Schweres Erbe von Tea_Kaiba (Man sollte seine Vorfahren kennen) ================================================================================ Kapitel 4: Ravenclaws Monokel ----------------------------- Hinter ihrer Stirn schien sich ein äußerst agiles Tier eingenistet zu haben, so jedenfalls fühlte es sich an. Hermine schloss das schwarze Buch, an dessen Übersetzung sie wieder einmal gearbeitet hatte, und verstaute es wieder so sicher wie eben möglich hinter all den anderen dicken Wälzern in ihrem Regal. Sie verschwand kurz in ihrem kleinen Badezimmer und fand bei ihrer Rückkehr Dobby vor, der damit beschäftigt war, ihr Bettzeug zurecht zu zupfen, nachdem er wohl eine Wärmflasche darunter verstaut hatte. Er hatte sie auch bemerkt und rief ihr ein fröhliches „Gute Nacht, Miss!“ zu, bevor er aus der Tür huschte. „Gute Nacht.“ murmelte Hermine schläfrig, war aber einige Sekunden später schon wieder hell wach. „Ach, Dobby?“ Der Hauself kam zurück ins Zimmer und sah sie fragend an. „Hast du das hier hingelegt?“ Von Hermines Hand baumelte etwas, das aussah wie ein altes Monokel, das sie einmal im Muggelmuseum gesehen hatte. „Ja. Dobby hat es unter Miss´ Bett gefunden und dachte, es gehört ihr.“ Hermine runzelte die Stirn. „Seltsam. Aber danke, Dobby, das war nett von dir. Gute Nacht.“ Nachdem auch der letzte Zipfel Teewärmer um die Ecke verschwunden war, schloss Hermine ihre Zimmertür und setzte sich mit dem Monokel aufs Bett. Sie drehte es in ihren Händen und stellte fest, dass auf dem Verbindungsstück von Glas und Kette ein daumennagelgroßer Saphir eingelassen war. Eingefasst war die Linse in massives Silber, soweit sie das beurteilen konnte. Hermine hatte nicht viel Ahnung von Metallen und Edelsteinen, aber das glaubte sie zu erkennen. //Wie kann das unter mein Bett gekommen sein? Wo ich es doch im Leben noch nie gesehen habe?// Obwohl ihr das alles mehr als seltsam vorkam, beschloss sie, weitere Überlegungen auf morgen zu verschieben und endlich zu schlafen, etwas, wonach sie sich inzwischen mehr als nach allem anderen sehnte. Eines allerdings blieb noch zu tun. Sie ging noch einmal ins Bad, legte das mysteriöse Schmuckstück neben das Waschbecken, verließ den Raum wieder und verschloss die Tür mit dem stärksten Zauber, der ihr zu diesem Zweck einfiel. In ihrem „alten“ Leben als Muggel wäre ihr eine solche Vorsicht gegenüber einem Gegenstand – wenn es nicht gerade eine Bombe war – albern vorgekommen, aber in der Zaubererwelt hatte sie schnell gelernt, sich vor möglicherweise gefährlichen Dingen in Acht zu nehmen, auch wenn sie harmlos wirkten – wie beispielsweise Ginnys verhängnisvolles Tagebuch, dass sich später als das von Tom Riddle alias Lord Voldemord entpuppt hatte. Sie ließ sich in ihre Kissen fallen und schaffte es gerade noch, das Licht zu löschen, bevor ihr die Augen zufielen. //Ich sollte mir endlich regelmäßigere Schlafenszeiten angewöhnen...// Ihre Kopfschmerzen hatten sich immer noch nicht verflüchtigt, als sie am nächsten Morgen von einem durchdringenden Weckerklingeln geweckt wurde. Schnell brachte Hermine das nervtötende Gerät zum Schweigen, wagte aber nicht, noch ein Paar Minuten zu dösen, aus Angst, dann zu verschlafen. Also glitt sie bedauernd aus ihrem warmen Bett und zuckte zusammen, als ihre nackten Fußsohlen mit dem eisigen Boden Bekanntschaft machten. Wenigstens war sie jetzt wach. Als erstes schlüpfte Hermine in ihre vorgewärmten Pantoffeln und ging zu dem Regal hinüber, in dem sie ihre Bücher aufbewahrte, die sie nicht ununterbrochen für die Schule brauchte. Es wäre albern gewesen, wegen Kopfschmerzen gleich in den Krankenflügel zu gehen, aber den ganzen Tag mit sich herumtragen wollte sie sie auch nicht, also nahm sie ein dickes Buch namens „Magische Kniffe zur Heilung einfacher Alltagsleiden“ von seinem Platz und blätterte eine Weile darin herum, bis sie den Zauber gefunden hatte, nachdem sie suchte. Von ihrem Nachttisch nahm sie ihren Zauberstab, kramte aus ihrem Vorrat an Zaubertrankzutaten eine Pfefferminzwurzel und sprach ein paar Worte darüber. Dann steckte sie sie abwesend in den Mund und kaute eine Weile darauf herum, bis sich das Kopfweh verflüchtigt hatte. Ein scharfer, erdiger Nachgeschmack blieb in ihrem Mund, als sie die faserige Masse, die noch übrige war, schließlich ausspuckte. Hermine spülte ihn mit einem Glas Wasser hinunter und überlegte, was sie mit dem magischen Artefakt in ihrem Badezimmer anfangen sollte. Schließlich beschloss sie, es erst mal zu lassen, wo es war, nicht in seine Nähe zu kommen und später mit Harry und Ron darüber zu sprechen. Sie warf sich ihren Bademantel über, nahm ihre Schuluniform über den Arm und machte sich auf den Weg zum Gryffindorturm, um dort das Mädchenbadezimmer zu benutzen. Draco gestattete sich ein kurzes Grinsen. Bisher verlief alles, wie er es gewollt hatte. Das komische Ding aus Silber, das er bei seinem Vater gefunden hatte, war in Grangers Hände gelangt. Nicht, dass ihm besonders viel daran lag, ihr irgendwelche Geschenke zu machen. Aber wenn jemand in dieser Schule fähig war, herauszufinden, was es damit auf sich hatte, dann sie. Und sobald sie es wusste, würde er schon einen Weg finden, ihr dieses Wissen wieder abzuluchsen. Zunächst hatte er sich nicht besonders viel dabei gedacht, als er in den Sommerferien seinen Vater abends gedankenverloren mit dem Monokel hatte spielen sehen, während er seine neuesten Pläne ausheckte. Es war nichts Besonderes, im Hause Malfoy auf alte, magische Artefakte zu stoßen, mochten sie auch so wertvoll sein wie dieses aussah. Dass Lucius Malfoy es allerdings jedes Mal wieder sorgfältig in dem Geheimversteck unter seinem Salon verstaute, hatte seinen Sohn stutzig gemacht. Dort verwahrten sie eigentlich nur mächtige schwarzmagische Hilfsmittel oder Dinge, die so verräterisch waren, dass sie auf keinen Fall gefunden werden durften – Gifte, die Todesserroben seines Vaters und so weiter eben. Wenn es sich um etwas handelte, das für die Zwecke der Todesser verwendet werden sollte, dann konnte es nicht schaden, es sich einmal anzusehen, hatte er gedacht, und das Monokel kurzerhand eingesteckt. Sein Vater hatte getobt, als er das Verschwinden bemerkte, aber zu Dracos Glück die Hauselfen verdächtigt und ihn selbst unbehelligt gelassen. Auch bei der Einreise nach Hogwarts war es nicht gefunden worden, womit er eigentlich schon fast gerechnet hatte, denn die Geräte der Auroren spürten normalerweise alles auf, das eine schwarzmagische Aura besaß. Er konnte also nur annehmen, dass es zwar einerseits als Hilfsmittel für schwarze Magie diente, andererseits aber nicht selbst schon verhext war. Was es dann allerdings so wertvoll machte, darüber konnte Draco nur rätseln. Also hieß es abwarten, bis diese unverbesserlichen Schnüffler Potter, Weasley und Granger auch in diese Sache ihre Nase gesteckt und womöglich etwas gefunden hatten. Es dauerte nicht lange, bis Hermine fertig war und wieder aus dem Bad heraustrat. Sie fing sich einen irritierten Blick von Parvati und Lavender ein, die offenbar darauf gewartet hatten, ebenfalls das Bad benutzen zu können und nicht damit gerechnet hatten, dass ausgerechnet heute Hermine auftauchen würde, wo sie doch sonst die Vorteile eines eigenen Zimmers mit Bad genoss. Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Allerdings hatte die Brünette jetzt wirklich andere Sorgen, als ihren früheren Schlafsaalkolleginnen zu erklären, was sie hier machte. Sie überlegte gerade, ob sie vielleicht einfach in den Schlafsaal platzen sollte, in dem Harry und Ron schliefen, auch wenn das bedeutete, dass sie noch drei andere Jungs auf den Plan rufen würde, als Ron die Wendeltreppe herunterkam. Bei ihrem Anblick stolperte er fast über die letzten paar Stufen, fing sich aber gerade noch rechtzeitig und fragte stattdessen ziemlich unfreundlich: „Was machst du hier?“ Hermine biss sich auf die Lippe, nicht sicher, ob der Gemeinschaftsraum der beste Ort war, um über so brisante Themen zu sprechen. „Wo sind Harry und Ginny? Ich muss euch allen was erzählen.“ Meinte sie schließlich. Ron verdrehte die Augen. „Wo werden die wohl sein? Als ich sie das letzte Mal gesehen hab, haben sie sich grade ihre morgendliche Portion Knutschflecken abgeholt. Soll ich ihnen Bescheid sagen?“ Hermine unterdrückte einen Seufzer. Langsam konnte sie wirklich verstehen, warum Ron die Beziehung zwischen seinem besten Freund und seiner kleinen Schwester auf die Nerven ging, auch wenn sie nach wie vor der Meinung war, dass die beiden sich besser verhielten als Ron und Lavender im letzten Schuljahr. Wenigstens war mit ihnen noch etwas anzufangen. „Lass mal, ich mach schon.“ Die Schulsprecherin lief den Weg zurück, den Ron eben gekommen war, ehe er ihr widersprechen konnte. Tatsächlich fand sie die beiden, die sie gesucht hatte, nur ein paar Meter neben der Eingangstür zum Schlafsaal der ältesten Jungs. Mit einem deutlichen Räuspern machte sie sich bemerkbar. Etwas irritiert drehte Harry ihr den Kopf zu und gab so auch Ginny den Blick auf ihre gemeinsame Freundin frei. „Tut mir ja echt leid, euch stören zu müssen, Leute, aber wir haben ein Problem.“ Ginny löste sich von ihrem Platz an der Wand und sah Hermine erschrocken an. „Was ist passiert? Hast du was über das Buch rausgefunden?“ Die Ältere schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich werde euch gleich alles von Anfang an erzählen, aber ich denke mal, es wird besser sein, wenn wir irgendwo hingehen, wo uns keiner stört.“ Jetzt wirklich alarmiert folgten ihr die beiden zum Fuß der Treppe, wo sich Ginnys Bruder zu ihnen gesellte. Die kleine Gruppe setzte sich ohne große weitere Umstände in Bewegung in Richtung des Raums der Wünsche, denn ihnen allen war klar, dass sie dort noch am ehesten ungestört waren. Es gab zwar seit der Enttarnung der DA mehr Personen im Schloss, die wussten, wie und wo er zu finden war, aber es war immer noch eine kleine Minderheit. Nachdem sie das nötige Ritual durchgezogen hatten, stieß Hermine endlich die Tür zu ihrem Zufluchtsort auf und ließ sich auf eines der großen Kissen fallen. Ganz automatisch hatten sie alle wieder an ihren Übungsraum von vor zwei Jahren gedacht, und im Grunde war es ja auch ganz praktisch so. Hier würde sie keiner finden und dass ihre Stimmen nach außen drangen, war ebenfalls ganz ausgeschlossen. „Also, erzähl, was ist los?“ fragte Harry, inzwischen wieder so ernst wie eh und je – oder zumindest wie seit seiner Reise. „Dobby hat unter meinem Bett ein Monokel gefunden. Ich habe keine Ahnung, wie es da hin gekommen sein kann, aber so, wie es aussieht, muss es schon sehr alt sein, was auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass irgendwelche Zauber darauf liegen. Bis jetzt hat es mich weder erwürgt noch sonst wie geschädigt, aber zur Sicherheit hab ich es erst mal in meinem Bad eingeschlossen. Irgendwelche Vorschläge, wie wir verfahren?“ Sie lehnte sich zurück. Ihre Freunde blinzelten erst mal überrascht: Eines musste man Hermine lassen, sie war ein Freund der klaren Worte. Ausflüchte suchte sie jedenfalls nicht. „Vielleicht... sollten wir es auf schwarze Magie untersuchen lassen-“ meinte Ginny. „Schön und gut,“ Unterbrach sie Ron heftig, „Aber von wem? Willst du damit zu McGonagall rennen? Die lacht uns doch bestenfalls aus.“ Er sah zu Hermine, von der er sich offenbar Bestätigung erhoffte, aber die zuckte nur die Achseln. Alle drei wandten ihre Blicke Harry zu, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, was ihm einen düsteren Ausdruck verlieh. „Das“ meinte er schließlich, „Glaube ich nicht. Habt ihr vergessen, was Katie passiert ist?“ Natürlich erinnerten sie sich alle nur zu gut an das verfluchte Halsband, dass Katie Bell im letzen Schuljahr beinahe das Leben gekostet hätte. „Also gut.“ räumte Ron nach einer Weile ein. „Versuchen können wir's ja.“ Das Frühstück hatten sie inzwischen verpasst, was bedeutete, dass sich vor der Mittagspause auch keine Möglichkeit mehr ergeben würde, mit der Schulleiterin zu sprechen. Also quälten sich Harry, Ron und Hermine durch Zauberkunst und Geschichte der Zauberei, während Ginny eine endlose Doppelstunde Zaubertränke unter der Leitung des unvergleichlichen Horace Slughorn über sich ergehen ließ. Der hatte zwar nach dem Tod seines Freundes Dumbledore zunächst vorgehabt, die Schule zu verlassen, sich dann aber doch zum Bleiben überreden lassen. Seine Rechnung war einfach: Viele Zauberer boten mehr Schutz als einer und sollte Voldemord jemals gestürzt werden, würde er so höchst wahrscheinlich behaupten können, er habe zumindest einen Teil der Helden gekannt, die das geschafft hatten. Denn dass ein Widerstand wenn überhaupt nur von Hogwarts ausgehen konnte, war inzwischen klar. Ungeachtet ihrer knurrenden Mägen – schließlich hatten sie das Frühstück ausgelassen – stiegen die vier Schüler während alle anderen beim Essen saßen die große Marmortreppe nach oben. Sie hatten zuerst einen Blick in die Große Halle geworfen, mussten aber feststellen, dass Professor McGonagall nicht wie üblich am Lehrertisch saß. Also hatten sie beschlossen, die Verwandlungslehrerin in ihrem Büro aufzusuchen, das sich immer noch im gleichen Raum befand wie schon im ersten Jahr ihrer Schulzeit. Natürlich hätte sie mit dem Posten des Schulleiters auch dessen Büro übernehmen können, aber Hermine vermutete, dass auch für Professor McGonagall zu viele Erinnerungen an Dumbledore damit verknüpft waren – jedenfalls war die Tür zu dem großen, kreisrunden Raum seit der Beerdigung des alten Mannes verschlossen geblieben. Am Ziel angekommen, hob Harry die Hand, um anzuklopfen, wurde jedoch unterbrochen, weil diese sich wie von selbst vor ihm öffnete. Erst einen Augenblick später bemerkten die vier, dass die Schulleiterin offenbar gerade in diesem Moment beschlossen hatte, den Raum zu verlassen und sie nun verdutzt anstarrte. „Was haben Sie vier hier zu suchen? Sollten Sie nicht beim Mittagessen sein?“ Hermine drängte sich an einem offenbar kurzzeitig stumm gewordenen Ron vorbei und antwortete: „Bitte, Professor, wir müssen unbedingt mit Ihnen sprechen.“ Die Lehrerin sah nicht sehr viel begeisterter aus als damals, als Harry, Ron und Hermine ihr ihre Vermutungen über den Verbleib des Steins der Weisen vorgetragen hatten, schien aber eher bereit, mit sich reden zu lassen. „Dann sollten Sie besser hereinkommen.“ Hastig, da die Zeit bis zur nächsten Unterrichtsstunde schließlich auch nicht ewig dauerte, erklärte Hermine, warum sie Professor McGonagall aufgesucht hatten. Diese hatte ihr aufmerksam zugehört, dann genickt und war schließlich schweigend aufgestanden. Jetzt ging sie unter den gespannten Blicken ihrer Schüler langsam vor dem Marmorkamin auf und ab. „Das Artefakt ist also einfach so in Ihrem Zimmer aufgetaucht, Miss Granger? Sie sind sicher, dass keiner außer den Hauselfen darin gewesen sein kann?“ Hermine bejahte. „Nun, dann gibt es nur eine logische Schlussfolgerung, da in Hogwarts nichts einfach so auftauchen kann, weder ein Mensch noch ein Gegenstand: Ein Hauself muss es hereingebracht haben. Höchstwahrscheinlich der, von dem Sie gesprochen haben. Wie war doch gleich sein Name?“ Entrüstet sah die Schulsprecherin sie an. „Dobby? Nie im Leben. Wenn es etwas Harmloses gewesen wäre, hätte er mir sagen können, warum er es mir gebracht hat, und etwas Gefährliches würde er nie und nimmer in mein Zimmer schleusen.“ Die Lehrerin kniff die Lippen etwas zusammen. „Es tut mir leid, Miss Granger, aber das ist die einzige Möglichkeit. Sie wissen so gut wie ich, dass dieser Hauself nicht einmal durch die üblichen Zauber an unsere Schule gebunden ist, und wir alle haben am bedauernswerten Fall von Kreacher erfahren, dass ein Hauself sogar in der Lage ist, seine eigene Familie zu verraten.“ Hier mischte sich Harry ein. „Nein, Professor, Sie verstehen nicht ganz. Kreacher war einfach verbittert, dass er einem Herrn dienen sollte, der seinen Vorstellungen nicht entsprach. Diese Gefahr besteht ja bei Dobby nicht. Und bestechlich ist er auch nicht, wie Sie sicher wissen, hat ihm Professor Dumbledore sehr viel mehr geboten als seinen jetzigen Lohn. Er hat abgelehnt. Hinzu kommt, dass ich ihn vor vier Jahren von seiner Familie befreit habe, die ihn schlecht behandelt hat. Er war der Diener der Malfoys und wollte unbedingt fort von ihnen, warum sollte er jetzt auf die dunkle Seite zurückkehren? Denn das ist es doch, was Sie ihm unterstellen.“ Professor McGonagall stieß energisch und langsam die Luft durch ihre Nase aus. Es dauerte einige Sekunden, bis sie antwortete. „Ich unterstelle gar nichts, Potter. Aber nun gut – also können wir im Moment nicht feststellen, wer Miss Granger dieses Monokel untergeschoben hat. Dann sollten wir es uns zuerst einmal ansehen.“ Bei diesen Worten öffnete sie die Tür und sah die vier Schüler auffordernd an. Hermine verließ das Zimmer als erstes und setzte sich an die Spitze des Zuges, der schließlich in ihr Zimmer führen sollte. Ihre Freunde folgten ihr und die Schulleiterin bildete die Nachhut, wobei sie immer noch so aussah, als sei ihr der ganze Aufruhr mehr als lästig. Im Raum der Schulsprecher angekommen, murmelte Hermine hastig das Passwort zu ihrem Schlafraum und führte die Anderen vor die Tür, die sie am Vorabend so sorgfältig verschlossen hatte. Als sie sie jetzt öffnete, richteten sich alle Augen sofort auf das mit Silber eingefasste Glas, das da so unschuldig am Waschbeckenrand glänzte. Ron sah zwar etwas amüsiert aus, weil alle so einen großen Aufstand um dieses Schmuckstück machten, hütete sich aber aus den bekannten Gründen, etwas zu sagen. Mit langen Schritten ging Professor McGonagall auf die gegenüberliegende Wand zu, nahm ihren Zauberstab aus der Tasche und tippte erst die Kette und dann das Glas an. Keine Reaktion. „Es scheint nicht gefährlich zu sein, jedenfalls, soweit ich das beurteilen kann.“ Befand sie schließlich. „Allerdings kann ich einen Zauber darin ausmachen, der schon sehr alt ist und von dem ich nicht sagen kann, was genau er bewirkt. Seien Sie also vorsichtig damit, Miss Granger.“ Mit ihren letzten Worten ließ sie das Monokel in Hermines Hand gleiten. „Ich?“ fragte diese ungläubig. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum etwas so offensichtlich Wertvolles ausgerechnet in ihren Besitz übergehen sollte. „Natürlich Sie.“ Entgegnete sie ungeduldig. „Schließlich hat Dobby es Ihnen gegeben, oder nicht?“ Hermines Finger schlossen sich um das Silber. „Mehr oder weniger.“ Räumte sie ein. Ihre Probleme hatten sich dadurch nur vermehrt. Nun musste sie nicht nur Harrys rätselhaftes Buch entschlüsseln, sondern auch noch herausfinden, was es mit dieser uralten Linse auf sich hatte – schließlich wäre Hermine nicht Hermine gewesen, wenn sie sich mit halben Antworten zufrieden gegeben hätte. Sie hatte eben beide Gegenstände auf ihrem Bett ausgebreitet, als es en der Tür klopfte. Ertappt fuhr die Schulsprecherin herum. „Ja?“ „Ich habe mich nur gefragt, wann du wohl endlich deine Umhänge aus unserem Gemeinschafsraum entfernen wirst, Granger. Seit die Hauselfen sie heue Morgen hergebracht haben, hättest du schließlich genug Zeit gehabt, sie wegzuräumen.“ Hermine verdrehte die Augen. Allerdings konnte sie es sich nicht leisten, Malfoy noch ungehaltener zu machen, als er sowieso schon war. Sie hatte zwar die Aufgabe, ihn zu überwachen, aber ebenso auch den Verdacht, dass er sie genauso beobachtete. Und je mehr Gründe sie ihm gab, sie zu verabscheuen, desto erfinderischer würde er werden, wenn es darum ging, vielleicht in ihr Zimmer einzubrechen und es zu durchsuchen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn er das Buch entdecken und vielleicht vor ihr entschlüsseln würde. Das würde seinen Vater auf einen Schlag davon überzeugen, dass sein Sohn doch einen brauchbaren Todesser abgeben würde – und das einzige, was schlimmer war als ein Feind in den eigenen Reihen, war der selbe Feind mit Unterstützung von außen. Also machte sich Hermine widerwillig daran, ihre frisch gewaschenen Kleider aufzuräumen. Als sie mit einem Stapel Umhänge auf dem Arm zurück ins Zimmer kam, sah sie Krummbein auf ihrem Bett sitzen und mit irgendetwas spielen. Erst auf den zweiten Blick wurde ihr klar, dass es das Monokel war. „Krummbein! Lass das sofort bleiben!“ Schnell legte Hermine ihre Umhänge auf dem nächstbesten Stuhl ab und sprang zum Bett, um ihren Kater zu verjagen. Völlig verschreckt von der heftigen Reaktion seines Frauchens, ließ dieser sein Spielzeug fallen und versteckte sich unter dem Schrank. Hermine fluchte. „Du bist wirklich-“ Mitten im Satz hielt sie inne und beugte sich über das aufgeschlagene Buch, auf dessen Seiten das Monokel zum liegen gekommen war. Am Rand unter der Linse, wo sie bisher nur gelbliches Pergament hatte entdecken können, schimmerten jetzt auf einmal uralte, fast verblichene Buchstaben. Die Worte, die sie durch das Glas erkennen konnte, waren zwar verschnörkelt und gehörten zu einer Sprache, von der Hermine noch nie gehört hatte – aber es war ein Anfang. „... ein kleines Genie.“ Beendete sie verblüfft ihren Satz. Sie ging vor dem Schrank auf die Knie und begann, mit süßlicher Stimme Krummbein zu locken. „Na komm... bist ein feines Tierchen. Komm her, Krummbein...“ Dieser war zwar etwas misstrauisch, traute sich nach einigen Minuten dann aber doch wieder aus seinem Versteck hervor. Hermine nahm einen Mäusekeks aus der Schachtel, die sie ihm eigentlich hatte zu Weihnachten schenken wollen und hielt ihn ausgestreckt vor sich hin. Krummbein beschnupperte die unbekannte Süßigkeit eine Weile, kam zu dem Schluss, dass sie essbar sein musste, und begann, zufrieden darauf herumzukauen. Währenddessen begann Hermine zu lesen. Sie hatte beim Blättern schnell herausgefunden, dass nicht nur auf dieser Seite solche Notizen zu finden waren, sondern überall, wo genügend freier Platz für ein paar Wörter vorhanden war. In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, welche Katastrophe ein anderes, in schwarzes Leder gebundenes Buch einst in Hogwarts angerichtet hatte. Sie schlug die erste Seite auf und versuchte, aus den fremdartigen Wörtern einen Sinn zu erkennen. Leider musste sie bald feststellen, dass ihr das unmöglich war. Zwar ähnelten einige Worte stark den Zaubersprüchen, die sie jeden Tag verwendeten, und so hatte Hermine die Sprache bald als Latein identifiziert, aber das brachte sie auch nicht unbedingt weiter. Auf einmal bedauerte sie es, nicht eine Muggelschule besucht zu haben, anstatt nach Hogwarts zu gehen. Dort hätte sie das vermutlich gelernt. Ihre Enttäuschung dauerte nicht lange an. Wenn sie sich recht entsann, hatte Luna einmal in einem ihrer wirren Vorträge erwähnt, dass sie schon mit drei Jahren Latein gelernt hatte – um ihrem Vater dabei zu helfen, antike Ufos als solche zu identifizieren. Nun ja. Wenigstens konnte sie Latein. Also musste Hermine nur noch eine Möglichkeit finden, sie dazu zu bringen, ihr ohne viele Fragen den Text zu übersetzen. Am besten würde sie ihn abschreiben. Diese seltsamen, meistens unsichtbaren Notizen mussten Lunas Sinn für Geheimnisse alarmieren. „Schlecht geschlafen?“ Ginny hob den Kopf zu ihrer Freundin und lächelte sie mitfühlend an. Hermine ließ sich auf dem Platz neben der Rothaarigen nieder und schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil. Gar nicht geschlafen.“ Man sah ihr die lange Nacht an. Trotz einiger magische Anstrengungen hatte Hermine nicht ganz verbergen können, dass dunkle Ringe ihre Augen schmückten und sie sehr blass war. „Aber ich habe vielleicht endlich herausgefunden, was es mit Harrys Buch auf sich hat.“ Jetzt hatte sie Ginnys Neugierde geweckt. „Erzähl!“ Hermine schlang eine Schüssel Porridge herunter und schüttelte den Kopf. „Später.“ Sie hatte gesehen, dass Luna eben dabei war, die Halle zu verlassen. „Ich muss los.“ Ginny sah ihr verdutzt nach und konnte gerade noch mit ansehen, wie ihre Freundin in einem Wirbel von Schwarz und Braun in Richtung Eingangshalle verschwand. „Luna! Luuuuna!“ Hermine musste eine Weile lang rufen, bis sie erhört wurde. „Mhm?“ Mit ihrem besten, verträumten Gesichtsausdruck drehte sich die Angesprochene um. „Was gibt’s?“ „Ich muss mit dir reden.“ Flüsterte Hermine hastig und zog Luna hinter eine Rüstung. Bevor diese sich beschweren konnte, fuhr sie fort: „Du kannst doch Latein, nicht?“ Die Blonde nickte. „Ja. Klar.“ Hermine vermied es, zu fragen, warum das so klar war. Wahrscheinlich würde sie eine noch haarsträubendere Geschichte vorgesetzt bekommen als beim letzten Mal. „Würdest du mir das hier übersetzen?“ Sie wedelte mit einer Pergamentrolle vor Lunas Gesicht. „Was ist das?“ Fragte diese neugierig. „Das...“ Einen Moment lang überlegte Hermine, was sie ihr erzählen sollte, entschied sich aber für die Wahrheit. Luna würde sowieso niemand glauben, wenn sie es weitererzählen sollte. „Das hab ich in einem Buch gefunden, das Harry aus den Ferien zurück gebracht hat. Wir mhm... vermuten, dass es etwas mit den Horcruxen oder so zu tun haben könnte. Aber na ja,“ sie zuckte verlegen lächelnd die Achseln, „es hilft uns nicht viel, wenn wir es nicht lesen können.“ Luna lächelte glücklich, offensichtlich erfreut, dass jemand sie um Hilfe bat. „Kein Problem. Reicht es, wenn ich morgen fertig bin?“ Auf einmal tat sie Hermine leid. Sie hatte schon immer gewusst, dass Luna nicht grade viele Freunde hatte – und sie verstand irgendwie, warum. Aber eigentlich hatte sie es nicht verdient. „Klar. Danke, Luna!“ Für den Rest des Tages konnte sie es nicht lassen, immer wieder nach der Kette zu tasten, an dem sie sich das kostbare Ding um den Hals gelegt hatte. Während ihrer Arithmantikstunde nahm Hermine das Monokel in die Hand und spielte gedankenverloren damit herum. Ein Strahl Sonnenlich fiel durch die verstaubten Fenster und ließ das Metall aufblitzen. Hermine zuckte zusammen. Auf der Einfassung des runden Glases befand sich eine geschwungene, winzige Gravur. Sie beugte sich tiefer über ihren Schreibtisch, um sie aus größerer Nähe untersuchen zu können. Rowena Ravenclaw. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)