es dir dennoch unangenehm sein, steht es dir jederzeit frei, einen anderen Therapeuten anzufordern.“ Das musste vorher gesagt werden, dann sah sie ihn aber mitfühlend an. „Du siehst extrem erschöpft aus, mein Lieber, was ist denn los bei dir?“ Sie sah ihn ernst an. „Deine Voruntersuchungen lassen auf eine schwere, psychische Krise schließen und es war gut, dass du dir Hilfe gesucht hast, wohin das führen kann, hast du ja bei Tai über Jahre verfolgen können.“ Sie hatte zwei Gläser und eine Wasserkaraffe auf dem Tisch stehen und goss jedem ein Glas Wasser ein. „Vielleicht erzählst du erst mal einfach, was dir gerade durch den Kopf geht. Keine Sorge, das alles unterliegt selbstverständlich der Schweigepflicht, weder Tai noch Kari werden erfahren, dass du bei mir gewesen bist, wenn du es nicht selbst aussprichst.“ Sie hatte einen Block auf dem Schoß liegen, um sich gegebenenfalls Notizen machen zu können. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Takeru hatte sich in das Sofa, auf dem sie saßen, tiefer sinken lassen und sah sie an. „Ich weiß nicht wirklich, wo ich anfangen soll... ich schlafe fast nicht mehr und halte mich mit Kaffee und Energydrinks wach... ich bin mit meinem Latein am Ende und kann nicht mehr“, er seufzte. „Seit ihrem Bruch mit Tai ist es schlimmer geworden... sie beißt sich so dermaßen in ihre Wut auf ihn fest, dass es fast schon unerträglich sein müsste... sie sagt mir immer wieder, was Tai ihr an den Kopf geworfen haben soll, ob das alles zu 100% stimmt, kann ich nicht beurteilen, wenn man wütend ist, schmückt man Sachen ja auch gerne aus..., wenn ich sie frage, was sie denn zu ihm gesagt hat, wechselt sie schlicht das Thema. Ich versuche immer, sie aufzufangen, wenn sie einen emotionalen Anfall bekommt, aber mittlerweile fehlt mir die Kraft dazu. Danach entschuldigt sie sich zwar jedes Mal unter Tränen, aber so kann es doch nicht weitergehen... ich versuche, Aiko ein guter Vater zu sein und für Hika ein guter Verlobter, der für sie da ist und sie auffängt, wenn sie fällt, aber das ist manchmal nicht einfach... ich schlucke meinen Frust dann einfach runter, weil ich ihn nicht an Hika oder Aiko auslassen will...“ Er trank einen kräftigen Schluck, bevor er weiterredete. „Sie hat mir verboten, dass Aiko dich oder Tai sehen darf... ich sehe das anders, er ist immer noch ihr Onkel und irgendwann wird Aiko Fragen stellen, auf die ich dann vermutlich keine Antwort haben werde, die schön ist... ich will nicht, dass es so weit kommt...sie will ihn aus ihrem Leben haben und hofft, dass er zugrunde geht, aber manchmal, wenn sie ganz alleine ist, sehe ich sie auf der Couch sitzen mit einem Bild in der Hand, das Tai ihr mal geschenkt hatte. Sie sagte, ihr großer Bruder habe sie nicht mehr lieb...und dann weint sie wieder...und ich fühle mich in diesen Situationen so unfassbar schlecht, weil ich ihr einfach keine Antwort darauf geben kann...ich weiß nicht, was genau zwischen den Beiden passiert ist, aber ich kann nicht glauben, dass sie ihm von heute auf Morgen komplett egal gewesen ist. Mittlerweile fühle ich mich leer und kraftlos, ich mache weiter für Hika und für Aiko, aber es wird zunehmend schwerer... ich brauche eine Pause, aber die kann ich mir nicht erlauben. Sie beide brauchen mich und ich muss Hika auffangen, wenn sie einen psychischen Anfall kriegt... immerhin hat sie sich jetzt einen Termin bei Dr. Watanabe geben lassen und mir versprochen, dass sie etwas ändern will, aber das alles, es wird mir zu viel auf einmal... ich habe das Gefühl, ich muss Mama und Papa und Verlobter gleichzeitig sein und weiß nicht, wohin zuerst.“   Mimi machte sich Notizen, während er erzählte und unterbrach nur, wenn sie es für nötig hielt. Sie seufzte, Takeru war wirklich am Ende. „Schlafstörungen also, okay. Das kann verschiedene Ursachen haben, das finden wir, denke ich, noch heraus. Und dass Kari der Konfrontation aus dem Weg geht, macht die Situation nicht besser. Ich kenne leider nur Tais Seite und von ihm weiß ich einige Dinge, die gefallen sind. Deine Verlobte hat ganz schön um sich geschlagen und ausgeteilt, das meiste ging wohl gegen mich und sie hat ihren Bruder vor die Wahl gestellt zwischen mir und den Kindern oder sich selbst. Wofür sich mein Mann entschieden hat, weißt du ja. Mehr kann ich dazu nicht sagen, aber es ist nicht immer alles Gold, was glänzt. Vielleicht weiß sie auch, dass sie einen Fehler gemacht hat und kann oder will es nicht zugeben. Das zu thematisieren wäre reine Spekulation.“ Sie trank ebenfalls einen Schluck Wasser und überlegte dann. „Ich glaube, dass du dich selbst viel zu stark unter Druck setzt, Takeru. Du nimmst dir keine Auszeit für dich selbst, sondern bist eigentlich den ganzen Tag damit beschäftigt, die Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Es ist toll, dass du dich um sie und um das Kind kümmerst, aber du musst auch mal sagen dürfen, dass dich etwas stört.“ Sie sah ihm tief in die Augen. „Aber du tust es nicht, weil du Angst hast, dass sie dich dann verlässt, oder?“ Mimi wusste, dass sie da gerade mit dem Feuer spielte. „Ich denke, Kari würde eine Therapie auch guttun, ihre Depressionen belasten eure ganze Familie und die Sache mit Tai ist ja auch nur ein Faktor des Ganzen.“ Dann hörte sie ihm weiter zu, es wurde immer verworrener. „Wie gesagt, was genau da passiert ist weiß ich nicht, aber sie hat Tai in die Ecke gedrängt, du hättest ihn sehen sollen, als er nach Hause kam. Er war fertig mit den Nerven. Ich kann verstehen, dass es dir wichtig ist, dass euer Kind Kontakt zu seiner Familie haben soll, aber Hikari ist nun einmal die Mutter und da steht Wort gegen Wort. Das Problem ist, dass sie dich in den Konflikt mit Tai hineinzieht und dich als Boxsack benutzt. Du bekommst jetzt all das ab, was sie innerlich gegen Tai und mich auffährt, sie projiziert es auf dich. Kommt sie inzwischen mit Aiko klar? Deine Schlafstörungen ruhen möglicherweise auch daher, dass du Kari und das Kind nachts nicht unbeaufsichtigt lassen willst, weil du innerlich davon überzeugt bist, dass sie mit dem Baby überfordert ist.“ Sein letzter Satz brachte dann deutliche Klarheit in alles. „Es ist doch kein Wunder, dass du ausgebrannt bist, wenn du drei Rollen gleichzeitig übernehmen musst und dir keine Pause gönnst. Du kannst nicht 24/7 für deine Familie da sein, ohne dich um dich selbst zu kümmern. Ich hoffe, dass die Therapie bei Watanabe Wirkung zeigt und sie sich wieder etwas beruhigt, aber du solltest dir vielleicht Unterstützung holen. Ihr könntet eine Hebamme beantragen, die tagsüber zu euch kommt und Kari mit dem Kind und dem Haushalt unterstützt, solange sie diese postnatalen Depressionen hat, damit du auch mal etwas zur Ruhe kommen kannst und Zeit für dich selbst findest. Denn sonst brichst du eines Tages zusammen und davon habt ihr alle drei nichts.“ Takeru hatte es wirklich nicht leicht im Moment. Er wollte für Kari da sein, das ehrte ihn, aber er durfte nicht vergessen, dass er selbst auch noch ein Leben hatte.   „Aber ich kann es nicht verstehen Mimi, können diese Depressionen denn wirklich so herbe Auswirkungen haben? Immerhin reden wir hier von Tai, ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass es ausgerechnet den beiden so ergehen würde, dass sie in einem heftigen Streit auseinander gehen...ich begreife es nicht... ich kann mir vorstellen, dass Hika auch bewusst Worte gewählt hat, die ihn maßlos provozieren und du weißt auch, wie er ist... nicht unbedingt derjenige, der immer ruhig bleibt, das, was die beiden miteinander gemacht haben, war wie reines Gift. Er wollte sie immer beschützen und hat es nicht wirklich akzeptiert, dass sie nun halt auch Erwachsenendinge tut. Sie wiederum wollte von ihm behütet und beschützt werden und gleichzeitig sollte er sich raushalten...ich kann auch ihn ein Stück weit verstehen, wie soll man damit umgehen? Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Beiden noch mal zueinander finden würden. Ich sollte jetzt zu 100% bedingungslos hinter Hika stehen, aber ich kann es nachvollziehen, dass Tai sich für euch entschieden hat, ihr seid seine Familie, du seine Frau und ihr habt zwei kleine Kinder, ich würde mich auch immer wieder für Hika und Aiko entscheiden und entweder die Leute akzeptieren es oder lassen es.“ Er sah sie an. „Natürlich habe ich Angst davor...ich wäre ein Lügner, würde ich sagen, es wäre nicht so...ich habe fast 20 Jahre gewartet...darauf, dass sie mich auch liebt...ich will es nicht aufgeben, verstehst du? Manche würden sagen, ich soll Schluss machen, aber das will ich ja gar nicht. Ich liebe sie mehr, als ich es selbst verstehen kann... und in den Momenten, wo sie lächelt und es ihr gut geht, die sind schön, in denen kommt sie auch mit Aiko wunderbar zurecht, mittlerweile hat sie eine kleine Bindung zu Aiko aufbauen können, sie stillt sie ja auch sogar, obwohl sie dadurch keine Medikamente gegen ihre Depressionen nehmen kann und das rechne ich ihr auch hoch an. Letztens hat Aiko sie das erste Mal richtig angelächelt und nach ihrer Hand gegriffen und Hika hat vor Freude geweint, das zeigt mir doch, dass Aiko ihr mehr bedeutet, als sie zugeben will, oder nicht?“, er hatte zumindest die Hoffnung gehabt, dass Hika die Chance hatte, eine enge Bindung zu Aiko aufzubauen. Er trank sein Glas leer und sah sie wieder an. „Ich weiß, dass ich mehr auf mich selbst achten müsste..., aber ich kann nicht anders, ich liebe die Beiden, mit allem, was ich habe und vermutlich würde ich Hika alles verzeihen, egal was sie mir noch antun könnte. Ich will um meine Familie kämpfen und nicht so feige sein wie mein Papa es war..., ich habe mir geschworen, Aiko wird es besser haben, als Matt und ich es hatten und wenn ich dafür bis zum Äußersten kämpfen muss, dann tue ich das auch. Ich will der Mann für meine Frau und meine Tochter sein, zu dem sie aufschauen können und wo sie sich geborgen und sicher fühlen“, er seufzte. „Ja, sie denkt immer noch, du hast ihr Tai weggenommen, aber ich denke, das kommt durch ihre angeknackste Psyche... ich habe Angst zu schlafen, weil ich Angst habe, nicht rechtzeitig eingreifen zu können, wenn Hika wieder einen Anfall bekommt. Wir haben ein Abkommen, dass, wenn es so ist, ich sie in Ruhe lasse und sie von alleine zu mir kommt, wenn sie reden will und das klappt soweit auch ganz gut, wir streiten seitdem weniger. Was ich ganz ehrlich glaube, da ist auch sexuelle Frustration, in der Schwangerschaft durfte sie nicht und jetzt immer noch nicht, weil das von der Geburt noch abheilen muss, du kannst dir vorstellen, wie anstrengend das für uns beide ist...“    „Nein, für die Sache mit Tai sind ihre Depressionen definitiv nicht verantwortlich, da muss noch etwas anderes sein, aber was genau das ist, kann ich dir nicht sagen. Vielleicht wirklich das, was du geschildert hast, ihre Beziehung zueinander ist definitiv gestört gewesen durch irgendetwas. Daran können wir im Moment nichts ändern, das ist jetzt erst einmal, wie es ist. Vielleicht kann Dr. Watanabe da etwas herausfinden, aber auf Kari kann ich im Moment nicht eingehen, dazu müsste ich sie analysieren. Ihr Hass gegen mich hat da dann sein Übriges getan. Ich fürchte, da müssen wir jetzt einfach abwarten, für Tai ist das Thema im Moment gegessen und ich denke, Kari muss jetzt auch erst mal ihr eigenes Leben in den Griff bekommen. Denn was sie mir entgegenbringt, sind schon fast Wahnvorstellungen. Ich wüsste gerne, wo das auf einmal herkommt, sie war früher mal ganz anders.“ Als er meinte, dass er Tais Entscheidung nachvollziehen konnte, nickte sie. „Sie hat ihm die Pistole quasi auf die Brust gesetzt, was sollte er da auch anderes tun? Weißt du Takeru, ich bin auch ehrlich, wenn Tai noch mal einen Rückfall erleiden würde, ich würde ihn auch nicht verlassen. Man schwört sich doch nicht grundlos ‚in guten wie in schlechten Tagen‘ und wer in so einer Situation feige davonläuft, der hat seinen Partner nie richtig geliebt. Daher kann ich dein Verhalten verstehen, niemand sagt, dass du sie aufgeben sollst, aber ihr solltet mehr miteinander reden und du solltest ihr auch sagen dürfen, wie es dir geht, sonst gehst du daran irgendwann kaputt. Du stehst vor dem Abgrund, den Tai damals nicht überwinden konnte und ich lasse nicht zu, dass es dir genauso ergeht. Es freut mich zu hören, dass Kari langsam eine Bindung zu ihrer Tochter bekommt, aber sie braucht dringend Unterstützung, da die Kleine sonst auch emotionale Probleme entwickeln könnte und ich sage dir ehrlich, das würde eure Familie vermutlich noch mehr auseinanderreißen, weil sie ja jetzt schon überfordert ist. Und das ist ja auch kein falscher Ansatz, aber du darfst es nicht Überhand nehmen lassen, deine Familie hat nichts davon, wenn du bis zum Äußersten kämpfst und dich damit selbst ins Grab bringst. Damit tust du deiner Tochter und auch deinem Bruder keinen Gefallen. Du bist dabei, den gleichen Fehler zu machen, den auch Tai gemacht hat, ihr verhätschelt Kari zu sehr. Ich entschuldige mich jetzt schon für meine Ausdrucksweise, aber ihr täte es auch mal ganz gut, auf die Fresse zu fallen. Dann würde sie auch endlich begreifen, wie das Leben funktioniert, du unterstützt ihr Verhalten noch, indem du ihr alles durchgehen lässt und euer Abkommen sorgt eigentlich nur dafür, dass sie einen Freifahrtschein hat, alles tun und lassen zu können, was sie will und wenn es der Dame dann passt, kommt sie zu dir. Weniger Streit schön und gut, aber damit staut ihr die Emotionen nur an, kein Wunder, dass es bei euch immer so eskaliert. Du vermeidest den Konflikt mit Kari und wir müssen herausfinden, wieso du das tust und dafür sorgen, dass du es in Zukunft nicht mehr so weit kommen lässt. Ihr nehmt eure Probleme immer weiter mit. Wenn ich mich mal mit Tai in den Haaren habe, dann gehen wir uns auch mal eine Weile aus dem Weg, aber wir nehmen unsere Probleme nicht mit ins Bett, soll heißen, dass wir das zeitnah aus der Welt schaffen. Du bist deswegen am Ende, weil du voll von Frust und anderen Gefühlen bist, die du eigentlich herauslassen müsstest, aber deine Reaktion wäre übertrieben, weil es sich zu sehr aufgestaut hat. Deswegen sind die Anfälle von deiner Verlobten auch so heftig.“ Sie trank nun auch noch einmal einen großen Schluck, das Gespräch bereitete ihr wirkliches Kopfzerbrechen. „Takeru, das ist doch nicht dein Ernst, oder? Du suchst immer wieder nach Ausreden, um Karis Verhalten erklären zu können. Wenn ihr sexuell frustriert seid, hätte es auch andere Wege gegeben, selbst wenn sie noch heilen muss. Aber ich sage dir jetzt ganz ehrlich: Vergiss das alles, hör auf nach Erklärungen zu suchen, es gibt keine. Kari tut das, weil sie Lust dazu hat und es für sie bequem ist, ihre Gefühle nicht steuern zu müssen, sie hat ja immer eine andere Ausrede und wenn sie keine hat, dann gibst du ihr eine. Merkst du, was ich meine?“ Mimi hoffte, dass sie Takeru endlich die Augen öffnen konnte. Denn er trug an Hikaris aktuellem Verhalten auch eine kleine Mitverantwortlichkeit, weil er ihr immer nachgab. Hikari führte sich auf wie ein trotziges Kleinkind und Mimi hatte dafür absolut kein Verständnis, sie bekam doch alles, was sie wollte.    „Ich weiß nicht, wieso sie auf einmal so einen Hass gegen dich hatte. Er hat sich richtig entschieden, immerhin seid ihr eine Familie und Eltern, ich weiß nicht, sie sagt mir ja nicht, was sie ihm gesagt hat, sie hatte nur gesagt, er hätte sie plötzlich nicht mehr lieb, du hast ihn ihr weggenommen und das er ein Verräter sei und dass es besser gewesen wäre, wenn er damals draufgegangen wäre, anstatt mit dir zu leben und Aiko bräuchte keine heuchlerische Tante und keinen verlogenen Onkel. Im Wortlaut sagte sie ‚Das Miststück hat es geschafft, sie hat mir meinen Bruder weggenommen‘, sie denkt halt, du würdest ihn nur benutzen, um dir Vorteile zu verschaffen und dass du ihn nur einlullen würdest. Ich sehe das nicht so, ich meine, ihr seid nun mal verheiratet ja, da ist es doch klar, dass er seine meiste Zeit mit dir verbringt und mit euren Kindern, aber das will sie irgendwie nicht verstehen. Sie drängt seitdem immer wieder darauf, dass wir so schnell wie möglich heiraten sollen, damit sie den Namen Yagami ablegen kann und dass sie ihre Welt in meine Hände legt und ich darauf auch ja gut aufpassen solle…“ Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare. „Ich meine das doch nicht böse Mimi, ich will doch nur, dass es ihr und Aiko gut geht. Aber nichts, was ich mache, ist gut genug, ich hab im Bad gesessen geheult, mit den Nerven am Ende… da hat sie sich entschuldigt und gemeint, sie wolle sich ändern und eine Therapie machen..., aber bis jetzt war sie kein einziges Mal da... und es wird mit der Zeit schlimmer. Ich will sie ja nicht verhätscheln oder einen Freifahrtschein geben, aber ganz ehrlich, anders habe ich keine Ruhe, du hast keine Ahnung, wie sie wird, wenn sie nicht das hat, was sie will und ich will nicht, dass Aiko in das Ganze tief reingezogen wird. Vielleicht bin ich zu lieb, ja..., aber ich schaffe es einfach nicht, ich kann sie nicht anschreien, jedes Mal, wenn ich es will, blockiert irgendwas in mir, dass ich es nicht kann. Bei dir und Tai sieht das immer alles so einfach aus, die Kinder, die Ehe, keinen Streit, keine Krise, alles perfekt... und wir kriegen es nicht einmal hin ein normales Leben zu führen. Manchmal frage ich mich, ob sie mich liebt oder ob sie nur nicht alleine sein will, vielleicht bin ich ihr auch nicht Arschloch genug? Sie redet ja nicht mit mir, sie sieht, dass ich überfordert bin und drückt mir dann trotzdem Aiko in die Arme. Für Aiko reiße ich mich zusammen und zeige ihr nicht, wie schlecht es mir geht, weil Aiko das nicht spüren soll. Ich würde sie wohl auch nicht verlassen, aber ich bin kaputt psychisch und wahrscheinlich auch körperlich, mir wird nach dem Essen oft schlecht, schlafen kann ich kaum noch und ich hab fast durchweg Kopfschmerzen und immer dieses Gefühl, dass ich ihr nie genug sein werde… ihr nicht das geben zu können, was sie braucht. Ich habe alles aufgegeben, nur um sie glücklich zu sehen, doch anscheinend war das nicht genug“, jetzt liefen ihm das erste Mal tränen an den Wangen herab. „Manchmal wünschte ich mir, ich könnte es einfach abstellen...was zu fühlen..., dann würde es nicht mehr so wehtun.“   Mimi seufzte laut, also hatte Taichi ihr die Wahrheit erzählt. Eigentlich hatte sie daran auch nicht gezweifelt, aber sie hatte gedacht, dass er vielleicht das Ganze zu übertrieben dargestellt hatte. Aber was sie hörte, dass verletzte sie, auch wenn sie das nicht wollte. „Ich weiß nicht, was ich Kari getan habe, vielleicht hat es ihr nicht gepasst, dass ich nicht nach ihrer Pfeife getanzt habe, sondern ihr Kontra gegeben und sie nicht verhätschelt habe, wie ihr Bruder. Und du bist leider manchmal auch etwas zu nachsichtig mit ihr, das nutzt sie aus, ob nun bewusst oder unbewusst, das kann ich nicht beurteilen. Solche Worte zu hören, tut weh, da ich immer nur das Beste für Tai und seine Familie wollte, aber sie hat ihn gezwungen, sich zu entscheiden, daran können wir jetzt nichts mehr ändern.“ Als er dann aber von ihrem Wunsch erzählte, fiel Mimi alles aus dem Gesicht. „BITTE?! Takeru, das darfst du auf keinen Fall tun, ihr solltet nur heiraten, wenn ihr das auch beide wollt und nicht aus einem Zweck heraus. Weil Tai jetzt weg ist, sollst du seine Rolle einnehmen, aber ich rate dir, dich selbst zu fragen, ob du das auch wirklich willst, Takeru. Willst du eine Rolle aufgezwängt bekommen und dich selbst dabei verlieren? Sie macht dich zu etwas, dass du nicht bist. Damit hilfst du ihr aber nicht, sie hält dich für inkonsequent und naiv und das bist du nicht. Vielleicht solltest du darüber nachdenken, dass du dir mal ein paar Tage Auszeit nimmst, vielleicht irgendwo hinfährst oder so, um auf andere Gedanken zu kommen. Und glaube nicht, dass Tai und ich ein perfektes Leben führen, wir wissen nur mit unseren Konflikten umzugehen und sind in der Lage, sie zu lösen.“ Sie seufzte, Takeru tat ihr leid. „Zweifel nicht so viel an dir selbst, Kari benimmt sich wie eine zickige Fünfjährige und macht dir grundlos das Leben schwer. Ich hoffe, dass sie diese Therapie bei Dr. Watanabe wirklich antritt, denn sonst kommt ihr aus diesem Teufelskreis nicht mehr heraus und für eure Tochter ist alles absolutes Gift. Ich weiß, dass du dir die Arme für sie ausreißt, aber das was du gerade schilderst… Takeru, du hast bereits einen Burn-Out und du bist gerade dabei, komplett zusammenzubrechen. Eure Beziehung ist wie ein Kartenhaus und das ist dabei, einzustürzen, weil sie nicht mitzieht, sondern gegen dich arbeitet.“   Als er begann zu weinen, stand sie auf, hockte sich vor ihn und zog ihn in ihre Arme. „Takeru, es ist genug, du hast alles gegeben, was ging. Ich würde dir niemals vorschreiben, sie zu verlassen, aber du wirst an der jetzigen Situation nichts mehr ändern können. Solange sie nicht von selbst um dich zu kämpfen beginnt, ist eure Beziehung eigentlich vor die Wand gefahren. Es wundert mich, dass du überhaupt noch hier sitzen kannst. Du bist am Ende, körperlich wie seelisch und es muss jetzt was passieren, sonst wird deine Kleine eine Weile ohne ihren Papa aufwachsen müssen. Gefühle sind wichtig, aber du kannst all den Druck nicht mehr kompensieren. Es tut mir leid Takeru, aber ich weiß nicht mehr, was ich noch tun könnte, um dir zu helfen, außer dir zu raten, dir eine Auszeit zu nehmen.“  „Ich hasse dich nicht Mimi, habe ich nie, egal was zwischen dir und Hika los ist... Ich weiß nur nicht, warum sie so geworden ist..., sie war doch vorher nicht so... ich weiß, dass die Sache mit Aiko viel zu früh war, aber es ist unser Baby...das kann man doch nicht bereuen. Ich liebe Aiko, auch wenn ich noch nicht zu 100% bereit bin, Vater zu sein..., tue ich alles, um ihr ein guter Papa zu sein... und ich hatte gehofft, dass Hika mithelfen würde...“, er seufzte. „Ich will sie doch gar nicht verlassen, du hast es selbst gesagt, in guten wie in schlechten Tagen, wäre es da nicht feige von mir, wenn ich sie jetzt verlasse? Ich weiß, dass sie Fehler macht, aber tief in mir ist da Hoffnung, dass vielleicht doch wieder alles gut wird und dass es nur eine Phase ist“, ja er redete sich das Ganze runter, aufgrund dessen, dass er sich so selbst schützte, um nicht ganz vor Mimi zusammenzubrechen. Er hob den Kopf und sah sie an. „Aber bei einer Auszeit ist sie auch ohne mich, ich will nicht, dass Aiko von mir getrennt sein muss. Ich liebe Hika, das wird sich wohl auch niemals ändern, vielleicht ist das wie ein Fluch, ich kenne nichts anderes als meine Gefühle zu ihr, ich werde versuchen, noch einmal mit ihr zu reden.“ Damit stand er auf und verabschiedete sich mit einer Umarmung von Mimi und verließ dann das Büro und das Gebäude, um sich auf den Weg nach Hause zu machen, wo er unterwegs noch Aiko bei seiner Mutter abholte. Zu Hause angekommen legte er Aiko in ihr Bettchen, da sie unterwegs schon eingeschlafen war. Er schloss die Tür hinter sich und ging ins Wohnzimmer, wo er Hika vorfand. „Hey Liebling...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)