Das Beta-Guard Projekt von Yomiuri (Die Vorgeschichte der Alphas) ================================================================================ Kapitel 14: Unliebsame Überraschungen ------------------------------------- Am nächsten Tag scheint die Sonne. Ich schiebe mir mein morgendliches Frühstück in den Toaster, welchen mir Laura zum Einzug in das Wohnheim geschenkt hat. Noch immer vermisse ich sie wahnsinnig. Das sie eine der Toten des Programms ist, macht mich innerlich fertig. Auch wenn es bereits einige Zeit her ist. Laura war mir wichtig und ist es noch, auch wenn sie nicht mehr am Leben ist. Ich werfe einen Blick auf das Foto an meiner Pinnwand. Dort sind wir beide zusammen abgebildet, wie wir Grimassen ziehen. Ich erinnere mich an den Tag zurück. Es war ihr achtzehnter Geburtstag und wir haben im Garten ihrer Eltern gefeiert, zusammen mit ein paar Freunden aus ihrer Nachbarschaft. Die Sonne schien genauso warm wie heute. Laura liebte den Sonnenschein, also verbrachten wir unsere Freizeit häufig draußen. Meine Poptarts springen aus dem Toaster und holen mich zurück in die Gegenwart. Ich werfe mir die Umhängetasche über die Schulter und schlüpfe in meine Turnschuhe. Dann schnappe ich mir die Poptarts und renne beinahe aus meinem Wohnheimzimmer zu meinem Fahrrad. Ich beiße einmal ab und schwinge mich anschließend kauend aufs Rad. Ich bin etwas spät dran, weil ich vergangene Nacht noch so lange bei Fynn, William und Jonathan war, um diese Hausarbeit fertig zu bekommen. Mit dem Poptart im Mund fahre ich quer über den Campus um die Zeit aufzuholen, die ich heute früh verschlafen habe. Ich schließe eilig das Rad vor dem Wellington-Institut an und gehe rein. In der Eingangshalle stehen bereits viele von uns herum. Hatte ich vergessen, dass heute eine Versammlung anberaumt gewesen ist? Ich checke meinen Terminplaner. Außer einer Routineuntersuchung bei Dr. Sasson und Augustine steht nichts weiter drin, abgesehen von einer Vorlesung am späten Nachmittag. Seltsam. Ich sehe mich nach einem bekannten Gesicht um. „Hey… Elaine“, rufe ich im Flüsterton zu ihr. Sie steht nur ein paar Meter von mir entfernt, bemerkt aber, dass ich sie ansprechen will. Sie dreht ihren Kopf zu mir und wendet sich dadurch ihrer Freundin Oonagh ab. Diese sieht mich ebenfalls neugierig an. Ich zwänge mich an Galen und Alaric vorbei, die eben gemeinsam mit Josephine die Eingangshalle betreten haben und angeregt miteinander diskutieren. Ich sehe mich nochmal nach William und Fynn um, kann sie aber nirgends entdecken. Also belasse ich es erstmal dabei und stelle mich zu Elaine und Oonagh. „Wisst ihr was hier los ist?“ frage ich sie gespannt. Elaine schüttelt den Kopf. „Es heißt letzte Nacht sei hier jemand eingebrochen um die Formel für das Serum zu stehlen“, antwortet mir eine ältere Studentin, die meine Frage wohl mitbekommen hatte. Ich drehe mich zu ihr und bekomme gerade noch mit, wie sie von einem anderen Studenten, ich meine mich zu erinnern, dass es sich um den gleichen Studenten handelt, der neulich erst von Dr. Wellington gelöscht werden musste, nachdem er sich selbst entzündet hatte, gerufen wurde. „Da ist Dr. Wellington“, höre ich Josephine Alaric und Nicole zuflüstern. Elaine und Oonagh sind inzwischen weitergelaufen und haben mich stehen lassen. Also schließe ich mich Josephine, Nicole und Alaric an. „Was ist denn hier los? Wurde wirklich etwas gestohlen?“, frage ich aufgeregt. Alaric wirft mir einen Blick zu und verzieht das Gesicht. Kurz bin ich verwirrt, bis mir auffällt, dass er nicht mich sondern meinen Poptart misstrauisch beäugt. Er überprüft, ob ich damit seine Jacke gestriffen habe, was zum Glück nicht der Fall war. Sicherlich hätte er mir dann wieder einen Vortrag gehalten, wie über meine Obsession mit den M&Ms, die ich immer dabei habe. Wobei mir einfällt, dass ich mir wieder ein paar Tüten kaufen gehen muss. Das werde ich wohl vor meiner Vorlesung nachher erledigen. Das Mikrofon gibt einen unangenehm hohen Ton von sich, als Dr. Augustine es einschaltet um anschließend Platz für Dr. Wellington zu machen. „Warum haben die ihre Schießhunde wieder hier?“, Alaric blickt grimmig zu dem bewaffneten Wachpersonal. Ich folge seinem Blick. Er hat recht, zuvor war mir nicht aufgefallen, dass sie an jedem Ausgang zu zweit postiert waren und mindestens ebenso grimmig wie Alaric dreinblickten. Ein ungutes Gefühl macht sich in meiner Brust frei. Als Dr. Wellington an das Mikro tritt schaue ich zu ihm rauf. Er trägt einen dunklen Anzug mit einer dunkelblauen Krawatte und steht auf der Galerie. Er sieht abgespannt und müde aus, hat aber nichts von seiner ernsten, strengen Wirkung verloren. „Letzte Nacht ist jemand unbekanntes in dieses Institut eingedrungen um etwas zu entwenden“, fängt er an. Seine Stimme schallt laut durch die Halle und lässt das Getuschel der Studenten sofort verstummen. Hinter uns quietscht die Eingangstür und einige drehen sich nach dem Geräusch um, das einen Zuspätkommenden Studenten ankündigt. Ich recke mich etwas nach oben aus und gehe auf die Zehenspitzen um zu erkennen, wer es ist. Fynn und William stehen mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen über diese unangekündigte Versammlung in die Menge. Dr. Wellington räuspert sich und zieht die Aufmerksamkeit damit wieder auf sich. „Leider können wir nicht ausschließen, dass es sich bei dem Dieb um jemanden mit Zugang zu diesem Institut handelt.“ Dr. Wellington macht eine dramatische Pause, um das erschrockene Raunen der Menge wieder abflauen zu lassen. „Wir werden deswegen jeden einzeln befragen. Es sei denn der oder die Schuldige stellen sich innerhalb der nächsten halben Stunde und händigt uns das entwendete Serum wieder aus“. Also wurde wirklich etwas gestohlen! Ein Serum, welches bisher scheinbar nicht verwendet worden ist. Gab es noch Probanden, die keines verabreicht bekommen haben? Ein paar Laboranten, darunter Ana Mitchell, verteilten kleine weiße Zettel an jeden. Als ich meinen in die Hand gedrückt bekomme werfe ich einen kurzen Blick darauf. Auf dem Zettel steht mein Name zusammen mit einer Nummer und der Aufforderung mich in dem Büro von Dr. Augustine zur Befragung zu melden. Ein unruhiges Flüstern geht durch die Reihen meiner Mitstudierenden. Aus irgendeinem Grund bin ich beunruhigt, obwohl ich nichts damit zu tun hatte. Ich sehe diese Verunsicherung in vielen Gesichtern. Palila zum Beispiel. Sie steht mit Brock und dessen Bruder Mitch zusammen und beäugt jeden misstrauisch. Also verdächtigt sie jeden, außer ihren beiden Freunden. Mitch wirkt als würde ihn das alles nichts angehen, wirkte allerdings irgendwie verärgert. Seit der Sache mit Hank schien das aber ein Dauerzustand bei ihm zu sein. Ich schätze er hat Dr. Wellington und den andere Doktoren noch nicht verziehen, wozu sie bereit gewesen wären. Ich sehe mich nochmal nach William und Fynn um, kann aber nur Fynn entdecken, der eine ziemlich blasse Färbung im Gesicht hat. Ich runzele die Stirn. War er eben auch schon so blass gewesen? Ich hatte nicht darauf geachtet, mache mich nun aber auf den Weg zu ihm. Womöglich wurde er auch einfach nur krank, schließlich würde er doch niemals etwas stehlen…? „Hey… was ist denn mit dir passiert?“, frage ich ihn, als ich ihn erreichen kann. Sich durch die Menschenmenge zu schieben ist gar nicht so einfach gewesen. Ich reibe mir die Schulter, mit der ich auf dem Weg zu Fynn gegen jemanden gestoßen bin, dessen Namen ich nicht kenne. Fynn sieht mich erschrocken an. „Was mit mir passiert ist?“, wiederholt er hektisch. „Sie suchen danach Allen“, sagt er, als ob ich hätte genau wissen müssen, was los ist. Irgendetwas schien ihn nun zu ärgern. „Warum hast du es mir untergeschoben? Und wieso sind wir aufgeflogen?“ fragt er mich eilig, während er mich etwas vom Rest der Leute wegzieht. Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie Alaric Fynn einen misstrauischen Blick zuwirft, als er mitbekommt das er mich wegzerrt. In seinem Gesicht sehe ich Sorge aufblitzen und er scheint darüber nachzudenken mir zur Hilfe zu eilen, lässt es dann aber doch bleiben, als Nicole ihn anspricht und somit ablenkt. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Was war nur los? Warum behauptet Fynn, ich hätte ihm etwas untergeschoben? Ich sehe ihn verständnislos an. „Was meinst du? Wovon redest du da?“ Ich entziehe mich seines Griffes um meinen Oberarm. „Weißt du das nicht mehr? Letzte Nacht??“, fährt er mich herausfordernd an. „Du hast das Serum gestohlen und mir gegeben“, hilft er mir auf die Sprünge, doch ich verstehe kein Wort. Letzte Nacht habe ich mit William gelernt und das einzige Mal, dass ich an diesem Abend sein Zimmer verlassen hatte war, als ich uns eine Jumbopizza bei Bob´s PizzaWorld geholt hatte. Welche ich bezahlt habe, ich hatte bisher noch nie etwas gestohlen. Ich bezahlte sogar jedes Mal den einen Dollar bei der Toilettenfrau im Kaufhaus, auch, wenn sie nicht fordernd an ihrem Stuhl saß. „Fynn… du musst dich irren… ich war das nicht, ich schwöre“, versuche ich ihn zu überzeugen. Ich kann mir nicht erklären, warum er der festen Überzeugung ist, dass ich der Schuldige war. Das ergab keinen Sinn. Wenn nicht gerade eine zukünftige Version meiner selbst extra durch die Zeit zurückgereist war, nur um Dr. Wellington zu ärgern, indem ich ein übriggebliebenes Serum bei Fynn versteckte, ergab das alles keinen Sinn. „Allen Nicholas Bishop!“, ertönt es plötzlich über einen Lautsprecher. Fynn und ich zucken zusammen. „Ich muss jetzt zu Dr. Augustine“, sage ich mechanisch zu ihm. Hatte mein zukünftiges Ich wirklich etwas damit zu tun? Langsam laufe ich, in diesen Gedanken verheddert, die Treppe zu den Sprechzimmern hoch, um mich meiner Befragung zu unterziehen. Als ich gerade den verlassenen Flur zu Dr. Augustines Büro langlaufe, geht neben mir plötzlich die Tür zur Abstellkammer auf und jemand packt mich und zerrt mich mit sich hinein. „Hey!“, protestiere ich und werde mit einem scharfen „pscht!“ zum Schweigen gebracht. Die Tür wird geschlossen und das Licht wird angeknipst. Erschrocken weiche ich einen Schritt zurück und stoße mit dem Rücken gegen einen Wischmop, der hinter mir polternd zu Boden geht. „WAS ZUM TEUFEL?!“ entfährt es mir, als ich realisiere wen ich da vor mir stehen sehe. Ich bin es selbst. Eine wenig ältere Version von mir. Ernster, irgendwie unheimlicher. Ich brauche ein paar Sekunden um mich zu sammeln. Ich mustere mich selbst, also die Version von mir, die mir hier gegenübersteht. Seine Klamotten, ich würde sie niemals tragen, oder scheinbar doch? Sie sind ganz anders als die Klamotten wie ich sie zurzeit trage. Der andere Allen hat etwas längeres Haar, einen Bart, der gar nicht mal schlecht aussieht und trägt einen schwarzen langen Mantel mit einem schwarzen Pullover und einer dunklen Jeans. Er hebt seinen Finger an seine Lippen und teilt mir dadurch mit leise zu sein. Stumm wie ein Fisch nicke ich nur und sehe zu wie er an meiner Stelle die Abstellkammer verlässt und zu Dr. Augustine ins Büro läuft um statt mir zu der Befragung zu gehen. Ich hatte also tatsächlich das Serum gestohlen und es Fynn ausgehändigt. Was hatte ich mir dabei nur gedacht? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)