Kind des Schicksals von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Teil 3 ----------------- "Mum? Wo steckst du?" Sie war nicht da. Ich war seit einer Stunde wach und vor fünf Minuten aufgestanden. Normalerweise müsste sie...ich sah nochmal auf die Uhr. Es war kurz vor neun Uhr und es war Montag. Ich wusste, wo sie war. Um diese Zeit hatte der Laden bereits geöffnet und sie nähte unten, damit sie sah, wann Kundschaft kam. Ich zog schnell einen Pullover über und ging die Treppen zu unserer kleinen Schneiderei hinunter. "Mum, haben wir noch Milch?" "Nein Schatz. Hast du den Zettel auf der Anrichte nicht gelesen? Du musst noch welche kaufen. Geld liegt oben." "Na gut." Ich hatte alles andere als Lust, einkaufen zu gehen. Aber ich hatte Hunger und außerdem mochte ich die kalte, klare Luft am Morgen. Ich ging also zurück in die Wohnung, zog mich an, nahm Geld und Zettel vom Büfett im Flur und ging los zu Ottos Supermarkt. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich auf Anita Giesen stoßen würde. Ihr gehörte der Supermarkt, der nach ihrem verstorbenen Ehemann getauft worden war. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie in dem engen Geschäft lebte, denn immer, wenn ich dort einkaufte, tauchte sie dort ebenfalls auf. So auch heute. "Kimmy, Schätzelchen!", rief sie mit ihrer hohen, quietschenden Stimme und ich fiel vor Schreck fast in das Kühlregal, vor dem ich stand. Ich drehte mich um und lächelte die füllige Frau an. Ihr Make-up hatte sie besonders stark aufgetragen und um ihre enorme Körpermasse wehte wie gewöhnlich ein weites Kleid, von dem ich wusste, dass es meine Mutter gemacht hatte. "Wie geht es dir denn, mein Engelchen?", fragte sie und drückte mich an sich. Ich kämpfte mich frei und erklärte ihr, dass es sowohl meiner Mum als auch mir bestens ging. "Ist sie immer noch mit diesem Idioten zusammen?" Sie meinte natürlich Frank und nur in diesem Punkt war sie mir sympathisch. Ich erzählte, dass wir vermutlich zu Weihnachten nach Amerika flogen und die Feiertage dort verbringen würden. Anita nahm mich wieder in den Arm und führte mich zu der Süßigkeitenabteilung. Sie gab mir einen Lutscher mit den Worten: "Du tust mir so Leid, Kimmy! Du brauchst einen richtigen Vater und nicht so jemanden wie diesen Frank. Ich verstehe sowieso nicht, was deine Mutter mit so einem Kerl will, was kann er ihr denn schon bieten? Meiner Meinung nach sollte sie mal mit seiner Ex-Frau sprechen und sie fragen, warum die beiden geschieden sind. Das habe ich ihr schon oft gesagt, aber sie hört ja nicht auf mich. Vielleicht kannst du ihr das ja mal beibringen." Ich versprach es und verabschiedete mich höflich, da ich noch Brot, Wein und Gebäck holen musste. Wir hatten immer Gebäck im Laden stehen, falls die Kunden warten mussten, wenn Mum noch beschäftigt war. "Ich soll dir von Anita sagen, dass du mit Franks Ex-Frau reden sollst, weil ihr nicht zusammenpasst", rief ich, als ich unser Geschäft betrat und Mum nicht fand. Hinter dem Vorhang, der den Verkaufsraum von ihrer Arbeitsecke trennte, ertönte ihre Stimme: "Ist gut." Ich lachte, denn sie würde bestimmt nicht mit Petra Passow reden. Nach einem ausgiebigen Frühstück, das aus Cornflakes und Kakao bestand, packte ich sämtliche Bluss Kamj und Noisedeath-CDs ein und machte mich auf den Weg zu Franzi. Vorher begrüßte ich Vanessa und vergewisserte mich, dass bei ihr und Mum alles okay war. Franzi wartete bereits an ihrer Haustür auf mich. Ich sagte Sabine Hallo und richtete Grüße von meiner Mum aus, bevor wir in Franzis Zimmer gingen. Sie nahm mir die CDs ab und wir begannen damit, ihren Kleiderschrank genau unter die Lupe zu nehmen. Jedes Kleidungsstück wurde ausgiebig begutachtet und sortiert. Nach einer guten Stunde hatten wir drei Stapel: brauchbar bis perfekt, unbrauchbar und eventuell brauchbar. Den Haufen unbrauchbarer Klamotten hängte ich sofort zurück in den Schrank und wir stellten uns unsere Outfits aus dem Rest zusammen. Am Ende hatte ich für mich ein schwarzrot gestreiftes Shirt und eine Jeans ausgesucht. Franzi wollte ihre Liebe zu Noisedeath beweisen und wählte ein ärmelloses Shirt mit aufgedrucktem Bandlogo zur braunen Cordhose. Zu diesen Sachen kamen überlebenswichtige Accessoires wie Nietenbänder an Hals und Arm sowie schwarze Armbänder und Fahrradschlossketten. Wir zogen unsere absolut konzerttauglichen Outfits an und präsentierten uns Sabine. "Wollt ihr das ganze Nietenzeugs wirklich anziehen?", fragte sie mit halb hochgezogenen Augenbrauen. "Natürlich! Warum denn auch nicht?", entgegnete Franzi. "Soweit ich weiß sind spitze Gegenstände auf Konzerten nicht erlaubt. Ihr könntet ja jemanden verletzen. Die werden euch euren Schmuck abnehmen." Das hatten wir nicht bedacht und schweren Herzens strichen wir sämtliche Nieten. Unsere Stimmung war nun ein wenig getrübt, denn Nieten gehörten einfach dazu. Wir zogen unsere normalen Klamotten wieder an und setzten uns auf Franzis bequemes Bett, während My Sensation von Noisedeath aus den Lautsprechern hallte. Ich erzählte ihr, was Frau Giesen über Frank gesagt hatte und wir amüsierten uns darüber. Als beste Freundin hatte ich natürlich ihre volle Unterstützung in meinem Hass dem Lover meiner Erzeugerin gegenüber. Er war ein potenzieller Vater, aber das sollte ich zu verhindern wissen. Ich wollte ein schönes Leben haben, allerdings ging das nicht, wenn Mum dieses...diesen Mann heiratete. "Bei allem Mitgefühl, ich mag Frank ja auch nicht, aber ist es nicht unfair die Heirat verhindern zu wollen? Deine Mutter liebt ihn doch!" Ich traute meinen Ohren nicht. Hatte Franzi auf einmal Zweifel an der Idee? "Es ist schon gemein, aber sie sagt doch immer, dass sie nur mit Männern zusammen sein will, die uns beiden gefallen. Und Frank gefällt mir nicht!" "Vielleicht solltest du einfach mal zurückstecken. Ihr könnt doch nicht immer den gleichen Geschmack haben und wenn sie den Kerl doch liebt. Bestimmt ist er ganz nett, wenn du ihn näher kennst." "Du klingst genau wie meine Mutter! Jetzt lerne ich doch erstmal kennen, er ist wirklich sehr nett", äffte ich meine Mum nach. "Ich kenne ihn jetzt lange genug, um zu wissen, dass ich ihn nicht als Vater haben will! Ich verlange doch gar nicht viel! Es klickt einfach nicht. Ich muss ihn sympathisch finden, um ihn zu mögen, aber das tue ich nicht." Wir sahen uns an und dann verließ ich ohne ein weiteres Wort ihr Zimmer und das Haus. Erst als ich schon fast zuhause war, fiel mir ein, dass ich meine CDs bei Franzi vergessen hatte. Ich ärgerte mich, aber ich wusste, dass sie sie mir bald zurück bringen würde. "Kim! Kannst du mal bitte kommen!", schrie Mum, als ich den Laden betrat. Ich vermutete, dass sie mich an meiner einzigartigen Weise eine Tür zu öffnen, erkannt hatte. Ich ging zu ihr hinter den Vorhang, wo sie mit einem Maßband einen Stoff abmaß, Zahlen aufschrieb und hin und wieder zur Nähmaschine griff. "Hast du in etwa die gleiche Figur wie Theresa Bohnet?", erkundigte sie sich und schubste mich auf den Stuhl, auf dem sonst die Leute standen, von denen sie die Maße nahm. "Fast. Sie setzt leichter Fett an der Hüfte an", erklärte ich, nicht ohne ein bisschen Genugtuung. "Deine beste Freundin Theresa war gerade mit ihrer Mutter da, um deren Kleid abzuholen. Der hat es so gut gefallen, dass sie gleich eines für ihre Tochter wollte. Ich muss das jetzt an dir ausprobieren." Ich ließ die Tortur einmal mehr über mich ergehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)